Shafer Hillside Select Reloaded

In einer einmaligen Probe in Basel durfte der Wineterminator alle Shafer Hillside Select Jahrgänge von 1984 bis 2006 verkosten.

Shafer Hillside Select gehört seit langer Zeit zu meinen Favoriten unter den kalifornischen Weinen. Klar habe ich sofort zugesagt, als sich die Möglichkeit der Teilnahme an dieser einmaligen Verkostung bot. Markus Jacobi, Weinsammler und Gesinnungstäter aus der Schweiz, hatte diese Probe vorbildlich organisiert. Ort des Geschehens war der historische Rollerhof in Basel. Hier durften wir im Saal unter einer alten Stuckdecke und umrahmt von großen, klassischen Gemälden an einer langen Tafel Platz nehmen.

Und da wir noch auf ein paar der üblichen Verdächtigen warteten, die bei jeder Probe zu spät kommen (Lufthansa schließt da einfach das Gate. Sollte man für Proben auch mal überlegen), gab es schon mal einen Schluck des Tischweines vorweg. Ein Mörderteil das, was hier so ganz unspektakulär als Tischwein angeboten wurde, ein 1978 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve aus der Doppelmagnum. Das war hohe Schule, ein perfekt gelungener Bordeaux aus Kalifornien, bei aller Kraft sehr fein, sehr elegant und aus der Großflasche immer noch so jung. Wunderschöne, süße, rotbeerige Frucht, Zedernhol, Minze, altes Sattelleder, druckvolle Aromatik am Gaumen und schöne Länge. Ein großer, den Gaumen animierender Klassiker, der nicht satt machte, wie viele der modernen Boliden, sondern durstig. Hier machte jeder Schluck Lust auf den nächsten, und das wird bei diesem Wein wohl auch noch lange Jahre so bleiben 96/100.

Mit einem Viererflight, blind serviert, wurden wir dann auf das Thema Kalifornien eingestimmt. Eher grenzwertig leider der 1963 Inglenook Cask F 19, helle Farbe mit deutlichen Brauntönen, in der Nase viel Liebstöckel und etwas alter Balsamico, am sehr gezehrt wirkenden Gaumen viel Säure und eine deutliche Schärfe, bereitet keinen Trinkspaß mehr 75/100. Da war der 1976 Mayacamas Cabernet Sauvignon schon von der dichten, voll intakten Farbe her ein ganz anderes Kaliber. Sehr schön die Nase mit feiner Frucht, am Gaumen richtiggehend saftig mit viel Minze, leicht exotisch, tolle Struktur, ein reifer Pauillac aus Kalifornien, wurde immer feiner und eleganter und entwickelte dabei eine schöne Süße 93/100. Gute, alte Kalifornier sind halt eine Bank, so auch der 1978 Beaulieu Cabernet Sauvignon Private Reserve George de Latour. Der war so hoch elegant, so fein, fast filigran, in der Nase frisches Backwerk, Minze, Kräuter und Schwarztee, am Gaumen ein betörender Schmeichler 94/100. Ein fast noch unfertig wirkender, gewaltiger Brocken, der 1982 Chateau Montelena, dicht undurchdringlich und völlig altersfrei die Farbe, in der Nase zu Anfang ein leichter Fehlton, alter Pappkarton, der aber mit der Zeit verschwand. Mächtig Gas gab der Montelena im Glas, wurde fülliger, minziger, süßer mit viel Kraft am Gaumen und im langen Abgang, ein großer Wein für locker noch zwei weitere Jahrzehnte 95/100.

Der erste Wein der 1972 von John Shafer geründeten Shafer Vineyards war ein Cabernet aus 1978, der, als er 1981 auf den Markt kam, für viel Furore sorgte. Der erste Hillside Select war 1983 aus dem Jahr, in dem Doug Shafer Winemaker wurde. Unsere Probe begann einen Jahrgang später mit 1984 Shafer Hillside Select, dem einzigen Jahrgang, der nicht zu 100% aus Cabernet Sauvignon bestand, sondern 7% Cabernet Franc enthielt. In der Jugend muss das, wie viele Kalifornier aus den 80ern, ein ziemlich unnahbarer, harter Brocken gewesen sein. Jetzt zeigte er sich als gut gereifter, aber keineswegs alter Wein mit erstaunlich dichter Farbe. In der Nase reife Beerenfrüchte, Karamell, Tabak und Zedernholz, am Gaumen fruchtig mit schöner Süße 91/100. Erstaunlich dicht auch die Farbe des 1985 Shafer Hillside Select, satte Frucht, Cassis, reife Brombeere, Amarenakirsche, Minze, am Gaumen süßer, fülliger, extraktreicher und ausladender als 84 93/100. Deutlich auf dem Weg ins Jenseits befand sich 1986 Shafer Hillside Select. Viel Liebstöckel on der Nase, oxidiert der Gaumen, nur die Farbe stimmte noch 80/100. Bei 1987 Shafer Hillside Select irritierte die intensive, grüne Paprikanase. Am Gaumen war dieser Hillside eine Klasse besser, weich und elegant, schokoladig mit schöner Fülle 90/100.

Weitgehend hin war der ziemlich oxidierte 1988 Shafer Hillside Select, da gab es nichts mehr schön zu reden, eine Bewertung kann ich mir ersparen. Kaum zu glauben, dass 1989 Shafer Hillside Select der gleiche Wein war, den ich vor vier Jahren auf Sylt mit begeisternden 96/100 im Glas hatte. Das hier war ein fruchtiger, netter, schön zu trinkender, etwas simpler Saufwein ohne Alter 89/100. 1998 Shafer Hillside Select war ein Charmeur mit reifer Frucht, Brombeere und etwas balsamischen Noten, am Gaumen mit guter Struktur, eher schlank und fein, für das Jahr aber gut gelungen und sicher noch mit längerer Zukunft 92/100. Voll da ist der 2000 Shafer Hillside Select, aufmachen, eingießen, genießen. Da muss auf nichts mehr gewartet werden. Ein ungemein saftiger Wein mit reifer Frucht, süßem Schmelz und leicht barocker Fülle 94/100.

Schon etwas überreif, dazu rustikal und dumpf wirkte der 1990 Shafer Hillside Select zu Anfang. Doch das gab sich mit der Zeit, baute enorm im Glas aus. Ein sehr harmonischer, stimmiger Wein mit guter Frucht und schöner Länge am Gaumen 92/100. Großes Kino dann 1991 Shafer Hillside Select. Bei aller Zugänglichkeit war das ein Wein mit toller Struktur und enormem Potential, immer noch so jung wirkend mit feiner, süßer, fruchtiger Nase, sehr kraftvoll und lang am Gaumen 96/100. Einfach eine geile Spaßnummer war 1992 Shafer Hillside Select, vielleicht nicht ganz die Struktur von 91, aber so eine prächtige Fülle, reife, süße Frucht, Minze, Eukalyptus, süßer Schmelz auch am Gaumen, einfach Hedonismus pur 96/100. Da kam 1993 Shafer Hillside Select im direkten Vergleich etwas unter die Räder. Der hatte noch süße Frucht, Minze, Eukalyptus und schöne Fülle, aber er wirkte im Vergleich zu früheren Jahren etwas belangloser, da fehlt inzwischen einfach die Spannung 92/100.

Parallelen zu 91/92 hatten wir dann im nächsten Flight bei 94/95. 1994 Shafer Hillside Select zeigte sich mit gewaltiger Struktur, ein großer Hillside mit Kraft, Länge und grandioser Zukunft, süße Frucht, Teer, Tabak, Leder, Minze, am Gaumen unglaublich druckvoll, aber auch stimmig und harmonisch 98/100. 1995 Shafer Hillside Select war im Vergleich offener, fülliger, fruchtiger, süßer und einfach sexy. Ein dekadent leckerer Wein, Hedonismus pur 99/100. Am Tisch wurde viel diskutiert, welches von beiden der bessere Wein ist. Da spielen sicherlich persönliche Vorlieben eine Rolle. Ich persönlich ziehe auf extrem hohem Niveau derzeit den 95er vor(und habe mir am Vorabend der Probe von diesem Superteil zur "Vorbereitung" eine Flasche gegönnt). Aber das kann in ein paar Jahren wieder anders aussehen. Und wir hatten in diesem Flight nicht nur zwei Weine vor uns, von denen jeder die Fahrt nach Basel wert war, sondern vier. Da war noch dieser gewaltige 1996 Shafer Hillside Select, von den vieren der ernsteste mit großartiger Statur, sehr hohem Extrakt und Minze pur. Wirkte wie ein großer Hillside mit einem dicken Schuss Heitz Martha s Vineyard 98/100. Schiere Wollust und Dekadenz dann beim sehr ausladenden, süßen 1997 Shafer Hillside Select mit Lindt s Amarenakirsche. Da drängte sich der Vergleich mit Pamela Anderson und die Frage nach dem "just too much" auf 97/100. Hatte ich lange nicht mehr so üppig im Glas. Wissen sollte man in diesem Zusammenhang, dass auch die Shafer Weine Phasen durchlaufen, in denen sie keinerlei Spaß machen. So wurde bei 94 und 95 etliche Jahre eher Bruckner gespielt mit Schwermut im Glas und ziemlich dumpfen Aromen. Gut, dass beide Weine wieder die Kurve gekriegt haben. Ich war nahe dran, sie zu verkaufen und würde mich jetzt dann wohl schwarz ärgern.

1999 entpuppt sich immer mehr als ein anfangs fälschlicherweise als klein eingeschätztes Kalifornienjahr. So ist auch der 1999 Shafer Hillside Select großartig gelungen und nach wie vor jede Suche wert. Ein immer noch recht jugendlich wirkender, sehr stimmiger Wein mit einer perfekten Mischung aus Frucht, Süße, Struktur und Säure 96/100. In perfektem Zustand präsentierte sich auch wieder 2001 Shafer Hillside Select. Der verspricht einfach alles und hält es auch. Dekadent süße Frucht, Opulenz, süßer Schmelz, aber auch ein gutes Rückrat und eine, für solch ein dickes Ding, erstaunliche Eleganz und Frische 99/100. Shafer Hillside Select stammt aus mehreren Mountain Vineyards. Der sonnigste, wärmste davon heißt Sunspot. Und genau aus dem produzierte Shafer in 2001 einen Anniversary Release mit den reifsten der reifen Trauben, quasi einen Nectar de Hillside Select. Und so wirkte der 2001 Shafer Cabernet Sauvignon Anniversary Sunspot Vineyard auch etwas wie ein 2001 mit Turbolader. Nur gingen dabei leider auch etwas die Proportionen flöten. Der Sunspot war beeindruckend, aber auch etwas zuviel des Guten und wirkte dadurch stückweit monolithisch 96/100. Der WOTN, der Wine of the Night, war für mich der überragende 2002 Shafer Hillside Select, Kalifornien, wie es besser nicht geht. Reife Frucht mit irrer Fruchtsüße, der Espresso mit dem dicken Stück Schokolade mit reingemischt, mineralisch, cremige, sehr schmelzige Textur, reife, aber massive Tannine, gewaltige Länge am Gaumen, da stimmte einfach von der Nase bis zum Abgang alles 100/100. Einen Hillside Select just in dem Moment im Glas haben zu dürfen, wo er sich so präsentiert und alles zeigt, was er drauf hat, das ist ein großartiges Erlebnis.

2003 Shafer Hillside Select erinnerte mich an die großen 2009er aus Bordeaux, Frucht satt, Süße, Opulenz, aber leider fehlt die Struktur. Damit wirkt er auf hohem Niveau etwas diffus und vulgär. Die Spannung, diese perfekte Symmetrie, die große Hillsides wirklich groß macht, die fehlte hier 95/100. Der 2004 Shafer Hillside Select wirkte im Vergleich deutlich verhaltener, tiefgründiger, aber mit mehr Substanz, da kommt mit den Jahren noch deutlich mehr 95+/100. Sowohl 2005 Shafer Hillside Select als auch 2006 Shafer Hillside Select waren recht schwierig zu verkosten. Klar waren die sehr süß, sehr fruchtig, aber eben auch mit massig Babyspeck, insbesondere der 2006er. Beides werden mal sehr gute Hillside Selects auf 96-97/100 Niveau. Aber wer sie hat und derzeit nicht verdurstet, der lässt diese Weine noch ein paar Jahre liegen.

Eindrucksvoll belegte diese Probe die gleichbleibend hohe Qualität der Shafer Hillside Select Weine. Die gehören zum Besten, was Kalifornien zu bieten hat und sind für mich auf Augenhöhe mit Harlan. Sehr eindrucksvoll fand ich, mit welcher Frische und Eleganz hier das stramme Programm an Frucht, Alkohol, Extrakt und Kraft rübergebracht wird. Natürlich muss man trotzdem diesen Stil lieben. Filigrantrinker werden natürlich schreiend davonlaufen. Wer aber solch körperreiche, fruchtige, saftige Kraftpakete liebt, der ist bei Shafer Hillside Select im Paradies. (wt 11/2010)