Juli 2023

Weinleidenschaft im Passion du Vin

Immer mehr treten für mich kleinere, spontane Proben wie diese hier bei unseren Freunden Tanja und Michael an die Stelle großer, kommerzieller Verkostungen, wo sich dann für viel Geld bis zu 20 Leute große Weine in kleinen Schlucken teilen.

Unsere aktuelle Sause im Passion du Vin begann diesmal mit einem Ausnahmewein, einem 1947 Soirée Tafelwein Algier. Unglaublich, wie stimmig und elegant dieser noch sehr gut trinkbare Wein war. Am Tisch hieß es, blind im Passion du Vin ausgeschenkt, gut gereifter Bordeaux aus vor 1970. Frucht hatte er noch, aber keinen Korken (lag am Flaschenboden). Gut, dass die Kapsel dichtgehalten hatte. WT90 kamen da locker ins Glas. Die tiefdunklen, kräftigen Weine aus Algerien wurden in der damaligen Zeit häufiger zum Aufhübschen vor allem schwachbrüstiger Burgunder genutzt. Jetzt wissen wir, warum.

Die Qualität moderner, südafrikanischer Weine ist kein Zufall. Schon in den 70er Jahren wurden dort großartige, sehr gut alternde Weine erzeugt. In Europa und speziell in Deutschland landeten sie häufig (viel zu) preiswert in Supermärkten. So tauchen solche Weine immer noch mal aus Omas oder Opas Keller auf Auktionen auf, meist als Schnäppchen. Da habe ich schon immer gerne zugeschlagen. Der Cindy´s Reserve Cabernet Sauvignon von der Stellenbosch Farmer´s Winery mit dem modernen, Mouton-ähnlichen Etikett war schon 2014 einfach nur dekadent lecker, füllig, üppig mit pflaumiger Frucht, der Pomerol aus SA - WT93. Zuletzt jetzt hier 2023 immer noch so frisch, animierend mit feiner Kirsche und guter Säure – WT92.

Sehr beeindruckt hat mich 2016, wo ich zum Ende der Primeurkampagne mit meinem Freund Yves Beck die großen Chateaus des Rechten Ufers besuchte, das eher etwas unbekanntere Chateau Pressac. So konnte ich nicht wiederstehen, als ich vor ein paar Jahren auf Ebay diesen 1961 Chateau Pressac fand. Der zeigte sich jetzt hier an diesem Abend kräftig mit fast altersfreier Farbe, sehr elegant mit animierender Säure und schöner Abgang, einfach gut gereifter St. Emilion und klassischer 61er - WT94. Eigentlich kein Zufall, denn im großen Jahr 1961 „wo selbst der dümmste Winzer nicht umhin kam, guten Wein zu machen“(so mein Freund Jan Eric Paulson) machten dann halt die guten Winzer sehr gute Weine.

Traumhaft balanciert und doch so druckvoll zeigte sich danach der 1985 Leoville las Cases, ein Klassiker, der noch zulegt - WT96. Ich liebe diese schier unsterblich schönen 85er aus Bordeaux, deren Bestände allerdings auch in meinem Keller langsam zur Neige gehen.

Absolut giGantisch und nach verschlossenerer Phase wieder offener, eine Art Essenz von Gantenbein, mächtig, kräftig, röstig, auch etwas wild und verrückt, und doch gleichzeitig so fein und elegant, war der 2013 Gantenbein Pinot Noir, ein am Gaumen kaum endender Pinot Traum mit noch gewaltiger Zukunft – WT97+. Die Gantenbeins hatten damals durch Verrieselung der Blüte nur eine kleine Erntemenge. Da die Reben aber ihre ganze Kraft in die wenigen, verbliebenen Trauben steckten, entstanden großartige, konzentrierte Weine mit Legenden Potential.

Der 1997 Philip Togni Cabernet Sauvignon, leider meine letzte Flasche, war noch so unglaublich frisch mit traumhafter, nicht überladener Frucht, perfekte Struktur, enorm druckvoll, dicht und sehr lang am Gaumen, immer noch mit perfekter Tannin- und Säurestruktur, einfach ein Gigant – WT97. Nur wenige Weine aus dem üppigen Kalifornien Jahrgang 1997 zeigen jetzt noch diese Klasse und Frische. Aber die Togni Weine sind einfach eine Bank.

Ein absoluter Traum war der 1990 La Mission Haut Brion, der sich als etwas reifere, zugänglichere Version des perfekten, aber derzeit etwas verschlossenen 1989er präsentierte und dem immer mehr auf die Pelle rückt – WT99. Zum jetzt und in den nächsten Jahren würde ich diesen 90er dem 89er vorziehen.

Der 2007 Heitz Martha´s Vineyard war immer noch so jung und enorm kräftig mit ausdrucksstarker, geradezu etwas wilder Aromatik, purer Kirschfrucht mit viel Minze und auch etwas Eukalyptus, so dicht und körperreich mit viel Spannung war das mit Eleganz und Balance ein Wein, der alle Sinne berührte. Dürfte mit seinem stabilen Tanningerüst mindestens zwanzig weitere Jahre gut altern und auch noch zulegen - WT96+.