Der Alleinunterhalter

Ein traumhaft schöner Sommerabend war das eigentlich. Wir saßen im schmucken Fährhaus in Munkmarsch auf Sylt, wo Alexandro Pape ganz groß aufkocht. Herrlicher Blick über das Wattenmeer, großes Menü, feine Weine. Nur war er leider auch da, er, der Alleinunterhalter. Mittendrin thronte er. Bei ihm seine arme Gattin, die dieselbe Platte wahrscheinlich häufiger ertragen muss und ein älteres Ehepaar, das sich nicht wehren konnte, wohl die Schwiegereltern des Alleinunterhalters. Triefend vor Selbstzufriedenheit und mit sonorer, sehr lauter Stimme beschallte er das Restaurant und zwang uns allen förmlich seine Message auf. Da konnte man gar nicht weghören, selbst wenn man wollte(und wir wollten gerne!). So erfuhren wir dann all die Dinge, die uns gar nicht interessierten. Dass er in der Schweiz lebt und dass es dort kein anständiges Brot gibt, wo er als nächstes hinfährt, warum er am Vorabend bei Johannes King im Sölring Hof sehr enttäuscht war und dass er jetzt an den Michelin schreiben wird, damit die Bewertung geändert wird, dass der Rotwein seines Tisches kurz vor seiner amerikanischen Ranch angebaut wird und so weiter. An den anderen Gästen, die meist betreten schwiegen, störte sich der Alleinunterhalter nicht. Wohl aber an der recht dezenten Hintergrundmusik, die ohnehin nicht gegen ihn ankam. So kam erst ein langatmiger Vortrag an seinem Tisch und natürlich auch für den Rest des Restaurants, dass Hintergrundmusik in einem Sternerestaurant nichts zu suchen habe. Schließlich sei man ja hier um in Ruhe zu genießen und sich zu unterhalten. Hatte der Kerl von Ruhe gesprochen? Er forderte doch tatsächlich die Restaurantchefin auf, die Musik zumindest deutlich leiser zu drehen. So konnten wir dann seinen Worten noch besser lauschen. Und erfuhren dann irgendwann auch, dass sein Bruder jetzt wohl im Puff sei. Aber das vornehm sein und vornehm tun zwei verschiedene Paar Schuhe sind, wussten wir auch vorher schon.

So ärgerlich das alles war, Alexandro Papes kreative Kreationen konnten voll überzeugen. Üppig bestückt die sehr umfangreiche Weinkarte. Klar, bei Bordeaux und Burgund fängt sie erst da an, wo die von Jörg Müller aufhört. Aber es gibt dafür jede Menge junger und auch preislich interessanter Weine aus allen Teilen der Welt. Mit goldgelber Farbe kam ein 2002 Meridio Merlot Bianco der Cantina Kopp von der Krone aus dem Tessin in unser Glas. Ein sehr kräftiger Wein mit verhaltener, blumiger Nase, massiver Holzeinsatz, sehr lang am Gaumen mit feinem Bitterton, insgesamt mehr Kraft als Finesse 88/100. Als Rotwein entschieden wir uns für einen 1999 Côte Rotie La Landonne von Jean Michel Gerin. Der wirkte insgesamt noch sehr jung und kam mit sehr dichter, tintiger Farbe ins Glas. Er hatte den Blutgeschmack junger La Landonnes, wie ein halbrohes Steak, und war der Guigal-Variante nicht unähnlich, wenn auch nicht ganz so rustikal und vor allem auch deutlich preiswerter. Rauchig, mineralisch, etwas Teer, dunkle Früchte, aber auch zu lang gezogener, schwarzer Tee. Baute im Glas sehr schön aus und wurde weicher und gefälliger mit langem Abgang. War aber doch etwas im Zwischenstadium und schrie förmlich nach ein paar weiteren Jahren Lagerung. Das ist eben die Krux bei solchen Restaurant-Karten. Da kommen zwar immerhin beachtliche 92/100 ins Glas. In fünf Jahren aber, wenn der Wein reifer und wieder offener ist und sicher einen 94+/100 Genuß bringen könnte, gibt es ihn nicht mehr. Als Abschluß genehmigten wir uns noch einen 2004 Essinger Rossberg Gewürztraminer BA vom Weingut Frey aus der Pfalz. Traumhaft würzige Honignase, auch am Gaumen sehr würzig, erinnerte an eine Lebkuchenmischung, perfekt balanciert mit guter Säure 93/100. Das auf Süßweine spezialisierte Weingut Frey ist (noch) relativ unbekannt und mit seinem hervorragenden Preis-/Leistungsverhältnis ein echter Geheimtipp.

Sehr gut gefallen hat es uns im Fährhaus. Wir werden wiederkommen, hoffentlich ohne Alleinunterhalter. Sollte der dann allerdings beim nächsten Mal im Duett mit der parfümierten Bauernnutte auftreten, das wäre schon der Gau.