BBB - Braui Best Bottle

Ein Haufen weinverrückter, netter Schweizer, eine Reihe interessanter Weine, Ambiente und Küche der Hochdorfer Braui und mittendrin der Wineterminator so sieht eine dieser genialen Braui Best Bottles aus, an der ich jetzt wieder teilnehmen durfte.

Dass in der Schweiz sehr gute Weine getrunken werden, ist hinlänglich bekannt. Dieses sympathische Bergvolk hat nun mal das Savoir Vivre der Franzosen, das Gespür für großartige Genüsse der Belgier und dazu das Schweizer Portemonnaie. Dass in der Schweiz sehr gute Weine erzeugt werden, spricht sich auch immer mehr rum, selbt wenn die Gantenbeins&Co rar und schwer erhältlich sind. Aber Schweizer Weine aus der Pampa, z.B. aus Hitzkirch? Mit so einer Überraschung begann unsere sommerliche Braui Best Bottle. Angestellt hatte diesen Wein aus der Nachbarschaft seines Restaurants Braui-Chef Werner Tobler. Ein erfrischender, sommerlicher Tropfen mit Holunder ohne Ende in der Nase, dazu etwas Stachelbeere, Melone und viel Lychees. Am Gaumen feine, würzige Süße, viel Muskat und eine knackige, fordernde Säure, locker auf 89/100 Niveau. Ein 2007 Solo Müller-Thurgau Reserve Lagencuvée Barrique von der Brunner Weinmanufaktur war diese Überraschung. Mir gefiel er deutlich besser als der nachfolgende 2006 Le Clos Blanc de Vougeot der Domaine de la Vougerai. Dieser als Vougeot 1er Cru bezeichnete Wein hatte eine florale, etwas grasige Nase, die sehr an frisch geerntetes Heu erinnerte, dazu viel Holz und noch mehr Vanille, viel Alkohol am Gaumen und war etwas bitter im Abgang, nur ganz versteckt zeigte sich auch etwas nussiger Schmelz. Wirkt dazu im jetzigen Stadium etwas unfertig und unharmonisch, besser ein paar Jahre warten 87+/100.
Ältere, rote Burgunder waren danach angesagt mit sehr gemischten Resultaten. Das schmeckte alles zusammen wie ein Mixed Lot aus einer Auktion. Die Gleichung Burgund+alt= gut geht aber noch lange nicht immer auf. Ein 1955 Beaune von Mahler Fils&Père hatte schon eine sehr reife Farbe. Sehr fein die süße Himbeernase, in der sich auch Unterholz und Herbstlaub wiederfanden. Am Gaumen wurde er trotz Süße schon etwas spitz und war deutlich über Höhepunkt weg, aber immer noch mit Genuss auf 88/100 Niveau zu trinken. Leider zerfiel er im Glas rasch, und wer mit dem Trinken nicht nachkam, hatte schnell Nagellack, Möbelpolitur und 10 Punkte weniger im Glas. Deutlich mehr machte vom gleichen Erzeuger ein 1949 Beaune-Bressandes her. Der hatte in der Nase eine nicht unangenehme Mischung aus Petrol, Liebstöckel, Vitamalz, Schokolade und Hustensaft, aber auch noch reichlich rotbeerige Frucht. Am Gaumen war er weich, generös, malzig, sogar mollig und einfach wunderbar zu trinken 93/100.
Gute Flaschen soll es gegeben haben in einem mehrere tausend Flaschen großen Calvet-Lot, das kürzlich in der Schweiz vermarktet wurde, und auch weniger gute. Wir hatten leider eine von den letzteren. Eine sehr dichte Farbe hatte der 1959 Gevrey Chambertin von Calvet immer noch, in der Nase Malaga, Madeira, alter Balsamico, abgestandener Kaffee, am Gaumen bitter und sehr säurelastig, auf dem Weg zum Salatessig, einfach morbid, nur der erste Schluck dieses perfekten Geschenkes zum 50. für Leute, die die Flasche garantiert zulassen, brachte es noch auf wohlwollende 81/100. Dabei war dieser Wein noch richtig groß im Vergleich zu einem 1957 Chambolle Musigny Charmes von Grivelet. Da wurde mir klar, warum der gute René Gabriel vor zwei Jahren darum bat, ihm zum 50. bitte keine Weine zu schenken. Ein Prachtexemplar dieses unterirdischen Jahrgangs war das hier. Eine Art flüssige Zungen-Domina mit Säure und Essig ohne Ende, untrink- und unbewertbar.
Um Klassen besser kenne ich den 1947 Vosne Romanée von Morin, der sich hier zunächst einmal mit einer seltsamen Nase präsentierte, die an eine volle Pampers erinnerte. Das verflog dann doch rasch und die Nase wurde so, wie es sich für einen guten Burgunder gehört, sehr himbeerig mit feiner Süße. Nach etwas verhaltenem Start entwickelte sich der Wein zunehmend im Glas, baute aus und wurde am Gaumen sehr harmonisch, lebte aber insgesamt schon verdammt gefährlich und gehört in dieser Form rasch getrunken 90/100. Und dann kam noch ein Wein, den ich deutlich besser kenne und schon zweimal mit 90/100 und 87/100 getrunken habe, ein 1959 Alianca Vino Tinto Garrafeira Particular. Aus dieser Flasche hier hatte er in der Nase Gemüsesuppe mit einer großen Portion Glutamat, dazu verbranntes Gummi. Am Gaumen war er sperrig, austrocknend und säurelastig. So etwas trinken nur Gaumen-Masochisten aus. Ich habe ihn entsorgt und dabei wieder darüber nachgedacht, was das Wichtigste bei einem alten Wein ist. Erzeuger? Lage? Jahrgang? Nein, es ist die Herkunft.
Eine jugendlich-tintige Farbe hatte danach ein noch sehr junger 2005 Essence de Dourthe. Kompakt und verschlossen wirkte er mit mundbeschlagenden Tanninen und dafür zuwenig Frucht, einfach überzogen und zu sehr gemacht, kann vielleicht mal ein 89+/100 Wein werden, aber mehr nicht.
Und ich weiß auch schon, welchen Flight ich gerne in 10 Jahren mal in der Braui ins Glas bekommen möchte. Petrus 1998 natürlich, dazu den großartigen Cheval Blanc 1998 und dazu als Herausforderer 1998 l Eglise Clinet. Letzteren gab es an diesem Abend. Der hat jetzt schon eine traumhafte, hedonistisch schöne Nase mit viel Schmelz, sehr kräuterig und mineralisch mit guter Frucht, etwas Bitterschokolade und erstaunlicher Frische. Da ist nichts Überladenes, Überreifes, einfach puristisch und geradlinig. Am doch sehr verhalten wirkenden Gaumen mächtige Tannine und eine perfekte Struktur, beides Garanten für eine großartige, lange Zukunft. Zehn Jahre Warten sind da wohl mindestens angesagt, bis aus den heutigen 90++/100 wieder die 97/100 werden, die ich 2001 in der Fruchtphase dieses Weines im Glas hatte. Und 1-2 Punkte darüber würde ich auf längere Sicht auch nicht ausschließen. Ein perfektes Langfrist-Investment als für Geduldige.
Und dann stand da vor mir dieser Geheimtipp aus der Lombardei, der 2001 Merlot La Prendina. Ein gewaltiges Teil mit prägnanter Cassis und Holundernase, kräuterig, Schokolade gleich in der Familienpackung, auch am Gaumen üppig, schokoladig, portig, dazu Rumtopf und Amarone-Anklänge. Mit 15,5% eignet der sich hervorragend zum Koma-Saufen für Erwachsene. Mir reicht ein Glas, für das ich gerne 92/100 rausrücke. Dann kommt aber schon die Erinnerung an Switchback Ridge. Nein diesen sicher spektakulären und auch preislich immer noch interessanten Wein, der nicht besonders gut altern dürfte, brauche ich weder im Keller noch zum Abendessen auf dem Tisch.
Klassisch und spannend wurde es mit den nächsten drei Weinen in dieser fast subtropischen Nacht. Ja, es war tierisch warm in der Braui. Die Weine kamen gut temperiert auf den Tisch und die Gläser beschlugen sofort, so warm und feucht war es an diesem Abend in unserer Weinsauna. Das mag auch dazu geführt haben, dass sich die Weine manchmal etwas anders und vielleicht nicht so gut präsentierten wie nach dem Öffnen und Dekantieren im Keller. Dreimal St. Emilion 1998 war angesagt. Traumhaft schön die generöse Nase des 1998 Figeac. Endlich mal nicht dieser kork-ähnliche Ton, der den Genuss von Figeac oft so schwierig macht. Stattdessen die große Weihnachtsbäckerei und dazu viel schwarze Johannisbeere. Der Gaumen kam mit dieser Nase nicht ganz mit. Trotzdem einer der besten Figeacs der letzten Jahre und an diesem Abend eine überzeugende Vorstellung 93/100. Deutlich mehr hätte ich von 1998 La Mondotte erwartet, den ich schon erheblich besser im Glas hatte. Erstaunlich verhalten die sonst von konzentrierter Frucht geprägte Nase, am Gaumen Kraft ohne Ende, wirkte bei aller Kraft und massiven Tanninen etwas exotisch, hat sicher Potential für deutlich mehr 93+/100. Star des Flights war 1998 Angelus. Sehr kräuterig die Nase mit dunklen Früchten und Bitterschokolade, am immer noch von massiven, aber reifen Tanninen geprägten Gaumen hohe Mineralität und eine geradezu puristische Frische, sehr lang im Abgang, gewaltiges Potential. Ich bin mir fast sicher, dass bei diesem Wein, der die derzeitige Zugänglichkeit zum Teil nur vortäuscht, noch mehr kommt, aber es fällt schwer, jetzt noch davon zu bleiben. Wenn Sie davon eine Kiste haben, 3 Flaschen rausnehmen und den Rest für die nächsten Jahre sicher verstecken 95/100.
Kaum glauben konnte ich, was dann vor mir stand. Längst hatte ich den 1985 Mouton Rothschild abgeschrieben. Bis zur Jahrtausendwende war das vom Trinkgenuss her der schönste Mouton der 80er, sexy im besten Sinne. Und dann war plötzlich Schluss mit Lustig, nur noch schrottige Flaschen. Und jetzt stand da vor mir die große Zedernholzoper, rotbeerige Frucht, Weihnachtsgewürze, Minze, altes Sattelleder, sehr mineralisch mit dem für Mouton so typischen Bleistift, am Gaumen gute Struktur und Säure, kein Zeichen von Schwäche, einfach ein großer kompletter Mouton 95/100. Da muss ich unbedingt noch mal ran. War das ein Ausreißer, oder hat der wirklich noch ein zweites Leben? Sehr enttäuschend dagegen 1985 Solaia, den ich erheblich besser kenne. Wirkte überreif, sehr weit entwickelt mit deutlichem Alterston, die Nase verbrannt, animalisch, alter Pappkarton, am Gaumen ungenerös und bitter 84/100. Das war entweder eine fehlerhafte Flasche, oder der Wein stammte aus Dachbodenlagerung. Völlig daneben leider ein 1990 Cos d Estournel, der sehr rasch immer korkiger wurde.
Doch es ging Schlag auf Schlag weiter. Weine waren reichlich angestellt. Jammern auf hohem Niveau bei 1989 Leoville las Cases. Auch den kenne ich deutlich besser. Er wirkte etwas anstrengend und trank sich wie mit angezogener Handbremse mit stahliger, kühler Frucht 90/100. Da stahl ihm der immer noch jugendliche, aber doch schon zugänglich wirkende, elegante 1995 Palmer doch deutlich die Show. Herrliche, rotbeerige Frucht, perfekte Säure- und Tanninstruktur, Langstreckenpotential 94/100. Der Topwein dieses Flights war aber wieder so einer, den ich schon längst abgeschrieben hatte, und der jetzt aus dem Schattenreich wieder auftauchte,
1989 Ducru Beaucaillou. Das war einfach Cabernet in Perfektion, sehr komplex und nachhaltig, immer noch mit gutem Tanningerüst, aber hohem Genussfaktor. Ducru geht nicht viel besser 95/100. Erinnerte mich an eine extrem überzeugende Fassprobe 1990 auf dem Chateau. Nur hatte ich diesen Wein seitdem nur enttäuschend im Glas. Dabei waren es gar nicht mal die massiven Tannine, die da meist störten. Es war der ekelhafte Fehlton, von dem so viele Ducrus der 80er geplagt wurden. Mit der Garantie, dass diese Flasche so fehlerfrei sind, wie diese hier, würde ich 89 Ducru sofort nachkaufen. Leider bleibt das Risiko aber gewaltig. Und dann gab es da noch eine durchaus überzeugende Momentaufnahme des 1989 Montrose. Momentaufnahme deshalb, weil dieser großartige Wein, der für deutlich weniger Geld irgendwann dem 90er mal das Wasser wird reichen können, noch nicht ansatzweise reif ist. Je nach Flaschenzustand und Flaschenglück lässt dieses animalisch-lakritzig-tanninige Teil derzeit mal mehr und mal weniger raus. Durchaus überzeugende 94/100 waren es an diesem Abend.
Da saßen wir jetzt nun weinselig, aber auch verschwitzt in unserer Tropenstube und bekamen als letztes einen eigentlich geilen Flight, der eher darauf angelegt ist, im Winter Herz und Seele zu wärmen. Ich bin ein großer Fan dieser einmaligen Weine aus Südtirol von Josephus Mayr. Gerade deshalb war es eigentlich schade, dass sie jetzt und hier auf den Tisch und ins Glas kamen. Zu dieser Witterung und der schwülen Wärme des Raumes passte der 2000 Lamarein, den ich zuletzt erst im März mit 98/100 im Glas hatte, ungefähr so gut wie ein Kachelofen in die Karibik. Ich verzichte deshalb hier auf eine Benotung, die wohl nicht gerecht ausfallen würde. 1999 Lamarein stand übrigens für mich auf einer Stufe mit 2000. Nur der 2000 Reif von Josephus Mayer fiel gegenüber diesen beiden Boliden auf sehr hohem Niveau etwas ab.
Dank allen, die diese prächtige Best Bottle organisiert haben. Nur an der Braui stört mich nach wie vor etwas. Sie liegt einfach 800 km zu weit südlich. (wt07/09)