50 Jahrgänge Cheval Blanc

So schnell dürfte diese einmalige Probe nicht wiederholbar sein. 50 Jahrgänge Cheval Blanc, alle aus gut erhaltenen, über Jahrzehnte gesammelten, absolut authentischen Flaschen. Kein Wunder, dass dieses begehrte Event schon seit fast 2 Jahren ausgebucht war.

Erst Lait Blanc, dann Cheval Blanc

Erst Lait Blanc, dann Cheval Blanc

Zum Apero trafen wir uns in der Halle des alterwürdigen, 2004 in klassischem Stil wieder auferstandenen Hotel Troi Rois in Basel. Einen famosen 1987 Fieuzal Blanc hatten wir im Glas. Jetzt nach über 20 Jahren immer noch erstaunlich frisch, nussig, mit Vanillenoten und feinem Schmelz, perfekte Einstimmung auf die großen Dinge, die da kommen sollten 90/100. Fieuzal hatte mit dem weißen 85er erstmals für Aufsehen gesorgt und seitdem eine ganze Reihe großartiger, bezahlbarer weißer Pessacs produziert. Ich habe damals vom 87er 36 Flaschen gekauft, von denen ich die letzte 1997 getrunken habe. Eigentlich schade, denn dieser fast zeitlos schöne Wein scheint durchaus noch Potential für weitere 10 Jahre zu haben.

Grausen musste es den unbedarften Betrachter bei der Liste der Jahrgänge unseres ersten Probenflights, doch echte Cheval Blanc Fans lehnten sich da ganz entspannt zurück. Selbst in kleinsten Jahren hat Cheval Blanc früher interessante Weine produziert. Es gehört mit Petrus, Latour, Haut Brion und La Mission zu der Handvoll Chateaus, bei der große Vertikalproben immer noch ein weitgehend ungetrübter Genuss sind.

So war es denn auch kein Wunder, dass gleich der erste Wein, ein 1951 Cheval Blanc aus diesem unterirdischen Jahrgang immer noch erstaunlich gut trinkbar war. Immer noch intakt die nur leicht bräunliche Farbe, wirkte wie eine Cuvée aus altem Rioja und Hustensaft, recht ätherisch, Liebstöckel und Salmiakgeist mit leichter Schärfe. Baute im Glas nicht ab, sondern entwickelte sich sogar 81/100. In 1951 Geborene sollten nach Cheval Blanc Ausschau halten. Schließlich war unsere hs"-Flasche nicht einmal perfekt. Davon eine gut gelagerte Magnum wäre sicher kein Fehler. Das gilt auch für 1954 Cheval Blanc, der dem 51er in Anmutung und Aromatik sehr ähnlich war und fast als sein Zwilling durchging. Brachte zusätzlich etwas Schoko und wurde jodiger und grüner. Nach einem kurzen Durchhänger fing sich dieser Wein wieder und blieb im Glas stabil 80/100. Von der Nase her hätte man 1958 Cheval Blanc auch für eine gut gereifte, ältere weiße Auslese halten können, reife Birne mit etwas Nougat, durchaus spannend. Am Gaumen weniger interessant und ziemlich kurz, aber ebenfalls noch gut trinkbar 79/100. Der dünnste, leichtgewichtigste der vier Weine aus den Unjahren war 1960 Cheval Blanc, dessen helle Farbe einen deutlichen Wasserrand zeigte. Doch auch dieser etwas lakritzig wirkende Wein war gut trinkbar und hielt sich stabil im Glas 78/100. Natürlich kann man jetzt einwenden, dass solche Weine einfach viel zu teuer sind, wo es doch bei Aldi schon für unter € 5 Weine mit mehr Frucht, mehr Power und mehr Alkohol gibt. Aber so, wie ein billiger IKEA-Sessel sicherlich für dramatisch weniger Geld mehr Sitzkomfort bietet, als ein gepflegtes Louis XV-Möbel, muss man eben diese Chevals als wertvolle Antiquitäten betrachten und als Zeitzeugen. Da sieht die Rechnung dann schon wieder ganz anders aus.
Die dunkelste Farbe des Flights hatte 1962 Cheval Blanc, dazu dunkle Beeren, dunkle Schokolade und den Bleistift von Mouton. Leider ging diesem etwas eckig und rustikal wirkenden Wein aber der Charme von Cheval Blanc völlig ab 84/100. Fehlerhaft war ausgerechnet 1964 Cheval Blanc, den ich nur mit großem Bedauern wegschütten konnte. Schade, denn in guten Flaschen, von denen ich neben ein paar Ausreißern schon ein gutes Dutzend hatte, ist das zusammen mit Petrus der Wein des Jahrgangs. Hatte ich schon mit bis zu 97/100(Cheval-Probe 2006) im Glas. Ja und dann war da noch der Tischwein, ein 1976 Cheval Blanc aus der Jeroboam. Da half leider nicht mal der Großflaschenbonus. Paprika aus dem Staubsaugerbeutel, grün, muffig und unreif 78/100.

Sehr schön und nachhaltig im nächsten Flight 1966 Cheval Blanc, einfach ein rundes, fülliges Prachtstück, dessen leicht süße Nase wieder an Coca Cola erinnerte. Sehr fein und würzig, wurde immer weihnachtlicher. So hatten wir dann bald einen großen Lebkuchenteller im Glas 93/100. Aus den 60ern ist das neben 64 und natürlich 61 der Jahrgang, den ich heute jederzeit nachkaufen würde. Deutlich weniger konnte ich mit 1967 Cheval Blanc anfangen. Der erinnerte doch stark an den misslungenen Tischwein und war ebenfalls unreif, muffig mit viel Paprika 78/100. In 68 scheint Cheval Blanc keinen Wein gemacht zu haben. Stattdessen hat man sich wohl den 1968 Cheval Blanc als Spezialversion von Fernet Branca abfüllen lassen, wobei ich dem Original deutlich den Vorzug gebe. Das hier war kräuterige, bittere Medizin und harte Kost 76/100. Wir waren jetzt mitten in der bis Ende der 70er währenden Zeit, in der auch die Bordelaiser den Verlockungen der Agrarindustrie folgten und Kunstdünger auf die Weinberge kippten. Von Erntemengen-Begrenzung hielt man wenig, und das miserable Wetter tat seinen Teil dazu. Rudi Carell sang in Deutschland "Wann wird s mal wieder richtig Sommer" und nicht nur Weintrinker konnten das voll nachvollziehen. So war denn auch beim sehr dünnen, muffigen 1974 Cheval Blanc der Stinker in der Nase das einzige Highlight 70/100. Ebenfalls ziemlich dünn und nichtssagend auch 1977 Cheval Blanc 75/100. Den 1978 Cheval Blanc rettete nur ein immer stärker werdender Kork vor der Blamage. Immerhin habe ich diesen Wein aus einem der besseren Jahrgänge der 70er früher schon mehrfach mit bis zu 90/100 im Glas gehabt.

Weiter ging es mit sechs Weinen aus der Magnum. Vom 1969 Cheval Blanc hätte mir sicher auch die 1tel gereicht. Ein eher kleiner Wein aus in Bordeaux miserablem Jahrgang, nicht ohne Charme, aber doch mit der eher seltsamen Aromatik einer alten Ledertasche voller Mottenkugeln, trotzdem trinkbar 82/100. Ein klassischer 70er dann 1970 Cheval Blanc. Gut trinkbar mit feiner malziger Süße, aber auch sehr kompakt, viel Knochen und wenig Fleisch 88/100. Mit heutiger Kellertechnik und Weinbergs-Arbeit wären dort wie bei praktisch allen Weinen dieser Periode sicher jeweils gut 5 Punkte mehr ins Glas gekommen. Und dann das erste Highlight und sicher der schönste Wein des ersten Abends, 1983 Cheval Blanc. Aus dieser perfekten Magnum war das ein irres, kräuteriges Konzentrat mit hoher Lafleur-Affinität, ein noch sehr junger Langstreckenläufer mit großartiger Zukunft, der aber bereits eine gewaltige Aromendichte zeigt und viel Länge am Gaumen 97/100. In reiferen 1teln ist das jetzt schon ein seidig-eleganter Traum mit portigen Noten auf ähnlichem Niveau. Sicherlich in allen Flaschengrößen ein deutlich besserer Kauf als der 82er und einer von Wineterminators Lieblingsweinen. 1986 Cheval Blanc wirkte auf hohem Niveau etwas unreif mit viel Paprika und auch laktischen Noten. Braucht, zumal aus der Magnum, viel Zeit und Luft. Ein dichter, konzentrierter Wein von dem ich aber nicht glaube, dass er noch zulegen wird 92/100. Ich habe den 86er seit den Arrivage-Proben, in denen er klar hinter 1986 l Arrosée lag, verfolgt und sowohl ähnlich tanninig als auch schon sehr offen erlebt, aber nie auf höherem Niveau. Anders mag das bei 1988 Cheval Blanc aussehen. Der hatte zwar eine schöne, aromatische Fülle, aber auch massive, astringierende Tannine und eine hohe Säure, durch die er etwas eckig wirkte 90/100. Ich meine, dass das 88er Wunder auch hier einsetzten und der Wein in 5-10 Jahren auf 93 oder vielleicht sogar 94/100 zulegen wird. Anders der 1994 Cheval Blanc. Das ist ein eckiger, rustikaler Kraftprotz ohne jeden Charme und leider ohne die nötige Substanz und das nötige Fett, um nach Abschmelzen der harschen Tannine einmal groß zu werden 89/100. Also ein typischer Vertreter dieses enttäuschenden Jahrgangs, dessen Weine eher austrocknen werden, als aufzublühen, ein Cheval Blanc, den niemand braucht.

Der Zahn der Zeit nagt inzwischen leicht an 1971 Cheval Blanc. Ein sehr feiner, seidig-eleganter Vertreter seiner Art mit kräuterig-animalischer Aromatik. Am weichen Gaumen auch schokoladig 89/100. Habe ich schon deutlich besser im Glas gehabt und würde ich nur noch in perfekt gelagerten Großflaschen kaufen. Selbst das große Format würde aber bei 1980 Cheval Blanc nichts helfen. Der war nie was und wird auch nichts mehr. Altfassnoten, leicht faulig, einfach nur anstrengend 81/100. Ja, kam denn der 1984 Cheval Blanc aus der Dose statt aus der Flasche? Grasig-grüne Noten, gemüsig und mit deutlich metallischem Ton, dazu mit kräftiger Bitternote. Trank sich trotzdem für den sehr schwierigen Jahrgang noch erstaunlich gut und dürfte noch genügend Standvermögen für etliche Jahre haben 82/100.
Sehr interessant der Vergleich der beiden nächsten Weine. 1995 Cheval Blanc ist ein erotischer Wein. Einfach betörend, offen, elegant und finessig. Sehr süß, zugänglich üppig und füllig, so ein richtiges Schmuseteil für den Gaumen zum jetzt trinken in großen Schlucken 94/100. Nur Zukunft hat dieser Wein wenig, da ihm einfach Struktur und Rückrat fehlen. Da wurde wohl seinerzeit geerntet, was der Weinberg hergab. Längst nicht so sexy 1996 Cheval Blanc. Der hatte zwar die schönere Nase mit dem klassischen Cheval Blanc-Parfüm, wirkte aber deutlich kraftvoller und dadurch auch etwas zurückhaltender, sicher der Wein mit der deutlich größeren Zukunft 93+/100. Für die Einlagerung im eigenen Keller würde ich immer den 96er nehmen, im Restaurant, sofern überhaupt bezahlbar, stattdessen den 95er. Einen Bogen würde ich aber in jedem Fall um 1997 Cheval Blanc machen. Zuviel Holz, zu wenig Frucht und eine irritierende, erdige Note. Haben die damals in Ermangelung reifer Trauben die Erde zwischen den Stöcken zur Vinifizierung mitgenutzt? Ganz schön dünn dieses Zeugs, das damals in der Subskription ahnungslosen Weinkäufern angedreht wurde wie Derivate von Lehmann Brothers 86/100 mit weiter fallender Tendenz.

Blieben noch zwei weitere, außergewöhnliche Weine des ersten Abends nachzutragen. Zweiter Tischwein war ein 1999 Valandraud aus der Imperiale. Sehr ruhig ist es um diesen einstmals so hoch gelobten Garagenwein geworden. Eigentlich zu Unrecht, denn was hier mit gehörigem Großflaschenbonus ins Glas floss, das war schlichtweg die Droge pur. Satte Frucht, satte Schoggi, satter Kaffee, satte Süße, satter aromatischer Druck am Gaumen, satter Schmelz, satte Länge nur: das Zeugs machte nicht satt, war einfach spannend in der Nase und am Gaumen. Davon konnte an diesem Abend keiner genug bekomen. Selten habe ich eine Imperiale so schnell leer werden sehen, großer Stoff 96/100.
Und dann kam zum Schluss des Abends noch ein 1983 d Yquem aus der Magnum. Reife Aprikose, englische Orangen-Bittermarmelade, ein Hauch von Safran, immer noch jugendliche Frische und kräftige Säure. Trotz kräftiger, orangenroter Farbe war diese potentielle Legende noch erheblich zu jung. Klar war er trotzdem faszinierend, aber den eigentlich Genuss dessen, was wir da mit 94+/100 im Glas hatten, werden wohl erst in 50 Jahren mit 99-100/100 unsere Enkel und Urenkel haben. Ein riesengroßer Yquem gemacht für die Ewigkeit. Dringend kann ich all den Weinfans, die große, junge Yquems kaufen nur eines raten. Macht davon mal früh eine auf. Der mehrfach getrunkene 2001er war für mich der vielleicht größte, junge Süßwein, der je an meinen Gaumen kam. Inzwischen hat auch der sich schon wieder stückweit verschlossen und wird wohl erst meiner Nachwelt seine volle Pracht zeigen.

Die Ausbeute des ersten Abends

Die Ausbeute des ersten Abends

Natürlich ist es der Gau eines jeden Gastgebers, wenn Weine hin sind. Ein korkiger 47er oder ein oxidierter 55er, das wäre der Supergau gewesen. Eine kaputte, oxidierte Doppelmagnum 1981 Cheval Blanc am nächsten Tag mittags im historischen Torstübli war jedoch schon eher zu verschmerzen. So konnte sich dieser ohnehin auf dem Abstieg befindliche Wein, der vor 10 Jahren mal 90/100 ins Glas brachte, jedenfalls nicht blamieren. Und Essig-saure Tonerde zum Trinken, so schmeckte dieses Zeugs, war doch auch mal was Neues. Auch dem 1979 Cheval Blanc, ebenfalls aus der Doppelmagnum, hätte ein dicker Korkfehler ganz gut gestanden. Dann hätte man diesen simplen, eindimensionalen, stark abbauenden Wein mit seiner deutlichen Braunfärbung nicht Schönreden müssen. Wer den als "burgundisch mit feiner Süße" bezeichnet, kann nur die grottenschlechten Burgunder aus dem gleichen Jahrgang meinen 81/100. Ins rustikale Torstübli hätte ohnehin eher ein Fass Bier gepasst. Aber das hatten wir ja in Form einer 12 Liter Flasche 1998 Barde Haut. Dieser neuere, seit 1997 produzierte St. Emilion hatte eine dichte, junge Farbe, satte, pflaumige Frucht mit reichlich neuem Holz und wirkte modern und international, leider aber auch etwas eindimensional und auf hohem Niveau schlicht und einfach langweilig 88/100. Zum kritiklos hinter die Binde gießen reicht es allemal. Und wer nicht weiß, was unter "Rollandisierung" der Weinwelt zu verstehen ist, findet hier ein perfektes Beispiel. Ach ja, unser hochprofessioneller Sommelier Patrick Bopp trank stattdessen lieber ein großes Bier. Auch eine Form der Bewertung.

Mit einem 1995 Smith Haut Lafitte Blanc als Apéro starteten wir spannungsgeladen in den zweiten Abend dieser außergewöhnlichen Probe. Im festlich dekorierten Ballsaal des Troi Rois sollten jetzt die Cheval Blanc Legenden dran glauben. Den Smith Haut Lafitte habe ich frischer und aromatischer in Erinnerung. Immer noch ein schöner Wein, Melone und etwas Stachelbeere mit viel Holz, kann in Finesse und Frische mit dem am Vortag getrunkenen 87er Fieuzal nicht (mehr) mit und wirkt etwas klobig 89/100.

Leider ziemlich oxidiert war im ersten Flight 1933 Cheval Blanc. Nagellack, Möbelpolitur und dazu eine spitze Todessäure, den konnte man wirklich nur noch mit Schmerzen trinken. Wer gute, noch trinkbare 33er sucht, z.B. für einen 75. Geburtstag oder ein entsprechendes Jubiläum, ist sicher mit Burgund oder Rhone erheblich besser bedient. Auch bei 1940 Cheval Blanc hatte ich erst so meine Bedenken. Der roch zu Anfang wie frisch aus Henkels Labor für Klebstoffe. Das gab sich jedoch rasch, der Cheval gab sich im Glas alle Mühe. Ein zwar kleiner, aber recht feiner, in Ehren gereifter und gut trinkbarer Wein 80/100. Der farblich mit Abstand dichteste und auch jüngste des Flights war 1950 Cheval Blanc. Zu Anfang etwas rustikal und trocken wirkend, gab aber im Glas mächtig Gas. Ein gewaltiger, hoch aromatischer, druckvoller Wein mit viel Kraft und portigen Noten. Dieser potentiell riesengroße Wein hätte eine erheblich längere Dekantierzeit gebraucht und auch andere Gläser. Die Bankettgläser, die hier vor uns standen, waren sicher nicht schlecht und auch brauchbar. Sie gaben aber insbesondere den älteren Weinen nicht genügend Chance zur Entfaltung und raubten ihnen schlichtweg einen Teil der Seele. Klar, welches Hotel hat schon ein paar Hundert Riedel-Gläser vorrätig und rückt die auch raus. Doch wenn solche edlen Hochkaräter ausgeschenkt werden, ist das Glas ein guter Teil der Miete. Meine dringende Empfehlung an alle, die an großen Proben rarer Weine, egal ob bezahlt oder im Freundeskreis teilnehmen: Erkundigt Euch vorher, woraus getrunken wird. Seid nicht zu feige, im Zweifelsfall einen Satz eigener Gläser mitzunehmen. Es lohnt in jedem Fall. Ein großer, alter Bordeaux aus einem Standardglas ist wie ein Galadinner im Jogginganzug. Zurück zum 50er Cheval, bei dem ich mit dem letzten Schluck gut 95/100 im Glas hatte. Da machte dann die anfängliche, trockene Rustikalität zunehmend einer seidigen Eleganz mit feiner Süße Platz. Schade, dass ich für diesen Wein zuwenig Zeit und von diesem Wein zu wenig im Glas hatte. Ich weiß, wozu 1950 Cheval Blanc fähig ist schließlich ist das Wineterminators Geburtsjahrgang - und habe ihn schon häufig deutlich besser erlebt.
Eine große Überraschung war auch 1973 Cheval Blanc. Erstaunlich fein und elegant, immer noch mit filigraner, delikater Frucht und feiner Süße, wird sich in guten Flaschen auf diesem Niveau noch eine Weile halten 87/100. Sicher mit Petrus zusammen einer der wenigen Überlebenden aus diesem Jahrgang frühreifer Bordeaux und möglicherweise ein echtes Auktionsschnäppchen. Wird noch dieser durchaus noch köstliche Tropfen von Parker mit 55/100, einer der niedrigsten Bewertungen seines gesamten Bordeaux-Buches, geradezu abgewatscht. Sicher nicht typisch und auch kein Ruhmesblatt für dieses Chateau ist 1992 Cheval Blanc. Leicht animalische Nase, recht kompakte, harsche Tannine, Frucht, Charme und Finesse weitgehend Fehlanzeige. Macht einfach keinen Spaß, dieser kleine Wein, der im Glas etwas gefälliger wird, aber über 84/100 nicht hinauskommt. Etwas seltsam und atypisch auch der nächste Wein, 1993 Cheval Blanc. Startete ziemlich verhalten, um dann plötzlich im Glas förmlich zu explodieren. Wurde exotisch-üppig, ziemlich süß, und hätte in dieser Form auch aus Spanien kommen können. Trank sich recht gut, hatte aber mit Cheval Blanc nicht viel zu tun 88/100. Für mich war das so eine Art letztes Aufbäumen eines Weines, der in den nächsten Jahren getrunken gehört. Und dann war da noch der Tischwein, wieder aus der Jeroboam, ein 1975 Cheval Blanc. Die Nase dieses Weines war schlichtweg scheußlich, grasig-grün, nicht korkig, aber an Kork erinnernd, vielleicht aber doch fehlerhaft. Am Gaumen eine völlig andere Welt, generös, weich, süß und mit viel Finesse. Da gibt es dann 75/100 für die an einen der vielen, schrecklichen 75er vom linken Ufer erinnernde Nase und 92/100 für den wunderbaren Gaumen. Bleibt anzumerken, dass ich diesen Wein eigentlich nur mit zum Gaumen passender, generöser Nase auf 92+/100 Niveau kenne, also vielleicht doch eine nicht ganz astreine Jeroboam.

Cheval-Legenden Teil 1

Cheval-Legenden Teil 1

Und dann kam der erste Legenden-Flight. Einfach gewaltig wieder 1928 Cheval Blanc. Reife Nase mit viel Kaffee. Am Gaumen deutlich dichter, jünger und kräftiger mit langem Abgang. Faszinierendes Aromenspiel, das von Guiness über alten Balsamico bis wiederum zu viel Kaffee reichte. Baute unglaublich im Glas aus. Sparsame 98/100 habe ich diesem unkaputtbaren, großen Cheval Blanc an diesem Abend aus diesem Glas nur gegeben. Mit Georg Riedels freundlicher Unterstützung wären es sicher wieder die 100/100 geworden, die ich bei diesem großen Wein schon ein halbes Dutzend Mal im Glas hatte. Ein Wein mit immer noch gewaltigem Potential, der die 100 Jahre noch locker vollmachen wird. So wie der 28er ein typischer Vertreter dieses kraftvollen, langlebigen Jahrgangs war, zeigte 1929 Cheval Blanc die Typizität dieses eher eleganteren Jahrgangs. Sehr helle, aber voll intakte Farbe, generöse, süße Nase, auch am Gaumen süß, rosinig mit viel Feigen, füllig, aber nicht überladen mit burgundischer Pracht und dazu Seide, Seide und nochmals Seide. Ein hocheleganter, traumhafter Tropfen, perfekt gereift und voll auf dem Punkt 97/100. Eigentlich bräuchte ich nichts anderes im Keller. 1928 Cheval Blanc für die geraden und 1929 für die ungeraden Tage. Beide Weine sind so vielschichtig, so perfekt gelungen, da würde mir nicht so schnell langweilig. Leider bäumte sich 1934 Cheval Blanc, den ich besser kenne, nur ganz kurz auf. Dezente Schokonase, auch am Gaumen schokoladig und fein, gut trinkbar, sicher auf 87/100 Niveau, doch kamen schnell immer massivere, oxidative Töne. Der Wein ging förmlich im Glas kaputt.
Eigentlich hatte auch 1945 Cheval Blanc aus diesem Jahrhundertjahrgang das Zeug zur Legende. Doch die Verantwortlichen hatten hier so kurz nach dem Krieg eher an sich gedacht, als an den Wein. Als der sie brauchte, waren sie stattdessen auf der Jagd. Damit ging die Vinifikation dieses Tropfens trotz guter Anlagen in die Hose. So bleibt neben der dichten Farbe eine intensive, portige Nase, in der erst verhalten und dann immer stärker werdend flüchtige Säure spürbar wird. Die verdirbt zunehmend den Genuss. Leicht over the top wirkt der Cheval, der im Glas zunehmend abbaut 85/100. Wie gut, dass sich 1947 Cheval Blanc nicht alleine machen musste. Der überreife Most erforderte nämlich seinerzeit volle Aufmerksamkeit. Wie schön, dass die Verantwortlichen diesmal keinen Bock schossen. Stattdessen schossen sie den Vogel ab mit einem der besten Weine des letzten Jahrhunderts, vielleicht sogar aller Zeiten. Und auch uns war der Flaschengott hold. Der 47er war wieder in Bestform. Einfach ein gewaltiges Monument, das sprachlos machte, üppig, portig, süß, ausladend, feinstes dunkles Toffee, edelste Schokolade, dazu feine Kräuter, etwas Minze. Eigentlich schließen sich Opulenz und Eleganz irgendwo aus, aber dieser faszinierende Wein bringt beides gleichzeitig. Sie wissen nicht, was ein Gaumen-Orgasmus ist? Geht nur mit 47 Cheval Blanc aus einer perfekten, authentischen Flasche wie dieser hier. 100/100 ohne wenn und aber. Die frühesten, ähnlich euphorischen Notizen über diesen Wein habe ich aus 1953 gefunden, wo er sich wohl schon ähnlich trank. Man stelle sich dieses gewaltige Trinkfenster vor. Alleine das ist schon Weltklasse. Schwer zu sagen wie lange der 47er noch auf diesem Niveau bleiben wird. In gut gelagerten Flaschen sind da sicherlich noch bis zu 10 Jahre drin. Als noch langlebiger könnte sich der ebenfalls außerweltliche 1948 Cheval Blanc entpuppen, den ich Glücklicher jetzt innerhalb weniger Wochen zweimal trinken durfte und der dem 47er kaum unterlegen ist. Leider trübte diesmal eine schlimmer werdende, korkige Nase den Genuss. Da gab es nur eines, den Kork herausblasen und zügig trinken. Wie das geht? Einfach kräftig in das Glas hineinblasen und dann sofort ohne dabei Einzuatmen den Wein trinken. Ist eine Notlösung, die aber auch hier wieder funktionierte. Am Gaumen war dieser Wein sogar noch einen Tick frischer als 47, ebenfalls ziemlich portig mit ungeheurer, aromatischer Dichte. Ohne die korkige Nase wären da wieder locker die 98/100 ins Glas gekommen, über die ich mich vor drei Wochen freuen durfte.

Cheval-Legenden Teil 2

Cheval-Legenden Teil 2

Die Periode von 1947 bis 1955 war auf Chateau Cheval Blanc einfach der helle Wahnsinn. Ein Jahrhundertwein jagte den nächsten. Da stimmte einfach alles. Rebberge im perfekten Alter, superbes Wetter, eine engagierte Mannschaft und natürlich auch das gewisse Quentchen Glück, das mit dazu gehört. Ich erinnere mich noch gut an einen Sommerabend im Jahr 2000. Ein Weinfreund öffnete blind für mich nacheinander 3 halbe Flaschen Wein. Die erste, 1955 Cheval Blanc, war ein atemberaubender 100 Punkte Wein, der zweite, 1953 Cheval Blanc, mindestens genauso gut und der dritte, 1949 Cheval Blanc, setzte dem Trio die Krone auf. Dreimal Perfektion, insgesamt 300 Punkte aus drei halben Flaschen.
1949 Cheval Blanc hatte dieses Mal nicht ganz diese Klasse. Klar, das war immer noch ein ganz großer, seidig-eleganter Cheval Blanc, aber auch schon sehr gereift mit einer leicht fragilen Nase frischer Waldpilze, am Gaumen generöse Süße, insgesamt ein großes Altweinerlebnis 96/100. Deutlich in den Schatten gestellt wurde der 49er von einem überragenden 1952 Cheval Blanc. Der war noch so kraftvoll und voll im Saft, kräuterig, lakritzig, hocharomatisch mit fruchtiger Süße und immer noch gewaltigem Potential, ein sehr überzeugender, fast unbändiger Cheval für die nächsten Jahrzehnte 97/100. Deutlich bessere Zeiten hatte die sicher nicht perfekte Flasche 1953 Cheval Blanc gesehen. Sehr oxidativ, ältlich, förmlich nach einem Stock schreiend. Doch am Gaumen spürte man noch die unglaubliche Kraft dieses ehemaligen Riesen, der sich mit einem Wahnsinns-Abgang verabschiedete 92/100. In besseren Flaschen sind da bis zu 8 Punkte mehr drin. Und dann war da noch dieser schier unglaubliche 1955 Cheval Blanc, der wie eine deutlich jüngere Version des 47ers wirkte. Junge, dichte Mörderfarbe, auch am Gaumen Jahrzehnte jünger wirkend, irre, explosive Aromatik, Schokolade in Balsamico, minutenlanger Abgang. Ein eindeutiger 100/100 Kaum-zu-Glauben-Wein, den ich aber in dieser überragenden Form schon häufiger trinken durfte. Weiter ging dieses Feuerwerk mit dem nächsten 100-Punkte-Wein, 1959 Cheval Blanc. Anders als 55, deutlich reifer und weiter, mehr Eleganz als Kraft, in der süchtig machenden Nase dieses unnachahmliche Parfüm namens Cheval Blanc. In Worten nicht beschreibbar und auch nicht nachmachbar. Stellen Sie sich das einmal bildlich vor, wie Trauben von Männern schnüffelnd auf der Düsseldorfer Königsallee einer Frau hinterher hecheln, die kräftig Cheval Blanc aufgelegt hat. Seidig am Gaumen mit feinster Süße und nicht enden wollendem Abgang, ein verrückter Wein 100/100. Ein Riese auch 1961 Cheval Blanc aus einer perfekten Flasche. Deutlich kräftiger als 59 und im direkten Vergleich eher Medoc als Libournais. Auch dieser Wein mit viel Süße, rosinig-malzig, feinstes Karamell, aber auch reichlich frische Kräuter 97/100. Habe ich schon deutlich schlechter getrunken.

Cheval-Legenden Teil 3

Cheval-Legenden Teil 3

Was sollte nach diesem unglaublichen Feuerwerk noch kommen? Neuzeit war jetzt angesagt, wobei ja selbst so ein 82er inzwischen ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat. Und der war gleich im ersten Glas, 1982 Cheval Blanc. Ein kontrovers beurteilter, umstrittener Wein. Von Parker einst mit 100 Punkten geadelt und entsprechend gesucht und teuer. Nicht einverstanden war René Gabriel, unser generöser Gastgeber, mit der Performance der ersten Flasche. Er hatte wohl selbst mehr erwartet, doch auch die zweite Flasche ging in die gleiche Richtung. Das war eben typisch 82 Cheval Blanc, ein Wein, der es schwer hat, der großen Erwartungshaltung gerecht zu werden und der immer wieder Rätsel aufgibt. Beide Flaschen etwas verhalten in der Nase und insgesamt sehr kräuterig, beide sehr lang am Gaumen. Die zweite Flasche süßer und generöser, sicher 96/100 wert. Der legendäre 100/100 82 Cheval Blanc aber beide Male nicht in Sicht. Zweimal, 1999 und 2001, habe ich diesen Wein perfekt mit 100/100 im Glas gehabt, bei insgesamt 2 von 20 Flaschen. Alle anderen Bewertungen schwanken zwischen lausigen 89 und 97/100. Bei 1985 Cheval Blanc hatte ich diese Probleme nie. Auch an diesem Abend lag dieser erotische, verführerische, süffige, süße, im besten Sinne burgundische Cheval wieder bei 95/100. Wie gerne würde ich von diesem top-gereiften, zugänglichen Wein zu damaligen Preisen noch mal ein paar Kisten kaufen. Sehr erstaunt hat mich 1987 Cheval Blanc, den ich schon 15 Jahre nicht mehr im Glas hatte. Ähnlich La Mission und Mouton scheint die Zeit an diesem Wein vorübergegangen zu sein. Erstaunlich aromatisch, süß und weich, kein Zeichen von Alter, etwas filigran, aber auf niedrigerem Niveau mit der Cheval-typischen Eleganz, ein toller Wert 90/100. Gefiel mir deutlich besser als 1989 Cheval Blanc, mit dem ich mal wieder nicht anfreunden konnte. Der wirkte wieder ungenerös mit harschen Tanninen, fruchtlos und charmefrei. Wäre mir das nicht schon so häufig mit diesem enttäuschenden Wein passiert, hätte ich auf einen schleichenden Kork getippt 88/100. Ob da die Verantwortlichen wieder zur falschen Zeit auf der Jagd waren?
Und dann war da dieser laut auftrumpfende 1990 Cheval Blanc. Als typisch für den Jahrgang gilt dieser Wein und als untypisch für Cheval Blanc. Klar ist der exotisch, üppig, irre süß, ein Wahnsinnskonzentrat, das am Gaumen ein Pfauenrad nach dem anderen schlägt. Fast so eine Art kalifornische Version von Cheval Blanc mit deutlich mehr Opulenz als Finesse. Nur, wer sagt, dass der 47er nicht in den 50ern ähnlich geschmeckt hat. Beide stammen aus überreifen Jahren. Beide haben mehr Ähnlichkeit mit Pamela Anderson als mit einer Pastorentochter und beide machen unbändigen Spaß. Also, wenn sie keinen echten 47er mehr finden und davon gibt es wirklich nicht mehr viele, dann kaufen Sie einen 90er und dazu einen alten Nierentisch. Legen Sie eine Platte von damals auf und stellen Sie sich einfach vor, Sie sind in den 50ern und trinken den jungen 47er. Nicht viel anders wird es gewesen sein. 97+/100 für einen anderen und doch nicht so anderen Cheval Blanc mit Legenden-Potential.
Und dann war da noch als letzter Cheval der Probe ein weiterer Wein mit absolutem Legenden-Potential, 1998 Cheval Blanc. Den hatte ich 2002 als jungen Wein schon mal mit 100/100 im Glas, allerdings öffnete er sich damals nach dem Dekantieren nicht weiter, sondern verschloss sich zunehmend. Inzwischen kann man das gewaltige Potential dieses konzentrierten Riesen nur noch erahnen. Aber hier sind neben dem dichtgewobenen Gerüst reifer, aber eben auch massiver Tannine genügend Substanz und auch viel satte Frucht, die eine lange, spannende Entwicklung garantieren. Unsere Flasche in der Probe zeigte ei Stückweit mehr als eine andere, völlig zugenagelte Flasche, die ich erst vor kurzem im Adler in Nebikon getrunken habe 96++/100. Fünf, eher 10 Jahre Warten sind angesagt für einen Wein, der immer noch eine Art Geheimtipp darstellt, da Parker (93/100) ihn nicht versteht, und René Gabriel (20/20) noch nicht die internationalen Preise bestimmt.
Völlig untergegangen ist bei mir der zweite Tischwein diesen Abends, ein großzügig aus der 15-Liter-Flasche ausgeschenkter 1998 Berliquet. Ich habe sicherlich mal dran genippt und negativ ist er mir wohl auch nicht aufgefallen. Aber dieser zweite Teil der Cheval Blanc Probe war so hochspannend und erfüllend, da blieb keine Notwendigkeit für eine vinologische Sättigungsbeilage.

Verschont hat uns René Gabriel dankenswerterweise mit dem Petit Cheval. Dieser sogenannte Zweitwein ist nämlich kein kleiner Cheval Blanc, sondern ein Très Petit Cheval, also ein ganz kleiner und dazu für die gebotene Qualität hoffnungslos überteuert.

Dafür endete die Probe mit einem in der Form nicht erwarteten Paukenschlag. Einfach herrlich trank sich 1999 d Yquem, den wir in einem sehr zugänglichen, faszinierendem Zwischenstadium erwischten, wo dieser potentiell große Yquem schon mal eine ganze Menge raus liess. Natürlich noch recht hell die goldgelbe, sehr klare Farbe, ein reintöniger, sehr harmonisch wirkender Yquem. Feinster Akazienhonig, reife, tropische Früchte, die Süße perfekt balanciert durch eine knackige, frische Säure, bleibt mit schönem, dekadentem Schmelz lang am Gaumen 95/100. Wer Sauternes dick und klebrig mag, ist bei diesem eher eleganten, finessigen Exemplar, das eher als so eine Art süßer Cheval durchging sicher fehl am Platze.
Und dann opferte René eine Flasche des einzigen Weines, den er selbst mit 21/20 bewertet, 1937 d Yquem. Ein schlichtweg außerirdisches Konzentrat mit brillianter Bernsteinfarbe, ein Elixier, dem man mit Worten kaum gerecht werden kann(ich versuche es gar nicht erst). Wirkte durch die irre Säure noch unglaublich jung und hat sicher noch 100+ Jahre vor sich. Einen solchen 100 Punkte Wein kann man eigentlich nur in stiller Demut tröpfchenweise genießen und dabei träumen. Und genau das habe ich getan.

René Gabriel mit seinem Lieblingswein

René Gabriel mit seinem Lieblingswein