Fröhliche Weihnachten

Ein herrlicher Probenmarathon war das kurz vor Weihnachten. Krönender Abschluss war eine prächtige Best Bottle bei Franz Josef Schorn. Das neue Dream Team Franz Josef und Marcel legte sich dabei kulinarisch dermaßen ins Zeug als ginge es um den dritten Michelin-Stern. Super delicious!!!

Wer häufiger schon mal Proben oder Best Bottles organisiert hat, kennt das Thema. Man kommt sich mit der Zeit vor wie ein kommerzieller Veranstalter, der damit reichlich Kohle verdient. Da meint man, die Probe wäre endlich komplett und sieht sich dann in der letzten Sekunde wieder mit reichlich Absagen konfrontiert. Völlig egal, was da an Ausreden präsentiert wird, ob der Wellensittich Junge kriegt(aber gerade erst mit der Zeugung beginnt), die Oma im Sterben liegt(wovon sie selber nichts weiß) oder der Babysitter kurzfristig einen Schnupfen bekommen hat. Für einen ernsthaften Weinfan gibt es als einzige Ausrede zu einer Probe nur die eigene Beerdigung, die ich natürlich niemanden wünsche. Aber diese No-Shows, die habe ich langsam satt. Die Lufthansa macht das ganz einfach. Die überbucht vorsichtshalber. Ich kann und möchte das nicht. So sagte ich dann zwei Aspiranten dieser Probe ab, weil sie mit den zwölf zur Verfügung stehenden Plätzen voll war, und zum Schluss saßen wir doch nur zu Neunt da. Ich hatte so einen dicken Hals, dass ich kurzfristig noch aus dem Keller eine meiner ältesten Flaschen holte. Sollten doch die Anwesenden noch mehr Spaß haben und die No Shows später im Internet einen langen Hals kriegen.

Mit zwei trockenen Weißen starteten wir in den Abend. Der 1983 Laville Haut Brion war reif und gehörte getrunken. Kräftige Farbe, in der Nase Bienenwachs, etwas Apfelmus, dann immer mehr Trockenfrüchte, am Gaumen trotz aller Reife durch die prägnante Säure noch frisch wirkend, dabei sehr ausgewogen und harmonisch, wird mit der Zeit immer nussiger mit deutlicher Bitternote im Abgang 90/100. Apfelmus pur auch beim zweiten Wein, einem 1999 Grünen Veltliner Ried Lamm von Bründlmayr. Dazu hohe Extraktsüße, die sich auch am Gaumen fortsetzt, Honigtöne, pfeffrig, mineralisch, sehr viel Alkohol, ein Monstrum mit 15% Alkohol, das im jetzigen Stadium nach 5 Jahren weiterer Lagerung schreit 92+/100.
Als süßen Wein zu den Schornschen Kreationen von der Gänseleber genehmigten wir uns eine 1993 Graacher Domprobst BA von Willi Schäfer. Blind hatte ich auf einen deutlich älteren Wein getippt, wie ihn die kräftige, goldgelbe Farbe und die mit reichlich Petrol versehene, reife Nase auch andeuteten. Am Gaumen hatte diese BA viel Gewicht und Fülle, deutliche Süße, aber durch die stabile Säure auch ein schönes Süße-/Säurespiel 94/100.
Eine speckig-rauchige Nase hatte 1995 Valandraud, reife Frucht, viel Zedernholz, sehr komplex, immer noch gutes Tanningerüst, Kraft und Länge. Ein sehr gut gelungener, großer Wein mit noch reichlich Zukunft, der aber derzeit eher als Medoc denn als St. Emilion durchgeht 95/100. Im anderen Glas ein faszinierender 1990 Caymus Special Select. Offene, schmelzige Frucht, wunderbar dekadente Süße, aber dabei sehr frisch mit präzisen Konturen, tänzelt bei aller Kraft geradezu auf der Zunge und ist auch im langen Abgang einfach ein geiler Stoff mit 20 Jahren Potential 96/100.
Noch deutlich zu jung war 1990 Clos de la Roche von Ponsot. Dichte Farbe, etwas aufgesetzt wirkende Süße, exotisch wirkend, üppig, in dieser schwierigen Phase auch als jüngerer Pinot aus Oregon durchgehend. Doch die Süße dieses Riesenbabys ist noch pubertär, der Ponsot kann vor Kraft kaum laufen und gehört wie so viele der wirklich großen 90er Burgunder noch etliche Jahre weggelegt 91+/100. Sehr reif dagegen und deutlich älter wirkend ein 1989 Philippi Pinot Noir. Der wäre auch mit seiner süßen Fülle dem vielen Kaffee und Mokka auch als gut gereifter 59er Burgunder durchgegangen. Dabei immer noch pikante Frucht, viel Kraft und stützende Säure, jetzt sicher auf dem Höhepunkt 94/100. Baute mit der Zeit leider etwas ab und wurde zunehmend kräuterig-malzig.
Schade, schade, ausgerechnet der 2002 Reif von Josephus Mair hatte einen üblen Kork. Mit Wegblasen kam da wenigstens noch der Grundeindruck eines spannenden, komplexen, kräftigen Weines mit etwas Hustensaft-Süße, der an diesem Abend sicher für Furore gesorgt hätte. Sehr fein und aristokratisch im anderen Glas 1990 Figeac, der mit seinem massiven Zedernholz und den Lakritztönen eher wie ein deutlich älterer, gereifter Klassiker aus dem Medoc schmeckte 93/100.
An früheren Glanz kam 1993 Shafer Hillside Select nicht mehr dran. Klar war da noch Fülle, Süße, etwas Eukalyptus, auch Kraft am Gaumen und im Abgang, doch im Vergleich z.B. zum 90er Caymus fehlte hier die Frucht und der Hillside Select wirkte auf hohem Niveau schon etwas müde 92/100. Noch sehr jung dagegen der 1994 Mondavi Reserve. Dieser Wein war im Stile großer Bordeaux für einige Zeit in der Versenkung verschwunden, öffnet sich jetzt aber wieder. Immer noch sehr jung wirkend, viel Veilchen und Lakritz, sehr fein, elegant, finessig, aber auch sehr nachhaltig, entwickelt sich in Richtung eines großen, klassischen Medoc 94/100.
Reif, weich, leicht medizinal, aber auch mit malziger Süße ein 1955 Romanée St. Vivant von Grivelet. Einfach ein charmanter, sexy wirkender Gaumenschmeichler 93/100. Hin und weg war ich wieder von 1955 Palmer. Klar ist der sehr feinduftig und elegant, wie man das von einem Margaux erwartet, aber er ist nicht kastriert und weichgespült, das ist ein immer noch etwas ungestümer Charakterstoff, animalisch in der Nase mit viel altem Sattelleder, am Gaumen Kraft und Freude, Zedernholz, verschwenderische, feine Süße, da ist jedes Glas zu klein 95/100.
Höchst erstaunt war ich im nächsten Flight von 1983 l Arrosée. Der war reif, aber noch längst nicht alt mit sehr feiner, delikater, leicht süßer Frucht, am Gaumen erstaunlich kräftig und immer noch Frische zeigend, da sind noch etliche Jahre Genuss angezeigt 92/100. Sicher ein Schnäppchen, an das sich auf Auktionen kaum jemand heran traut. Leider hatte er mit 1978 Palmer nicht den erwartet ebenbürtigen Gegner. Der hatte wohl einen schleichenden Kork. Frucht Fehlanzeige, dafür reichlich Peperoni und Paprika, einfach nur anstrengend und sicher fehlerhaft.
Und dann kam als Solitär der älteste Wein unseres Tastings, ein 1895 Grand Vin Chambertin vom Grand Hotel Tivollier. Guter Füllstand, schwere, alte, mundgeblasene Flasche, sicher noch aus wurzelechten Reben erzeugt. Kam mit etwas Liebstöckel ins Glas und wirkte trotz noch recht dichter Farbe zu Anfang etwas fragil. Nur baute dieser Uraltsenior im Glas nicht ab sondern aus und entwickelte eine erstaunliche Komplexität, eine schöne Süße und einen wunderbaren Abgang. Der Erlebniswert eines solchen weinhistorischen Monuments ist natürlich deutlich höher als der reine, nüchterne Wert für den Geschmack. Für den würde ich gut und gerne 90/100 geben, für das faszinierende Methusalem-Erlebnis bräuchte ich die nach oben offene Skala.
Zweimal Spanien war jetzt angesagt. Der 1955 Marques de Riscal war ein ziemlich belangloses, dünnes Gesöff mit dem Charme von Mottenkugeln 79/100. Besser der 1962 Vega Sicilia Unico, sehr weich, reif, zugänglich und aromatisch, aber ich habe diesen Wein schon deutlich packender und spannender im Glas gehabt, sicher nicht die beste Flasche 87/100.
Alte Weine können groß sein, müssen es aber nicht. Da ist immer eine Menge Vabanque und Lotteriespiel mit dabei. Wer hat schon vom ersten Taschengeld als Grundschüler große Weine gekauft und diese dann für den perfekten Genuss 50 Jahre später eingelagert. Also trinken wir aus anderen Kellern und hoffen, das dem Wein vor uns nicht übel mitgespielt wurde. Sensationell war am 1947 Chambertin von Morin die klassische, schwere Flasche, die auch aus dem vorletzten Jahrhundert stammen konnte. Das ist gar nicht so unmöglich, bediente man sich doch in den Nachkriegsjahren all der Dinge, die man irgendwo noch fand. Der Inhalt war leider weniger spannend, gut trinkbar zwar, aber von der Armomatik her zusammengefasst etwas chemische Reinigung mit viel Kaffee 86/100. Korkig leider im anderen Glas der 1926 Clos Fleurie Grand Vin. Jammerschade, die dichte Farbe war vielversprechend, und alte Lagenweine aus Beaujolais können durchaus eine Offenbarung sein.
Fein, reif, aber doch schon ziemlich alt war ein 1962 Clos Vougeot von Julien Bouchard 87/100. Da brauchte sich der zweite Methusalem des Abends wahrlich nicht hinter zu verstecken. Der 1911 Santenay von Docteur Barolet hatte eine zwar helle, aber klare, intakte Farbe mit rotem Kern. Er wirkte immer noch erstaunlich frisch und pikant ohne Alterstöne, sehr elegant und finessig mit feiner Süße 94/100.

Hammer zum Abschluss war dann kein Dessertwein, sondern ein Dessertklassiker. Oliver Speh und Marcel zelebrierten Crêpes Suzette vom Allerfeinsten mit hohem Suchtfaktor.