Grosse JJ Prüm Probe in Lerbach

100 Jahre alt wird das Weingut JJ Prüm in diesem Jahr. Aus diesem Anlass luden das Gut und der größte Prüm-Distributor dieser Erde, Kierdorf Wein, zu einem Prüm Galadiner ins Drei Sterne Restaurant von Nils Henkel im Schlosshotel Lerbach.

Quasi die Einstiegsdroge in die Welt der Prüm-Weine war der zum Empfang gereichte 2009 Bernkasteler Badstube Kabinett, noch sehr jung mit der für jüngere Prümweine oft so typischen Hefenase, aber auch etwas dünn 84/100.

Prüm-Weine haben ein phänomenales Alterungspotential. Das gilt selbst für die kleineren Prädikate. Gutes Beispiel dafür war der zum Amuse Bouche gereichte 1981 Wehlener Sonnenuhr Kabinett, ein immer noch erstaunlich vitaler und spannender Wein. Durch die knackige Säure wirkte er trotz deutlicher Petrolnote immer noch frisch und irgendwie zeitlos, etwas stahlig die metallische Frucht, Zitrusfrüchte aus der Blechdose. Ein Wein, der nach begleitendem Essen schreit 84/100.

Ein schlanker, säurebetonter Wein mit viel apfeliger Säure war die 1987 Wehlener Sonnenuhr Spätlese, zeitlos schön mit nur noch wenig Süße, etwas kurz am Gaumen, aber gut trinkbar 86/100. Warum ausgerechnet dieser Wein sein kulinarisches Pendant in der Entenleberschnitte finden sollte, ist mir unerklärlich, denn das ging durch die kaum vorhandene Süße überhaupt nicht. Ich selbst hatte Glück, denn statt der Entenleber bekam ich aus Nils Henkels viel gerühmtem, vegetarischem Menü die Variation von der Sommertomate, und diese Kombination funktionierte hervorragend.

Immer noch sehr jung, knackig und sehr mineralisch die 2002 Graacher Himmelreich Spätlese, wirkte zu Anfang etwas schlank, floral mit dezenter Kräuternote, gute, frische Säure. Ein für die Lage Himmelreich erstaunlich eleganter, finessiger Wein mit enormem Potential. Entwickelte sich hervorragend im Glas und steht erst am Anfang einer langen Entwicklung 93/100. Im Vergleich dazu hatte die 2004 Graacher Himmelreich Spätlese mehr Kraft und Fülle, mehr Süße und eine intensivere Mineralität. Zu Anfang war das der überzeugendere Wein, doch mit zunehmender Luft wirkte er fast etwas plump gegen den so finessigen 2002er und blieb auf hohem Niveau nur zweiter Sieger 92/100. Nordseekrabben hieß der dazu ereichte Gang. Nordseekrabben? Genau vier winzig kleine Stückchen davon waren auf meinem Teller, nur für gute Augen zu entdecken. Nordseekrabben kommen fast immer aus Marokko, wohin sie wegen der Lohnkosten per LKW geschickt werden. Und damit sie genießbar bleiben, werden sie kräftig mit Konservierungsmittel versetzt. Das klassische Krabbenbrot mit soggenannt frischen Büsumer Krabben ist also eigentlich eine große Mogelpackung. Umso mehr sind diese Krabben eine Delikatesse, wenn sie wirklich frisch gepult auf den Teller kommen. Dann aber bitte nicht in dieser minimalistischen, kaum schmeckbaren 3-Sterne-Version, sondern lieber sternfrei, aber mindestens so schmackhaft als große Portion auf Sylt bei Carsten Wulff.

Zu einem außerweltlich guten Bretonischen Steinbutt mit Wassermelone, Zitronenverveine und Pondicherypfeffer für mich der Gang des Abends wurden zwei Spätlesen aus der Wehler Sonnenuhr gereicht. Die 2004 Wehlener Sonnenuhr Spätlese war elegant, geschliffen mit perfekter Säurestruktur, mineralisch, zupackend und spannend, sehr lang am Gaumen, herrlicher Trinkfluss und im besten Sinne süffig 94/100. Da kam die 2003 Wehlener Sonnenuhr Spätlese nicht mit. Weich, aromatisch, Honignoten, Lychees, hoher Extrakt, mineralisch im Nachhall, aber wenig Säure, hier fehlte es damit an Struktur. Und irgendwie zeigte insbesondere die Nase eine etwas irritierende Gummibärchen-Aromatik 90/100. Nicht mehr ganz so süß wie in der Jugend, vielleicht ist dieser Wein in 5-10 Jahren noch mal für eine Überraschung gut.

Immer noch wie ein Weinbaby wirkte die 2004 Zeltinger Sonnenuhr Auslese, erstaunlich jung mit hefiger Aromatik, dabei sehr elegant mit feiner Säure, schon sehr zugänglich und wunderbar zu trinken 93/100. Nicht ganz auf diesem Niveau, aber von beiden der bessere Essensbegleiter die 1999 Zeltinger Sonnenuhr Auslese mit fruchtiger, reifer Fülle und guter Süße, rund, saftig, knackig und harmonisch 93/00. Beide Weine harmonierten sehr gut mit einem formidablen Kaisergranat.

Was für ein irres Geschoss war dann diese 1995 Wehlener Sonnenuhr Auslese, immer noch sehr jung wirkend mit knackiger Säure, aber enormer Strahlkraft und Brillianz, gepaart mit erstem feinem, süßem Schmelz 95/100. Ein sehr feiner, eleganter, harmonischer Wein im anderen Glas die 1997 Wehlener Sonnenuhr Auslese mit guter, aber weicher und reifer Säure. Insgesamt fehlte aber bei diesem Wein auf hohem Niveau etwas die Spannung 93/100.

Als Weindessert ohne kulinarische Begleitung wurden die beiden nächsten Weine serviert, sicher eine kluge Entscheidung. Noch so unglaublich jung wirkte die 1983 Wehlener Sonnenuhr Auslese Goldkapsel, die mit ihrer hohen Säure noch etwas verhalten wirkte, aber ein gewaltiges Potential besitzt. Ein großer Wein mit enormer Zukunft, der wohl erst in 10-15 Jahren richtig zeigen wird, was er drauf hat 93+/100. Deutlich offener die faszinierende 1976 Wehlener Sonnenuhr Beerenauslese, Orangenzesten, Bienenwachs, Petrol, Karamell, viel Honig und durch die immer noch knackige Säure für den Jahrgang höchst erstaunlich ein faszinierendes Süße-/Säurespiel. Wird sich noch Jahrzehnte auf sehr hohem Niveau halten 96/100.

Sehr grenzwertig die Nase der 2003 Wehlener Sonnenuhr Auslese Goldkapsel mit ihrem deutlichen Spontistinker, der an einen Gullydeckel im Sommer erinnerte. Am Gaumen war dieser Wein, der erst noch zu sich finden muss, und den wir 10 Jahre zu früh im Glas hatten, deutlich schöner, dabei weich, recht säurearm und ziemlich süß 90+/100. Warten war eigentlich auch angesagt beim 2002 Graacher Himmelreich Eiswein, einem ungestümen, mineralischen, süßen Säuremonster, das mal groß werden könnte 92+/100. Beide Weine wurden leider zu einem Dessert gereicht, und diese Kombination süß/süß funktionierte überhaupt nicht. Da hätte ich mir lieber einen Käsegang gewünscht.

Die große Klasse der Prümschen Weine und ihre gewaltiges Alterungspotential hat diese Probe ebenso eindrücklich bewiesen wie die Eignung solch klassisch ausgebauter, restsüßer Moselweine als Essensbegleiter. Wer diese spannende Kombination reife Rieslinge und ein perfekt darauf abgestimmtes Menü einmal erleben möchte, dem kann ich nur einen Besuch bei Hubi Scheidt im Schloss Monaise in Trier empfehlen. Der gute Hubi ist ein wahrer Meister auf diesem Gebiet und verfügt darüber hinaus über einen unerschöpflichen Keller mit reifen Rieslingraritäten.

Weitere Notizen zu Prüm-Weinen, z.B. zu einer unsterblichen 1937 Wehlener Sonnenuhr feinste Auslese (100/100) finden Sie in den Jahrgangsübersichten. Aus dem Jahr 2006 kann ich außerdem von einer großen Prüm-Probe berichten, die neben vielen Goldkapseln auch die legendäre 1971 Wehlener Sonnenuhr TBA enthielt.