Best Bottle im Dezember 2005

Der Teilnehmerkreis war so bunt zusammengewürfelt wie die Weine. Thema hatten wir keines vorgegeben. Jeder halt so gut er konnte. Herzblut hieß die Maxime, der Griff ins Regal sollte weh tun.
Der Start in unsere traditionelle Advents-Best-Bottle bei Franz Josef Schorn erfolgte mit einer 2004 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Spätlese #7 aus der Magnum von Fritz Haag. Das war eher Auslese als Spätlese mit glockenklarer Frucht, erstaunlicher Fülle und der klassischen Haag schen Finesse 92/100.
Restsüß ging es weiter mit einer 1989 Serriger Schloß Saarstein BA. Die war schon erstaunlich weit und reif mit kräftiger, goldgelber Farbe. Ganz schön dick mit viel Boytritis und Honigtönen, für einen Saarwein geradezu opulent, aber auch ein feiner Schieferton und immer noch gute Säure. Ein großer Wein, der insgesamt sehr ausgewogen wirkte, finessig, mit toller Länge am Gaumen 95/100.
Reife, pralle kalifornische Frucht, Cassis, schwarze Johannisbeere, zeigte ein 1997 Phelps Insignia. Bei insgesamt guter Struktur wirkte er balanciert und sehr gefällig, fast etwas harmlos, jedenfalls hatte er zumindest aus dieser Flasche nicht mehr die Dramatik früherer Jahre 93/100.
Sehr enttäuscht ware wir alle vom 1994 Pesquera Janus. Dieser einstmals so hochgelobte Wein präsentierte sich in recht erbärmlicher Verfassung. Animalische Nase, alter Ledersattel, wirkt rustikal, eckige, etwas grüne Tannine, Frucht Fehlanzeige, schon etwas gezehrt. Das war jung mal ein Traum, doch den einstmals großen Wein kann man jetzt nur noch entfernt erahnen, der steht völlig neben den Schuhen, max. 86/100.
Sehr schön der Vergleich von 1982 Talbot und 1982 Gruaud Larose. Der lange verschlossene Talbot hat sich inzwischen deutlich geöffnet mit schönen Zedernholz-Tönen. Wirkt insgesamt etwas weiter und femininer als Gruaud, brauchte sich hinter diesem aber nicht zu verstecken. Sicher einer der schönsten Talbots überhaupt mit Potential für noch locker 10-15 Jahre 94/100. Immer noch sehr jung der Gruaud, aus dieser Flasche aber doch deutlich offener als aus meinen. Gerade bei Weinen, die auf dem Sprung zur Trinkreife sind, machen ein paar Grad mehr oder weniger in der Lagertemperatur enorm viel aus. Schon oft habe ich in Restaurants Weine getrunken, mich über die Trinkreife gefreut und dann zuhause ernüchternd feststellen müssen, dass ich mich bei den eigenen Flaschen noch in einige Jahre Geduld üben muss. Das ist halt der Preis, den man für Langlebigkeit zahlt. Ich habe einen Weinfreund, der lagert seine jungen Weine bei etwa 16 Grad und packt sie bei Erreichen der ersten Trinkreife in einen konstant auf 10 Grad gehaltenen Nachbarraum. Sicher keine uninteressante Methode, vor allem für ungeduldige Weinfans, aber man braucht halt zwei Keller. So war dieser 82er Gruaud immer noch sehr jung, aber deutlich offener als meine, mit fantastischer Frucht, toller Aromatik und irrer Frische. Das ist St. Julien in Perfektion und auf dem besten Wege, eine moderne Weinlegende zu werden 97/100.
Und weil s so schön war, kam der gleiche Wein im nächsten Flight noch mal! Zwei Weinfreunde ein Gedanke. Auch diese Flasche war praktisch identisch mit der davor. In der Form könnte ich 82 Gruaud auch dreimal hintereinander trinken.
Gut gefiel mir 1989 Beaucastel. Der ist inzwischen voll trinkbar. Großer Stoff, so weit, so reif, so süß mit schöner Frucht und wunderbarer Würze. Hat sicherlich noch lange Jahre Zukunft, aber warum eigentlich? 94/100.
Beim nächsten Wein war ich mir sicher. Das war die klassische Leoville-las-Cases-Stilistik. Aber konnte der 82er, den ich erst vermutete, selbst aus wärmeren Kellern schon so trinkreif und zugänglich sein? War es aber nicht. Vor uns im Glas hatten wir 1990 Leoville las Cases. Was für ein Riesenwein. Ganz groß, komplex, mit feiner Frucht, unglaublich druckvoll am Gaumen und trotzdem sehr balanciert wirkend. Ein Wein, der in den letzten Jahren enorm zugelegt hat und trotzdem erst am Anfang einer sicher 20jährigen Genussphase steht 97/100.
Gegen dieses attraktive Kraftpaket wirkte 1985 Margaux eher etwas leichtgewichtig. Dabei ist das ein ungemein charmanter, feinduftiger, eleganter Wein mit sehr feiner, beeriger Frucht. Sehr elegant, zugänglich und mit toller Länge am Gaumen. Nur ist das kein Probenwein, da geht er im Vergleich zu Powerweinen unter. So was trinkt man solo, am Abend vor dem Kamin oder an einem verregneten Samstag Nachmittag. Ein Wein zum Träumen und Philosophieren, der anregt, statt den Gaumen zu betäuben. Trotzdem habe ich ihm an diesem Abend im Vergleich nur knauserige 93/100 gegeben und mir aber fest vorgenommen, ihn noch mal solo zu trinken und neu zu bewerten. Denn das ist die große Gefahr bei größeren Proben und auch bei Mega-Verkostungen, wie den Bordeaux-Jungweinverkostungen. Kräftige Weine machen eher auf sich aufmerksam und schneiden meist besser ab. Und dann macht man zuhause eine Flasche von dem hochgelobten Powerteil auf, bei dem in der Probe jeder "Wow!" schrie. Das erste Glas ähnelt dem Schluck in der Probe, beim zweiten Glas kommt man ins Grübeln, beim Dritten wünscht man sich, man hätte nur eine halbe Flasche aufgemacht oder wäre zu Viert. Schiere Kraft wird auf Dauer langweilig, betäubt Gaumen und Sinne und macht satt. Bei Weinen wie 85 Margaux kann das nicht passieren. Die werden von Schluck zu Schluck immer besser und interessanter.
Und dann gab es auch eine Flasche Promi-Brause. 2002 Ernie Els heißt das Ergebnis einer Kooperation zwischen Supergolfer Ernie Els und dem südafrikanischen Winzer Jean Engelbrecht aus Stellenbosch. Rabenschwarz, dick, dicht, etwas überreife und schon fast ins korinthige gehende Beerenfrucht, vanillig und dabei undifferenziert und gemacht wirkend. Kraft ohne Finesse. Da sollte wohl mit Gewalt ein Top-Cuvée erzeugt werden. Vielleicht schleift sich dieses Machwerk in den nächsten Jahren ja noch ab. Für mich waren da selbst bei gutem Willen max. 87/100 drin. Gut, dass Michael Schumacher keine Weine macht.
Da war 1990 Conseillante schon eher nach meinem Geschmack. So weich, so fein, so schmelzig und aromatisch, dabei schon sehr reif und weit wirkend. Tolle, feminine Aromatik, pure Seide am Gaumen. Das ist reifer, verführerischer Merlot vom Allerfeinsten 97/100.
Stellen Sie sich mal eine Preisboxer neben einer Ballerina vor. So wirkte im Vergleich der 2001 Numanthia, ein unglaublich dichter, würziger, großer Wein, der erst ganz am Anfang einer langen Entwicklung steht 93/100.
Ein Klassiker und immer noch unbedingte Kaufempfehlung ist 1982 Sociando Mallet. Der ist zwar inzwischen trinkreif, wirkt aber immer noch so jugendlich mit noch viel Potential. Ein kräftiger, dichter Wein mit schöner Mineralität, leicht erdig und etwas rustikal 92/100.
Überrascht war ich von 1990 Gruaud Larose. Völlig durchgegangen ist mir bei Gruaud dieser Jahrgang. Bis 2001 habe ich ihn mehrfach getrunken und nie höher als 88/100 bewertet. Unglaublich, wie der Wein inzwischen zugelegt hat. Leicht animalisches Bouquet, der berühmte Cordier-Stinker. Süßlich, lakritzig, dabei so offen und aromatisch, macht sehr reifen Eindruck, ist aber körperreich und hat sicher noch Potential 94/100. Ich werde in jedem Fall nach diesem Wein auf die Suche gehen.
Danach ging es ab in die reifere Abteilung mit zwei unwiderstehlich schönen Magnums. Aus der 1tel ist der 1955 Cos d Estournel inzwischen schon mit Vorsicht zu genießen. Aus dieser Magnum, die darüber hinaus in perfektem Zustand war, zeigte sich aber, warum die Magnum als perfekteste Flaschengröße für die Alterung eines Bordeaux gilt. Ein komplexer, dichter Wein mit relativ heller, Reife anzeigender Farbe, baute schön im Glas aus und entwickelte am Gaumen feine Süße, das war ein großer, reifer Bilderbuch-Medoc - 95/100. Sehr überzeugend auch der 1955 Clos des Jacobins aus der Magnum. Superfarbe, tolle Aromatik, feine Frucht, unendliche Länge - 94/100. Beide Weine klassische Beispiele für die hohe Qualität des Jahres 1955.
Den Schlusspunkt setzte ein immer noch viel zu junger 1991 Ermitage Le Pavillon von Chapoutier. Immerhin zeigte dieser Wein, den ich nur völlig zugenagelt kenne, an diesem Abend schon eine ganze Menge. Superdichte, immer noch jugendlich wirkende Farbe, in der Nase Gewürze ohne Ende, am Gaumen eine intensive, jugendliche Fruchtsüße, dazu Lakritz und eine unbändige Kraft. Ein Wein mit Irrsinnspotential und Langlebigkeit. Wenn Sie den haben und es schaffen, der Versuchung zu widerstehen, dann lassen Sie die Kiste noch 5-10 Jahre zu. So werden dann aus den heutigen 96+/100 durchaus einmal 100/100.

Finden Sie auf dem obigen Bild Latour und Lafite? Latour hält Franz Josef Schorn im Arm. Lafite ist unter dem Tisch. Franz Josef ist im positiven Sinne weinverrückt. Und so bekamen auch seine Hunde entsprechende Namen.