Jahrhundertjahrgang 1947

Glücklich kann sich schätzen, wer zu seinem 60. Geburtstag auf einen über Jahrzehnte gewachsenen, eigenen Keller oder über entsprechende Freunde verfügen kann. Große Weine entstanden 1947 in Bordeaux, vorwiegend im Libournais, aber auch in vielen anderen, französischen Weinregionen. Trinkbar waren viele 47er schon Anfang der 50er Jahre, sind es aber heute noch. Ein Jahrgang mit ungewöhnlich großem Trinkfenster. Nachdem ich im März auf Sylt bei und mit Jörg Müller, einem dieser Prachtstücke aus 1947, zu dessen Geburtstag solche Ikonen wie 1947 Grand Puy Lacoste(einer der gelungensten 47er Medocs), La Tour Haut Brion oder den legendären Cheval Blanc in einer der ganz wenigen verbliebenen, echten und dazu noch perfekten Chateau-Abfüllungen trinken durfte, gab jetzt noch mal eine Probe einen umfassenden Überblick über die vielen Facetten dieses hervorragenden Jahrganges.

Top Sommelier Oliver Speh

Top Sommelier Oliver Speh

Gut eingestimmt durch eine sehr feine, elegante, immer noch taufrische und trotz äußerst bescheidenem Alkohol extraktreiche und hocharomatische 1997 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Spätlese von Fritz Haag (92/100) stürzten wir uns in eine große 47er Rundreise. Franz Josef Schorn und sein Team lieferten eine gnadenlose gute, kulinarische Grundlage. Ihren sehr wertvollen Teil dazu trugen Jörg Müller bei, der aus Sylt seine legendären Gänseleber-Törtchen mitbrachte, und Käsepapst Gerhard Waltmann, der uns mit einem fulminanten Brett seltenster Käse verwöhnte. Die Weine waren in bester Hand bei Oliver Speh, Gastroprofi und Sommelier, den kein noch so hartnäckiger Korken schrecken konnte.

Auch alte Weiße Burgunder können immer noch eine Menge Charme versprühen. Deutlicher noch als andere Weinkategorien zeigen sie aber auch, dass Wein eigentlich als Begleiter feiner Speisen gedacht ist. Alle drei Weine des ersten Flights gewannen nicht nur deutlich mit Luft und etwas höherer Temperatur, sie wurden auch noch mal eine Klasse besser zum Essen. Insbesondere galt das für den 1947 Meursault Goutte d Or von Laplanche Ainé. Der kam erst verdammt gezehrt und sehr säurelastig daher mit deutlich oxidativen Noten. Im Glas baute dieser güldene Wein dann nicht ab, sondern eher aus und wurde gefälliger. Zum Essen blühte er dann richtig auf und erreichte gut 90/100. Immer noch fantastisch 1947 Meursault Charmes Vandermeulen, der schon vor 10 Jahren einer der Stars einer 47er Verkostung gewesen war. Unglaublich, was für ein Standvermögen dieser Wein hat. Relativ helle, brilliante und klare Farbe, die hellste des Flights, wunderbare Nase, nussig, Brioche, am Gaumen eher etwas schlank mit kräftiger Säure, aber sehr komplex mit langem Abgang 96/100. Viel Luft brauchte der 1947 Le Montrachet in der Vandermeulen Abfüllung. In der Farbe deutlich dunkler als der Meursault, zu Beginn recht verhaltene Nase, was sich aber mit der Zeit sehr gründlich änderte, am Gaumen Fülle und Kraft, angenehme Bitternote, sehr langer Abgang 94/100.

Eine leicht süßliche, an eine große Tüte Bonbons erinnernde Nase hatte der 1947 Cabernet d Anjou Moelleux von Douet Marcel. Der Wein, dessen pinkige Farbe Richtung altrosa ging, erinnerte in seiner leichgewichtigen, immer noch erstaunlich frischen und nur relativ dezent restsüßen Art einer gereiften, deutschen Auslese 89/100. Deutlich nachhaltiger ein 1947 Moulin Touchais Reserve du Fondateur. Würzig-kräuterige Nase, entwickelte Anis- und Lakritztöne, am Gaumen gute Süße und eine wunderbare Länge. Baute sehr gut im Glas und dürfte noch eine gute Zukunft haben 94/100. Der Überflieger des Flights, der die beiden Weine förmlich an die Wand drückte, war ein perfekter 1947 Climens. Kräftiges Goldgelb, faszinierende Nase mit viel Honig, aber auch frischem Gebäck, Crême Brulée, Bitterorange. Schaffte am Gaumen den Spagat zwischen kraftvoller Fülle und spielerischer Leichtigkeit, ein noch erstaunlich frischer, lebendiger Wein, bei dem trotz intensiver Süße nichts klebrig wirkte, ein ganz großer, harmonischer Wahnsinns-Sauternes, mit dem in 1947 Geborene noch spielend ihren 100sten feiern können 99/100.

Eigentlich war das, was nun folgte, eine theoretisch ganz leichte Aufgabe. Die Teilnehmer der Probe sollten die vier folgenden Weine den Kategorien Bordeaux, Burgund, Barolo und Rioja zuordnen. Aber das war wohl deutlich leichter gesagt als getan. Scherzhaft hatte ich gesagt, die Probe würde nur mit denen fortgesetzt, die mindestens zwei Weine richtig zuordnen. Da hätte ich wohl hinterher ziemlich alleine am Tisch gesessen. Zwei recht bekannte Weinprofis gingen völlig leer aus, 1 Treffer war häufiger vertreten als zwei. Nur Jörg Müller aus Sylt konnte alle vier Weine richtig zuordnen, also nicht nur ein Koch- sondern auch ein Weingenie. Chapeau!
Mit einer extrem hellen, sehr bedenklich erscheinenden Farbe kam der 1947 Barolo Riserva von Borgogno ins Glas. Angesichts dieser Farbe fragte mein Gegenüber spontan, warum denn, wenn Tierversuche inzwischen verboten sind, immer noch Versuche an Menschen gemacht werden. Damit hatte er zunächst einige Lacher auf seiner Seite, aber nur, bis mal jemand die Nase in dieses Glas steckte. Unglaublich, was sich da offenbarte. Eine erstaunlich aromatische, gefällige, animierende Aromatik, am Gaumen weich, schmelzig und hoch elegant italienische Grazie eben mit viel Kaffee und unendlicher Länge, großer Stoff 96/100. Überzeugend auch 1947 Talbot, der die dichteste, jüngste Farbe des Flights hatte. In der Nase feine, rotbeerige Frucht, auch am Gaumen sehr fein, fruchtig und fast schwerelos elegant, klar war das kein Jüngling mehr, aber einer der besseren Weine des in 47 generell benachteiligten, linken Ufers mit noch etlichen Jahren Potential 93/100. Kein Wunder, dass der 1947 Marques de Riscal Reserva bei vielen meiner Freunde als Bordeaux durchging. Der hatte nicht nur eine satte Farbe, sondern auch eine durchaus Bordeaux-ähnliche Stilistik und war endlich mal ein älterer Rioja ohne die nervige Gemüsenase. Die Nase dieses feinen, weichen, schmelzigen Weines war noch schöner als der Gaumen 92/100. Der Überflieger des Flights war ein großartiger 1947 Volnay. Abgefüllt war dieses Geschoß von Rhone-Winzer Chapoutier, noch dazu in einer Bordeaux-Flasche. Der Volnay zeigte zwar typische Pinot Aromen, war aber so kräftig, hocharomatisch und druckvoll am Gaumen, dass am Tisch gleich der Verdacht aufkam, dass der gute Herr Chapoutier da auch ein Gutteil seiner eigenen Rhone-Weine mit eingefüllt hat. Dieses Gerücht, dass viele der besseren Burgunder "rhonisiert" seien, ist einfach nicht tot zu kriegen. Ich habe schon sehr viele, große, alte Rhoneweine und Burgunder getrunken und kann beide sehr wohl auseinander halten. Um einen dieser legendären Burgunder mit Rhone zu verändern, müsste man ihn schon komplett austauschen. Dann würde er zwar anders, aber insgesamt nicht besser. Also, auch das hier ein richtiger, großer Burgunder, abgefüllt von Chapoutier als Negociant 97/100.

Und bevor wir dann zu den Highlights aus Burgund kamen, waren erstmal drei große Rhone-Weine angesagt. Mit hohem Suchtfaktor der 1947 Chateauneuf-du-Pape von Mont Redon. Rauchige, sehr generöse Nase, die einen mit etwas Fantasie in südfranzösische Gefilde entführt, am Gaumen komplex, druckvoll, fast explosiv, dabei aber durchaus fein mit schöner Würze und Süße, kein Burgunder, aber mit ähnlicher Pracht und Fülle, viel besser gehen ältere Chateauneufs nicht 98/100. Ich habe sehr lange nach diesem Wein, den Parker zurecht als "kolossal" bezeichnet, gesucht. Um neuere Mont Redons mache ich dagegen einen Bogen. Die sind nicht mal ein Schatten dessen, was auf diesem Gut in den 50ern und davor produziert wurde. Und dann waren wir wieder bei Chapoutier, diesmal als Erzeuger mit einem 1947 Hermitage La Sizeranne. Der reifste Wein des Flight mit prägnanter Säure, sehr würzig, elegant, aber auch bissig. Ein Klassewein, der förmlich nach begleitendem Essen schrie 95/100. Als Pirat und Experiment hatte ich einen 1947 Laudun von Joseph Pelaquié in diesen Flight geschoben. Laudun ist eine eigenständige, aber unbedeutendere Appelation in Côtes-du-Rhone Village. Aber was für ein Wein! Der jüngste des Flights, sehr kompakt, kraftvoll, massig Mokka und purer Kakao, kräftig strukturiert mit immer noch deutlichen Tanninen. Etwas mehr Charme hätte dieser nachhaltige Tropfen ruhig haben können, dafür aber schien er gemacht für die Ewigkeit 94/100.

Weiter ging es ins Burgund und zu einem Fake! Zu drei Burgundern, die seit ewigen Zeiten in meinem Keller schlummerten, hatte ich eine Neuerwerbung gestellt. Erst vor ein paar Monaten hatte ich den angeblichen 1947 Grands-Echezeaux von Henri Matthieu über Ebay Frankreich erworben. Äußerlich war die Flasche völlig in Ordnung und unverdächtig. Auch die Kapsel schien ok. Doch nach der problemlosen Entfernung eines viel zu jungen, neutralen Korkens trat ein Wein zu Tage, der jeder Beschreibung spottete. Helle und trotzdem junge Farbe, süßliche Himbeere ohne Ende, völlig daneben, ein jugendlicher Grands-Echezeaux von der Ahr. Ganz selten sind mir bisher gefälschte, ältere Burgunder untergekommen, schon gar nicht von eher unbekannten Erzeugern. Ich werde der Sache weiter auf den Grund gehen.
Groß und absolut authentisch aber die drei anderen Burgunder. Sehr reif, weich und weit entwickelt der 1947 Nuits St. Georges Cailles von Morin. Recht süß, karamellig, malzig, ein großer Burgunder auf dem Höhepunkt. Süffig mag für eine solche Ikone nicht das richtige Wort sein, aber genau so präsentierte er sich, ein einfach geil leckerer Wein, den ich beidhändig trinken könnte 97/100. Die große Kaffee-Orgie im anderen Glas 1947 Latricières Chambertin von Thorin. Ein Wahnsinnswein, der mich mit seiner explosiven Aromatik und seiner irren Länge an den Chambertin von Vandermeulen erinnerte. Da waren jetzt die Kraft und die Herrlichkeit im Glas 98/100. Und trotzdem ging der 1947 Clos Vougeot von Noellat dagegen nicht unter. Eine völlig andere Stilistik, unglaublich fein und elegant, ein Meister der leisen Töne. Doch dabei so aromatisch, so druckvoll am Gaumen mit unendlicher Länge im Abgang, das war ganz hohe Weinschule 97/100. Es ist erstaunlich, wie schnell sich der Gaumen an hohes Niveau gewöhnt. Jeder dieser Weine wäre einzeln getrunken ein Fest und eine ewig währende Erinnerung gewesen. Konnte man auf diese Monumente überhaupt noch etwas draufsetzen? Ja, man konnte.

Ein Wahnsinnsflight, was dann plötzlich vor uns stand. Drei Weine wie von einem anderen Stern. Das musste jetzt die absolute Jahrgangsspitze sein. Großes Rätselraten am Tisch. Welcher von den dreien war jetzt Petrus? Wein #2(Richebourg)? Dann musste Wein #3 Cheval Blanc sein. Weit gefehlt. Dreimal Burgund in Vandermeulen-Abfüllung wie es besser nicht geht war in den Gläsern. Sensationelle Farbe der 1947 Hospice de Beaune Cuvée Guigone de Salins, so dicht, so überwältigend, so süß, so lang und komplex, mein bisher mit Abstand bester aus dieser Lage. Ganz anders der sehr feine, elegante 1947 Richebourg, weniger Kraft, dafür deutlich mehr Eleganz mit wunderbarer Süße, auch das ein komplexer, vielschichtiger Traumburgunder mit nicht endender Länge am Gaumen. 1947 Chambertin brauchte viel Luft und Zeit, wurde von Schluck zu Schluck immer besser und entwickelte sich dann zu diesem hier schon oft beschriebenen, komplexen, nachhaltigen Weindenkmal, das spielend mit jedem Wein dieser Erde mit kann. Trotzdem fiel es schwer, einen dieser drei Ausnahmeweine zu bevorzugen. Jeder war auf seine Art perfekt. Da waren schlicht und einfach dreimal 100 Punkte im Glas. Ein unwiederbringliches, einmaliges Erlebnis. Alle drei Weine übrigens vor sehr langer Zeit aus einem perfekten Keller erworben.

Über den Grund der überragenden Qualität der Vandermeulen-Abfüllungen wird oft spekuliert. Die Vandermeulens hätten Portwein in den Wein geschüttet und ihre Fässer mit Branntwein ausgewaschen. So ein Blödsinn. Es gab zwei simple Gründe für den hohen Standard der Vandermeulen Weine. Der erste war der gezielte Einkauf. Seinerzeit wurden Weine auf den Chateaus fassweise ausgebaut. Da gab es dann zwischen den einzelnen Fässern häufiger schon mal größere Unterschiede. Die Vandermeulen-Brüder waren müssen sehr solvente Weinhändler gewesen sein. Sie kauften ganz konsequent grundsätzlich nur die besten Fässer. Der zweite Grund war der Ausbau der Weine. Wer genügend Geld hatte, konnte solche Riesen wie die 47er natürlich in neuen Fässern ausbauen. Das taten die Vandermeulens im Gegensatz zu vielen Chateaus, die gerade in den ersten Nachkriegsjahren dafür einfach nicht genügend Geld hatten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Chateau Margaux. Hier schien das Chateau in 1947 nicht gerade die besten Qualitäten für sich übrig behalten zu haben. Die dann in älteren Fässern ausgebaut, ergab eine ziemlich schlappe Suppe. Ganz anders die überragende Vandermeulen-Abfüllung, die zu den absoluten Jahrgangsspitzen gehört.
Ein weiteres Beispiel hatten wir im nächsten Flight. Dreimal 1947 Conseillante im Vergleich. Sehr weich, reif, süß, üppig, generös und dekadent schön 1947 Conseillante in einer namenlosen, belgischen Händlerabfüllung. Ein Traum-Pomerol auf dem Trinkhöhepunkt zum Literweise-Saufen - 97/100. Sehr viel fruchtiger, kompakter und nicht ganz so reif wirkend mit deutlicher Säure ein 1947 Conseillante in einer französischen Händlerabfüllung von Laporte & Fils aus Bordeaux 96/100. Absolut überragend mit der dichtesten Farbe und Power ohne Ende 1947 Conseillante in der Vandermeulen-Abfüllung. Ein legendärer Wein, der sich hier wieder in Bestform zeigte 100/100.

Natürlich gibt es keine Rose ohne Dornen. Wer jetzt losrennt und kritiklos bei Ebay oder sonst wo Vandermeulen-Abfüllungen kauft, der muss zwangsläufig auf die Nase fliegen. Vandermeulen-Weine waren in der damaligen Zeit keine Kultprodukte, sondern relativ preiswerte, qualitativ sehr hochwertige Weine für Genießer, nicht für Sammler. Immer gleich das sehr schlichte Etikett. Die Jahreszahl einfach nur mit einem blauen Gummistempel aufgedruckt. Der Korken hochwertig, aber kurz und ohne Korkbrand. Auch die Kapsel stets einfach und neutral. Identifizierbar waren und sind Vandermeulen-Weine nur durch das Etikett und natürlich durch den hochwertigen Inhalt. Damit aber sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Das Etikett eines ausgetrunkenen 1947 Petrus mit einem anderen, billigeren Vandermeulen Wein, z.B. einem 1955 Clos du Commandeur getauscht, macht aus dem Stand wieder einen "neuen" 47er Petrus. Funktioniert wahrscheinlich auch mit jeder anderen, x-beliebigen, belgischen Händlerabfüllung. Ich kaufe deshalb schon lange keine Vandermeulens mehr. Wenn ich sehe, was da z.B. bei Ebay und auf anderen Auktionen an Vandermeulen Petrus, Cheval Blanc , ja sogar Lafleur angeboten wird, immer nur aus den Top-Jahren, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Wer gerne betrogen werden möchte, der hat hier freie Auswahl. Natürlich ist auch immer mal wieder eine echte Flasche dabei, aber das dürfte eher die Ausnahme sein.
Sehr sorgfältig waren die Vandermeulens wohl auch bei der Auswahl der Korken. Korkige Flaschen bei Vandermeulen sind sehr selten. Um so ärgerlicher, dass ausgerechnet in unserer Probe der Korkteufel zuschlug und dann auch noch bei 1947 Petrus Vandermeulen. Klar habe nicht nur ich den Wein trotzdem getrunken. In der Nase war der Kork deutlich stärker als am Gaumen. Da gibt es dann einen einfachen Trick. Einfach kräftig in das Glas hinein blasen und damit für kurze Zeit den Nasenkork wegpusten. Wer dann schnell trinkt, hat zumindest noch ein Resterlebnis. Hat auch in diesem Fall funktioniert und wenigstens eine deutliche Ahnung davon gegeben, welch ein Riese uns da durch die Lappen ging. Von der Substanz war dieser Wein wieder ein klarer Kandidat für 100/100. Etwas entschädigt wurden wir durch die wieder überragende Qualität des zweiten im Bunde, 1947 Margaux Vandermeulen. Auch das ein außerweltlicher Riese mit Süße, Fülle, Opulenz, aber auch perfekter Struktur und immer noch Tanninen 100/100. Ein Wein, der noch Potential für mindestens ein Jahrzehnt hat.

In die Niederungen normaler Pomerols ging es mit dem nächsten Flight. Doch das war nur ein ganz dezenter Abstieg. Mit Pomerols gleich welcher Gattung kann man wohl in 47 überhaupt nicht falsch machen. 1947 Gazin in einer französischen Händlerabfüllung von Bourisset gehört sicher bald getrunken, war aber ein sehr schöner, weicher, gefälliger Wein mit guter Süße und erstaunlicher Kraft 93/100. Noch offener, gefälliger mit wunderbarer Süße 1947 Clos René, ein Wein, der einfach auf hohem Niveau sehr viel Spaß macht, ebenfalls in einer französischen Händlerabfüllung 94/100. Sehr beeindruckend 1947 Clos de l Eglise Cinet, abgefüllt von Jean Terrioux in Pauillac. Ein robuster Kraftbolzen mit Potential für noch viele Jahre, sehr druckvolle Aromatik und die verschwenderische Fülle und Süße eines top gereiften Merlots 96/100. Star des Flights aber war 1947 La Fleur Petrus in einer belgischen Händlerabfüllung. Ganz großer, reifer Merlot aus großem Jahr, sehr komplex, immer noch fordernd und mit perfekter Tanninstruktur. Bitterschokolade, feinster Schmelz, aber auch noch viel Kraft und eine enorme Dichte, sehr lang am Gaumen und dabei harmonisch unausgewogen wirkend. In diesem Jahrgang nicht weit von der Klasse eines Petrus entfernt und das zu einem Bruchteil des Preises - 98/100.

Mit vier Weinen aus St. Emilion ging es auf hohem Niveau weiter. Zwei mögliche Ausfälle hatte uns der Sommelier auf Basis der ersten Wahrnehmung angekündigt, doch beide machten sich im Glas und waren deutlich mehr als nur trinkbar. 1947 Cormey Figeac hatte zwar deutlich medizinale Töne, die stark an Hustensaft erinnerten, aber auch eine verschwenderische Süße. Das ist die Art Medizin, die Kinder gerne freiwillig nähmen, Erwachsene sowieso. Kein Ausfall also, nur in der Aromatik etwas aus der Reihe tanzend 92/100. Eine Mörderfarbe hatte der fast Rabenschwarze 1947 Magdelaine, der zu Anfang etwas verschlossen und abweisend wirkte. Ein unglaublich dichtes Konzentrat mit balsamischen Noten und einem Hauch flüchtiger Säure, gewaltiger Wein mit immer noch enormen Tanninen, heute gut trinkbar, aber wenn ich noch eine Zwillingsflasche finde, lasse ich sie noch mal 20 Jahre liegen. Da könnte noch mal etwas ganz Großes draus werden 90++/100. Feiner, fruchtiger, eleganter und leichtfüßiger der sehr charmante 1947 Angelus in einer belgischen Van der Velde Abfüllung 92/100. Der schönste Wein des Flights war 1947 Troplong Mondot. Perfekte Struktur, kraftvoll, mit dezenter Süße und viel Finesse, ein großer Wein, der noch etliche Jahre vor sich hat und sicher eine Suche wert ist 95/100.

Als Abschluss tranken wir noch vier Weine vom in 1947 eher benachteiligten, linken Ufer. Die mit Abstand dichteste, jüngste Farbe hatte 1947 Lanessan, der wohl auch noch die meiste Zukunft zu haben schien, ein muskulöser Kraftbolzen in der Machart der sehr gelungenen, älteren Lanessans, mehr Power als Charme 91/100. Ein gut gelungener, reifer, weicher Schmeichler 1947 Gruaud Larose 92/100. Eine süße, viel versprechende, generöse Supernase hatte 1947 Haut Bailly, da kam der Gaumen dieses trotzdem recht feinen Weins nicht ganz mit 91/100. Ja, dann war da noch eine riesengroße Enttäuschung. Vorhersehbar zwar, denn ich habe diesen Wein immer nur unterirdisch erlebt, doch dass ein 1947 Lafite Rotschild so besch..., na gut, sagen wir bescheiden, schmecken kann, da verbietet sich jede Bewertung. Nur das dringende Abraten von diesem 1er Grand Mist bleibt.

Klar, eine Probe, wie wir sie hier erleben durften, ist wahrscheinlich kaum noch zu wiederholen. Viele der Weine, die ich über zwanzig Jahre hin gekauft habe, gibt es heute nur noch zu utopischen Preisen und oft auch nur mit zweifelhafter Herkunft. Aber 1947 bietet, auch das erlebten wir eindrücklich, abseits der ausgetretenen Pfade immer noch finanzierbare Überraschungen. Burgunder tauchen immer wieder mal auf und sind, wenn nicht gerade DRC oder Leroy dran steht, durchaus noch bezahlbar. Und bei der Suche nach 47ern von der Rhone kommen wir uns sicher demnächst mal in die Quere. Denn die Rhone ist ein spannendes Feld, das ich noch intensiver zu beackern gedenke.