Auftakt

Zur ersten Probe des Jahres trafen wir uns in Bösinghoven bei Horst Wittgen. Einstieg in einen schönen Abend war ein 2005 Idig GG von Christmann aus der Magnum. Ein offener, großer, saftiger Riesling mit fruchtig-süßem Schmelz und viel Tiefgang, trinkt sich einfach gut - 94/100.

Und dann kam die 2003er Katastrophe. Ich war nie ein großer Fan dieses Jahrgangs. Etliche Weine präsentierten sich aber zu Anfang durchaus passabel. Nur mit der Alterung sah es halt schlecht aus. Das bekamen wir hier drastisch vorgeführt. Der 2003 Röttgen 1. Gewächs von Heymann Löwenstein hatte eine tiefe, reife, goldgelbe Nase. In der Nase wirkte er sehr karamellig, buttrig, süß und erinnerte eher an eine alte Auslese. Auch am Gaumen war eine deutliche Süße spürbar. Der ja eigentlich trockene Röttgen wirkte diffus, war schwer zu trinken und wirkte erheblich älter 79/100. Der drei Stunden vorher dekantierte 2003 Grüne Veltliner Loibennberg Smaragd von Knoll hatte eine rauchige, leicht röstig wirkende Nase mit sehr wenig Frucht, dazu eine deutliche Bitternote und wirkte arg gezehrt. Da es hiervon noch eine zweite Flasche gab, riss der gute Horst die noch auf und schenkte sie undekantiert ein. Die war deutlich frischer, fruchtiger mit etwas weißem Pfeffer, aber auch am Ende des Lebenszyklus 87/100. Ich kann allen, die noch trockene deutsche oder österreichische Weine aus 2003 besitzen, nur dringend empfehlen, die baldigst ihrer Bestimmung zuzuführen. Und bitte gut gekühlt, undekantiert aus nicht zu großen Gläsern.

Sehr fein und elegant der 1993 La Mission Haut Brion mit schöner Frucht, Leder, Zedernholz, Tabak und Cigarbox, dazu ein Hauch Eukalyptus. Ein eher kleiner La Mission, der zumindest aus Normalflaschen rasch getrunken gehört 89/100. Völlig daneben leider der 1993 Shafer Hillside Select, der sich in einer ähnlich dumpfen Übergangsphase zu befinden scheint, wie vor 2 Jahren der 94er und 95er des Gutes. Mit Liebstöckel und medizinalen Tönen statt Frucht machte der wenig Spaß 84/100. Weglegen und auf Besserung hoffen.

Für eine Überraschung gut war mal wieder der anscheinend unsterbliche 1987 Mouton Rothschild. Was für ein schöner, perfekt gereifter, typischer Mouton mit altem Sattelleder, Minze und der charakteristischen Bleistiftnote, sehr elegant und noch voll da 91/100. Aus gut gelagerten Flaschen, besser noch in Magnum aufwärts immer noch eine Suche wert. Eine sehr dichte Mörderfarbe hatte der 1977 Malbec Estrella aus Argentinien von der Bodega Weinert. Anfängliche Acetonnoten in der Nase verschwinden mit der Zeit. Es bleibt ein sehr kraftvoller, etwas unbalanciert wirkender Wein, ein Amarone-ähnliches, dickes, dichtes, aromatisches Teil mit Lakritz, Rumtopf und Teer - 90/100. Diesen einstmals als größten Wein Südamerikas gefeierten Tropfen habe ich deutlich besser in Erinnerung. Das gilt leider auch für den doch arg enttäuschenden 1987 Caymus Special Selection. Sehr verhalten, blass und schüchtern mit kaum noch Frucht zeigte sich dieser früher mal große Wein, den ich vor 6 Jahren noch mit 95/100 im Glas hatte. Aus dieser schlappen Flasche hier war er deutlich auf dem Abschwung 84/100.

Sicher nicht die beste Flasche war auch der 1961 Talbot. Weich, reif mit feiner Süße, aber auch hoher Säure, für den großen Jahrgang hätte ich mehr erwartet 90/100. Großartig dafür im anderen Glas 1986 Talbot, der an eine etwas reifere Variante des 86 Gruaud erinnerte 96/100.

Mit süßer, hedonistischer Frucht glänzte 1989 Mouton Rothschild, doch darunter lauerten erstaunlich kräftige Tannine, die ein längeres Leben versprechen 93/100. Ziemlich jung und giftig mit deutlichen Tanninen zeigte sich der Bordeaux-affine, ledrige 1989 Dominus. Zuletzt auf der großen Dominus-Probe im letzten Sommer war er deutlich weiter und zeigte mehr 94/100.

Noch voll intakt war 1940 Rausan-Gassies, erstaunlich dicht in noch recht jung wirkenden Farbe, verhalten in der Nase, am Gaumen kräftig mit dominierender Säure, die diesen Wein am Leben erhält 85/100.

Reinsetzen hätte ich mich können in den nächsten Solitär, einen 1980 Phelps Insignia aus der Magnum. Der zeigte nur in der Farbe ganz leichtes Alter, ansonsten war da noch viel pikante, rotbeerige Frucht, Minze, Leder, eine gute Mineralität, am Gaumen kräftig mit guter Länge, gestützt von gut eingebundener Säure. Hat zumindest in der Großflasche noch lange Zukunft 94/100.

Im letzten Flight dann für mich der Wein des Abends, der großartige 1996 Cos d Estournel. Ein perfekter Vertreter dieses zumindest auf dem linken Ufer hervorragenden Bordeaux-Jahrgangs ist dieser Cos, mit puristischer, glockenklarer Frucht und messerscharfen Konturen. Sicher ein sehr langlebiger Wein, der bei allem Spaß, den er jetzt schon macht, noch nicht voll auf dem Trinkhöhepunkt ist 96/100. Nicht viel drunter der Wein im anderen Glas. Der so wechselhafte 1996 Chateau St. Jean Cinq Cépages ging hier wieder mal aus einer sehr guten Flasche als großer Bordeaux mit kalifornischer Herkunft durch 95/100. (wt 01/2011)