Kleines Vorweihnachts-Tasting

In ganz kleinem, feinen Kreise saßen wir im Restaurant Schorn zusammen. Der René war aus der Schweiz gekommen. Ja genau der René mit dem tollen Gaumen und den fantastischen Bordeaux-Büchern. Auch aus der Schweiz gekommen war Gregor, unser Marathonläufer und Marathontrinker, aus dem Süden der Republik Georg, hoffnungsvoller U30 Nachwuchs-Kampftrinker und aus Düsseldorf der liebe Ludwig, der sich nicht nur mit vinophilen Goldstücken bestens auskennt. Dazu dann noch meine Wenigkeit und der joviale Wirt, Franz Josef Schorn, diese Fleisch gewordene, pralle Lebensfreude.

Werden beide nächstes Jahr 50 Jahre alt

Werden beide nächstes Jahr 50 Jahre alt

Gut gemischt waren in dieser Probe altbekannte Weinriesen, Piraten und Neuentdeckungen. Spektakulär gleich der Begrüßungsschluck. Würden Sie sich trauen, Ihren Gästen einen Pouilly Fuissé aus dem unterirdischen Jahrgang 1957 zu offerieren? Ich gehe solche gewagten Risiken gerne ein, denn auch und gerade bei Wein gilt: wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Noch dazu natürlich, wo René Gabriel im nächsten Frühjahr 50 wird. Also kam der 1957 Pouilly Fuissé von Thomas Bassot ins Glas und sorgte für eine freudige Überraschung. Schon ins Güldene gehende, aber immer noch brilliante Farbe, in der Nase bittere Orangenmarmelade, salzige Noten, etwas Süße und Trockenfrüchte, aromatisch und auch noch erstaunlich frisch am Gaumen und einfach wunderschön zu trinken 90/100. Erst mit steigender Temperatur und viel Luft merkte man das schwächere Jahr und der Wein baute etwas ab.

Ein Riesenjahr war 1921 nicht nur für edelsüße deutsche Weine, sondern auch für die entsprechenden Gewächse aus dem Elsaß. Zu Franz Josef Schorns Gänseleber hatten wir einen 1921 Gewürztraminer Selection Grains Nobles von Klipfel vor uns. Betörende, parfümiert wirkende Nase, ein großes Rosenbeet, in der Nase mehr Süße als am Gaumen, wunderbare Würze, deutliche, sehr angenehme Bitternoten, geht etwas in Richtung Muskat, nicht mehr sehr süß und unglaublich lang am Gaumen. Ein großer Wein, der einfach von der Nase über den Gaumen bis zum Abgang gleichmäßig stark war 97/100.

Schon mal einen dänischen Wein getrunken. Mit der fortschreitenden Klimaveränderung werden wir uns wohl an diesen Gedanken gewöhnen müssen. Einstweilen sind derartige Gewächse aber noch verdammt gewöhnungsbedürftig. Wir tranken zum "Mundspülen" nach dem Süßwein einen 2004 Nordlund Dansk Bordvin. Der hatte eine fantastische Farbe, aber eine etwas eigenartige Nase, leicht angesent, Gummi, Wildgeruch. Am Gaumen wirkte er etwas artifiziell, gewöhnungsbedürftig und anstrengend, im Abgang zeigte er Waldmeister. Da scheint bei der Weinbereitung auch heftiger Konzentrator-Einsatz mit im Spel gewesen zu sein 78/100.

Verdammt alt und reichlich gezehrt dann eine Flasche 1928 Lahner Margaux von Schröder&Schyler. Die Flasche trug ein Foto von Chateau Margaux, der Inhalt wird aber eher irgendein kleinerer Wein aus der Appelation Margaux gewesen sein. Helle, sehr reife Farbe, Möbelpolitur, Säure, trinkbar zwar, aber wenig Genuß, deutlich über Höhepunkt hinaus 80/100. Fantastisch hingegen ein 1921 Ferrière, ebenfalls aus Margaux. Dieses Chateau, das derzeit eine Renaissance erlebt, hat in früheren Jahren zu den Stars der Appelation gehört und speziell in der Vorreblauszeit für Weinlegenden gesorgt. Der 21er hatte eine noch sehr dichte, intakte Farbe, in der Nase erst etwas medizinal, Hustensaft, dann kam immer mehr Frucht, malzige Süße wie bei einem großen Rioja, am Gaumen samtig und weich 94/100.

Zunächst blind kam dann ein 1887 Corton aus einer Händlerabfüllung ins Glas. Spontan waren wir alle bei einem großen 47er von Vandermeulen. Auf dieses Alter wäre wohl niemand von uns gekommen. Spürbar heißes Jahr, korinthig, eingedickter Birnensaft, Currynoten, immer mehr Kaffeetöne, dicht und irre voll und lang, burgundische Pracht und Fülle, Faszination pur 98/100. Ein unkaputtbares Weindenkmal aus der Vorreblauszeit.

Hammermäßig ging es weiter. 1928 Cheval Blanc Vandermeulen, ein Wein für die Ewigkeit. Absolut sensationelle, superdichte, junge Farbe. Leicht jodige Nase, am Gaumen irre Fülle, ein Maul voll Wein mit portiger Süße, Guiness-Bier kam spontan auf, etwas Lebkuchengewürz, alter Balsamico. Ein fettes, geiles Teil, das bei aller Kraft auch eine unglaubliche Finesse zeigte. Ein riesengroßer Cheval Blanc mit Turbolader 100/100.
Völlig anders und eigentlich eher jahrgangs-untypisch der 1928 Mouton Rothschild. Etwas heller in der ansonsten altersfreien, brillianten Farbe, faszinierende, pfeffrige Ingwernase, frisch gemahlener, weißer Pfeffer, Zedernholz, hohe Mineralität, immer noch feine, rotbeerige Frucht, feine Minzfrische, Tabak und Ledernoten, unglaublich frisch, entwickelte Currynoten und kalten Rauch, für 1928 sehr, sehr fein 98/100.

Ein absoluter Klassiker auf höchstem Niveau dann die Paarung 1947 Margaux Vandermeulen und 1947 Conseillante Vandermeulen, die ich so lange nicht mehr im Glas hatte. Zwei Giganten, die jeder auf seine Art voll überzeugten. Der Conseillante von Anfang an ein großer, kompletter Wein. So fein, so süß, so elegant, so lang am Gaumen mit feiner Frucht, frischem Minzton. Bei diesem Wahnsinnswein stimmte einfach alles 100/100. Luft brauchte der Margaux, der erst etwas verschlossener wirkte mit leichten Altfassnoten in der Nase. Dunklere Farbe, deutlich mehr Kraft, baute im Glas spektakulär aus, dicht, kraftvoll, Schmelz ohne Ende, malzig, cremig, unglaubliche Länge, sicher noch Potential für 20 mehr Jahre 100/100.

Und der Weinhimmel blieb auch mit dem nächsten Wein voller Geigen. In chateauneuf gibt und gab es sehr viel Mist und Durchschnitt. Die wenigen guten Weine waren aber auch damals schon so gut, dass sie spielend mit großen Bordeaux und Burgundern mithalten. Bestes Beispiel hierfür der 1947 Chateauneuf-du-Pape von Jaboulet-Ainé. Die perfekte Assemblage des Besten aus aus Bordeaux und Burgund mit toller Struktur und Komplexität, mit Rasse, Klasse und Fülle. Malzige,korinthige Süße, Süßholz, Lakritz mit frischem Pfeffer, fantastische Länge am Gaumen, viel Kraft und gleichzeitig burgundische Kraft und Fülle. Erstaunlich, wie schnell sich der Gaumen an das hohe Niveau gewöhnt, auf dem wir hier tranken, doch allen Kritikversuchen zum Trotz, auch dieser Wein ein Denkmal mit klaren 100/100.

Noch nie so gut getrunken wie an diesem Abend habe ich 1955 Latour aus einer perfekten Flasche und einem sehr guten Keller. Da fand der nach der Papierform erwartete Abstieg nicht statt. Ein sehr dichter, noch sehr jung wirkender Wein mit intakter Tanninstruktur, sehr konzentriert, furztrocken, mit seinen kräuterigen Noten Anklänge an einen großen Lafleur, sehr lang am Gaumen, ein klassischer, großer Latour, wie ich ihn aus diesem Jahrgang in dieser Perfektion noch nie erleben durfte. 97/100

So kann es im nächsten Jahr gerne weitergehen

So kann es im nächsten Jahr gerne weitergehen