Petrus 1945 bis 2001

Das war schon gigantisch, was der René Gabriel da mit tatkräftiger Unterstützung seiner charmanten Gattin Karin auf die Beine gestellt hatte. 37 Jahrgänge Chateau Pétrus, dazu ein Querschnitt durch 89er Pomerols in Großflaschen, weitere "Vins de Plaisir" in Imperiales sowie interessante Aperitif- und Süßweine. Die Petrus waren durchweg authentisch und in gutem Zustand. Damit dürfte eine solche Probe kaum wiederholbar sein.
Dazu René Gabriel als perfekter Gastgeber, der dafür sorgte, dass nur wirkliche Weinfreunde an den Tischen saßen. Eine größere Veranstaltung in dieser Harmonie und Ausgewogenheit, das muss ihm erst mal jemand nachmachen.

Perfekte Gastgeber - Karin und René Gabriel

Perfekte Gastgeber - Karin und René Gabriel

Petrus reißt Riesenlöcher in Ihr Portemonnaie, aber er ist kein Blockbuster. Der Wein besitzt bei aller Aromatik und bei aller Frucht und Länge insbesondere in den großen Jahren eine traumhafte Eleganz und Finesse. Petrus ist die Leichtigkeit des Seins, hat einer meiner Weinfreunde formuliert, und das passt auf diesen großen Wein, der nie grobschlächtig oder plump daherkommt.
Bei den folgenden Notizen sollten Sie berücksichtigen, dass bei einer Vertikalprobe nie alle Weine in Topform sein können. Gerade bei den jüngeren Jahrgängen gibt es immer wieder Weine, die sich in einer schwierigen Phase befinden. So wie zu schnell gewachsene Teenager sind sie dann nicht Fisch und nicht Fleisch. Und wie bei Letzteren gibt sich das dann nach ein paar Jahren wieder. Alle meine Bewertungen beziehen sich auf das, was sich in meinem Glas befand, sind also aktuelle Genuss- und keine Potentialwertungen. Und wenn der berühmte 100 Punkte 1989 Petrus eben nur nach maximal 85/100 schmeckt, weil er total verschlossen ist, dann gebe ich das auch so wieder.

Gereicht wurde vor jeder Probe ein zweifacher Aperitif, jeweils in Form eines restsüßen Riesling aus 1989. René Gabriel ist kein großer Champagner-Fan und die Idee, stattdessen deutsche Rieslinge einzusetzen, ist einfach genial. Ein solch leichter, frisch-fruchtiger Aperitif mit wenig Alkohol wirkt nicht nur deutlich weniger belastend, er bereitet die Sinne auch besser auf die nachfolgenden Weinfreuden vor.
Am ersten Abend gab es in der Bar als Willkommensschluck eine allerdings ziemlich enntäuschende 1989 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Spätlese von Wilhelm Haag. Der Wein war schon sehr reif und wirkte twas breit und diffus. Zudem störte in einigen Flaschen ein deutlicher Böckser. Da war dann der eigentliche Auftakt in Jöhris Talvo schon von anderem Kaliber. Die 1989 Eitelsbacher Karthäuserhofberg Auslese eignete sich in ihrer finessigen Art mit schöner, klarer Frucht, guter Säure und nur dezenter, feiner Süße perfekt als Aperitif und wirkte insgesamt noch recht jung 91/100.

Der erste Petrus-Flight bestand aus den Jahrgängen 1980, 1981, 1986, 1987 und 1988.
Erstaunlich, wie gut sich 1980 Petrus in der Magnum gehalten hat. Besitzt immer noch ein wunderbares Bouquet mit feiner Johannisbeere, an dem man stundenlang riechen könnte. Der Gaumen kam da nicht ganz mit. Wirkte zu Anfang etwas pilzig, baute dann aber sehr schön im Glas aus und entwickelte sich zu einem gefälligen Schmeichler. Einer der ganz wenigen 80er, die in perfekten Flaschen wie dieser sicher noch ein paar Jahre Spaß machen 90/100.
Wesentlich weiter ist da schon 1981 Petrus, an diesem Abend ebenfalls aus der Magnum ausgeschenkt. Erstaunlich helle Farbe, wirkte dünn und schon etwas gezehrt. Da kommt nicht mehr viel 87/100. Der schwächste Wein dieses Flights war aber 1986 Petrus, ebenfalls aus der Magnum. Blechern wirkendes, enttäuschendes, dünnes Zeugs. Bei der Ankunftsprobe vor 16 Jahren hatte ich damals einen dichten, etwas unzugänglich wirkenden Wein noch auf eine Stufe mit l Eglise Clinet gestellt. Da gehört er schon längst nicht mehr hin. Mehr als 85/100 sind keinesfalls drin. Aus der Jeroboam hätte der 1987 Petrus mit seiner kräftigen, immer noch jung wirkenden Farbe sicher Potential für 89+/100 gehabt. Leider wurde aus dem anfänglichen Stinker mit der Zeit ein immer stärkerer Kork. Schade. In guterhaltenen Großflaschen dürfte der 87er Petrus zu den wenigen, noch mit Genuss trinkbaren 87er Bordeaux gehören. Favorit des Flights war 1988 Petrus. Aus der Magnum war er noch viel zu jung. Ein Weinbaby mit kräftiger Farbe, das vor Kraft nur so strotzte. Trotz massiver Tannine und leichter Bittertöne im Abgang schon (an)genießbar auf 91/100 Niveau. Ich würde den Wein aber weglegen. In 10 Jahren sind da durchaus 95/100 drin.

Deutlich stärker ging es weiter mit dem nächsten Flight, in dem sich gleich zwei potentielle Weinlegenden befanden.
Ein für das schwache Jahr außerordentlich schöner Wein ist Petrus in 1997 gelungen. Der 1997 Petrus hat eine feine, leicht schweißige Merlot-Nase, schöne rotbeerige Frucht, etwas Kaffee und Schokolade. Der ist aus vollreifem Lesegut geerntet, denn da ist nicht Grünes. Genuß pur, jetzt und die nächsten 10 Jahre trinken 94/100. Ein Riesenteil war 1998 Petrus. Üppig, füllig, ganz großer Stoff, irre Kraft am Gaumen. Vereinigt kalifornische Opulenz und Dekadenz mit der Komplexität großer Bordeaux. Da sind heute schon 100/100 im Glas. Wenn Sie diesen Wein besitzen, machen Sie mal eine Flasche auf(mich bitte anrufen!!!). Der Wein geht sicher irgendwann demnächst zu und erreicht dann in 10 Jahren seine volle Strahlkraft. Eine eher schlankere, burgundische Eleganz zeigte 1995 Petrus. Der Wein war offen, fruchtig und sexy, aber auch nachhaltig mit viel Kraft am Gaumen 95/100. Viel wurde über den 2000er Petrus geschrieben, und in etlichen Vergleichsproben wurde er "hingerichtet". Das kann ich nicht nachvollziehen. 2000 Petrus ist ein geiler, toller Merlot mit Schmelz ohne Ende. Jetzt mitten in der Fruchtphase und voll genießbar. Vielleicht fehlt ihm etwas die Komplexität des überirdischen 98ers, aber auf was für einem Niveau! Der 2000er hat sehr reifes Tannin. Ich glaube eigentlich nicht, dass er sich jemals richtig verschließt. Dafür wird er nicht so langlebig sein wie der 98er 99/100. 2001 Petrus fiel in diesem Flight völlig raus. Der Wein wirkte wie ein Puzzle, bei dem man zwar vage erahnen konnte, was es mal werden soll, wo aber die einzelnen Teile noch nicht zusammengefunden haben. Bonbonhafte, dropsige Süße, darunter kräftige Tannine, diffuses Erscheinungsbild. Einfach noch eine Weile weglegen, derzeit kein Genuss. Kann sicher mal 92-94/100 erreichen.

Im nächsten Flight stand 1989 Petrus gegen vier weitere, große 89er Pomerols.
Sehr überzeugend 1989 Le Gay. Ein sehr feiner, nachhaltiger Merlot mit langem Abgang, feine Süße, am Gaumen eine kräuterige Lafleur-Noze, Ruccola, ein etwas rustikaler Lafleur nicht für arme, sondern für schlaue Leute 94/100. 1989 La Fleur de Gay wirkte zu Anfang üppig und lecker, ein Wein, der spontan anmachte. Doch da fehlt die Konzentration, mit der Zeit kamen Sellerietöne, ein Blender, der rasch getrunken gehört 92/100. Völlig abgetaucht ist 1989 Petrus. Total verschlossene Nase, am Gaumen zu, man spürt viel Kraft und bissiges Tannin. Da ist nur Potential, kein Genuss, mehr als 85/100 Trinkgenuss sind da derzeit leider nicht im Glas. Gut, dass ich diesen Riesen in seiner Fruchtphase schon ein paar mal getrunken habe, sonst würde ich insbesondere auch aufgrund der hellen Farbe doch ins Grübeln kommen. Apropos Farbe, René meinte, das läge an zu hoher Erntemenge. Ich habe da eine andere Theorie. Auf Petrus wurden die Weine bis Anfang der 90er zu stark gefiltert. Da war wohl die Angst vor der gerade in den 80ern in Bordeaux stark grassierenden Brettamycose, dem berühmten Cordier-Stinker. Dieser "Kuh von hinten"-Ton passt auch nicht in einen so feinen Wein wie Petrus. Inzwischen scheint das Chateau das Problem im Griff zu haben. Die neueren Weine zeigen eine deutlich dichtere Farbe und sind trotzdem frei von Fehltönen.
Schwer enttäuscht war ich von 1989 Le Pin, der generös aus der Doppelmagnum ausgeschenkt wurde. Burgundisch-elegant, aber auch simpel-süß. Ein völlig überteuerter Blender, 92/100 mit deutlicher Tendenz nach unten. Le Pins machen in den ersten 10 Jahren unglaublichen Spaß, wenn auch zu astronomischen Preisen. Länger sollte man sie aber keinesfalls aufheben. Wer jetzt noch auf Auktionen Le Pins aus den 80ern kauft, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
Ebenfalls aus der Doppelmagnum kam 1989 Clinet. Dieser, in seiner Jugend so geile Wein ging für ein paar Jahre durch eine schwierigere, verschlossene Phase. Doch die ist jetzt vorbei. Klar ist da nicht mehr die geile Opulenz und dekadente Süße der Fruchtphase, in der der Clinet die 100 Parker-Punkte zu Recht verdiente. Dafür zeigt der Wein jetzt eine unendliche burgundische Eleganz und eine schöne Länge am Gaumen. Und diese Doppelmagnum war kein Ausreißer. Verschreckt durch René Gabriels "austrinken" habe ich vor ein paar Monaten meine letzte Kiste aufgerissen und den Clinet zweimal sehr erleichtert mit ähnlichem Resultat getrunken. Der 89er Clinet ist auf dem richtigen Weg und noch sehr lange nicht am Ende 97/100.

Eigentlich hätte dann im nächsten Flight mit 1961 Petrus aus der Magnum wieder eine Legende stehen müssen. Viele Probenteilnehmer empfanden dies auch so. Was ein berühmtes Etikett so alles ausmacht, wenn die Weine nicht blind verkostet werden. Der 61er war beileibe kein schlechter Wein und in dieser Magnum bei 61 Petrus, einem der meistgefälschten Weine dieser Welt, leider nicht normal sicher auch authentisch. Aber er war deutlich reifer als ich ihn kenne. Die Nase war immer noch typisch und recht schön, aber am Gaumen spielte sich nicht viel ab. Wo sich sonst beim 61er ein irrer aromatischer Druck aufbaut, war hier nur ein feiner, eleganter Wein, der schon etwas müde und kraftlos wirkte. Ich kenne die Herkunft der Flasche nicht, bin aber sicher, dass sie schon einige Besitze hatte. Diesen Effekt gibt es bei weit- und vielgereisten Trophäenweinen öfter. Die macht man besser gar nicht auf, sondern erhält sich die Illusion 92/100.
Da gefiel mir 1962 Petrus schon um einiges besser. Reif, aber immer noch mit dichter Farbe, ein interessanter, leckerer Hustensaft, Riccola, malzig kräuterige Süße, ein Schuß Portwein, sehr süß am Gaumen, dabei sehr nachhaltig mit langem Abgang, sicher einer der besten Weine dieses Jahrgangs 95/100. Deutlich schöner und offener kenne ich eigentlich 1964 Petrus. An diesem Abend war es eher eine Art hanseatischer Petrus, vornehm, zurückhaltend, nicht sehr freigiebig in seinen Aromen 90/100. 1966 Petrus war zwar ein klassischer 66er und zeigte die Strenge des Jahrgangs, aber auf was für einem Niveau! Ein toller Wein, irre dicht mit sehr langem Abgang. Sicher nicht die große Spaßnummer, aber ein authentischer, überzeugender 66er 94/100. Verdammt gefährlich lebt schon
1967 Petrus. Ein schmelziger, feiner Wein mit schöner Süße, nicht mehr viel Tannin, aber kräftige Säure, die auf ein nicht mehr allzu langes Leben hindeutet. An diesem Abend aber ein Genuss 93/100.
Leider ging der Abschluss der ersten Probe, ein 1937 Caillou Crème de Tête etwas unter. Ein in Ehren gereifter Sauternes mit güldener Farbe, in der Aromatik etwas Crème Brulée mit Zwergorangenconfit, dezente Restsüße und nicht unangenehme Bitternote 90/100.

Petrus soweit der René reicht

Petrus soweit der René reicht

Als Zwischenspiel gab es am nächsten Tag einen Älpler-Lunch auf der Bergstation von Muottas Muragl, der von diversen Großflaschen begleitet wurde.
Zunächst einmal gab es aber als Begrüßungsschluck einen 1989 Scharzhofberger Riesling Kabinett von Egon Müller. Das war schon erstaunlich, wie viel Frische dieser jetzt 16 Jahre alte Kabinett von der Saar noch zeigte.
Seit 14 Jahren überlege ich, wonach mein Hund bei schlechtem Wetter riecht bzw. stinkt. Jetzt weiß ich es, nach 1992 Petrus. Zumindest in dieser Imperiale war Petrus völlig daneben und roch nicht nur nach nassem Hund, er war auch am Gaumen ein verdammt mageres, enttäuschendes Gesöff 79/100. So viele Leute wie hier habe ich noch nie Petrus wegschütten sehen. Da versöhnte dann ein 1997 La Fleur Petrus, ebenfalls aus der Imperiale, doch wieder den Gaumen. Der zeigte zwar in der Farbe schon deutliche Reifetöne, hatte aber eine feine, schokoladige Nase. Am Gaumen erstaunlich gute, druckvolle Aromatik, wieder Schokolade, mollig, sexy, erst im Abgang merkte man das schwächere Jahr 92/100. Einlagern würde ich diesen schon verdammt reifen Wein nicht mehr, aber sicher in den nächsten 2-3 Jahren mit viel Genuss trinken.
Star der drei Großflaschen war aber 1994 Lafleur. Aus der Imperiale machte dieser sehr gut gelungene Kraftbolzen eine hervorragende Figur und war schon gut trinkbar. Dichte, junge Farbe, frische Minznase, Schokonoten, dunkles Toffee, feine Süße, am Gaumen druckvolle Aromatik und tolle Länge 95/100. Im Gegensatz zum Petrus leerten sich hier die Gläser nicht in einen Kübel, sondern in zügigem Tempo ins Menscheninnere, da wo guter Wein auch hingehört. Ich bin gleich nach der Probe auf die Suche gegangen und noch fündig geworden. 94 Lafleur ist mit etwas Glück noch relativ günstig zu bekommen.

Deutlich besser als die Spätlese vom Vortag gefiel mir am zweiten Abend die immer noch jugendlich und frisch wirkende 1989 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese #4 von Fritz Haag. Das war echte Haag sche Klasse mit traumhafter Eleganz und Leichtigkeit 93/100.
Im zweiten Teil der Petrus-Probe gab es zu jedem 5er Flight in einem sechsten Glas noch einen großzügig eingeschenkten Vin de Plaisir aus der Großflasche.
Im ersten Flight standen sich Petrus 1990, 1993, 1994, 1995 und 1996 gegenüber.
1990 Petrus war deutlich verschlossener als ich ihn kenne, aber nicht so verschlossen wie 1989. Mit letzterem hat er die erstaunlich helle Farbe gemeinsam. Zweifelsohne ein großer Wein, der aber momentan auch durch eine etwas schwierigere Phase geht. Verhaltene Nase, die geile frühere Frucht ist völlig weg, am Gaumen unglaubliches Konzentrat mit sehr langem Abgang sehr gutwillige 93/100. Ich würde diesen Wein, der lange sehr zugänglich und einer der Stars etlicher Proben war, an denen ich teilnehmen durfte, für die nächsten 5 Jahre in Ruhe lassen. Dann könnte er durchaus die früheren 100 Punkte wieder erreichen.
1993 Petrus hatte aus der Jeroboam zwar eine Superfarbe, wirkte am Gaumen aber etwas dürr und sperrig. Bittertöne, nicht voll ausgereiftes Traubengut, nicht ganz sauber, baute mit der Zeit im Glas etwas aus. Ich vermute mal, dass hier mit den Jahren noch etwas mehr kommt. Vom reinen derzeitigen Trinkgenuss her 91/100.
1994 Petrus war sehr kraftvoll und schön, in der Stilistik dem 88er nicht unähnlich, aber zugänglicher, sehr viel Potential, pflaumige Frucht, große Länge am Gaumen 95/100.
Etwas leichtgewichtig wirkte der 1995 Petrus. Ein sehr feiner, komplexer, klassischer Pomerol mit rotbeeriger Frucht, der aber von der schieren Kraft des 94ers in den Schatten gestellt wurde, wird sich sicher in den nächsten Jahren noch entwickeln und hat durchaus Potential heute max. 94/100 kann in 5-10 Jahren sicher noch gut 2 Punkte zulegen.
Nicht so richtig anfreunden konnte ich mich mit 1996 Petrus. Da wirkte die Ballerina plötzlich etwas korpulent und ungelenk. Ein kräftiger, monolithischer Wein, in der Nase leichter Stinker, dunkle Beeren, Pflaumen, auch etwas Kaffee, wirkte etwas animalisch, metallische Töne, aber am Gaumen auch viel Schokolade. Auch dieser Wein aus dem in Pomerol nicht einfachen Jahr braucht sicher einfach noch Zeit, heute 93/100, mit Luft nach oben.
Eher enttäuscht war ich von 1989 Le Bon Pasteur aus der Imperiale. Pflaumiges Bouquet mit überreifen Aromen, bereits leichte Oxidationstöne, Süße, wirkte am Gaumen etwas ausgetrocknet, habe ich Ende der 90er schon mehrfach besser getrunken, wirkte wie ein Wein auf dem langsamen Abstieg 90/100.

Der Stoff aus dem die Träume sind - 45er Petrus

Der Stoff aus dem die Träume sind - 45er Petrus

Und dann ging die Post ab. Viermal kam ich in diesem 5er Flight nicht umhin, die 100 Punkte Karte zu ziehen. Natürlich sind 1945, 1947, 1949 und 1953 völlig unterschiedliche Weine, die man aber nicht untereinander anordnen kann. Jeder ist für sich einzigartig und zählt in dieser Form zu den ganz großen Weinen des letzten Jahrhunderts.
1945 Petrus ist die Eleganz in Perfektion, ein absoluter Traumstoff, der am Gaumen gar nicht mehr aufhört. In der Nase immer noch schöne, beerige Frucht, feine Süße. Klar sind da Reifetöne in der Farbe. In einer derartigen, perfekten und absolut authentischen Magnum hält dieser großartige 45er sicher noch 10-20 Jahre 100/100.
Ganz anders und auf seine Art ebenfalls einzigartig 1947 Petrus in einer Vandermeulen-Abfüllung. Dichte Farbe, portig, süß, riesengroß, Power ohne Ende. Das ist die Kraft und die Herrlichkeit 100/100. Vandermeulen und Chateauabfüllung lucky me hat beide schon mehrfach getrunken - sind in 1947 absolut gleichwertig, wenn sie gut sind. Das konnte man von der zweiten der beiden Vandermeulen-Flaschen leider nicht sagen. Die war schlicht und einfach platt.
Kein typischer Petrus, aber was für ein Riese von Wein war 1949 Petrus, ebenfalls als Vandermeulen-Abfüllung. Wie eine perfekte Cuvée aus Cheval Blanc und einem großen Burgunder mit feiner, delikater Würze und unendlicher Länge am Gaumen. Klar kann der von der Kraft her mit 47 nicht mit, aber was für eine spielerische Eleganz und Finesse 100/100.
Einziger Ausreißer in dieser Superrunde war 1952 Petrus Vandermeulen. Da waren beide Flaschen schon sehr reif mit leichten Oxidationstönen, malziger Süße, aber auch leichtem Essigstich 92/100. Ich hätte blind auf einen alten YGAY getippt.
Pomerol vom Allerfeinsten war dann wieder 1953 Petrus. Noch so jung mit irrem aromatischem Druck am Gaumen. In der Nase feine, leicht exotische Süße mit Kokos, erinnerte mich an die besten, bisher vom 61er getrunkenen Flaschen 100/100.
Dem 1989 Vieux Chateau Certan als Vin de Plaisir tat die Imperiale sehr gut. Aus der war der Wein deutlich frischer und fruchtiger als zuletzt auf der großen Vieux Chateau Certan Probe aus der 1tel. Ein sehr leckerer, unkomplizierter, reifer Spaßwein mit toller Süße 92/100.

Immer wieder eine Bank - Vandermeulen

Immer wieder eine Bank - Vandermeulen

Auch im nächsten Flight gab es wieder zwei 100 Punkte Weine.
1955 Petrus war leider madeirisiert, aber immer noch schön zu trinken 85/100.
Irritiert hat mich 1959 Petrus. 1959 ist außer in den zahllosen Fakes kein großer Petrus, auch nicht in der Grafé Lecoq Abfüllung(mehrfach getrunken, auch als Magnum), von der wir hier zwei 1tel hatten. Und in beiden Flaschen war ein Riese mit irrem Abgang. Kaffee ohne Ende und ein bei Petrus noch nie bemerkter Eukalyptus-Ton, sicher 97/100 wert, aber war das Petrus?
Überragend 1970 Petrus, so jung, so fruchtig, so eine explosive Aromatik. Das ist wieder Pomerol vom Allerfeinsten 100/100.. Dürfte in 1970 gleichwertig mit 1970 Latour sein, ebenfalls einer 100 Punkte Weinlegende. Austrinken und 20/20 steht zu 1970 Petrus in René Gabriels Buch. Ok, lieber René trink ihn aus, aber bitte mit mir. Ich bringe 1970 Latour mit.
Schon immer einer meiner Favoriten ist 1971 Petrus. Dichte Farbe, reifer als 1970, aber sensationelle Aromatik, irre am Gaumen und unendlich lang, dabei seidig elegant mit feiner Süße 100/100. Die beiden Weine, 1970 und 1971 kann man nicht miteinander vergleichen. Sie sind, wie schon die 40er, beide auf ihre Art einzigartig. Meisterwerke, an denen mich nur eins penetrant stört: stets zuwenig im Glas!
Vielleicht landet eines Tages der 1975 Petrus auch in dieser Liga. Ein ungestümer Zeitgenosse, würzig, kräuterig, bissige Tannine, kräftige, tragende Säure, dazu Minztöne, aber auch Schokolade und eine intensive Mineralik, eine hypothetische Mischung aus den besten Jahren Lafleur und Heitz Martha s Vineyard und noch längst nicht fertig 98/100.
Zum 1989 Gazin passte die Imperiale als Format perfekt. Das ist ein hervorragender Spaßwein, den man so man kann in großen Schlucken genießen sollte. Etwas schweißige, reife Merlotnase mit Leder, am Gaumen fleischig mit Schokolade ohne Ende, dabei weich und säurearm, steht in dieser Form zu Unrecht im Schatten des 90ers 94/100. Eine Woche später mit gleichem Resultat aus der 1/1 nachverkostet. Und nun kommt die schlechte Nachricht: bevor Sie jetzt alles leerkaufen, sollten Sie wissen, dass es von 89 Gazin auch deutlich schlechtere Flaschen gibt, in denen dieser Wein nur ein Schatten seiner selbst ist. Und davon hatte ich leider auch schon einige.

Nach diesem Feuerwerk konnte es nur noch abwärts gehen, dahin, wo die Probe anfing, die 80er Jahre, eine eher schwache Phase auf Petrus.
1978 Petrus roch nach frischen Zimtwaffeln, am Gaumen hatte er zuviel Säure, der hatte seine beste Zeit, falls es die jemals gab, schon lange hinter sich 85/100.
1979 Petrus war mal ein feiner, schmeichlerischer Petrus, mehrfach mit Begeisterung getrunken. Aus dieser Flasche roch er unangenehm nach Katzenklo. Am Gaumen war er deutlich schöner, entwickelte sich im Glas, aber ebenfalls auf ein deutliches Überschreiten des Zenits hindeutende Säure 89/100.
1982 Petrus ist die Lichtgestalt in den trüben 80ern. Tolle Nase, kräuterig im besten Lafleur-Sinne. Wieder Eukalyptus und Minze, schöne Länge am Gaumen, toller, aber für das derzeit Gebotene hoffnungslos überteuerter Wein, der allerdings noch viel Potential hat 96/100.
1983 Petrus galt immer als Loser und einer der schwächsten Petrus der Dekade. Aus dieser Magnum hatte er eine erstaunlich dichte Farbe, wirkte kräftig und aromatisch, ein Wein, den man in dieser Form nicht unterschätzen sollte. Da könnte sich noch was draus entwickeln 91/100.
Von 1985 Petrus war ich bisher meist enttäuscht. Aus dieser Magnum war er deutlich besser als alles, was ich bisher von diesem Wein gesehen habe. Rote Johannisbeere, sehr harmonisch und ausgewogen. Mit etwas mehr Fett hätte das ein zweiter 71er werden können. Die Stilistik ist nicht unähnlich, nur die Kraft fehlt 93/100. Wird sich noch weiter verbessern.
Der Vin de Plaisir in dieser Runde, ein 1989 Trotanoy aus der Imperiale, hatte leider Kork. Schade, das ist ein großer Wein, den ich deshalb eine Woche später bei Jörg Müller auf Sylt noch mal aus der 1tel nachverkostet habe.

Würdiger Abschluss der Probe war ein 1983 d Yquem. Nur die brilliante, altgoldene Farbe zeigte, dass der ja inzwischen auch schon über 20 Jahre auf dem Buckel hat. So ein junger, faszinierender und vibrierender Wein mit feiner Frucht, toller Süße und für einen Sauternes irrer Süße, dazu feine Bittertöne. Der 83er Yquem hat das Zeug zu einer Legende und wird mal ein sehr gesuchter 100 Punkte Wein werden, bietet aber schon heute 97/100 Genuss.

Fazit? Mit Ausnahme der Schwächephase Ende der 70er/Anfang der 80er ist Petrus ein sehr zuverlässiger, großer Wein. Siebenmal konnte ich in dieser Probe mit 1945, 1947, 1949, 1953, 1970, 1971 und 1998 guten Gewissens die 100 Punkte geben. Leider war der 1950er nicht in der Probe, denn das hätte durchaus der achte 100 Punkte Kandidat sein können. Zwei Weine, 2000 und 1975 sind ganz knapp an dieser magischen Zahl dran. Etliche weitere liegen zum Teil deutlich über 90 Punkten. Eine solch gleichmäßige, gute Performance bringt in diesem Zeitraum 1945 bis heute kein weiteres Chateau. Selbst Cheval Blanc und La Mission schaffen das nicht.
Bleibt der astronomisch hohe Preis. Muss man soviel für Wein ausgeben? Muss man nicht. Braucht man auch nicht, denn an Petrus ist sowieso kaum dranzukommen. Und natürlich zeigt eine Swatch genauso gut die Zeit an wie eine Patek Philippe. Aber so ein Petrus, der hat was. Wenn Sie den schönen Dingen des Lebens gegenüber aufgeschlossen sind, dann sollte es irgendwann mal eine Flasche Petrus sein. Vorzugsweise natürlich aus einem der besseren Jahre, auch wenn der Preis dafür natürlich noch höher ist. Die preiswertesten Petrus sind die teuersten, weil hier der Genuss in keiner Relation zum Preis steht. Die sollten Sie getrost asiatischen Etikettentrinkern überlassen.