Die Weine von Gérard Depardieu

Wein ist in, und wer sich erfolgreich in diesem Markt tummelt, den erwartet ein hohes Sozialprestige. So gibt es nicht nur immer mehr Winzer, die prominent werden. Immer mehr Prominente fühlen sich auch dazu berufen, Winzer zu werden. Einer davon ist der französische Schauspieler Gérard Depardieu. Der erwarb schon 1989 sein erstes Weingut, Chateau Tigné an der Loire. Doch richtig los ging es dann 2001. Da gründete er zusammen mit Bernard Magrez, dem Inhaber von Chateau Pape Clement, die Firma La Clé du Terroir. 9 verschiedene Gewächse sind es derzeit, die in Europa, Marokko und Argentinien angebaut werden und als Cuvée d Exception Gérard Depardieu auf den Markt kommen. Da prangt dann vorne drauf ein Label und hinten drauf nicht minder klein das Konterfei des Schauspielers. Markenbildung nennt man so etwas. Und dann ist da noch als Dritter der umtriebige "flying Winemaker" Michel Rolland mit ihm Boot. Wie praktisch, wenn man sich vorher schon darauf verlassen kann, wie ein Wein aus einem neuen Weingut schmecken wird.
Ich kannte bisher zwar Gérard Depardieu aus diversen Filmen, nicht nur als Obelix. Seine Weine waren mir aber noch nicht untergekommen. Dieses Manko behob eine Präsentation im Düsseldorfer Innside Hotel. Zu einem formidablen Menü von Dado Küchenchef Yves Deval-Block gab es eine ganze Reihe der Depardieu Weine. Dazu war extra aus Frankreich Pascal Fricard angereist, der als eine Art Botschafter weltweit in Verkostungen den Ruhm seines Arbeitgebers Bernard Magrez mehrt. Letzterer, der immerhin ja Pape Clement wieder zu alter Größe geführt hat, besitzt inzwischen weltweit über 35 Weingüter. Tendenz wohl weiter steigend.
Überraschung gleich beim ersten Glas. 2004 Ma Verité heißt das Produkt, stammt aus Haut Medoc und ist ein Rosé. Da fühlte ich mich das erste Mal leicht auf den Arm genommen. Gut, das war ein sauberer, fruchtiger, netter Rosé, aber irgendwo auch belanglos und nichtssagend. Die Art von Wein, die man in südlichen Gestaden an einem lauen Sommerabend zu einem prächtigen Sonnenuntergang mit noch prächtigerer Begleitung trinkt, am Ende des Urlaubs sich mit der Brause den Kofferraum vollknallt und dann zuhause feststellt, dass man leider nur den Wein mitgenommen hat, nicht aber die Atmosphäre. Oder sollte man vielleicht die Flasche umdrehen und beim Trinken Gerard Depardieu anschauen? € 35,- soll dieses Zeugs auf maximal 82/100 Niveau kosten. Ohne berühmtes Konterfei gibt es ähnliche Weine in jedem gut geführten Weindepot, allerdings steht dann das Komma beim Preis eine Stelle weiter links.
Weiter ging es mit 2000 Chateau de Tigné Cuvée les Landes, einem Rotwein von Depardieus Loire Weingut. In der Nase ein großes Rosenbeet, fruchtig, etwas dropsig mit bonbonhafter Süße, Rote Grütze, gute Säure, aber wenig Struktur, ein gut gemachter Landwein 85/100. Mit € 15.- ein richtiges Sonderangebot, aber nur im Vergleich zu den anderen Weinen. Vielleicht, weil hinten das Heiligenbildchen von Gerard Depardieu nicht draufklebt? Stolze € 45,50 sollte dagegen 2002 Ma Référence bringen, ein Vin de Pay d Oc aus dem Languedoc. Sehr schön die Nase mit knackiger Sauerkirsche und Brombeere, man spürt auch die Kraft der Sonne dieses mediterran angehauchten Weines. Im Abgang wirkte er weniger schön und war deutlich metallisch 86/100.
Aus Marokko stammt 2002 Lumière de l Atlas. Erdige, teerige, schokoladige Nase mit wenig Frucht, am Gaumen dann völlig anders, weich marmeladig, auch wieder Schokolade, nur jetzt eher Kinderüberraschung als Valrhona. Und dazu etwas Kamel, animalische Töne eben. Immer noch deutliche, aber reife Tannine, gewinnt im Glas und wird karamellig mit malziger Süße wie ein älterer Rioja. Kann vor Kraft und vor allem Alkohol (spürbare 15,5%) kaum laufen und wirkt dadurch etwas korpulent und ungelenk - 85/100. Mit € 35.- auch nicht gerade ein Schnäppchen. Marokko war mir bisher nicht als Land für hochpreisige Weine aufgefallen.
Aus Côte de Blaye dann 2002 Confiance. Erdige, tabakige Nase mit etwas Schokolade und Kirsche, ein fülliger, sehr gut gemachter Wein mit guter Länge am Gaumen 88/100. Nur auf den Preis darf man auch hier nicht gucken. € 35.- für einen Côte de Blaye aus 2002 sind nicht gerade zurückhaltend. Wenn ich da an den halb so teuren und doppelt so guten Nectar des Bertrands aus diesem Gebiet denke! Für schlappe € 55.- wurde dann noch ein 2003 Le Bien Décidé eingeschenkt, ein Coteaux Languedoc. Ein durchaus gelungener Wein mit rauchiger, fruchtiger, würziger Nase, Leder, am Gaumen sehr lebendig mit hoher Säure, feiner Fruchtsüße und gutem Tanningerüst 87/100.
Der mit beste Wein der Verkostung war ein 2003 Toro Spiritus Sancti, ein reinsortiger Tempranillo-Wein von alten Reben aus Toro in Spanien. Viel Holz, würzige Frucht, Vanille, Karamell, wenig Säure, offen, macht spontan an, Fruchtsüße. Sicher nicht für lange Lagerung gedacht 90/100. Erinnert mich in der Stilistik etwas an Numanthia, dem er aber das Wasser auch nicht entfernt reichen kann. Dafür kostet er aber mehr als das Doppelte und hat dem Numanthia etwas ganz Entscheidendes voraus: das Heiligenbildchen auf der Rückseite natürlich!
Zum hervorragenden Dessert gab es noch einen 2002 Passito von Carole Bouquet. Die ebenfalls recht bekannte, französische Schauspielerin mit dem wunderbaren, vinophilen Nachnamen war von 2003 bis vor ganz kurzem mit Gerard Depardieu verheiratet. Sie produziert diesen likörartigen Dessertwein auf der Insel Pantelleria südlich von Sizilien. Wirkt in der Nase wie ein feiner, reintöniger Aprikosenlikör mit erstaunlicher Frische, am Gaumen dann aber deutlich gespritet, aber trotzdem weich, geschmeidig mit konzentriertem, süßen Extrakt 90/100. Zum hervorragenden Dessert passte er sehr gut. € 55.- standen für diesen Wein auf der Preisliste.
Preisliste? Ja, Preisliste. Das Innside-Hotel hatte zwar zu dieser Präsentation eingeladen und es saßen gut zur Hälfte Pressevertreter am Tisch. Als einzige schriftliche Unterlage zu dieser Verkostung fand jeder von uns vor sich aber lediglich ein Bestellformular einer örtlichen Weinhandlung, deren Vertreter natürlich anwesend war, die Präsentation voll im Griff hatte und nachdrücklichst auf die Bezugsmöglichkeiten hinwies. Ich kam mir vor wie einer Senioren-Kaffeefahrt. Nur dass es hier keine überteuerten Heizdecken gab. Zumindest waren sie nicht auf dem Bestellformular, aber vielleicht hätte ich fragen sollen.

Zurück zu den Weinen. Große Enttäuschung nicht nur bei mir, sondern auch in der Runde. Da hatten wir alle wohl deutlich mehr erwartet und bei diesen Preisen auch erwarten dürfen. Ein großer Name, eine aufwändige Vermarktung und die künstliche Verknappung des Weines reichen nicht. Auch wenn das Methoden sind, die sich rasend schnell in der Weinwelt verbreiten. Aber letztendlich zählt doch immer noch, was ins Glas kommt. Ob einem Gérard Depardieu klar ist, dass sein Konterfei auf einem Wein fast so wirkt wie ein "Vorsicht: Abzocke"-Siegel eines Verbraucherschutzvereins? Dafür sollte er sich zu schade sein. Ich finde, es reicht, wenn Prominente Bücher schreiben(lassen).