1994 Bordeaux in der Braui

Was sagt das über den Jahrgang aus, wenn auf den ersten beiden Plätzen die Piraten landen? Bordeaux 1994 gehörte noch nie zu meinen Favoriten. Und trotzdem hat diese Probe, von zwei Schweizer Weinfreunden bei Küchengott Werni Tobler in der Hochdorfer Braui ausgerichtet, sehr viel Spaß gemacht. Dazu trug vor allem die schöne Runde mit den ausgesprochen sympathischen Schweizer Weinnasen bei.

Gelungener Apero war eine 1994 Saarburger Rausch Spätlese von Zilliken aus der Magnum, fruchtige Nase mit Bienenwachs, gute Säure, immer noch so frisch, dabei eher halbtrocken in der Anmutung und natürlich mit dem sehr angenehm niedrigen Alkohol derartiger Weine 92/100.

Eher nach Arbeit mutete der erste Flight an, wie alle anderen blind ausgeschenkt, verkostet und bewertet, und erst dann aufgedeckt. Eine schöne, röstige Nase mit Kaffee und Schokolade, aber auch Paprika, hatte der 1994 Cos d Estournel, etwas anstrengend und freudlos am Gaumen 89/100. Der 1994 Montrose stank wie alte Marathonsocken, war grün und anstrengend am Gaumen mit harschen Tanninen 83/100. Viel Luft brauchte der 1994 Phelan Ségur um wenigstens eine schöne Nase zu entwickeln, am Gaumen sperrig wirkend mit immer noch deutlichen Tanninen 86/100. Zu mindest zu Anfang recht seltsam der Pirat, ein 1994 Caymus Special Select, den ich erheblich besser kenne. Der roch zu Anfang wie Diesel von der Tankstelle, was sich mit der Zeit aber deutlich besserte, feine Johannisbeerfrucht mit schöner Fruchtsüße, wirkte aber insgesamt eher wie der eigne Zweitwein. Aus anfänglichen 90/100 wurden mit der Zeit aber immerhin noch 93/100.

Sollte es im zweiten Flight mit vier Weinen aus St. Julien jetzt deutlich besser werden? Geradezu euphorisch stimmte der erste Schluck des 1994 Ducru Beaucaillou mit Dichte, Kraft, Fülle und deutlichem Tanningerüst. Auf dem Niveau wären 93/100 fällig gewesen, doch der Ducru entwickelte sich nicht im Glas, er baute rasch ab, wurde dünn und wässrig, ein völlig anderer Wein nach 30 Minuten, für den allenfalls noch Kopfschütteln und gnädige 88/100 blieben. Eher einfach gestrickt und recht dünn auch der 1994 Gruaud Larose, in der Nase etwas roter Curry, am Gaumen süße Frucht, aber auch grüne Tannine 89/100. Minzig, aber auch etwas medizinal in der Nase der 1994 Leoville Barton, baute gut im Glas aus und wurde runder und gefälliger 90/100. Eindeutiger Sieger dieses Flights der 1994 Leoville Poyferré, Schokonase Mokka, am Gaumen wunderbare Fucht, Fülle und feiner Schmelz 92/100.

1994 Mouton Rothschild hatte Kraft, Fülle, Frucht und Schmelz, brach aber am Gaumen ab und war recht kurz im Abgang, ich kenne diesen Wein deutlich besser 91/100. Erstaunlich zugänglich und sehr gut zu trinken der 1994 Latour, weich, gefällig, röstige Nase mit Tabak, Schoko und Leder, druckvolle Aromatik am Gaumen 94/100. Könnte sich noch lange auf diesem Niveau halten und ist eine gute Gelegenheit, mal einen gereiften Latour zu noch halbwegs vertretbaren Konditionen trinken zu können. Für mich persönlich war das der schönste Bordeaux der Probe. Anstrengend die Nase der 1994 Pichon Comtesse, die sich immer mehr zu einem ausgewachsenen Kork entwickelte. Schade für den fruchtigen, süßen, schmelzigen Gaumen. Wäre sonst mit 91/100 eine der besseren Flaschen dieses Chateaus. Noch deutlicher hätte der Pirat, 1994 Dominus, die anderen Weine in den Schatten gestellt, wenn man ihm etwas mehr als 1 Stunde in der Karaffe gegönnt hätte. Ein Riese in bester Bordeaux-Stilistik, der nur ansatzweise zeigen konnte,was er drauf hat 96+/100.

Erstaunlich gut trinkbar mit schöner Frucht war der kräftige 1994 Clerc Milon. Eigentlich war er für diese Probe nicht vorgesehen, aber er sollte Eingeweihten zeigen, was für ein Zeugs eine besimmte, namentlich nicht genannte, aber wohl allseits bekannte Person so auf Best Bottles anschleppt. Ein feiner, generöser, fruchtiger, sehr gut zu trinkender Schmeichler mit viel Tabak und Leder war 1994 Lynch Bages 92/100. Erstaunlich füllig, kräftig, aromatisch, zugänglich und lang zeigte sich 1994 Pichon Baron, der allgemein am Tisch sehr viel Anklang fand und als bester Bordeaux der Probe den dritten Platz des Gesamtklassements erklomm, mit reifer, dunkler Frucht, Zedernholz, mineralisch. Aus dieser Flasche einfach "rund" und absolut stimmig 94/100. Vielleicht nur eine positive Ausreißerflasche. Sehr dicht die Farbe des 1994 Lafite Rothschild. Das war zwar keine 1er Cru Qualität, aber ein sehr gut zu trinkender Wein, der mit den Jahren noch etwas zulegen könnte. Aus dieser Flasche zumindest deutlich offener als die ruppige Doppelmagnum auf René Gabriels großer Lafite-Probe 91/100. Star des Flights war aber mal wieder ein Pirat, diesmal der einfache 1994 Caymus, eine dekadent leckere, geile kalifornische Weinnutte, die perfekt die Rolle eines Special Select spielte, der in dieser Flasche auch drin gewesen sein muss 97/100.

Sehr schön und vielversprechend die Nase des 1994 Gazin mit Röstaromen ohne Ende, mit viel Kaffee, Mokka und Schokolade, der Gaumen kam da leider nicht ganz mit 91/100. Trotzdem reichte es zum Gruppensieg, denn alle anderen Weine hatten eine Macke. Ziemlich mickrig und nichtssagend auf hohe Niveau der 1994 Palmer 86/100. Wir vermuteten bei diesem Wein einen schleichenden Kork. Einen richtigen, üblen Kork hatte 1994 Haut Brion. Jammerschade, denn das ist zwar kein großer, aber ein sehr gut trinkbarer, zugänglicher 94er mit der klassischen Cigarbox-Aromatik, der gut und gerne 93/100 ins Glas bringt. Und auch der 1994 Pahlmeyer Merlot musste irgendeine Macke haben, denn so schlecht konnte der eigentlich nicht sein. Nur die sehr dichte Farbe stimmte, der Rest war frucht- und freudlos, grün, sperrige, harsche Tannine, viel Säure, da stimmte irgendetwas nicht - 87/100.

Harte Kost auf hohem Niveau der 1994 Cheval Blanc, ziemlich freudlos und geradezu bockig ohne den Charme, den dieser Wein sonst versprüht 90/100. Ein heftiger Kork leider bei 1994 Angelus, der sonst zu den besseren 94ern gehört. Ein harter, anstrengender Knochen, frucht- und freudlos mit hoher Säure 1994 Figeac 85/100.Versöhnlicher Abschluss der noch sehr junge, ausgesprochen kräftige 1994 Valandraud, bei dem schon die sehr dichte Farbe zeigt, dass da über die Jahre noch mehr zu erwarten ist. Macht aber heute mit verschwenderischer, schokoladiger Süße und enormem, aromatischem Druck am Gaumen schon enormen Spaß und hat sich über die letzten Jahre mächtig weiterentwickelt 93+/100.

Platz eins für den Caymus, Platz zwei für den Dominus und mit Pichon Baron der erste Bordeaux auf dem dritten Platz, das spricht eine deutliche Sprache. In Kalifornien war 1994 ein genialer Jahrgang, in Bordeaux nicht. Natürlich gibt es aus diesem Jahrgang auch sehr schön zu trinkende Bordeaux, aber sie sind die Ausnahme, nicht die Regel. Und die Zukunft? Ein 88er Wunder wird es bei den 94ern nicht geben. Dazu sind die Tannine zu harsch und zu grün. Viele Weine werden deshalb eher austrocknen. 1994 gehört getrunken, auch wenn es nicht immer Spaß macht. Und wer das Glück hat, einen 94er im selben, genialen Stadium zu erwischen wie wir beim Pichon Baron, der sollte nicht lange fackeln. Die Kiste gehört zügig leer gemacht.