Ein gelungener Start ins neue Jahr

Kann eine neue Probensaison schöner starten, als mit dieser grandiosen Probe, zu der ein guter Weinfreund im Januar ins Restaurant Fehrenbach eingeladen hatte?

Kaum eingetroffen, bekamen wir schon ein Glas mit einem Apero in die Hand. Wer diesen "kleinen Willkommensschluck" einfach so in sich reinschüttete, dem entging einiges. In erster Trinkreife zeigte sich diese 2005 Niederhäuser Hermannshöhle GG von Dönnhoff. Ein sehr mineralischer, komplexer, druckvoller Riesling, der bei aller Kraft eine erstaunliche Finesse und Eleganz zeigte 95/100.

Und dann gleich das erste Pärchen. Eine tiefe, fast ins Güldene gehende Farbe hatte die 1959 Wehlener Sonnenuhr feinste Auslese von JJ Prüm. Nur ganz dezente Reife zeigte dieser immer noch enorm frische Wein, in der Nase frisch gepresster Orangensaft, Honig, Bienenwachs etwas Toffee, auch am Gaumen erstaunlich frische Frucht, dezente Süße und hohe Säure, sehr lang im Abgang mit enormer Finesse. Einfach ein zeitlos schöner, sehr balancierter Wein, der noch eine lange Zukunft vor sich haben dürfte 96/100. Kein Wunder, dass sich da im direkten Vergleich die 1971 Schloss Johannisberg Rosalack Auslese etwas schwer tat und rustikaler wirkte, reife Farbe, dunkles Goldgelb, etwas Petrol in der Nase, viel Kraft, schöne Süße 91/100.

Erstaunlich kräftig und immer noch jung wirkend 1971 Palmer, den ich noch nie so gut im Glas hatte, sehr elegant, finessig und mit guter Frucht 94/100. Blind hatte ich den Palmer mit 71 La Mission verwechselt, mit dem er hier auf Augenhöhe gewesen wäre. 1971 ist in Bordeaux ein viel zu schnell abgeschriebener Jahrgang, in dem sich aus guter Lagerung immer noch Entdeckungen machen lassen, vor allem im zweiten Glied. Nur die Premiers kann man sich bis auf den grandiosen Latour sparen. Sehr unterschiedlich die Flaschen bei 1969 Heitz Martha s Vineyard. Vom Hammerteil auf 74er Niveau bis zum eher harmlosen, kleineren Schmeichler ist da alles drin. Wir bewegten uns mit dieser Flasche irgendwo dazwischen. Ein erstaunlich eleganter, sehr feiner, eher eleganter, aber hoch aromatischer Martha s mit Bordeaux-Stilistik und großartiger Länge, ohne Eukalyptus, ohne Exotik, dafür mit schon fast unglaublicher Minze 96/100.

Ist 1988 Mouton Rothschild wirklich so groß? Wer den aufmacht und zügig trinkt, wird das kaum glauben können. Der gute Rainer, dem wir diese schöne Probe verdankten, war deutlich schlauer. 8 Stunden vorher hatte er den Mouton aufgemacht, vier Stunden vorher dekantiert. So bekamen wir Mouton vom Feinsten ins Glas, Pauillac pur, kräftig, komplex mit konzentrierte Frucht, perfekter Struktur, enormem Potential und gewaltiger Länge, natürlich auch mit der klassischen, von Sattelleder und Bleistift geprägten Mouton-Nase 97/100. Trotzdem hätte sich der 1987 Ridge Monte Bello im anderen Glas nicht dahinter verstecken müssen. Leider verdarb ein Korkfehler das Vergnügen, aber das Potential dieses gewaltigen Weines war deutlich spürbar. Ein großer Monte Bello mit der typischen Kirschfrucht, feiner Minze und toller Länge, ohne Kork sicher auf 94-95/100 Niveau.

Mit 1981 Ridge Monte Bello waren wir dann bei einem weiteren Klassiker dieses Gutes. Unfassbar, wie jung und frisch sich dieser Wein immer noch präsentierte. Zedernholz, süße Kirschfrucht, ein Hauch Minze, ungeheurer Druck am Gaumen und großartige Länge, dabei sehr elegant 96/100. Da wir die Weine ja blind ins Glas bekamen, habe ich zunächst in großen Bordeaux-Kategorien gekramt. Das erinnerte mich an frühere Zeiten, wo wir diesen Monte Bello oft als Piraten in Bordeaux-Proben einbauten, wo er meist für Latour gehalten wurde. Meine Bestände sind seit langen Jahren geleert. Da werde ich wohl mal wieder auf die Suche gehen dürfen. Auch der 1981 Heitz Martha s Vineyard im anderen Glas war nicht von schlechten Eltern. Etwas zahmer und zivilisierter, als ich ihn kenne, erstaunlich fein, aber ungeheuer aromatisch mit sehr viel Minze, Sattelleder und einem Hauch Eukalyptus, dabei sehr balanciert 94/100.

Schade, ich hätte gerne erlebt, ob 1982 Gruaud Larose mit der immer noch enormen Kraft des 1947 Chambertin Vandermeulen mit kann. Aber der Gruaud traute sich nicht und entzog sich dieser Herausforderung durch einen Kork. So glänzte der Chambertin aus einer wohl authentischen Flasche mit enormer Kraft, Fülle, Dichte und Länge. Ein großer Wein mit viel Kaffee, 3 Stunden dekantiert, der mit zwei Stunden mehr vielleicht noch höher als 97/100 gelegen hätte. Eigentlich schwer vorstellbar, dass ein 65 Jahre alter Burgunder 5 Stunden vorher dekantiert werden muss, aber dieser Chambertin ist ein Tier von Wein, ein echter Ausnahmestoff, wie er ganz selten produziert wurde. Etwas schüchtern war da im dritten Glas noch ein 1969 Mayacamas aus dem Geburtsjahrgang unseres spendablen Gastgebers. Der hatte eine intensive, immer noch junge, sehr pikante Frucht, Minze, viel Eukalyptus und eine hohe Säure, die ihn frisch hielt. Baute enorm aus und war mit bescheidenen 12% Alkohol ein Lehrstück dafür, dass große weine auch ohne 15% Alkohol gehen 93/100.

Mit zwei sehr spannenden Duellen ging es weiter. 1988 Haut Brion gegen 1988 La Mission war ein hochklassiges Kopf an Kopf Rennen. Diesmal zeigte sich der La Mission als der etwas offenere Wein, was ich schon oft genug genau anders herum erlebt habe. Beides aber sind gewaltige Weine mit Langstreckenpotential auf 95+/100 Niveau und jede Suche wert. Wer sich davon genug in den Keller legt der Preis ist ja immer noch ok und im Vergleich zu den Subskriptionspreisen für 2009/10 geradezu lächerlich kann dieses Duell 30 Jahre lang durchführen. Ich bin dann gerne mit dabei.

Spannend der Vergleich zwischen 1986 Gruad Larose und 1986 Talbot. Eigentlich müsste dieses Duell mit Gruaud einen eindeutigen Sieger haben. Mit dem 82er zusammen ist das der beste Gruaud seit 1961. Aus dieser Flasche zeigte er sich erstaunlich offen und zugänglich mit Zedernholz ohne Ende, aber auch noch mit deutlichem Tanningerüst 96+/100. Harte Kost dagegen aus dieser Flasche der Talbot, kantig, kräftig, massive Tannine und riesiges Potential 95+/100. Von beiden Weinen gibt es jeweils einen legendären Wein, den 45er. Wer etwas Geduld hat, kann in 10+ Jahren mit den beiden 86ern das 45er Duell neu aufführen.

Dreimal Syrah/Shiraz aus einem Jahrgang gab es jetzt ins Glas. 1997 Penfolds Grange hatte eine intensive, süße, leicht marmeladige Nase, ein offener, moderner Wein, der in dieser Form an die Klasse der alten Grange auch nicht annähernd heran kommt 93/100. Vielleicht gehört er auch einfach nur 2 Jahrzehnte weggelegt. Ich habe diesen Grange schon in allen Varianten von 90-97/100 im Glas gehabt. Nicht glauben konnte ich, was da im mittleren Glas als 1997 Hermitage la Chapelle von Jaboulet Ainé ins Glas kam. Deutliche Alterstöne, leicht oxidiert und gemüsig wirkend, völlig daneben, kann aus einer solchen Lage so ein Schrott kommen? 84/100. Dafür verwöhnte uns der 1997 La Turque von Guigal mit Hedonismus pur. Weiche, würzige, karamellige, zugängliche Nase, am Gaumen Süße und exotische Fülle, gewaltige Länge und immer noch so jung 95/100.

Und dann bekam ich noch eine hochinteressante Premiere, endlich mal einen halbwegs reifen Dunn. Unbeirrt von Modeströmungen erzeugt dieser Randy Dunn große, klassische, extrem langlebige Weine, die einfach Zeit brauchen. Einen wirklich reifen Dunn hatte ich noch nie im Glas, obwohl meine eigenen Bestände bis tief in die 80er reichen. Wer viel Alkohol, üppige Süße und puren Hedonismus sucht, ist bei Dunn fehl am Platze. Und doch wirkte der 1997 Dunn Howell Mountain erstaunlich offen, vor allem in der Nase, exotisch, üppig, Weihnachtsbäckerei, nur am Gaumen spürte man dann die mächtigen, derzeit gut verpackten Tannine 94+/100. Ein Monster ist der 1987 Dunn Howell Mountain. Schon diese tiefe, immer noch sehr junge, undurchdringliche Farbe, dann das massive, stabile Tanningerüst und die hohe Säure, ein junger 28er Latour mit Kraft ohne Ende. Gut, da ist auch wunderbare, sehr präzise Frucht mit erster Süße und sogar etwas Schmelz, und wer etwas wartet, bekommt noch etwas mehr Zugänglichkeit, denn der Dunn entwickelt sich im Glas. Ein Riese, ein unverbiegbarer, großer, eigenständiger Wein, gemacht für noch lange Zeit 95+/100. Ob so ein Wein jemals richtig offen wird? Der 1979 Dunn Howell Mountain hatte eine geradezu verführerische Nase mit Zimt, Nelke und gerösteten Haselnüssen, wirkte am Gaumen aber noch so jung, dicht, zupackend mit immer noch stabilem Tanningerüst, kernig im besten Sinne 97/100. Bei Dunn scheiden sich die Geister. Wer solche Weine mag, ist im siebten Rotweinhimmel. Wer weiche, zugängliche Schmuseweine sucht, wird sich mit Grausen abwenden.

Und was war mit dem letzten Wein, einem Solitär als Abschluss unserer Probe, einem 2007 Dunn Howell Mountain? War Randy dann plötzlich altersmilde geworden? Hatte er Angst, seinen eigenen Wein nicht mehr erleben zu können? Dieser 2007 war in einer bestechenden Fruchtphase. Nein keine übersüße, marmeladige Frucht, da war schon Struktur und Tiefgang in diesem herrlichen Cocktail aus Cassis, schwarzer Johannisbeere, Brombeere und Blaubeere. Und massive Tannine versteckten sich auch darunter. Das war wohl eher so eine Art Fruchtphase, wie man sie von großen Bordeaux kennt. Wer diesen Dunn hat, sollte sich jetzt eine oder mehrere Flaschen gönnen, bevor er sich wieder verschließt und aus den derzeitigen 94+/100 für 1-2 Jahrzehnte 5 weniger werden.

Während sich die Probe langsam auflöste, habe ich in der Küche noch eine wunderbare 2007 Wehlener Sonnenuhr Auslese von JJ Prüm getrunken, jetzt ebenfalls in absolut bestechender Frühphase. Wäre schön, wenn das Weinjahr 2012 so weiterginge.