Die erste Best Bottle 2009

1990 und älter hieß die Ansage, und Herzblut sollte es natürlich auch sein. Zumindest bei den ersten drei Bouteillen unserer ersten Best Bottle in diesem Jahr stimmte mindestens eines dieser beiden Kriterien nicht. Mit einem weißen Wein starteten wir, einem 2000 Meursault Perrières von Boyer-Martenot. Der war ideal geeignet, um Vorurteile gegenüber Weißen Burgundern zu schüren. Um wie viel lieber hätte ich jetzt einen knackigen Au Bon Climat im Glas gehabt, oder einen anderen schönen Kalifornier. Aber nein, es musste dieses eindimensionale, langweilige Gesöff sein, für das der edle Spender sicher ein Heidengeld hingelegt hatte. Klar war da noch Mineralität, ein paar Zitrusaromen und etwas verhaltene Würze, aber das alles reichte nicht, um diesen kleinen Wein mit großem Namen schönreden zu können. Der hatte eindeutig seine besten Tage gesehen, wenn er sie überhaupt jemals hatte. Das zeigte schließlich auch die Nagelprobe: gute Burgunder gewinnen mit Luft und Temperatur, der hier baute weiter ab 86/100 mit sicher rasch weiter fallender Tendenz. Und schon hatten wir die nächste Karikatur im Glas. Wollte uns da jemand mit Himbeersirup, gemischt mit Sprudel auf den Arm nehmen? Zumindest die rote Bonbonfarbe deutete darauf hin, aber auch die leicht süßlich-diffuse Nase und der seltsame Gaumen-Auftritt. Ein Champagner Larmandier-Bernier Rosé de Saignée sollte das sein. Wie der an 96 Parker-Punkte kommt, war uns allen völlig schleierhaft. Ich fand ihn völlig daneben 78/100.
Und dann kam endlich die erste "Best" -Bottle, ein 1991 Beringer Cabernet Sauvignon Private Reserve. Was für ein Traum-Cabernet, tiefdunkle Farbe, sehr kräftig mit guter Struktur und immer noch reichlich Tannin für ein längeres Leben, herrliche, beerige Frucht, die mit Luft und Zeit generöser und süßer wird, dazu ein Schuss Minze. Ein absolut stimmiger Wein, der reife, kalifornische Frucht mit bordelaiser Struktur zu einem harmonischen Ganzen verbindet 95/100.
Nie wäre ich beim nächsten Wein auf Rioja gekommen. Eine gehörige Pinot-Affinität hatte der 1966 Berberana Gran Reserva. Ein faszinierender, sehr eleganter, perfekt gereifter Wein mit schöner Süße, der die volle Ladung roter Beerenfrüchte paradoxerweise erst im Abgang lieferte. In der Nase Tabak, Leder und eher subtile, feine Frucht, Reife ja, aber keinerlei Anzeichen von Müdigkeit 94/100. Wenn ältere Riojas gut sind, dann schmecken sie wirklich gut, und wenn sie nicht gut sind, dann schmecken sie wie der Wein im anderen Glas, ein 1961 Vina Tondonia von Lopez de Heredia. Da störte vor allem die unharmonische Nase mit seltsamen Nebentönen, die an Bakelit erinnerten. Am Gaumen war der Tondonia ohne Fehler, aber auch ohne Höhepunkte und weitgehend fruchtlos. Einfach hohl und langweilig, starb relativ schnell im Glas 82/100. Habe ich vor zwei Jahren auf René Gabriels großer Rioja-Probe zwar auch nicht groß, aber doch deutlich besser erlebt.
Mit zweimal Chatauneuf ging es weiter. Ein riesengroßer Wein der 1978 Chateauneuf-du-Pape Cuvée Special(wir tranken die #6915 von 7333) von Berard Père et Fils. Der zog uns magisch in seinen Bann. Mit der herrlichen, komplexen Kaffeenase ging es los, am Gaumen ging er dann runter wie Öl mit toller Konsistenz, viel Kraft, aber auch mentholiger, minziger Frische, gewaltiger Extraktsüße und irrer Länge, einfach ein kompletter Wein, bei dem alles stimmte 96/100. Da kam der 1978 Chateauneuf-du-Pape von Mont Redon nicht mit. Als netter Mensch könnte man hier von einem vornehmen, zurückhaltenden Wein sprechen. Ich fand ihn eher steril oder kastriert. Da waren erdige Töne, etwas rustikale Kraft, und bei den Fruchtresten von der Kirsche nur noch die Kerne. Mit den großen, alten Mont Redons wie dem legendären 47er, vor zwei Jahren mit 98/100 getrunken, hat das hier nichts zu tun 86/100.
Manche Mouton lässt man besser zu und erfreut sich am schönen Etikett. Der 1970 Mouton Rothschild, auf dem sich Marc Chagall verewigt hat, gehört dazu. Nicht, dass das nicht ein schöner Wein sein kann. Zweimal hatte ich den seit 1994 mit 92 und 93/100 im Glas. Alle anderen Flaschen waren wie diese hier, schlicht unterirdisch. Stichig die Nase, Salmiakgeist, Essig, flüchtige Säure, am etwas gezehrten Gaumen viel trockenes, sperriges Tannin und in einer Ecke total verschüchtert ein Hauch von Minze 84/100. Wer für viel Geld 70 Mouton kauft, spielt Weinlotto mit einer Gewinnchance von unter einem Drittel. Deutlich besser im anderen Glas 1976 Haut Brion. Deutlich reifer als die Ausnahmeflasche im letzten Sommer bei Jörg Müller mit sahnig-karamalliger Nase, Storcks Riesen ließen grüßen, deutlich balsamischen Noten, etwas Cigarbox, am Gaumen weich, reif mit cremiger Textur. Nur im Abgang haperte es etwas mit der Länge 91/100.
In etwas größeren Schlucken konnte der nächste Flight genossen werden, den Franz Josef Schorn gestellt hatte. Beide Weine kamen aus der Magnum. Eben dieser Magnum-Bonus war es auch, der die 1979 Pichon Comtesse noch mal auf 91/100 hob. Ein sehr feiner, aromatischer Wein, kräuterig, trüffelig und im besten Sinne kernig. Ließ mich von alten Zeiten träumen, von den gut 40 Flaschen dieses einstmals so betörenden Weines, die ich in den letzten 20 Jahren trinken durfte. An 1tel würde ich da heute nicht mehr drangehen, aber auf eine gut gelagerte DM oder Jero hätte ich schon Lust. Deutlich frischer im anderen Glas ein 1979 Beaulieu Reserve George de Latour. Immer noch satte, rotbeerige Frucht, Cranberrys, frische Wiesenchampignons, sehr minzig, After Eight, Eukalyptus, ein ungemein charmanter, einfach sexy wirkender Wein, ein klassischer Medoc mit einem Hauch von Exotik, eben ein Kalifornier, wie sie früher gemacht wurden, noch lange nicht am Ende 93/100.
Er hätte der Wein des Abends sein können, dieser 1988 Margaux. Nur waren wir halt 5-10 Jahre zu früh dran. Klar erkennt man schon diese Margaux-typische Eisenfaust im Samthandschuh, diese unnachahmliche Mischung aus Kraft und sublimer Eleganz, die feine Frucht, die Finesse gepaart mit Nachhaltigkeit und Länge, dieses Spiel, dieses Tänzeln, die feine Süße in der Nase, die pfeffrige Aromatik. Klar macht dieses Teil heute schon Spaß. Nur ist hier ein ganz großer Margaux im Werden, der in einigen Jahren noch deutlich mehr zeigen wird 94+/100.
Leider galt das nicht für die 1986 Pichon Comtesse de Lalande im anderen Glas. Der Wein war völlig daneben und hatte mit der 86er Comtesse wie ich sie kenne und vor Wochen noch getrunken habe nun überhaupt nichts gemein. Hier fehlte schlichtweg alles, so dass ich mir den Versuch einer Bewertung erspare. Es gab am Tisch sogar einige, die diesen wohl fehlerhaften, platten Wein gut fanden. Ist es nicht schön, dass irgendwo jeder Pott noch einen Deckel findet?
Auch im nächsten Flight gab es wieder eine Comtesse, diesmal wieder aus der Magnum. Einfach zum Träumen schön, diese 1978 Pichon Comtesse de Lalande. Im Gegensatz zu 79 eilt da noch nichts. Einfach eine komplette, samtig-elegante, aber am Gaumen auch sehr druckvolle, komplexe Comtesse 95/100. Da sah, ebenfalls aus der Magnum, der 1978 Ducru Beaucaillou auf hohem Niveau alt gegen aus. Obwohl ebenfalls sehr gut mit immer noch dichter Farbe, mit pflaumiger Frucht, Zedernholz, Tabak und Leder, am Gaumen noch kräftig und lang im Abgang. Doch gegen diesen Charmebolzen namens Comtesse wirkte der Ducru bei aller Größe etwas monolithisch 93/100.
Etwas ratlos machte mich dann 1989 Leoville Barton. Klar hatte der eine schöne, süße Frucht, aber eben auch dieses stramme Tanningerüst, das diesen Wein am Gaumen etwas ungenerös wirken ließ. Kommt da noch was, oder wird dieser Wein eher längerfristig austrocknen? Ich tendiere mit meinen bisherigen Erfahrungen mit Bartons aus den 80ern eher zu Letzterem. Wer ihn hat, sollte ihn also mit den heutigen 91/100 genießen. Im anderen Glas dann wieder so ein Kopfschüttelwein. Kopfschüttel eben deshalb, weil ich genau diesen Wein eine Woche vorher an gleicher Stelle völlig zugenagelt erlebt hatte. Und jetzt war er so süß, so üppig, so offen, machte so unglaublichen Spaß. Wie erkennt man von außen, ob dieser 1989 Montrose ein exotisch-geiles Elixier mit 96/100 ist, wie an diesem Abend, oder ein völlig zugenageltes, verschlossenes Etwas wie letzte Woche? Da wäre eine Markierung hilfreich, aber die gibt es nicht. Wer 89 Montrose trinkt, oder auch 90, der spielt Weinlotto. Wie schön, dass wir an diesem Abend gewonnen haben.
Damit waren wir mit den Roten durch. Einen Champagner gab es noch, der wieder nicht zum Thema passte. 1992 Dom Perignon war sehr reif, weich, viel Brotaromen, feine, frisch gebackene Biskuitrolle, am Gaumen eher mittelgewichtig, schön zu trinken, baute im Glas aber mit der Zeit schon etwas ab 91/100.
Als Abschluss dieses Abends war noch ein spannender Süßweinflight angesagt. Etwas gewöhnungsbedürftig der 1947 Rivesaltes. Der war recht süß und mir persönlich etwas zu aufdringlich, zu offensichtlich, wirkte sehr spritig 88/100. Vielleicht lag es auch etwas an dem wunderbaren Tropfen im anderen Glas, einem 1929 Livadia White Mouscat aus der Massandra Collection. Der war sehr fein, sehr generös, mit verschwenderischer Süße, zeigte aber auch eine deutliche, kräuterige Note und sehr viel Minze. Dabei erinnert er, was mir bei einem Süßwein so noch nie passiert ist, an einen frisch aufgebrühten Pfefferminztee. Ein sehr spannender Wein, der es eigentlich nicht verdient hatte, am Ende einer solchen Probe zu stehen. Da ist noch viel Musik drin, vielleicht auch noch mehr als die 95/100, die ich im Glas hatte. Doch dafür braucht man Zeit, einen wachen Gaumen und sollte nicht wie ich dringend ins Bett wollen.