Reife Kalifornier & Co im Dado

Und das sollte eine gute Best Bottle werden? Ein Thema war nicht vorgegeben, aber ich hatte mir ganz spezielle Weine ausgeguckt. Eine Stunde vorher war ich im Keller, obwohl der Probenort ja praktisch um die Ecke lag, aber man weiß ja nie. Und wo war jetzt bloß diese verdammte Magnum ..(den Namen lass ich weg, denn irgendwann demnächst finde ich sie, und dann ist sie in der nächsten BB fällig)? Einfach nicht zu finden. Da, wo sie laut Computer liegen musste, war sie nicht. Leider galt das auch für die andere Flasche, das war der absolute Gau. Im Schnellverfahren wurde der gesamte Keller gescannt. Irgendwo mussten die zwei Flaschen doch sein. Es war wie verhext, und langsam lief mir die eigentlich großzügig bemessene Zeit weg. Vor ein paar Jahren hatte ich das schon mal ganz extrem. Da hatte ich 4 Wochen lang nach einer 1947 Corton Charlemagne von Léon Violland gesucht. Einen Tag NACH der Probe hatte ich sie dann rein zufällig in der Hand. Horror! Noch 5 Minuten, null Chance, also Plan B, reife Kalifornier, zum Teil vor 15 Jahren bei einem der Teilnehmer in der damaligen Wine Gallery in Meerbusch erworben. Samt Reserveflaschen lagen die alle da, wo sie auch liegen sollten. Jetzt mussten sie nur noch gut sein.

Im Dado war für uns eine lange Tafel schön eingedeckt. Yves Deval-Block hatte sich für uns ein fantastisches Sechsgang Menü ausgedacht, dass schon beim Lesen der Menükarte eine ungeheure Lust machte. Die bezaubernde Restaurantchefin Janine Linaldeddu nahm mit ihrem motivierten Team unsere Flaschen entgegen, deren Inhalt wir dann im Laufe des Abends perfekt kredenzt bekamen.

Startschuss war ein 2006 Riesling Singeriedel Smaragd von Hirtzberger. Was für ein kräftiges, mineralisches Teil mit gewaltiger Statur und Länge. Nicht mehr so sexy wie in der jugendlichen Fruchtphase und derzeit eher in einer Art Übergangsstadium, aber immer noch faszinierend 94+/100. Wer noch hat, lässt die Flaschen einfach 3-5 Jahre oder auch deutlich länger liegen. Ein Langstreckenläufer ist dieser Wein, der sich mal unter die besten, je erzeugten Singerriedels einreihen wird.

Ein tiefes Goldgelb hatte die 1969 Graacher Himmelreich hochfeine Auslese vom Weingut Meyerhof, in der Nase Honignoten, Karamell und reife Zitrusfrüchte, erstaunlich lebendig am Gaumen mit immer noch präsenter Säure, kaum spürbare Süße, eher harmonisch trocken wirkend 92/100.

Und dann ging es gleich mit den ersten Roten los. Rauchig die Nase des wuchtig und alkoholisch wirkenden 1999 Pin Monferrato Rosso von La Spinetta, auch am Gaumen zu Anfang ein gewaltiger Brocken, wird mit Luft weicher und zugänglicher 90/100. Beim schon häufiger getrunkenen 1992 Ferrari Carano Reserve irritierte mich zu Anfang die Nase mit reichlich grüner Paprika. Die wurde mit der Zeit besser und zeigte immer mehr süße Kirschfrucht. Am Gaumen war der Ferrari Carano eher schlank mit guter Struktur und Säure. Sicher ein Wein, der noch 10-15 Jahre vor sich hat. Vielleicht zeigt er dann ja irgendwann auch mal, warum Parker ihm 1995 96/100 gegeben hat. In modernem, zugänglichem Stil zeigte sich der 2001 Barolo Cannubi Boschis von Sandrone, der jetzt in erster Trinkreife ist. Rauchig die Nase mit dunklen Früchten und floralen Noten, am Gaumen immer noch mächtige, zupackende Tannine 92+/100.

Der 1993 Beringer Cabernet Sauvignon Rhinehouse Selection zeigte sich sehr fein, sehr elegant mit fast filigraner Frucht, geht blind auch als gut gereifter Bordeaux durch 92/100.
Fantastisch gemacht hat sich der früher eher enttäuschende 1993 Beringer Cabernet Sauvignon Chabot Vineyard mit süßer, aber präziser Frucht, mit Minze, Eukalyptus und einer deutlichen Rosmarin-Note, auch am Gaumen sowohl Süße als auch Präzision und eine gute Struktur 95/100.

Eine schlechte Flasche leider der 1988 Barolo Gran Bussia von Aldo Conterno, oxidiert mit reichlich Maggi, untrinkbar. Deutlich mehr erwartet hätte ich schon vom 1988 Ruchottes-Chambertin von Armand Rousseau. Der wirkte gelinde gesagt harmlos, ein nettes Himbeer- und Erdbeerwässerchen, elegant und filigran zwar, aber auch am Gaumen mit leichter Bitternote im Abgang nicht auf den großen Namen und die dafür aufgerufenen Preise hinweisend 90/100.

Mit Recht beschwerte sich da der gute Manfred. Bringt er doch solch einen gewaltigen Knaller auf den Tisch, und wir reden über alles, nur nicht über den Wein. Das änderte sich aber schnell, nachdem wir erfolgreich zur Ordnung gerufen unsere Nase ins Glas dieses 1996 Chateau Latour steckten. Das war schon ein gewaltiges, immer noch blutjunges Teil, ein unglaubliches Konzentrat und Kraftpaket in allererster, hauchdünner Trinkbarkeit. Sehr komplexe, aber verhaltene Nase, am Gaumen mächtige Tannine und großartige Länge, ein Latour gemacht für die Ewigkeit 95+/100. Könnte in 15-20 Jahren mal in der 99-100 Klasse landen.

Zum jetzt trinken und hemmungslos genießen ist der 1992 Silver Oak Napa Valley einfach ein dekadent leckerer Traumwein, ein süßer Cassis-Dill-Cocktail 95/100. Anders der 1994 Artadi Grandes Anadas, der derzeit nicht richtig singt, wirkt dicht, kompakt und mächtig mit immer noch deutlichem Tanningerüst, etwas rustikal mit erdigen Noten, die Frucht versteckt sich etwas, gewaltige Länge, keine Sorge, der kommt in ein paar Jahren wieder 93+/100.

Schier erdrückt vom anderen Glas wurde der reife 1987 Shafer Hillside Select, reduktive Noten in der Nase, Karamell, leichte Altersnoten, Leder, Minze, am Gaumen eher etwas verhalten und nicht mit der Dramatik großer Hillsides 91/100. Begeistert hat mich im anderen Glas der 1987 Ridge Monte Bello, der mich an einen durchtrainierten, jungen Spitzensportler erinnerte, nur Muskeln, kein Fett, perfekte Struktur, in der Nase präzise Kirschfrucht, Minze, Eukalyptus, Ledertasche, immer noch so blutjung und kräftig wirkend mit großartiger Länge am Gaumen, die gute Säure hält ihn frisch 96/100. Sehr überrascht hat mich der 1983 ZD Cabernet Sauvignon. Den hatte ich nur einmal bisher, 1996, im Glas gehabt, als er mir nicht besonders zusagte. Danach habe ich ihn schlicht und einfach vergessen. Jetzt zeigte er eindrucksvoll nicht nur das große Potential der Kalifornier aus den 80ern, sondern auch, wie sich Weine bei perfekter, unberührter Lagerung entwickeln können. Ledrig, sehr aromatisch, gute Frucht, mineralisch, noch so kräftig mit immer noch deutlichen Tanninen, ein großer Kalifornier aus einem Guß 94/100.

Was ist bloß mit diesem 1989 Pichon Baron los? Was war das bloß in der Fruchtphase für ein großer Wein, aber derzeit läuft der durch eine sehr schwierige Phase. Sehr jung immer noch die Farbe, aber seltsame Töne von Überreife in der Nase, die mit der Zeit verschwinden und einer großen Portion Kaffee Platz machen, nur die Frucht macht sich rar, am Gaumen Dichte, Länge, aber auch wenig Freude 90+/100. Ich würde diesen Wein einfach ein paar Jahre in Ruhe lassen. Das gilt übrigens auch für viele andere, große 89er. Fürchterlich zu Anfang die Nase der 1989 Pichon Comtesse, Brett ohne Ende, als ob jemand ins Glas gesch . hätte. Dieser Ton verschwand mit der Zeit, die Nase wurde fruchtiger, süßer, offener und generöser, auch am Gaumen trotz aller Jugend und dichte mit feinem, schokoladigem Schmelz 95/100. Diese Comtesse nähert sich der Trinkreife, hat aber noch eine längere Karriere vor sich. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass der von mir eingeschmuggelte 1986 Spottswoode Cabernet Sauvignon in diesem Flight Furore machen könnte. Aber im Gegensatz zu den beiden Bordeaux zeigte er sich in Topform. Sehr präzise, süße Frucht, Minze, Leder, Kraft, Jugend und am Gaumen nicht nur eine irre Länge, sondern auch eine fantastische Frische 96/100.

In Bestform zeigte sich 1985 Leoville las Cases, ein immer noch so jung, so vital wirkender Wein mit enormer Strahlkraft, superbe Frucht, großartige Struktur und Länge, reif, aber sicher noch mit 15-20 Jahren Zukunft 96/100. Positiv überrascht hat mich auch 1988 Clinet, der sich prächtig entwickelt hat und sicher noch lange Jahre auf hohem Niveau Trinkfreude bereiten wird 92/100.

Einer geht noch? Einer ging noch, und so setzte der 1992 La Jota 11th Anniversary Release einen perfekten Schlusspunkt. Der wohl beste und langlebigste von allen Anniversary Releases zeigte sich einfach in bestechender Form mit herrlicher, nicht überladener Frucht, mit gewaltiger Struktur am Gaumen, mit Länge und Dichte, und natürlich immer noch mit Zukunft 96/100.