Das Hammer-Wochenende

Traummenü und Traumweine

In feinem Kreise hatte unser Privat-Küchenstar Bernd an diesem Freitagabend eingeladen. Nur hatte er diesmal zwar eingekauft und vorbereitet, die eigentliche Umsetzung dann aber einem professionellen Spitzenkoch übertragen. Nicht, dass der gute Bernd das nicht mindest so gut hinbekommen hätte, aber er wollte lieber seine Nase tief in die spannenden Gläser stecken. So erlebten wir einen Traumabend mit einem fantastischen Menü, das wir wohl kaum an einer anderen Stelle Deutschlands an diesem Abend so gut bekommen hätten und mit Weinen, die wir wohl in dieser Dichte sicher auf keiner Karte gefunden hätten, vom Bezahlen wollen wir gar nicht reden.

Gleich im ersten Glas ging es mit einem Hammerwein los, 2004 G-Max von Klaus Keller. Der hatte was von einem durchtrainierten Spitzensportler, kein Gramm überflüssiges Fett zuviel, einfach perfekte, präzise Struktur, ein Ausnahmewein, bei dem von der Nase über den Gaumen bis hin zum endlosen Abgang einfach alles stimmte, sehr mineralisch mit einer ungeheuren Brillianz und druckvoller Aromatik, gefällt mir deutlich besser als die etwas überdrehten G-Maxe aus üppigeren Jahren 97/100. Ein ganz armer Wicht war da im direkten Vergleich der 2004 Morstein von Klaus Keller aus dem anderen Glas. Der wirkte füllig, kräftig mit reifern, gelben Früchten und etwas rustikal 91/100. Gut möglich, dass er solo besser abgeschnitten hätte.

Und schon standen mit tiefem, sehr jung wirkendem Rubinrot die ersten beiden Rotweine vor uns. Was für ein Superflight, 1982 Leoville las Cases gegen 1986 Leoville las Cases, wie ein Boxkampf Klitschko gegen Klitschko. Beide Weine mit ihrer perfekten Struktur an den G-Max aus dem ersten Glas erinnernd. Der 82er mit traumhaft präziser, glockenklarer Frucht, aber auch immer noch etwas bissig mit massiven Tanninen und prägnanter Säure, machte schon ungeheuren Trinkspaß, braucht aber auf dem sicheren Weg zur Perfektion noch ein paar Jahre 96+/100. Gewaltiges Potential auch beim 86er, der sich bei ähnlicher Stilistik etwas zugänglicher mit süßerer Frucht präsentierte 97/100.

Und gleich mit dem nächsten Flight führte unser Gastgeber dieses Thema fort. 1990 Leoville las Cases war, wenn bei diesem Wein überhaupt von Opulenz sprechen kann, der opulenteste der Serie, mit betörender, traumhafter Frucht 96/100. Ein konzentriertes, superdichtes Monstrum hingegen 1996 Leoville las Cases, bei dem das Chateau damals angeblich ausgiebig vom Konzentrator Gebrauch gemacht hatte. Da war jetzt nicht der durchtrainierte Spitzensportler im Glas, sonder der mit Steroiden und anderen Wunderpillen aufgepeppte Bodybuilder. Bei diesem Wein sehe ich wie übrigens auch beim nach ähnlicher Machart gestrickten 1996 Lafite Rothschild eine eher ungewisse Zukunft 91+(?)/100.

Leichte Schwierigkeiten hatte ich nach dieser eindrucksvollen Leo-Parade mit dem nächsten Wein, einem 2005 Bond St. Eden von Harlan. Klar ist das ein großer Wein. Harlan scheut bei diesen Weinen keinerlei Kosten und geht bei der Qualität keinerlei Kompromisse ein. Aber die verhängnisvolle Allianz von wärmerem Klima und nach immer reiferer Frucht strebenden Winemakern führt halt zu Weinen, die wie hier sehr üppig, süß, füllig und geradezu mächtig sind, mit konzentrierter, dichter, satter Brombeere, wobei man Harlan das Kompliment machen muss, dass dieser St. Eden für ein Monstrum eine erstaunliche Frische an den Tag legt 95/100. Im anderen Glas mit nicht unähnlicher Stilistik ein 2002 Shafer Hillside Select, superdichte Farbe, reife, dunkle, süße Frucht, weich und mollig wirkend, portig, dabei sehr druckvoll am Gaumen, insgesamt harmonischer als der St. Eden 97/100.

Als Solitär dann ein beeindruckender 2001 Clos Erasmus aus dem Priorat. Sehr dichte, aber kühle Frucht, Lakritz, sehr kraftvoll, aber doch mit erstaunlicher Frische, für Priorat unerhört geschmeidig und die satten 15% Alkohol gut verbergend, ein komplexer Wein, der ich im Glas sehr gut entwickelte 96/100.

Rücksprung in ein heißes Jahr, in dem Weine aber noch traditioneller mit deutlich weniger Alkohol erzeugt wurden. Immer noch recht jung wirkte die Farbe des 1949 Lanessan, der damit eher wie ein Wein aus den 80ern wirkte. Einfach ein perfekt gereifter, sehr aromatischer, komplexer Medoc mit schöner Süße, der sich hinter den anderen Weinen des Abends nicht verstecken musste 94/100. Alte Lanessans sind einfach immer eine Bank, und es ist schon erstaunlich, was für ein Schrott heute auf diesem hochwertigen Terroir erzeugt wird.

Wer im übernächsten Jahr den eigenen 60. Geburtstag feiert oder den eines guten Freundes, der sollte sich rechtzeitig auf die Suche nach einer der letzten Flaschen des grandiosen 1951 Vina Real Reserva Especial von CVNE machen. Das ist ganz großes Rioja-Kino ohne jedes Gemüse in der Nase, immer noch mit sehr junger Farbe, fleischig, viel Kaffee und Bitterschokolade, feiner Schmelz und gute, stützende Säure 95/100.

Zurück in die Neuzeit ging es mit einem sehr vielschichtigen 1997 Quilceda Creek, dicht, kräftig, jung und konzentriert mit immer noch mächtigem Tanningerüst und mit purer, reintöniger Frucht, dürfte recht langlebig sein und sich gut weiter entwickeln 95/100.

Satt zufrieden und glücklich waren wir. Hedonismus pur war dieser Abend, und so ging er auch zu Ende. Als Abschluss kredenzte uns der liebe Bernd noch einen prachtvollen 2007 Pinot Noir H von Hermann aus Fläsch, einen dekadent leckeren, reichhaltigen, verschwenderisch süßen Pinot aus der Bündner Herrschaft 93/100.

Die grosse Heitz Oper

Einen Ruf wie Donnerhall haben sie, diese Heitz Martha s Vineyard. Sie sind bekannt dafür, dass se perfekt altern und eigentlich erst nach 20 Jahren richtig zeige, was sie drauf haben. So auch ein perfektes Exemplar aus dem Jahre 1969 als Höhepunkt einer schönen Probe am Samstagabend.

Erster Wein des Abends war ein 2007 Halenberg trocken von Emrich-Schönleber. Traubige, saftige Nase mit dezentem Honigton, am Gaumen eher schlank, elegant und sehr mineralisch mit guter Säure 90/100. Gefolgt wurde er von einem noch verdammt jungen 2008 Morstein GG von Wittmann. Sehr junge Farbe mit Grünreflexen, in der Nase vollreife Zitrone, am Gaumen kernige Süße, aber auch hohe Extraktsüße, was zu einem interessanten, trockenen Wein mit Süße/Säurespiel führte, trotz seiner Jugend schon mit erstaunlich viel Trinkspaß 92/100.

Colafarben kam danach ein edelsüßer 1937 du Mayne aus Sauternes ins Glas. Klar war der alles andere als jung, aber auch lange noch nicht zu alt und durchaus spannend. Karamellig, malzig und mit einer gehörigen Portion Kaffee die Nase, am Gaumen gute Säure, die diesen Wein deutlich frischer wirken ließ als in der Nase, nicht übertrieben süß, wirkte wie flüssige, dunkle Storck-Riesen 89/100. Im anderen Glas eine immer noch jugendliche 1993 Wehlener Sonnenuhr Auslese Goldkapsel von JJ Prüm. Intensive, mineralische Petrolnase, Honigtöne, deutliche Boytritis, feine Süße, am Gaumen komplex, füllig und lang 93/100.

Wohl zu Ehren eines italienischen Gastes und Feundes, der extra für diese Probe aus Palermo angereist war, hatte unser spendabler Gastgeber einen 2004 Palari Faro von Salvatore Geraci aus Sizilien angestellt. Also, ich fand ehrlich gesagt den Gast erheblich interessanter und sympathischer als diesen Wein aus einer kleinen Lage bei Messina. Letzterer war nett, fruchtig und gefällig, aber auch etwas eindimensional 84/100. Im anderen Glas aus Portugal ein 2001 Leo d Honor. Ein sehr stoffiger, kräftiger, rauchiger Wein mit reifer Frucht, Minze und viel Alkohol. Kam mit dem 99er, den wir vor einem Jahr an gleicher Stelle im Glas hatten, nicht mit 90/100. Aber der Flight war ja auch nur als Übergang zu den "richtigen" Rotweinen gedacht.

Gut gemacht hat sich 1997 Dominus. Sehr dichte Farbe, in der Nase ein großes Pferd samt Ledersattel, sehr kraftvoll und lang am Gaumen, ein großer Wein, der sehr schön im Glas ausbaut, vielleicht etwas moderner und einen Tick kalifornischer als frühere Dominus-Jahrgänge, wirkt mit erster Süße voll da, hat aber noch etliche Jahre vor sich 96/100. In der Anmutung etwas jünger als vor ein paar Wochen in der Felsenburg in Olten wirkend der 1999 Lafite Rothschild. Kaffee ohne Ende in der Nase und am Gaumen, dazu eine sehr schöne, frische Cassisfrucht, Eleganz pur, sowie ein stabiles Tanningerüst, das eine längere Entwicklung garantiert 94/100.

Wo beim 97er das Pferd mit Sattel in der Nase war, mussten wir 1987 Dominus mit dem Stall vorlieb nehmen. Sehr florale Nase mit grasigen Tönen, mit der Zeit kam etwas Lakritz hinzu. Am Gaumen war der Dominus kernig und fleischig mit viel Eukalyptus und enormem Druck, so ein richtiger Charakterstoff, immer noch ganz am Anfang. Ein Klassiker mit noch sehr langer Laufzeit, der sicher auch noch zulegen kann und wird 95/100. Riesengroß natürlich wieder 1988 Mouton, der aus dieser, zu kurz dekantierten Flasche lange zur Entfaltung brauchte. Wer diesen immer noch weithin unterschätzten Mouton aus guter Lagerung jetzt genießen möchte, sollte ihn mindestens 4 Stunden vorher dekantieren. Völlig daneben leider 1990 Heitz Martha s Vineyard mit einer etwas billigen Vanille-Nase. Legte mit der Zeit etwas zu, aber die Klasse der normalen Flaschen (mehrfach in diesem Jahr mit 94/100 getrunken) erreichte er nicht annähernd.

Geradezu spektakulär im darauffolgenden Heitz Dreierflight ein 1969 Heitz Martha s Vineyard. Minze im Wein ist ja an sich nichts besonderes, aber was hier abging, das war schon außergewöhnlich. Noch nie habe ich in einem Wein auch nur annähernd so pure Minze gehabt, und das nicht nur in der Nase, sondern auch am Gaumen. Unter dieser dominanten Minze verbargen sich Kirschfrucht, Bitterschokolade und Eukalyptus. Dazu kamen unbändige Kraft und eine noch fast jugendliche Frische. Ein Wein mit immenser Strahlkraft, der dem legendären 74er sicher ebenbürtig ist 98/100. Erstaunlich gut zeigte sich auch 1981 Heitz Martha s Vineyard, ebenfalls mit viel Minze und Eukalyptus, aber auch mit guter Frucht, dabei etwas zivilisierter und harmonischer als 69, sehr balanciert und ohne Schwächen oder Alter, die junge Farbe und das gute Tanningerüst lassen auch hier noch auf etliche Jahre großes Trinkvergnügen hoffen 94/100. Immerhin hatte ich diesen 81er, der sonst nirgendwo auf dem Radarschirm auftaucht, schon mal vor zwei Jahren bei den Ungers mit 97/100 im Glas. Reichlich Babyspeck brachte 2002 Heitz Martha s Vineyard mit. Dicht, konzentriert, deutlich üppiger als der grandiose 2001er wirkend, muss sicherlich noch zu sich finden und ist mir zum jetzt trinken zu heftig 93+/100. Ich bezweifle, dass die modernen Heitz aus dem 1993 neu bepflanzten Rebberg ähnlich gut altern, wie die klassischen Martha s bis 1992. Immensen Spaß bereiten sie trotzdem und sie so wie die Klassiker jede Suche wert. Sehr dankbar bin ich hier Robert Parker. Der ignoriert Heitz weitgehend und sorgt so dafür, dass es immer noch Nachschub zu akzeptablen Preisen gibt. Möge das noch länger so bleiben.

Aus dem überragenden Kalifornien-Jahr 1974 bekamen wir danach eine andere Kalifornien-Legende ins Glas, 1974 Mondavi Reserve. Bei aller Kraft wieder sehr finessig und elegant, viel Minze und Eukalyptus, sehr nachhaltig und lang am Gaumen, reif zwar, aber trotzdem altersfrei - 97/100. Wie sehr dieser Mondavi im Stile eines großen Bordeaux reift, zeigte der Wein im anderen Glas, 1961 Gaffelière-Naudes aus diesem Jahrhundertjahrgang. Auch der sehr kraftvoll und elegant mit immer noch intaktem Tanningerüst, ein großer Schokoladenkuchen, der Hauch von flüchtiger Säure beeinträchtigte den Gesamteindruck nur minimal, rauchige Nase mit Zedernholz, Tabak und etwas Lakritz 96/100. Da war für mich der etwas ausladendere, intensivere Mondavi im Fotofinish auf sehr hohem Niveau der Sieger.

Und dann brachte unser Gastgeber wieder einen Wein, der schon vor einem Jahr an gleichem Ort für Furore gesorgt hatte, den 1978 Chateauneuf-du-Pape Cuvée Special von Berard. Mit der herrlichen, komplexen, würzigen Kaffeenase ging es los, am Gaumen ging er dann runter wie Öl mit toller Konsistenz, viel Kraft, aber auch mentholiger, minziger Frische, mit schmelziger Schokolade, gewaltiger Extraktsüße und irrer Länge, einfach ein kompletter, großer Chateauneuf, bei dem alles stimmte - 98/100. Für mich einer der beiden Kandidaten für den Wein des Abends. Im anderen Glas 1971 Clos Vougeot von Louis Latour. Ein sehr schmeichlerischer, hoch aromatischer, feiner Burgunder zum Niederknien. Alleine an der süchtig machenden Nase könnte ich stundenlang riechen 94/100.

Deutlich mehr hatte ich mir von einem 1959 Chateauneuf-du-Pape von Ogier versprochen. Da half auch der große Jahrgang nichts, der war einfach zu alt und gezehrt. Es ist eben noch längst nicht alles, was Chateauneuf heißt und alt ist automatisch gut, auch nicht aus großen Jahren. Faszination verströmte dagegen noch der 1921 Nuits St. Georges von Leon Christophe. Der hatte zwar eine sehr reife, alte und helle Farbe, aber noch eine sehr feine, delikate Nase und war am Gaumen, gestützt durch eine gute, tragende Säure hoch elegant mit generöser Süße 92/100.

Zum Abschluss tranken wir noch einen 1969 Lorcher Kapellenberg Auslese Eiswein vom Weingut Dr. F. Breuer. Das war Eiswein pur mit hoher Säure, ohne Boytritis, erstaunlicher Frische, schöner Süße und immer noch sehr schöner Frucht 92/100.

Rund um den Puter

Einen großen Puter hatte der gute Horst für uns in den Ofen geschoben. Der sollte an diesem Sonntagnachmittag dran glauben. Im Stile einer Best Bottle hatten wir alle gemeinsam für die begleitenden Getränke gesorgt.

Den Anfang machte eine 1983 Berncastler Doctor Auslese von Lauerburg. Tiefes Goldgelb, schon ziemlich reif und weit, dabei eher halbtrocken wirkend mit ersten, dezenten Lacktönen, gehörte getrunken und war sicher mal besser 86/100. Mit salziger Mineralität, prägnanter Bitternote und reifer Marille kam danach ein 1994 Riesling Singerriedl von Hirtzberger ins Glas 93/100.

Erster Höhepunkt des Abends dann ein 1986 Grüner Veltliner Auslese Ried Spiegel vom Mantlerhof. Halbsüß stand ebenso auf dem Etikett wie 15,3% Alkohol. Erinnert stark an die legendäre Honivogl Auslese von Hirtzberger und war wie dieser in ihrer Jugend untrinkbar. Unzugänglicher, alkoholischer Klotz, derzeit nicht weit von Schnaps angesiedelt, notierte ich frustriert im Jahre 1992. Inzwischen hat sich dieser Langstreckenläufer stückweit geöffnet, braucht aber immer noch Luft ohne Ende und große Burgundergläser. Tiefes Goldgelb, reife Marille pur, geht in seiner Fruchtigkeit schon fast etwas Richtung Marillenlikör, feine Bitternote, unglaubliche Kraft und Länge, Viskosität wie Motoröl, Restsüße kaum noch spürbar, baut irre im Glas aus und wird immer komplexer und vielschichtiger, noch sehr lange Zukunft 97/100.

Den Reigen der Rotweine eröffnete 1986 Gruaud Larose, der sich zunehmend öffnet und schon viel Trinkspaß mit sich bringt, St. Julien pur mit viel Zedernholz und herrlicher, purer Frucht, etwas animalisch, viel Leder und immer noch deutliche Tannine, die ein langes Leben garantieren 95+/100. Sicher immer noch ein guter Kauf.

Ein prächtiges Italienjahr war 2001, und zwei sehr gut gelungene Vertreter dieses Jahres bekamen wir jetzt ins Glas. Hedonismus pur der dekadent leckere 2001 Ornellaia mit seiner reifen Frucht, einem Schuss Espresso und darüber noch ein paar Scheiben Trüffel gehobelt, dazu eine leicht exotischen Anmutung, macht einfach soviel Spaß, dass man den durchaus vorhandenen Tiefgang nicht wahrnimmt 96/100. Etwas eleganter, komplexer, druckvoller der ebenfalls mit feiner Süße sehr betörende und voll zugängliche 2001 Solaia 96/100. Beide Weine nicht so überladen und alkoholreich wie ihre Gegenstücke aus 2006.

Sehr jung immer noch 1982 Figeac, florale, kräuterige Nase mit Lakitz, am Gaumen rustikal und kräftig, aber auch schon mit feiner Süße 94/100. Traumstoff wieder 1983 Cheval Blanc, ein seidig-eleganter, feinduftiger Traum mit einem kleinen Schuss Port. Hat alles, was man von einem großen, reifen Cheval Blanc erwartet und dürfte trotzdem noch Potential für bis zu zwei Jahrzehnte besitzen 97/100. Für mich derzeit um Längen über dem 82er und einer der schönsten, derzeit trinkbaren Chevals.

Als große Überraschung zauberte der Hausherr aus dem Geburtsjahr seiner Lebensgefährtin einen 1954 Haut Brion auf den Tisch. Der Inhalt der Flasche war schier unglaublich. Reife Farbe zwar, aber noch soviel Kraft am Gaumen, ein perfekt gereifter Wein mit generöser Süße und der klassischen Cigarbox-Aromatik, geht locker als 20 Jahre jünger durch und ist für den miesen Jahrgang schlichtweg eine Sensation 92/100.

Ein Abstecher nach Kalifornien war noch angesagt. 1991 Opus One zeigte sich wieder von seiner besten Seite. Der ist zwar seit gut 15 Jahren voll trinkreif, zeigt aber keinerlei Ermüdungserscheinungen, süß, weich, generös und einfach unglaublich lecker, allerdings auch nicht so komplex wie die großen Opus aus den 80ern 94/100. Deutlich länger gebraucht hat 1991 Heitz Martha s Vineyard, ein sehr langlebiger Kalifornier alter Machart mit einem guten Schuss Bordeaux-Stilistik, sehr minzig, Eukalyptus, altes Sattelleder und etwas Tabak, ein gewaltiger, kräftiger, druckvoller Wein, der schon sehr viel, aber noch längst nicht alles zeigt 95+/100. Der hat einfach was, dieser klassische Kalifornienstil mit diesen großartigen, komplexen Weinen, die viele ihrer überfruchteten, alkoholischen Nachfolger deutlich überleben werden. Ein Musterbeispiel dafür auch der lange unnahbare 1986 Dominus. Der hatte immer noch ein massives Tanningerüst, zeigte sich hier aber erstmals deutlich offener, ebenfalls mit viel Minze und Eukalyptus, sowie gewaltiger Länge am Gaumen - 95/100. Bei diesem Dominus hatte ich immer die Befürchtung, dass er austrocknet, bevor er reif wird. Doch der Dominus belehrte uns in dieser Probe eines Besseren.

Der Puter war trotz seiner Ausmaße längst Geschichte und aus dem Nachmittag war längst Abend geworden. Zeit zum Aufbruch, doch ein 1998 La Mouline von Guigal musste es noch sein. Eigentlich hätte ich erwartet, dass sich dieser Wein inzwischen im Stile der meisten LaLas verschlossen hat, doch der La Mouline präsentierte sich trotz spürbarer Tannine in gewohnt opulenter Art mit allen Gewürzen des Orients 97/100.