...und noch mehr Alte Meister

Gut, zugegeben, es waren an diesem Abend auch eine Reihe jüngerer Weine dabei. Doch den Ton gaben auch hier ganz klar die Alten Meister an.

Mit einem fast schwerelos leichten, altersfreien Gaumenschmeichler starteten wir. Die 1993 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese #12 von Fritz Haag wirkte immer noch frisch und filigran mit guter Säure, aber auch deutlicher Boytritis und Fülle. Soviel Extrakt mit nur 7% Alkohol, das ist die klassische Handschrift von Altmeister Wilhelm Haag 93/100.

Eine Best Bottle war die heutige Veranstaltung, bei der eigentlich kein Thema vorgegeben war. Und doch wirkten einige Flights wie abgesprochen. So jetzt das Aufeinandertreffen von zwei gereiften Meursaults. Immer noch recht hell in der Farbe war der 1961 Meursault von Ligeret, leicht oxidativ die Nase, am Gaumen immer noch viel Kraft und eine feine Würze. Trotz eines, insbesondere zu Anfang eher gezehrten Gesamtbildes war dieser Wein vor allem zum Essen recht schön zu trinken und baute nicht ab, sondern aus 88/100. Vielleicht litt er auch etwas unter der unfairen Konkurrenz im anderen Glas. Einfach in bestechender Form präsentierte sich dieser 1959 Meursault 1er Cru von Leroy. Alt wirkten hier nur der Jahrgang und die tiefe Farbe. Faszinierend die frische Nase mit viel Mokka und einer großen Nussmischung, sehr würzig und mineralisch, Meursault in seiner besten Form, auch am Gaumen jung wirkend, sehr kräftig mit guter Säure und endlosem Abgang. Wie eine Eins stand dieser facettenreiche, unsterbliche Riese im Glas 97/100.

Da kam dann selbst der Boytritis-geprägte 1993 Grüne Veltliner Kellerberg Smaragd von F.X. Pichler nicht mit, obwohl auch das ein gewaltiger Wein war mit pfeffriger, druckvoller Aromatik, sehr komplex mit gewaltiger Fülle und mit noch genügend Potential für etliche Jahre 94/100. Finesse pur im anderen Glas ein 1999 Chassagne-Montrachet Ruchottes von Ramonet, so fein, so jung, so elegant mit guter Säurestruktur, tänzelte förmlich auch der Zunge 92/100.

Al Zwischenspiel kam danach eine vergessene 1989 Bockenheimer Felseneck Auslese von Schäfer-Fröhlich auf den Tisch. Wie mag der in seiner Jugend geschmeckt haben, zu dick, zu süß? Jetzt war das ein spannender, völlig harmonisch wirkender Wein mit immer noch fordernder Säure und guter Frucht, eher feinherb und fast trocken mit bescheidenen 9,5% Alkohol, einfach ein sehr rund wirkender, guter Speisebegleiter 91/100.

Schon etwas gefährlich lebte der 1929 Beychevelle in einer französischen Händlerabfüllung von Henin-Busquet, deutlich weiter als vor 10 Jahren eine perfekte Chateau-Abfüllung. Sehr fein, elegant und filigran mit pikanter Frucht, wurde in der Nase immer besser und entwickelte eine feine Süße. Am Gaumen baute der Beychevelle erst ab, bäumte sich dann aber noch mal auf und wurde auch hier generöser und süßer. Faszinierend ja, aber es hatte auch etwas von einer Abschiedsvorstellung 87/100. Völlig anders im anderen Glas 1928 Beychevelle, der Jahrzehnte jünger wirkte. Der hatte noch so eine dichte, kräftige Farbe, wirkte mit seiner teerigen, tabakigen Aromatik in der Nae wie ein großer Pessac. Am Gaumen unglaublich dicht mit immer noch spürbaren Tanninen, ein unkaputtbarer, großer Beychevelle, wie es ihn heute leider nicht mehr gibt 97/100. Eigentlich ein Weindenkmal, dem man mit Punkten kaum gerecht werden kann.

Das galt auch für den nächsten Wein, einen 1937 Richebourg von Lalignant Chameroi aus diesem überragenden Burgunderjahr. Das war einer dieser Weine von der Sorte "macht sprachlos", so eine sensationelle, dichte Farbe, so eine verrückte Nase, soviel Kraft, aber auch burgundische Pracht und Fülle am Gaumen. Einfach ein riesengroßer, kompletter Burgunder aus längst vergangenen Zeiten, gut 40 Jahre jünger wirkend und mit einer gewaltigen tragenden Säurestruktur, die diesen Wein noch 50 Jahre weiter altern lässt 99/100. Wie dicht Höhen und Tiefen selbst in so einem Riesenjahr nebeneinander liegen, zeigte ein 1937 Charmes Chambertin von Grivelet aus einer Flasche mit allerdings auch miesem Füllstand. Der hatte die helle Farbe, die Süße, aber eben auch die Schärfe eines alten Port und war nur noch ein eher grenzwertiges Vergnügen 78/100. Ganz anders der 1937 Hermitage von den Caves Hermitage, also einer Winzergenossenschaft. Der wirkte noch so unglaublich jung und ging als 70er durch. Auch hier war es die perfekte Säurestruktur, die diesen Wein noch lange am Leben halten wird. Sehr geradlinig, kraftvoll, etwas monolithisch, ein idealer Pirat für jede Probe gereifterer Hermitage la Chapelles 94/100.

Eine immer noch sehr dichte, vielversprechende Farbe hatte auch ein 1949 Pommard von Jadot, aber am Gaumen spielte sich trotz eines recht kraftvollen Auftritts nicht mehr viel ab. Dieser Pommard war schlichtweg zu alt 82/100. Um so überragender im anderen Glas ein 1949 Clos de la Roche von Armand Rousseau. Das war wieder großer, reifer Burgunder in Perfektion, so süß, so rund, so lang, mit so viel Schmelz und dabei so unglaublich fein und elegant. Kein Hammerwein, kein Blockbuster, nein, hier waren die berühmten Engel, die bei Haag auf die Zunge pinkeln, bei Rotwein tätig 98/100.

Szenenwechsel, jetzt waren jüngere Bordeaux angesagt. Sehr überzeugend kam ein 1993 Margaux ins Glas, so fein, finessig mit präziser Frucht, Eleganz pur, nur im Abgang fehlte es etwas, doch waren da zu Anfang locker 92/100 im Glas. Habe ich den Jahrgang 93 doch etwas voreilig abgeschrieben? Leider nein, denn der Margaux baute im Glas ziemlich rasch ab und fiel dann deutlich unter die 90 Punkte. Wenn Sie den noch im Keller heben, sollten Sie ihn bald trinken und nicht dekantieren. Noch so ein Problemfall 1990 Troplong Mondot. Der war nicht alt und hatte immer noch eine junge, sehr dichte Farbe. Aber er wirkte wie alle Flaschen, die ich in den letzten Jahren davon hatte, sehr schwierig. Deutlich spürbar das heiße Jahr, die Überreife des Lesegutes. Das war leider eher Amarone als Bordeaux mit sehr ungewisser Zukunft 91/100.

Was haben Winzer früher anders oder besser gemacht? Lag es vielleicht daran, dass sie nicht für die Jungwein-Bewertungen der Weinpäbste ihre Weine auf möglichst frühe Zugänglichkeit trimmen mussten? Wie konnte sonst damals so ein irrsinnig guter 1949 Canon-a-Gaffelière entstehen, mit einer derart dichten Farbe, mit so einer hocharomatischen Nase, mit viel Kaffee und Espressobohnen, so kraftvoll und dicht am Gaumen mit sehr langem Abgang 96/100.

Und schon hatten wir mit 1989 Clinet das nächste Sorgenkind im Glas. Gut, das war jetzt Jammern auf verdammt hohem Niveau. Aber was war das mal für ein prächtiger Wein gewesen, den ich mehrfach mit überzeugenden 100/100 im Glas hatte. Aber der Lack ist wohl ab, der wunderbare Schmelz, diese burgundische Opulenz gehören der Vergangenheit an. Dabei wirkt der Clinet nicht alt, sondern immer noch sehr kräftig. Aber da ist derzeit eher linkes als rechtes Ufer im Glas, mehr Medoc als Pomerol 94/100. Bleibt nur die vage Hoffnung auf ein zweites Leben dieses Weines in fernerer Zukunft.

Immer noch sehr unnahbar ein 1996 Echezeaux von Jayer-Gilles. Sehr kräftig, dicht mit massiver Säure und viel Tannin. Den kann man nur noch länger weglegen und auf ein Wunder hoffen 88+(?)/100.

Sehr süß ein 2001 Doisy Vedrines aus Barsac, helle Farbe, gute Säure und kräuterige Aromatik, aber auch etwas klebrig am Gaumen 91/100.

Und dann waren wir zum Abschluss unserer Verkostung zurück in vergangenen Zeiten. Schon recht reif war die 1959 Oberemmeler Karlsberg feinste Spätauslese von Kesselstatt, wirkte aber sehr harmonisch und füllig 91/100. Sehr jung dagegen immer noch im anderen Glas die 1959 Wehlener Sonnenuhr feinste Auslese von SA Prüm. So ein filigraner, finessiger Wein mit dezenter Süße, reifer Mosel vom Allerfeinsten und Faszination pur, sicher auf dem Niveau des gleichen Weines von JJ Prüm 96/100. Eigentlich waren wir damit wider in der Abteilung Leichtigkeit des Seins, doch kam dann noch eine 1976 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese von Fritz Haag ins Glas. Der hatte überhaupt nichts von einem Haag, wirkte eher ölig mit güldener Farbe, viel Honig, am Gaumen dick mit wenig Säure, ein 76er, der schon bessere Zeiten gesehen hat 89/100. (wt09/09)