Best Bottle im April 2005

In illustrer Runde waren wir im April 2005 im Restaurant Schorn in Düsseldorf zusammengekommen. Von Augsburg über Prag bis Zürich reichte die Herkunft der Teilnehmer dieser Best Bottle. So unterschiedlich wie die Herkunftsorte der Teilnehmer waren auch die Weine. Als Thema hatten wir nur "schmeckt" vorgegeben und tranken vom 1919er Bordeaux bis zum 2001er Kalifornier quer durch den Garten. Einer der Schwerpunkte war aber, passend zum Geburtsjahr einiger Teilnehmer, 1966.

Ganz erstaunlich finde ich immer wieder alte Weiße Burgunder, insbesondere dann, wenn man sie als das einsetzt, als das sie ja auch eigentlich gedacht waren, als Essensbegleiter. Der 1929 Chablis Valmur von Charenton in einer Nicolas-Abfüllung hatte eine kräftige, schon leicht ins Güldene gehende Farbe. Begann ziemlich morbide, erholte sich aber erstaunlich im Glas. Kräftige Säure, in der Nase reifer Chardonnay, rauchig, speckig, nasses Leder, etwas modrig, aber auch leichte Karamelltöne und Dörrfrüchte. Perfekt zu lauwarmen Austern in Vinaigrette, entwickelte dabei schöne Bitternote am Gaumen. Solo schwierig, aber in der Essenskombi sicher 88/100 wert.
Erstaunlich zahm fand ich den 1995 Caymus Cabernet Sauvignon Special Selection. Gut, da war eine dichte Farbe, reichlich Cassis, etwas Minze, feine Fruchtsüße und eine gute Struktur. Insgesamt recht elegant mit langem Abgang, entwickelte sich gut im Glas. Aber die Dramatik und Dichte großer Caymus SS, wie z.B. 91 oder 92 war nicht da 93/100. Durch eine schwierige Phase scheint derzeit 1995 Opus One zu gehen, der eigentlich zu den besseren Opus der neueren Zeit gehört. In der Farbe erste Reifetöne, animalische Nase, Stall, Minze. Wirkte etwas strukturlos und schlabberig 90/100.
Cheval Blanc echt gegen falsch hieß es dann im nächsten Flight. Die angebliche Chateauabfüllung 1966 Cheval Blanc steckte in einer zu jungen Flasche mit zu jungem Korken. Drinnen war alles, nur kein Cheval Blanc. Einer der Anwesenden hatte dieses Machwerk für viel Geld bei einem Schweizer Auktionshaus erworben. Da war der echte 66er Cheval Blanc in einer englischen Händlerabfüllung schon von ganz anderem Kaliber. Cheval Blanc in Reinkultur mit betörender Aromatik und dazu ein Schuss 66er Rustikalität. Reif, feine Süße, sehr schön am Gaumen, aber mit etwas wenig Länge, jetzt voll auf dem Punkt 94/100.
Immer wieder ein Highlight ist 1928 Margaux. Auch in dieser Flasche eine sensationelle Nase mit großem Aromenstrauß, Leder und Kaffeetönen. Einfach Margaux in Reinkultur. Am Gaumen eine kräftige, tragende Säure. In manchen Flaschen, so wie dieser, wirkt der Margaux immer noch tanninig und etwas unfertig, deshalb für diese "nur" 96/100. Kein Wunder, dass die Jahre 1928 und 29 seinerzeit bei Margaux nicht als großer Erfolg galten. Über Jahrzehnte muss das ähnlich Latour ein ziemlich unnahbares Monstrum gewesen sein. In guten Flaschen wird der 28er Margaux sicher viele von uns noch überleben.
Selten anzutreffen, aber sicher eine Suche wert sind alte Rhone-Weine. Die zeigen im Alter eine ähnliche Charakteristik wie reife Burgunder mit einem zusätzlichen, kleinen Schuss Rustikalität. So auch der 1929 Chateauneuf-du-Pape Clos Papal von Auguste Mame aus einem der besten Rhone-Jahre des letzten Jahrhunderts. Helle Farbe, wirkte erst leicht "spanisch" wie ein großer, älterer Rioja, betörende Aromatik, schöne Süße 94/100.
Zwei große Riojas hatten wir danach vor uns. Der 1922 Martinez Lacuesta Reserva Especial hatte eine dichte Farbe mit deutlichen Brauntönen, Kaffee ohne Ende, portige Töne, Lakritz, sehr lang am Gaumen 96/100. Deutlich jünger, sowohl von der Farbe her als auch am Gaumen wirkte der 1928 Bodegas Age. Dabei war er schlanker am Gaumen mit feiner Süße, aber auch Kaffee, Lakritz und im Abgang nicht unangenehmen Bittertönen 94/100.
Einen gewaltigen Sprung zurück in die neuere Zeit machten wir mit dem nächsten Flight. Zunächst nicht einordnen konnte ich 1989 La Turque von Guigal. Er präsentierte sich völlig anders, als ich ihn aus früheren Phasen her kannte, so exotisch, so konzentriert, so würzig und so dicht. Dazu ein leicht rauchiger Ton, aber nicht mehr der intensive, gebratene Speck, mit dem er mich vor Jahren noch abschreckte. Am Gaumen sehr komplex und unglaublich lang, ein großer Wein 97/100. Völlig anders als ich ihn aus den letzten Monaten in Erinnerung habe, war der 1989 Clinet. Ein dichter, junger Powerstoff, der allerdings die burgundische Opulenz vermissen ließ, die der Wein derzeit eigentlich zeigt.
Leider korkig dann ein 1982 Leoville las Cases. So etwas ist ärgerlich und ich kann die Fans alternativer Weinverschlüsse immer besser verstehen.
Ein echter Gaumenschocker dann 2001 Quilceda Creek. Viel zu jung und sicher 10 Jahre zu früh geöffnet. Sehr dichte, junge Farbe, reifes aber sehr massives Tannin, Cassis ohne Ende, intensive, primäre Fruchtsüße, ein extremes Cabernet-Konzentrat mit sicher viel Potential, dem man aber noch etliche Jahre Zeit geben sollte.
Sehr kontrovers wurde am Tisch der 1966 Mouton Rothschild beurteilt. Ich fand ihn einfach nur dürr, ungenerös und etwas grün, ein Wein, der seine beste Phase lange hinter sich hat und nur noch schlechter werden kann 86/100. Dass es im sicher nicht unproblematischen Jahrgang 1966 noch deutlich schlechter geht, zeigte der parallel getrunkene 1966 Lafite Rothschild. In der Nase deutliche Paprikatöne, unreifer, grüner Wein aus unreifen Trauben, Säure statt Frucht, schlimmes Zeugs 79/100.
Der Wein des Abends, der am Tisch unisono mit 100/100 bewertet wurde, war dann 1950 Cheval Blanc. Die klassische Cheval Blanc Nase mit irrer Aromatik, immer noch ziemlich junge, dichte Farbe, am Gaumen füllig, dicht, komplex, ein ganz großer Cheval Blanc in Reinkultur. Sicherlich trug der gute Gesamtzustand dieser Flasche, dich ich vor langen Jahren auf einer kleinen französischen Auktion aus Erstbesitz erworben hatte, dazu bei. Cheval Blanc hat aber auch zwischen 1947 und 1955 atemberaubende Weine mit unglaublichem Alterungspotential gemacht, die in gutem Zustand jede Suche wert sind. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Willi Krähling für mich vor wenigen Jahren Cheval Blanc 1955, 1953 und 1949 in halben(!) Flaschen aufmachte, von denen eine besser war als die andere. Nur der Abstufung halber kamen damals 98, 99 und 100/100 auf den Tisch. Einzeln für sich hätte wahrscheinlich jede Flasche die Höchstnote verdient gehabt.
Sehr überzeugend danach 1966 Musar aus dem Libanon. Ich hielt diesen Wein blind für einen großen Hermitage la Chapelle des gleichen Jahres, dem er in der Aromatik sehr ähnelte. Trotz heller Farbe immer noch viel Kraft, ein riesengroßer Stoff mit irrer Länge am Gaumen 96/100. Auch bei 1919 Siran lag ich völlig daneben. Der wirkte trotz heller Farbe mit wenig Brauntönen noch sehr jung. In seiner etwas spröden Art hätte ich ihn eher in 1966 geschickt 89/100. Zur damaligen Zeit nahmen es die Winzer mit den Jahrgängen nicht so genau. Da wurden dann kleinere Jahre schon mal mit einem besseren Vorgängerjahr angereichert. Ich bin mir sicher, dass hier auch eine gehörige Portion 1918er mit drin war.
Nicht mehr trinkbar war der 1933 Colares aus Portugal. Sehr helle Farbe, extreme Schärfe in der Nase und auch am Gaumen eher die Aromatik von "Rohr frei" als von großem Wein.
Ein sehr feiner, deutlich jünger wirkender, aromatischer Wein war 1945 Beychevelle. Ein sehr eleganter Charmeur, der sicher noch etliche Jahre vor sich hat 93/100.
Nicht mehr so groß wie gewohnt war 1955 La Mission Haut Brion in der Vandermeulen-Abfüllung. Diesem einstigen Superstar merkt man inzwischen an, dass er in die Jahre kommt. Inzwischen gebe ich dem 52er deutlich den Vorzug. Trotzdem immer noch ein portiger, dichter Wein mit langem Abgang 94/100.
Nicht getrunken habe ich den nachfolgenden 1928 Vosne Romanée von Moreau. Der stank dermaßen abartig nach Käse, das war nicht normal. Ich habe diesen Wein schon vorher einmal in sehr guter, überzeugender Verfassung erlebt.
Die sehr brilliante, helle Farbe war auch alles, was den 1949 Talbot noch auszeichnete. Das war sicher vor langen Jahren mal ein feiner Wein auf nicht allzu hohem Niveau. Heute kommt da nichts mehr, die Frucht ist weg, immer noch trinkbar 82/100.
Überrascht war ich von 1961 d`Yquem, den einer der Teilnehmer unserer Best Bottle plötzlich aus dem Hut zauberte. Auch Yquem hatte in diesem großen Rotwein- aber sehr schwierigen Sauternesjahr eigentlich keinen großen Wein erzeugt. Bisher war ich von einer Ausnahme abgesehen auch immer enttäuscht vom 61er Yquem, der sich über die Jahre enorm wandelte. Vielleicht hat er jetzt ja doch noch die Kurve zum Besseren bekommen. In dieser Flasche hatte er zur reifen güldenen Farbe in der Nase gebrannte Mandeln und Orangenschalen, am Gaumen feine Süße, Bitterstoffe und immer noch eine gute Säure 94/100.
Zu den schönsten 66ern gehört 1966 Haut Brion, der auch an diesem Abend wieder eine überzeugende Vorstellung bot. Dichte, junge Farbe, feine Frucht, Kaffeetöne, etwas rustikal, aber sehr schön zu trinken 92/100. Leider traf der Haut Brion auf den ermatteten Gaumen eines müden Verkosters, der sich nach einer spannenden, aber langen Probe nach seinem Bett sehnte.