Dinner mit Bill Harlan

In kleiner, feiner Runde waren wir an einem traumhaft schönen Juliabend bei den Ungers in Aschau versammelt, um mit Bill Harlan seine jüngsten Weine zu verkosten und über Bond, sein neuestes Projekt, zu sprechen.

Zur Einstimmung gab es zwei wunderschöne Champagner.
1983 Dom Perignon kräftiges Gelb mit leichtem Grünstich, sehr gutes Mousseux, Brioche, Orangenschale, angenehmer Bitterton, bleibt lange am Gaumen, großer Champagner, jetzt auf dem Höhepunkt 94/100
1973 Dom Perignon würden Sie eine Mischung aus Champignons und Chicorée trinken? Sicher nicht. Aber das zeigt gleichzeitig die Problematik der Weinbeschreibung. Einen überhaupt nicht unangenehmen deutlichen Champignon-Touch hatte der 73er Dom Perignon und dazu die kräftige Bitternote von Chicorée. Reif mit immer noch schönem Mousseux, kein großer Champagner, aber ein echter Genuß für Liebhaber älterer Champagner 91/100

"Warum sind Harlan-Weine eigentlich so teuer ging es gleich los mit einer spontanen Frage, die sich sicher viele Weinfans stellen. Bill Harlan schien nur auf diese Stichwort gewartet zu haben. Harlan Estates, sein Weingut, war keine Spontanentscheidung, kein Schnellschuss. Harlan ist ein Perfektionist mit viel Weitsicht, der nichts dem Zufall überlässt. 1990 war der erste, kommerziell erhältliche Harlan Jahrgang. Vorher wurden mit 87, 88 und 89 drei Versuchs-jahrgänge produziert, die nicht in den Handel gelangten. Insgesamt 12 Jahre dauerte es von der Gründung der Harlan Estates bis zum 90er Harlan.

Bill Harlan, der auch zu den Gründern von Merryvale gehörte, hatte lange Jahre nach dem richtigen Terroir für sein Weingut gesucht. Fündig wurde er in Oakville, wo er in bester Hanglage oberhalb von Heitz 240 acres erwarb. Davon stehen heute 40 acres unter Reben, aufgeteilt auf 60 Parzellen. Jede dieser Parzellen wird komplett individuell behandelt, geerntet und ausgebaut. Erst wenn der Wein fertig ist, wird in umfassenden Blending Sessions über die Zusammensetzung des Harlan Estate Wine entschieden. Dabei steht wiederum rigoroses Qualitätsstreben im Vordergrund. Während Harlan z.B. in großen Kalifornien-Jahren wie 1994 oder 1997 2200 bzw. 2400 Kisten Wein produzierte, waren es 1998 nur 800 Kisten. Der Verzicht auf 2/3 der möglichen Frucht laut Bill Harlan eine 2 Mio. Dollar Entscheidung ermöglichte aber selbst im schwierigen Jahr 1998 die Produktion eines Ausnahmeweins.

Das teure Hobby Harlan Estates kann sich Bill Harlan aufgrund seiner erfolgreichen Vergangenheit im Immobiliengeschäft leisten. Doch auch hier wieder Weitsicht, konsequente Planung und Investitionen in die Zukunft. Die nächste Generation wird mit Harlan sicher gutes Geld verdienen können. Doch nur dann, wenn heute der Bogen nicht überspannt wird. Harlan weiß zu gut, dass die Modewelle der kalifornischen Kultweine mit den astronomischen, auf Auktionen bezahlten Preisen sehr schnell abebben kann. Deshalb nimmt er von den 5000 Kunden seiner Mailinglist und den wenigen, ausgewählten Händlern und Restaurants einen angemessenen, aber nicht überzogenen Preis. Bekommen könnte er derzeit sicherlich deutlich mehr.

Harlan Importeur Michael Unger mit Bill Harlan

Harlan Importeur Michael Unger mit Bill Harlan

Wir verkosteten an diesem Abend die Harlan-Jahrgänge 2000 und 2001. Natürlich hat es der 2000er Harlan aus diesem unterirdischen Kalifornien-Jahrgang im Vergleich zu anderen Harlans schwer. Trotzdem ist Winemaker Bob Levy, der mit Bill Harlan schon bei Merryvale zusammengearbeitet hatte, ein ansprechender Wein gelungen. Klare, präzise Frucht mit Pflaume, aber auch Schokolade und etwas Kaffee, später entwickelten sich Lakritztöne, darunter reife Säure und spürbare, aber ebenfalls reife Tannine. Ein eher eleganter, schöner Wein, um den Harlan-Sammler nicht drum herum kommen. Ohne das Etikett, das sei ganz offen gesagt, ist er aber hoffnungslos überteuert, denn das Wunder von 98 konnte Harlan in 2000 nicht wiederholen 93/100.
Da ist der Harlan 2001 schon in einer ganz anderen Liga. Ein ganz großer Wein aus einem ganz großen Jahr und doch völlig anders als die Hammerteile aus 1994 und insbesondere 1997. Ein völlig anderer Harlan-Stil, eleganter, schlanker, mineralischer, länger am Gaumen. Geht eher in Richtung eines großen Bordeaux. Noch viel zu jung, um alles zu zeigen, was er kann. Den würde ich erst einmal 5 oder besser noch 10 Jahre weglegen, dann hat er das Potential für einen 99-100/100 Wein. Winemaker Bob Levy selbst zieht den 97er vor, Bill Harlan den 2001er. Auch an unserem Tisch herrschte dazu eine kontroverse Meinung. Ich hoffe nur, dass sich daraus eine lebhafte Diskussion auf Basis häufiger Vergleichsproben entwickelt, und ich möglichst oft dabei sein darf.

Bill Harlans neuestes Projekt heißt Bond. In Kalifornien arbeiten viele Wineries mit zugekauften Reben, denn es gibt zahlreiche hochklassige Rebflächen im Besitz unabhängiger Winegrower, die selbst keinen eigenen Wein machen. Aus ihren Merryvale-Zeiten, wo viel mit zugekauften Trauben gearbeitet wurde Harlan selbst verwendet nur eigenes Lesegut kannten Bill Harlan und Bob Levy noch zahlreiche, hochklassige Rebflächen, die sich für das neue Projekt anboten. Mit den Besitzern einer solchen Rebfläche oder eines Weinberges wird ein sehr langfristiger(10 Jahre Kündigungszeit) Vertrag gemacht, in dem von der Pflege der Reben bis zur Vermarktung und Bezahlung minutiös alles geregelt ist. Der Wein wird dann separat ausgebaut und erhält innerhalb des Bond-Projektes einen eigenen Namen. Zwar ist Harlan Winemaker Bob Levy auch für die Weine des Bond-Projektes als Winemaker verantwortlich, doch erfolgt die Weinbereitung völlig unabhängig von Harlan in der bisherigen Harlan-Winery, für Harlan selbst hat Bill Harlan eine neue bauen lassen.

Die beiden ersten Bond Weine heißen Melbury und Vecina. Melbury stammt von einer 7 acre grossen Rebfläche oberhalb von Lake Henessy auf der gegenüberliegenden Seite des Napa Valley, nicht weit von Bryant Family entfernt. Die zu Vecina gehörende Fläche liegt in direkter Nachbarschaft zu Harlan in Oakville. Mit dem 2001er Jahrgang kommt dazu noch St. Eden, ein Weinberg in Oakville auf der östlichen Talseite in der Nähe des Silverado-Trails. Auch St. Eden produziert sehr hochwertiges Traubenmaterial, das früher unter anderem von Tony Soter benutzt wurde. In den nächsten Jahren sollen schrittweise weitere Bond-Weine dazukommen, Insgesamt ist das Projekt laut Bill Harlan auf 10 Weine angelehnt.

Faszinierend an Bond ist vor allem der auch in Kalifornien immer mehr Anhänger gewinnende Terroir-Gedanke. Jeder dieser Weine kommt ausschließlich aus einem ganz bestimmten Weinberg und wird dessen spezielle Charakteristik tragen. Für das Napa Valley, in dem das Verschneiden von Weinen der unterschiedlichsten Herkunft völlig normal und an der Tagesordnung ist, ein geradezu revolutionärer Schritt.

Wir hatten die einmalige Gelegenheit, alle bisherigen Bond-Weine zu probieren. Zur Ehrenrettung der schwierig zu verkostenden 99er sei dabei gesagt, dass sie erst am Tag der Probe kräftig durchgeschüttelt mit Bill Harlans Gepäck eintrafen.
1999 Melbury kam erst sehr säurelastig ins Glas mit bissigen Tanninen, wurde dann aber mit der Zeit im Glas deutlich besser und gefälliger. Entwickelte eine feine Süße
1999 Vecina leider korkig, wäre in 99 sonst der mit Abstand schönere Wein mit viel reifer Frucht gewesen

Gut gelungen trotz des schwierigen Jahres sind die 2000er.
2000 Melbury ein weicher, schmeichlerischer, molliger Wein mit feiner, eleganter plaumiger Frucht, eine Art Palmer aus Napa, kann man so solo auf der Terrasse trinken und dabei über den Sonnenuntergang philosophieren 92/100
2000 Vecina ein muskulöser, kräftiger, sehr mineralischer Wein, auf den der amerikanische Begriff "austere" perfekt zutrifft, mehr Knochen und Muskeln als Fleisch, da gehört unbedingt Essen dazu, der 99er ist hier sicher der bessere Wein 90/100
Am Tisch gab es eine klare Vecina und eine Melbury-Fraktion, nicht unbedingt, was die Qualität angeht, sondern von der Geschmacksrichtung her, und das ist gut so. Mit dem Terroir-Gedanken und dem Versuch, sehr individuelle Weine zu machen, finden sich natürlich auch schnell ganz individuelle Vorlieben für bestimmte Weine. Da darf man dann natürlich bei Parker & Co nicht nur auf die Note gucken, sondern muss unbedingt das Kleingedruckte lesen. Am besten ist jedoch obwohl bei so limitierten Weinen ziemlich schwierig die eigene Nase ins Glas. Erst selbst testen, dann kaufen. Reports Dritter, egal wie begnadet diese Herrschaften auch immer sein mögen, können Ihnen Anhaltspunkte geben, was es zu testen lohnt, mehr aber auch nicht. Auch 100 Punkte von wem auch immer nützen Ihnen gar nichts, wenn Ihnen eine bestimmte Stilrichtung nicht behagt.

Die Vecina und Melbury Fraktionen blieben auch 2001 bei ihren Favoriten, aber auf was für einem Niveau! Falls Sie in den letzten Jahren von kalifornischen Weinen Abschied genommen haben, mit dem Jahrgang 2001 müssen sie da wieder ran, saftige Traumweine, für die es lohnt, das Bankkonto zu plündern.
2001 Melbury was für eine geile, reife Frucht. Die Fruchtsüße ist schon in der tollen Nase spürbar und setzt sich am Gaumen fort. Dazu massig Röstaromen und Kaffee. Sehr reife, weiche Tannine. Komplette Harmonie aller Komponenten. Riesenstoff, der am Gaumen gar nicht mehr aufhört. Ein 100%tiger Cabernet, der als großer Pomerol durchgeht. Das geht wohl nur mit kalifornischer Sonne. Wird sicher 10-20 Jahre lang Spaß machen, aber warum warten? Ganz konservative 97/100.
2001 Vecina da ist jetzt endlich auch reichlich Fleisch zwischen den Knochen, toller Stoff mit großer Länge am Gaumen. Dazu wieder diese intensive Mineralität am Gaumen. Erinnert mich an Weine, die auf ehemaligem Meeresboden wachsen 95/100
2001 St. Eden großer, sehr konzentrierter Wein, der aber noch ganz am Anfang steht. Dürfte der mit Abstand langlebigste der 2001er Bonds werden. Wirkte wie ein noch sehr junger, verschlossener La Mission mit Teer- und Lakritz, weglegen, wenn sie in kriegen, und 10 Jahre vergessen. Könnte sich dann gut zu einem 95+/100 Wein entwickeln. Nur darf man so was halt nicht in einem Flight mit der Hedonisten-Oper Melbury trinken.

Bill Harlan kann man zu seinem Bond-Projekt nur gratulieren. Sehr schöne, ganz individuelle Weine, die überhaupt nichts mit dem zu tun haben, was man mal den dicken, üppigen kalifornischen Einheitsbrei nannte. In Blindproben werden diese Weine sicher häufig nach Bordeaux gesteckt werden.

Mindestens ebenso beeindruckt wie seine Weine hat mich übrigens Bill Harlan selbst. Ein sehr sympathischer, bescheiden auftretender Individualist, der genau weiß, was er will und mit sachlicher Argumentation und Menschlichkeit überzeugt. Bill Harlan passt wie seine Weine in kein amerikanisches Klischee und ist ein höchst interessantes Individuum Chapeau!