Wineterminator denkt über 2004 nach

Parker und die anderen Kaffeesatzleser haben ihre Urteile gesprochen. Umfangreiche Bewertungen der noch unfertigen 2004er liegen vor und sind meist frei oder gegen geringe Gebühr verfügbar. Wer wie ich nicht selbst in Bordeaux war, der ist auf das Urteil anderer angewiesen. Hier gilt in jedem Fall: mindestens drei verschiedene Quellen nutzen und vergleichen! Dabei bitte nicht nur auf die Note schielen, sondern unbedingt auch die jeweiligen Texte lesen.
Einen guten Überblick über das Primeurgeschehen und die unterschiedlichen Bewertungen bietet planet bordeaux. Das Weinblog des Fachautoren Mario Scheuermann ist sehr kritisch und unterhaltsam geschrieben.

2004 war ein guter, aber kein großer Jahrgang. In Bordeaux wurden riesige Mengen brauchbarer Weine erzeugt. Auf den Chateaus und im Weinhandel lagern noch größere Mengen der Jahrgänge 1998, 1999, 2001 und 2002. Das wirtschaftliche Umfeld in Europa ist nicht gut. Der Dollar steht gegenüber dem Euro zu niedrig und das verprellt internationale Käufer.
Keine guten Vorzeichen also. Natürlich haben die Bordelaiser ihre Preise gesenkt, zumindest gegenüber den exorbitant teuren 2003ern. Nur sind die Preissenkungen, die von Chateau zu Chateau stark variieren, nicht so hoch ausgefallen, dass man von Schnäppchen sprechen kann. Spekulanten seien deshalb dringend vor 2004 gewarnt. Der Jahrgang hat kein Potential für größere, spätere Wertsteigerungen. Hier sollte man ausschließlich kaufen, was man später selbst trinken möchte.

Da stellt sich also die Frage: 2004 subskribieren und wenn ja was?

Sie sind über 50 und ihr Keller ist gut gefüllt.
Lassen Sie s. Bis auf ein paar ganz gezielte Ausnahmen, z.B. zur Vervollständigung einer Mouton oder Petrus-Sammlung, sollten Sie von diesem Jahrgang fernbleiben. Investieren Sie für den eigenen Genuß lieber in trinkreife Weine guter Jahrgänge. Und selbst, wenn Sie für die Enkel kaufen die freuen sich sicher in 30 oder 40 Jahren über Weine aus großen Jahren wie 2000 und 2003, nicht aber über 2004er. Letztere landen spätestens dann auf der nächsten Auktion.

Sie sind unter 50, haben aber bereits einen gut gefüllten Keller.
Kaufen Sie gezielt und verhalten nur die Weine, bei denen die Gefahr besteht, dass Sie später teurer oder nicht mehr zu bekommen sind. Dazu gehören die Premier Grand Crus und rare Sammlerweine wie Petrus, Lafleur, Le Pin, Cheval Blanc und Pavie. In jedem Fall auch von allen Chateaus, die Sie interessieren, Sonderformate wie Großflaschen von der Magnum bis zur Impi und natürlich die sonst immer gerade von besseren Chateaus schwer zu bekommenden halben Flaschen.

Sie steigen ein und befinden sich in der Phase des Kelleraufbaus.
Dann können Sie natürlich etwas mehr kaufen, sollten sich aber auch hier auf die begehrteren Weine beschränken, die von allen Autoren gleichermaßen gut bewertet werden. Alle anderen Weine gibt es später wahrscheinlich noch zu ähnlichen, wenn nicht sogar niedrigeren Preisen in großer Menge. Warten Sie ansonsten bis zu den Ankunftsproben in 2 Jahren, probieren die Sie interessierenden Weine selbst und entscheiden sich dann.

Und was macht der Wineterminator selbst? Ich lese statt der Subskriptionsofferten lieber Auktionskataloge. Gezielt kaufe ich nicht nur alte Weine, sondern z. B. auch 2000er nach. Gerade aus 2000, einem der ganz großen Bordeaux-Jahre, lassen sich im Preisbereich zwischen 30 und 40 Euro immer noch traumhafte Weine finden, die vom reinen Trinkgenuß her sicher fast alle 2004er in die Büsche schlagen werden. Interessant sind vor allem solche Weine, die bei der Primeurverkostung nicht so gut abschnitten, sich aber später deutlich besser entwickelten. Gute Beispiele hierfür sind Beychevelle und Giscours.