Man gönnt sich ja sonst nichts!

Wenn Bernd Wirtz ruft, komme ich sofort. Was dieser wirklich begnadete Hobbykoch mit leichter Hand auf den Teller zaubert, würde jedem Sterneladen Ehre machen. Das war wieder weit mehr als nur Proben-Grundlage. Kulinarische Höhepunkte, die sich perfekt mit den Weinen ergänzten.

Zur Begrüßung gab es aus der Magnum einen 1999 Rüdesheimer Schlossberg QbA von Georg Breuer, als Rheingauer Riesling blind leicht zu erkennen. Was Breuer da als QbA abfüllt, kann sich wirklich sehen (und trinken) lassen. Ein gut (an)gereifter, stoffiger, kräftiger Riesling mit langem Abgang. Sympathische 12,5% Alkohol. Andere Winzer würden sowas trockene Auslese nennen - 92/100.

Gleich weiter ging es dann mit einem Rotwein aus der Magnum. Dichtes Dunkelrot mit erstem, leichten Orangenrand, wenig Frucht, Zedernholz, streng und ungenerös wirkend - da war ich spontan bei 89 Lafite, mit dem ich mich noch nie so richtig anfreunden konnte. War es aber nicht, sondern ein 89 Lynch Bages, den ich deutlich besser kenne. Gottseidank waren wir aber so schlau, die Hälfte der Magnum bis zum Schluß aufzuheben und siehe da, der Wein hatte sich geöffnet mit schöner Frucht und wirkte um Klassen besser - 95/100.

Begeistert war ich wieder vom 98er Tertre Roteboeuf. Dichte. junge Farbe, immer noch mit leichtem Purpur. Beerige, üppige Frucht sowohl in der betörenden Nase als auch am Gaumen, das pralle Leben, ein geiles Hedonistenteil - 97/100. Doch bekanntlich ist das Bess re des Guten Feind. Der direkt danach verkostete 2000er Tertre Roteboeuf setzte noch mal richtig eins drauf und ließ den grandiosen 98er fast wie einen armen Wicht erscheinen. Perfektion! Da stimmte von vorne bis hinten einfach alles. Unter der tollen Frucht stecken kräftige, aber sehr reife Tannine. Bleibt ewig am Gaumen - 100/100

Wineterminator mit den beiden Tertre Roteboeufs

Wineterminator mit den beiden Tertre Roteboeufs

Kalifornische Weine sind üppig-marmeladig, haben über 15 Alkohol und sind hoffnungslos überteuert - stimmt? Stimmt leider immer öfter, aber längst nicht immer. Unser nächster Rotwein konnte in der ersten Anmutung von der Aromatik her auch aus dem Priorat kommen. Dichtes Powerteil mit Teer, Lakritze und ätherischen Ölen. Mit der Zeit kam dann immer stärker Eukalyptus durch und wir landeten in Napa. Der Wein wurde im Glas zunehmend weicher und cremiger - 95/100. Übrigens mein drittes Erlebnis auf diesem Niveau mit 1984 Clos du Bois Marlstone Vineyard, einem völlig unterschätzten und damals nicht teuren Wein, dem ich noch gut und gerne 10+ Jahre sicheren Genuß zubillige.

Horst Wittgen mit "seinem" 84er Clos du Bois

Horst Wittgen mit "seinem" 84er Clos du Bois

Gleich weiter gings mit einem Kalifornier, den wir alle nach Bordeaux schoben. Kräftiger Stinker, klassische Bordeaux(Pauillac) Stilistik, sehr kräftig am Gaumen und irre lang. Der 1990 Dominus ist ein großer Wein, der erst ganz am Anfang steht - 94/100.
Da hatte es danach der 94er Haut Brion sehr schwer. Mit diesem Wein habe ich so meine Probleme. Gut, er ist sehr weich, gefällig, schön zu trinken. Als Cru Bourgeois für 15 € würde ich davon sofort ein paar Kisten kaufen. Aber als Premier Cru zu stolzen Kursen? Nein danke. Da ist nichts Haut Brion-typisches und auch nichts Großes dran - 91/100.
Versöhnt wurden wir dann von einem 92er Ridge Monte Bello. Sehr fein, finessig mit guter Kirschfrucht, wirkte fast schlank - 94/100.
Mehrere Stunden vorher war der dann folgende 1994 l Ermita von Alvaro Palacios dekantiert worden. So präsentierte dieser Wein trotz irre junger Farbe und massivem Rückrat fast gefällig. Intensive, fast etwas likörartige Frucht und viel Lakritz. Der macht sicher noch 30 Jahre Spaß - 94/100.
Auf den Boden der Tatsachen holte uns dann ein 89er Pichon Baron zurück. Sehr dichte, aber überhaupt nicht mehr jung wirkende Farbe. "Alte", schweißige, leicht stinkige Nase, für einen 28er sicher groß, aber für einen 89er doch sehr gewöhnungsbedürftig, auch am Gaumen altes Faß. Das war hoffentlich ein Flaschenfehler, denn ich habe diesen Wein deutlich besser in Erinnerung - 88/100.
Den Abschluß bildete ein sehr überzeugender 1997 Pride Mountain Cabernet Sauvignon, ein sehr extraktreiches, saftiges Powerteil mit toller Frucht und guter Struktur. Bleibt ewig am Gaumen. Von diesem Wein hat man eigentlich immer zuwenig im Glas - 96/100.

Geschafft! - Wir auch.

Geschafft! - Wir auch.