Besuch aus Australien

Ganze 19 Stunden war Michael Horstmann zu einer wunderbaren Probe im Restaurant Schorn unterwegs. Aus Perth in Westaustralien war er in seine alte Heimat Düsseldorf gekommen.
Gelohnt hat sicher nicht nur das Wiedersehen mit alten Weinfreunden. Der Gastgeber hatte sich mit edlen Tropfen mächtig ins Zeugs gelegt, und Franz Josef Schorn kochte auf, als wollte er sich für zwei Michelin Sterne bewerben.
Los ging es mit einem 2004 Königsbacher Idig von Christmann. Der wirkte zu Anfang erstaunlich kompakt und schlank mit knackiger Säure und klarer Riesling-Frucht. Als Idig war er so nicht zu erkennen. Da musste dann schon reichlich Zeit im Glas vergehen. Dann ging aber immer mehr die Post ab. Reife, gelbe Früchte mit einem Hauch von Exotik, immer deutlichere Fruchtsüße, getragen vom Alkohol, schöne Mineralität, perfekte Struktur und unendliche Länge am Gaumen. Klar, das ist kein Wein für schüchterne Finessentrinker. Der Idig ein sein ungemein saftiger, kraftvoller Riesling von internationalem Format. Er knüpft klar an die großen Idig aus 2001 und 2002 an. Warum er so lange im Glas brauchte, ist auch klar. Der Idig ist ein Riese, und der Riese gehört aus der Flasche! Das heißt: rechtzeitig dekantieren und dann ab in Burgundergläser(an diesem Abend leider nicht passiert). So könnte man den Idig auch schon heute auf 94+/100 Niveau genießen. Ich würde ihn lieber noch ein paar Jahre liegen lassen, dann sind auch 96/100 drin.
Weiniger anfangen konnte ich mit dem zweiten Weißwein, 1997 Das Beste vom Riesling vom Weingut Malat aus dem Kremstal. Ich hatte diesen seinerzeit sehr beeindruckenden Wein zusammen mit dem Gastgeber direkt auf dem Gut gekauft. Im Stile einer halbtrockenen Auslese produziert, wirkte er damals mit seiner spürbaren Restsüße, den 53g zuckerfreiem Extrakt und den 10,5%0 Säure riesengroß und entwickelte sich auch in den Jahren danach gut weiter. An diesem Abend war er nicht in Bestform, kräftiges Goldgelb, in der Nase deutlicher Reifeton, Petrol, reifes Steinobst, gut Säure, am Gaumen recht bitter, fett, immer noch gute Säure 89/100. Möglich, dass er nur eine schwierige Phase durchläuft und in ein paar Jahren wieder zur alten Form aufläuft.
Ein für Sauternes ungewöhnliches Altrosa zeigte der 1975 Rieussec. Ein fülliger und kräftiger Sauternes mit schöner Süße, Karamell- und Bittertönen, sehr gut balanciert durch die 75er Säure 92/100.
Eigentlich nichts essen musste man zum 1999 Grüner Veltliner Ried Lamm von Bründlmayer, denn der machte auch so satt. Ein dickes, alkoholisches Geschoß mit kräftiger Farbe, korpulent wirkend ohne irgendwelche Grüne Veltliner-Typizität, Frucht Fehlanzeige 85/100. Das mag hart klingen, denn über diesen Wein sind schon viele Lobeshymnen gesungen worden, doch mehr hatte (nicht nur) ich an diesem Abend wirklich nicht im Glas.
Da passte dann eigentlich auch der erste Rotwein zu, ein 1997 Poggio als Sole Chianti Classico Casalia. Ruppig, viel Säure, wenig Frucht, vegetale Noten, so was brauche ich nicht im Glas 82/100.
Von ganz anderem Holz geschnitzt war da der Wein im zweiten Glas. Nie wäre ich auf einen Valpolicella gekommen. Da ist wohl der Name durch billige Pizzeria.Plörre zu sehr vorbelastet. Den 1997 Valpolicella Vigneto di Monte Lodoletta von Romano dal Forno hätte ich mit seinem "Cordier-Stinker und der Bordeaux-Stilistik eher nach Franreich gesteckt. Gute, rotbeerige Frucht, ein bei aller Konzentration, weicher, gefälliger, geradezu cremiger Wein mit wunderbarer Aromatik. Die heftigen, aber kaum sürbaren 14,5 % Alkohol tun als Geschmacksträger ihr Übriges dazu 93/100.
Leichter zu erkennen war 1991 Silver Oak Alexander Valley. Die süßliche, einfach genial-leckere Alexander-Frucht, die klassische Dillnote, an der man den Wein kennt, ein herrlich süffiger Wein mit hohem Spaßfaktor, der sich seit 10 Jahren praktisch unverändert gut präsentiert 93/100.
Der im Vergleich getrunkene 1991 Latour war nicht nur durch einen stark Kork-verdächtigen Fehlton gehandicapt. Er wirkte auch schon verdammt gezehrt. Damit scheint dieser Wein, den ich an gleicher Stelle völlig anders und absolut grandios erlebt habe, den Weg fast aller 91er Bordeaux zu gehen. Sie trocknen aus, werden dürr und ungenerös. Auf diesem niedrigen Niveau werden sie sich dann zumindest die größeren Gewächse noch eine Weile halten 85/100.
Sehr spannend war das nun folgende Duell. Erstaunlich offen präsentierte sich 1983 Palmer. Was bin ich an diesem Wein, der in seiner jugendlichen Fruchtphase bis Ende der 80er so grandios war, nicht 15 Jahre lang verzweifelt! Do so langsam oder je nach Lagerung schneller kommt der Palmer jetzt wieder aus seinem Schneckenhaus heraus. Vor uns stand ein sehr feiner und eleganter Wein mit burgundischer Eleganz, wie ich sie kürzlich erst beim großen 61er erleben durfte. Delikate Frucht, Edelhölzer, Finesse ohne Ende und tolle Länge am Gaumen 96/100. Wird sich in den nächsten Jahren noch steigern und ein würdiger Nachfolger des 61ers werden.
Auch 1983 Margaux hat in den letzten 15 Jahren häufig Zweifel ob seiner wahren Größe und seines Potentials aufgeworfen. Hier stand nun vor uns endlich ein kompletter, großer Wein, die Eisenfaust im Samthandschuh, Kraft und Finesse hervorragend gepaart mit toller Frucht und irrer Länge am Gaumen 98/100. Das Rennen 82 gegen 83 Margaux , das der 82er bisher klar für sich entschieden hatte, dürfte wieder spannend werden.
Wie unterschiedlich aber auch die Geschmäcker sind, zeigte sich an unserem Tisch. Da gab es sowohl eine Palmer- als auch eine Margaux-Fraktion.
Einig waren wir uns aber alle im nächsten Flight. 1970 Montrose ist sicher kein schlechter Wein, potentiell sogar ein sehr großer, nur zeigt er selbst nach nunmehr 35 Jahren immer noch nicht allzu viel davon. Sehr terroir-betont, immer noch etwas spröde und rustikal, aber mit toller Länge am Gaumen. Immer noch viel deutlich spürbares Tannin. Wenn Sie gerade Vater geworden sind, sollten Sie mindestens zwei Flaschen weglegen, eine, die Sie zum 18. Geburtstages Ihres Kindes trinken, die andere für den 18. Geburtstag des später hoffentlich folgenden Enkels. Heute 93/100.
Da lässt der 1970 Latour natürlich schon mehr raus. Ein Gigant von einem Wein. Noch so jung und so dicht mit sehr junger, kräftiger Farbe. In der Nase konzentrierte Frucht und die klassische Walnuß-Aromatik, am Gaumen eine unglaublich druckvolle Aromatik, hört gar nicht mehr auf. Nach ein paar enttäuschenden Flaschen in den 90ern(teils verschlossen, teils schlecht gelagert) ist das ist jetzt der dritte 70er Latour in Folge, den ich mit 100/100 bewerten kann. Ein faszinierender Wein mit immer noch riesigem Potential, der sicher ein 20-30 Jahre währendes Trinkfenster vor sich hat.
Faszinierend war im folgenden Spanien-Flight wieder 1959 Marques de Murrieta Castillo YGAY. Trotz seiner 46 Jahre ein zeitloser Wein ohne größere Altersspuren. Wirkt immer noch so jung, so dicht, so süß und bleibt sehr lang am Gaumen 96/100. Marques de Murrieta bietet dem Himmel sei Dank! weiterhin die klassisch ausgebauten, für die Ewigkeit gemachten YGAYs an. Paralell dazu werden auch Weine nach der neuen spanischen Schule vinifiziert, die fruchtbetonter sind, sehr viel früher auf den Markt kommen und bereits jung sehr gut trinkbar sind. Ich mag eigentlich beide, die großen spanischen Weine der neuen Generation, die Aaltos, Numantias & Co, sowie die klassischen Riojas bis an den Anfang des letzten Jahrhunderts zurück. Vergleichen kann man sie ebenso wenig, wie einen aktuellen Hit mit dem Violinenkonzert eines großen Orchesters. Jeden zu seiner Zeit.
Erheblich weiter und reifer als der YGAY war der 1982 Rioja Alta Gran Reserva 890. Ebenfalls ein reifer Rioja nach klassischer Machart, der aber im Vergleich nicht nur reifer, sondern auch längst nicht so schön definiert wirkte 91/100.
An diesem Abend waren viele Weine aus dem Wartezimmer dran, bei denen man seit langem darauf wartet, dass sie sich endlich wieder öffnen. Der 1982 Gruaud Larose war wieder so ein Kandidat, der endlich mal zeigte, was in ihm steckt. Gruaud vom Allerfeinsten, auf dem besten Weg zum zweiten 61er, dem er in seiner noch ungestümen, jugendlichen Aromatik ähnlicher wird. Ich erspare mir die Aufzählung der siebzehn verschiedenen Aromen, die zum Ende einer solchen Probe ohnehin niemand mehr notiert(warum eigentlich zu Anfang?). Holen sie eine Flasche aus dem Keller, sofern das kein 10 Grad Eisstall ist, dekantieren den Gruaud 2 Stunden vorher und stecken dann die Nase rein. So riechen und schmecken 97/100.
Schade, dass es den 1982 La Mission Haut Brion damals wie heute nicht mit Schraubverschluß gab. Dann wäre uns die Korkpleite dieses Abends erspart geblieben. Unter dem immer übler werdenden Kork war die Größe dieses Weinriesen entfernt zu erahnen, aber mehr auch nicht. Ich werde immer mehr ein Fan alternativer Verschlüsse, denn die Korkqualität hat mit und seit den 80er Jahren deutlich abgenommen. Nimmt man dazu noch Verunreinigungen durch TCA und Brettamycose, dann wird der Kauf auch von hochwertigen Weinen immer mehr zum ärgerlichen Lotteriespiel.
Das ist 1985 Graham, da war ich mir beim nachfolgenden Portwein absolut sicher. War es nicht, sondern 1985 Croft, der aber dem legendären Graham mit seiner feinen Frucht, der unendlichen Eleganz und der feinen Süße in dieser Flasche sehr nahe kam 96/100.
Einer geht noch...mit diesem Spruch wurde der arme Gastgeber noch mal in den Keller geschickt. Der 1990 Guiraud erwies sich als gut trinkbarer Sauternes, dessen deutliche Süße durch die ebenfalls vorhandene Säure gut abgepuffert wurde. Kräftige Farbe, noch sehr jung wirkend, eingelegte Aprikosen, etwas rustikal 91/100.

Australier, Spitzenkoch und Gastgeber (v.l.)

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