Das Kierdorf Festival

Ein rastloser, umtriebiger Mensch ist er, dieser Thomas Kierdorf. Und so, wie man von Genschman sagte, dass er sich in seiner Zeit als Außenminister mindestens zweimal mit dem Flugzeug selbst entgegenkommen ist, so hat sich Thomas Kierdorf sicher schon auf dem ein oder anderen Weingut selbst getroffen bei den rastlosen Kurztrips, mit denen er stets zum Anfang der Woche die Weinwelt bereist. Nur solche Menschen sind es aber auch, die Ungewöhnliches, Großes auf die Beine stellen können.

Ein Highlight des neuen, beginnenden Weinjahres ist stets das Weinevent im Schloss Hugenpoet, in diesem Jahr bereits in der siebten Auflage. 38 Güter, in der Regel vertreten durch den Winzer selbst, stellten in diesem Jahr einem fachkundigen Publikum ihre aktuellen Weine vor. Es ist schon beeindruckend wenn man sieht, wie dort zum Beispiel ein Egon Müller sechs Stunden lang persönlich geduldig die Gläser füllt und dabei die Fragen der weinverständigen Besucher beantwortet. Für die Winzer selbst ist es auch so eine Art von Familienfest, bei dem gegenseitig probiert und Kontakt gehalten wird. So gab es praktisch keinen Stand, wo mir nicht auch Dirk Niepoort begegnet ist, der sich natürlich auch quer durch das umfangreiche Angebot probierte.

Ein großes Kompliment nicht nur den Kierdorfs, sondern auch dem Schloß Hugenpoet für die mustergültige Organisation. Von der Garderobe über das jederzeit reichlich vorhandene Eis für perfekt temperierte Weine bis hin zum Speisenangebot stimmte einfach alles. Wer hier ankam, bekam für seinen Obulus von € 49,50 einen umfassenden Katalog in die Hand gedrückt und ein kleines Gutscheinheft für fünf schmackhafte Gerichte aus der Schlossküche. € 20 Pfand brachten dann noch das neue Universalglas aus der vieldiskutierten Denk" Art Serie, designed nach den Vorstellungen des berühmten österreichischen Weinpfarrers Hans Denk. Ein besseres Verkostungsglas habe ich bei einer solchen Veranstaltung noch nie in der Hand gehabt. Geschickt waren die einzelnen Stationen so über das gesamte Haus verteilt, dass praktisch kein Gedränge aufkam. Das einmalige Ambiente von Schloss Hupenpoet trug sicher einiges zur guten Stimmung dieser Veranstaltung bei.

Bestimmt gab es Leute, die sich durch das gesamte Programm von fast 280 Weinen probiert haben. Das habe ich mir erspart. Denn zwei Dinge wollte ich nicht tun. Zum einen wollte ich nach Möglichkeit nicht spucken. Schließlich war das hier ja keine Verkostung von 500 Sauvignon Blancs unter Fünf Euro, sondern ein außergewöhnliches Angebot sehr hochwertiger Kreszenzen. Die wollte ich sehr selektiv genießen und natürlich trinken. Und außerdem wollte ich die Weine nicht einzeln detailliert bewerten. Mit der kleinen Degu-Pfütze halte ich das für ziemlich unsinnig. Ich weiß, dass das Journalisten-Alltag ist(und was ich von den Ergebnissen zu halten habe) und ich weiß auch, dass viele Blogger mit solchen Degus ihre Seiten füllen. Ich habe nur ein paar Eindrücke gesammelt, mich auf die interessanten Gespräche mit den Winzern konzentriert, die schöne Atmosphäre genossen und wahrscheinlich im Anschluss an die Probe wieder zuviel Wein bestellt.

Hier also unsortiert, ohne Punkte und ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit ein paar meiner Eindrücke. Erstaunlich schön und gut gelungen fand ich bei Egon Müller die beiden Kabinett-Weine aus 2007 vom Scharzhofberg, aber € 29,90 für einen Kabinett sind ja auch schon ein Wort. Trotzdem kommt wohl einer davon(die #3) ebenso in meinen Keller wie die beeindruckende 2007 Wiltinger Braune Kupp Spätlese. Natürlich war ich bei Oliver Haag, der die großen Schuhe seines Vaters perfekt ausfüllt und eine schöne Kollektion aus der Brauneberger Juffer präsentierte. Bei Heymann-Löwenstein kamen nicht nur einige der 2007er in mein Glas, sondern auch eine prachtvolle, sehr kräuterige 2000er Schieferterrassen TBA und das noch sehr junge, gut gelungene Gegenstück als 2007er Uhlen L Beerenauslese. Aus der großen Palette von Markus Molitor fand ich den 2007 Alte Reben Saar Riesling sehr spannend, ein hochwertiger, rassiger, mineralischer Sommerwein, bei dem die bescheidenen 11,5% Alkohol ebenso sympathisch waren wie der Preis von 14,50. Werde ich wohl in diesem und im nächsten Jahr einige Sonnenuntergänge mit begleiten. Sehr gut gefielen mir bei Schäfer-Fröhlich die beiden 1. Gewächse vom Felsenberg und vom Felseneck, wobei der letztere der deutlich straffere ist und länger brauchen wird. Nicht viel anfangen konnte ich im jetzigen Stadium mit dem 2007 Idig von Christmann, der zwar kraftvoll, aber etwas eindimensional wirkte. Angesichts meiner eigenen Bestände hoffe ich sehr, dass sich das noch gibt. Bei Rebholz gefiel mir der 2007 Kastanienbusch ausnehmend gut. Den Sonnenschein habe ich schon, der Kastanienbusch wird jetzt daneben gelegt. Bei Knipser habe die erstaunliche weiche, reife 2005 Cuvée X probiert, einen echten Crowd Pleaser. Sehr schön der 2006 Maulwurf bei Triebaumer und natürlich der gewaltige 2006 Blaufränkisch Ried Marienthal, der mit seinem Langstreckenpotential in 10 Jahren an den legenären 85er ET herankommen sollte. Aus ist leider der wunderbare, cremige 2006 Tatschler Chardonnay von Kollwentz, aber ich weiß ja, wo er auf Sylt noch auf der Karte steht. Aus der 2007er Palette von Knoll, von Emmerich Knoll höchst persönlich präsentiert, gefiel mir der sehr feine, elegante Ried Loibenberg Riesling Smaragd mit seiner glasklaren Frucht und der tollen Säure deutlich besser als die Grünen Veltliner, mit denen ich nicht soviel anfangen konnte. Nebenan der Genussmensch Kurt Angerer. Hätte Rubens einen Winzer gemahlt, so sähe er aus. Der hatte nicht nur seine gelungene 2007er Eichenstaude mit, nicht ohne Grund so etwas wie der Hauswein der Braui in Hochdorf, sondern auch einen 2006er Grünen Veltliner Unfiltriert. Ein gewaltiges, wildes, konzentriertes, sehr würziges Zeugs mit gut 15% Alkohol, bei dem man aufpassen sollte, dass man beim Trinken keinen Knoten in die Zunge bekommt. Am meisten beeindruckt hat mich aber sein 2007 Zweigelt Granit, ein echter "Wow!"-Wein, dicht, kräftig, mit toller Frucht und gewaltigem Potential. Kommt garantiert in meinen Keller und wird ab sofort als Pirat in diverse Verkostungen eingebaut. Sehr spannend waren bei Schloss Gobelsburg nicht nur die Weine, sondern auch die Gespräche mit dem sympathischen Michael Moosbrugger, der es an Tiefgründigkeit mit seinen Weinen voll aufnehmen kann. Noch sehr jung, aber gut gelungen der 2007 Lamm, jetzt auf dem Punkt und faszinierend der 2000er Lamm. Den hatte ich 2002 mal im Kleinwalsertal im Alpenhof Jäger im Glas. Damals war er mir dieser konzentrierte Wein zu ungelenk, eben einfach zu jung. Dieses Wiedersehen hier zeigte mir deutlich, wie wichtig es ist, von großen Weinen einfach ein paar Jahre weg zu bleiben. Sicher werde ich ähnliches beim Grünen Veltliner 2006 Tradition tun, den ich auch kaufen werde. Aber dieses hochspannende Teil kommt in die hinterste Ecke meines Kellers. Letzte Station meiner kleinen Rundreise durch die Weinwelt war der Stand von Dirk van der Niepoort. Dessen Weine sind so unverwechselbar wie er selber, rustikal, kernig, ehrlich und charakterstark. Völlig anders als das, womit Portugal derzeit Furore macht. Meinen derzeitigen Portugal-Favoriten, den Pintas von Wine&Soul, mag er persönlich überhaupt nicht. Dabei macht er am unteren Ende seiner Palette mit dem wirklich fabelhaften Fabelhaft einen sehr bezahlbaren, unkomplizierten aber beileibe nicht simplen Wein, den ich bedingungslos empfehlen kann. Gab es übrigens im Engadin auf jeder Schihütte. Sehr gut gefallen haben mir auch der 2005 Vertente, eine Art Fabelhaft mit Turbolader, und der 2006 Voyeur. Niepoort pur schließlich war der 2004 Robustos, der sicher als Langzeitprojekt in meinen Keller kommt. Wirkt wie ein klassischer Piemonteser Wein mit rustikalen, staubigen Tanninen, derzeit zugenagelt, aber trotzdem ein faszinierender Charakterstoff, der im richtigen Moment 2025? den Himmel auf Erden bedeuten könnte.

Rund war diese Veranstaltung und einfach Klasse. Als mein Freund Bernd und ich am frühen Nachmittag mit dem Taxi die Heimreise antraten, war innerlich der nächste Termin im Januar 2010 schon fest gebucht.