Das 1976 Paris Tasting

Wohl selten war ich auf eine Weinprobe so gespannt wie auf das, was Weinfreund Eugen Haefliger im März 2012 in Zürich organisierte. Das 1976 Paris Tasting 36 Jahre später noch mal mit den Original-Weinen von damals. Würde Kalifornien wieder die Nase vorn haben?

Legendär ist die große Blindprobe, die der englische Master of Wine Steven Spurrier am 24. Mai 1976 in Paris veranstaltete. Als "Judgement of Paris" ging diese Probe in die Geschichte ein und veränderte die Weinwelt nachhaltig. Eine hochkarätig mit großen Namen aus der französischen Weinwelt besetzte Jury verkostete damals blind kalifornische und Französische Weine gegeneinander. Sowohl bei den Chardonnays als auch bei den Rotweinen hatte Kalifornien eindeutig die Nase vorn.

Wer sich näher für diese Probe interessiert, findet Hintergründe, weiterführende Links und detaillierte Verkostungsergebnisse in einem großen Wikipedia-Artikel. Eine amüsante und weitgehend historisch korrekte Art, sich mit dem Thema auseinander zu setzen ist der unbedingt sehenswerte Film Bottle Shock(gibt es u.a. für knapp € 5 bei Amazon). Hauptdarsteller dieses Films ist der 1973 Chateau Montelena Chardonnay, der damals die Konkurrenz aus Burgund eindrucksvoll auf die Plätze verwies. Dieser ultrarare Wein ist heute wenn überhaupt nur zu absurden Preisen auf Auktionen zu finden. Ich hatte Ende 2010 die einmalige Gelegenheit, diesen Wein auf dem Unger-Weihnachtstasting zu verkosten.

Eugen Haefliger(rechts) und Baschi Schwander

Eugen Haefliger(rechts) und Baschi Schwander

Wir widmeten uns in diesem von Baschi Schwander bestens organisiertem Tasting den roten Weinen, die wir so wie damals blind vorgesetzt bekamen. Ähnlich spektakulär wie die Probe selbst war der von Eugen Haefliger gewählte Veranstaltungsort, das Restaurant Clouds im 35. Stock des Prime Tower mit atemberaubendem Blick über Zürich und den See.

Die 11 roten Kandidaten- blind serviert

Die 11 roten Kandidaten- blind serviert

#1 - Bräunlich die Farbe des 1972 Clos du Val Cabernet Sauvignon, sehr reif die malzige Nase, auch am Gaumen sehr reif mit oxidativen Noten und auch etwas Lakritz, schien erst langsam zu zerfallen, hielt sich dann aber doch beachtlich, nicht mehr die allergrößte Freude, aber immer noch gut trinkbar 88/100.

#2 - Eine reife, helle, bräunliche Farbe hatte der 1969 Freemark Abbey Cabernet Sauvignon. Verhalten und mit feiner Süße die immer noch interessante Nase, wurde mit der Zeit immer teeriger. Der Gaumen kam da nicht mit, wirkte zu Anfang sehr säuerlich, stabilisierte sich dann etwas, zeigte sogar etwas Süße, war aber auch austrockend, und die Säure blieb 87/100.

#3 - Voll intakt die Farbe des 1971 Leoville las Cases, dessen grenzwertige Nase mich an einen vollen Staubsaugerbeutel erinnerte. Am Gaumen war dieser Wein kräftig, aber auch eindimensional und monolithisch. Wird sich auf diesem Niveau noch länger halten, aber warum eigentlich? 86/100

Sieht nach Arbeit aus, war aber großes Vergnügen

Sieht nach Arbeit aus, war aber großes Vergnügen

#4 - Kräftig und noch recht jung die Farbe des 1971 Ridge Monte Bello, ausdrucksstarke, mineralische Nase mit Minze, Eukalyptus und Leder, am Gaumen reichlich Fülle, Kraft und tolle Länge, ging auch als großer Bordeaux durch und ist noch lange nicht am Ende. Ein kompletter Wein, der nach wie vor jede Suche wert ist 93/100.

#5 - Sehr reif die Farbe des 1970 Montrose, in der oxidativen Nase Sherrynoten und etwas Süße, aber auch kalter, abgestandener Kräutertee, am Gaumen ein nur entfernt weinähnliches, trinkbares, zu altes Getränk 85/100. Eine schlechte Flasche? Ich hatte diesen Montrose schon mit begeisterten 93 und 95/100 im Glas, doch sowohl bei Elke Drescher 2010(86/100) als auch bei der großen St. Estephe-Probe der Linzer Gang 2007(82/100) war das keine Offenbarung.

#6 - Ziemlich grottig auch der 1970 Mouton Rothschild trotz dichter, jünger wirkender Farbe, an dem am Tisch einige erstaunlicherweise Gefallen fanden, vor allem, nachdem er aufgedeckt worden war. Pilzig die Nase, Mottenkugeln, am Gaumen hohl, ziemlich nichtssagend, metallisch, die gute Zeit länger her - 83/100. So kenne ich diesen Wein, der mich oft auch durch flüchtige Säure abgeschreckt hat. Allerdings hatte ich zuletzt Ende 2010 und 2011 das absolute Gegenteil im Glas, einen großen, klassischen Mouton auf 94/100 Niveau.

#7 - Ziemlich dunkel die schon leicht ins bräunliche gehende Farbe des 1973 Stag s Leap Cabernet Sauvignon. Der war sicher nicht mehr in der Form von 1976, als er Sieger bei den Roten wurde. Ich fand ihn aber immer noch interessant und sehr schön zu trinken. In der kramelligen Nase auch frischer Dung und Sattelleder, Anis und Lakritze, am Gaumen fragil, schlank, etwas staubig und schon leicht gezehrt, aber die intakte, gut eingebundene Säure verleiht dem Wein sogar noch eine gewisse Frische 90/100.

#8 - Erstaunlich gut schlug sich 1970 Haut Brion, den ich aus diversen Proben deutlich älter und belangloser in Erinnerung habe. Aber aus dieser Flasche hier wirkte er nicht nur in der Farbe immer noch recht jung. Sehr schöne Minznase mit Leder und Tabak, am Gaumen eher schlank, zu Anfang etwas eindimensional, baute aber aus und wurde zugänglicher. Meine Note habe ich dreimal hoch gesetzt und landete dann bei 90/100.

#9 - Schlichtweg begeistert hat mich 1970 Heitz Martha s Vineyard. Superfarbe, Traumnase mit superber Frucht, Minze und Eukalyptus satt, altes Sattelleder, geradezu explosiv, am Gaumen enorm kräftig und lang mit ungeheuer druckvoller Aromatik, da ist noch Musik für lange Jahre drin 97/100.

#10 - Sehr jung auch die Farbe des aus der Magnum ausgeschenkten 1971 Mayacamas Cabernet Sauvignon. In der sehr fruchtigen, rotbeerigen Nase, die mit der Zeit immer minziger wurde, erinnerte er an einen großen Pauillac. Auch am Gaumen war das ein großer Wein aus einem Guß mit Fülle, Kraft, Körper und perfekter Struktur, immer noch so jung und dicht 96/100.

Mein eigenes Rersultat

Mein eigenes Rersultat

Meine Beurteilung und Bewertung der Weine stammen aus der Blindverkostung. Ich habe beide nach Aufdecken der Weine nicht mehr verändert, lediglich für diesen Bericht im ein oder anderen Fall noch um frühere Erfahrungen ergänzt. Meine eigene Reihenfolge sehen Sie auf der obigen Abbildung. Die obere Reihe ist die Platzierung, die untere der Wein. D.h. auf Platz 1 bei mir Wein #9, der Martha s, Platz 2 # 10, der Mayacamas etc.

Die Gesamtwertung aller Probenteilnehmer, zu denen auch René Gabriel gehörte(seine Notizen auf bxtotal.com) ergab folgendes Bild:

1 - Heitz Martha s Vineyard(7)
2 - Mayacamas(9)
3 - Ridge Monte Bello(5)
4 - Freemark Abbey(10)
5 - Haut Brion(4)
6 - Clos du Val(8)
7 - Mouton Rothschild(2)
8 - Leoville las Cases(6)
9 - Stag s Leap(1)
10 - Montrose(3)

In Klammern dahinter jeweils die Platzierung bei der Originalprobe 1976.

Warum waren die Kalifornischen Weine dieser Zeit so gut und teilweise besser als ihre französischen Gegenstücke? Die 60er und 70er Jahre gelten nicht gerade als Glanzzeit des Bordelais. Man hielt nicht viel von Begrenzung der erntemengen, schmiss Kunstdünger in die Weinberge und entdeckte nur langsam die Segnungen der modernen Önologie. Dazu hatten die Kalifornier den eindeutigen Vorteil des besseren, beständigeren Wetters. Als Rudi Carell 1975 sein berühmtes "Wann wird"s mal endlich wider Sommer" sang, bezog sich das nicht auf Kalifornien. Hier wurden große und oft auch sehr langlebige Weine erzeugt. Ich bin seit langem bekennender Fan der kalifornischen aus der Zeit bis 1990. In dieser Zeit entstanden in Kalifornien oft die "besseren Bordeaux", große Weine mit kalifornischer Frucht aber der Struktur großer Bordeaux. Das änderte sich in den 90ern, nicht nur mit der fortschreitenden Klimaerwärmung, sondern auch mit der stärkeren Anpassung an das amerikanische Geschmacksbild des "thick, rich and creamy".

Wie groß und alterungsfähig die kalifornischen Weine der damaligen Zeit waren, das zeigte uns Eugen Haefliger dann am Abend in einer sehr eindruckvollen Probe, die nicht nur bei mir zu einer wahren Punkteinflation führte.