Kalifornische Edelteile

Viele kalifornische Superstars kennt man nur vom Hörensagen. Zu gering ist die erzeugte Menge, zu groß die Nachfrage alleine in den USA. Dort hat man nur über die berühmten Mailinglists eine Chance, an ein paar Flaschen zu kommen, oder, dann hoffnungslos überteuert, auf Auktionen. In Deutschland hat sich Ungerweine auf kalifornische Top-Weingüter spezialisiert. Die Ungers sind zwar auch nicht mit großen Mengen gesegnet, aber mit gutem Zureden lässt sich dort doch immer mal wieder die ein oder andere Flasche loseisen. Das haben wir erfolgreich getan und die ergatterten Flaschen in einer kleinen Probe ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt.

Im ersten Flight standen sich zwei 2001er Chardonnays von Peter Michael gegenüber.
2001 Mon Plaisir hatte eine cremige Textur, war finessig, exotische Früchte, reife Banane, Datteln, Trockenfrüchte, leicht rauchig, reife, harmonische Säure 93/100
2001 Belle Côte war dichter, konzentrierter, mit schönem Minzeton, großer Kräutergarten, Salbei, wurde mit Luft und steigender Temperatur zum Essen in seiner würzigen Art immer Meursault-ähnlicher 94/100
Was mich an beiden Weinen erstaunte, war die Eleganz und beinahe tänzerische Schwerelosigkeit mit der sie daherkamen. 14,8 % stand auf dem Etikett und ich hatte das Schlimmste befürchtet. Doch hier war nichts brandiges, alkoholisches, mastiges. Beide Weine waren perfekt balanciert mit guter Säure. Große Chardonnays, wie sie jeder burgundische Winzer sicher gerne produzieren würde, hätte er ein Lesegut zur Verfügung wie aus dem großen Kalifornienjahr 2001.

War 2001 ein Riesenjahr in Kalifornien, so galt 2000 als schwierigstes, schlechtestes seit über einer Dekade. Hier zeigte sich dann, wer als Winzer wirklich was drauf hatte.
Haben Sie schon mal eine Dose Veilchenlakritz auf gemacht und die Nase reingesteckt? Genau so roch der 2000 Colgin Herb Lamb Vineyard, Veilchen ohne Ende, dazu noch etwas Amarenakirsche und Eukalyptus, insgesamt etwas parfümiert. Nicht sonderlich konzentriert mit relativ heller Farbe. Wirkte im Vergleich zu Harlan etwas eindimensional. Hier eine Kaufempfehlung auszusprechen oder das Gegenteil erübrigt sich sowieso. Nur 350 Kisten gibt s davon 92/100
Eine gut gelungene "französiche" Cuvée der 2000 Colgin Carriad. Wieder deutlicher Veilchenton, etwas Lakritz, dunkle Früchte. Kräftiger und dichter als Herb Lamb. Entwickelte sich sehr schön im Glas und wurde immer besser 94/100
Mit einer Hammerfarbe kam der 2000 Colgin Tychson Vineyard daher. Sehr konzentrierter, dichter Stoff, der kräftigste der drei Colgins. Schöne Cassis-Frucht, wirkte aber durch die kräftigen Tannine zunächst etwas ruppig. Entwickelte dann mit der Zeit eine schöne Süße am Gaumen 94/100.
Deutlich besser als beim Harlan-Dinner im Juli und als bester dieses 2000er Quartetts präsentierte sich 2000 Harlan Estate. Kräftige Farbe, Cassis, Teer, frisch aufgebrühter Kaffee. Viel Kraft auch am Gaumen. Perfekte Tanninstruktur 95/100. Woher der Unterschied zur Flasche im Juli kam? Vielleicht lag s daran, dass damals die Weine unverständlicherweise nicht dekantiert wurden. Ich bin kein Freund des ewig langen Über-Dekantierens, aber eine gute Stunde sollte solch ein Wein schon in einer größeren Karaffe verbringen, damit er überhaupt die Chance hat zu zeigen, was in ihm steckt. Auch das richtige Glas gehört natürlich dazu. Wir haben diesmal das VINUM Extrem Bordeaux von Riedel genutzt. Große, voluminöse Weine rot wie Weiß bekommen in diesem Glas noch mal einen richtigen Kick, schwachbrüstige werden gnadenlos hingerichtet.

Weiter gings mit der hochgeobten 2001er Serie von Switchback und Peter Michaels s Les Pavots.
Ein unglaublich dickes, dichtes, konzentriertes Teil war der 2001 Switchback Ridge Cabernet Sauvignon Peterson Family Vineyard. Powerfarbe. Dichtes Schwarz-Purpur. Cassis-Likör, Schokolade, etwas Eukalyptus. Irre Länge am Gaumen, aber insgesamt auch etwas mastig. Sicher eine Art Probensprenger, aber für mich auch schon zuviel des Guten. Wein regt normalerweise das Gespräch an, dieser hier bringt es zum Erliegen. Bin gespannt, ob und wie so was altert. Von mir gibt s heute 95/100, Fans geiler Betäubungsmittel werden sicherlich höher und näher bei Parkers 98/100 liegen.
Persönlich hat mir der im Vergleich dazu getrunkene 2001 Peter Michael Les Pavots deutlich besser gefallen. Ebenfalls sehr dichte Farbe. Cassis, Lakritz, etwas Bitterschokolade und schöner Minzton, geht runter wie Öl mit irrer Länge am Gaumen. Wirkt aber im Vergleich zum Switchback deutlich finessiger und frischer 96/100.

Unsere Gaumen wurden langsam müde, der hohe Alkoholgrad der Weine forderte seinen Tribut. Schließlich wollten wir die seltene Gelegenheit, solch rare Weine zu trinken, nicht durch Spucken versauen. Gepasst hätte das wohl auch nicht zum wunderbaren, begleitenden Menü, das uns der talentierte Ökonom des Düsseldorfer Tennisclubs TCO bereitet hatte.
Doch plötzlich machte uns alle ein Wein wieder hellwach. Ein geiles, üppiges Teil. Die Würze des Orients, jede Menge frischer, schwarzer Pfeffer, dazu reichlich Cassis. Das war australische anmutende Frucht OHNE australische Dicke, ein Petite Syrah vom Allerfeinsten, eben 2001 Switchback Ridge Petite Syrah Peterson Family Vineyard. Wein-Hedonismus pur, den man einfach mal erlebt haben muss. Sicher nicht mit weniger Alkohol als beim Cabernet, aber der Petite Syrah steckt das deutlich besser weg 97/100.

Im letzten Flight dann noch zwei große 2001er Merlots. Mit dem 2001 Switchback Ridge Merlot Peterson Family Vineyard blieben wir gleich in der Hedonismus-Abteilung. Das war Valrhona pur, dazu reife, schwarze Joannisbeere und ein Schuß Espresso, Merlot wie er schöner kaum sein kann, ein großer, üppiger, aber nicht überladen wirkender Wein, der den Alkohol deutlich besser wecksteckte als der Cabernet aus gleichem Hause 96/100.
Groß auch 2001 Paloma Merlot. Der Wein des Jahres 2003 des Wine Spectator(und damit praktisch vom Weltmarkt verschwunden) präsentierte sich fast auf Switchback-Level, nur etwas feiner, fruchtiger, aromatischer. Schöne Frucht, reife Johannisbeere und Kirsche, flüssige Schokolade und der bei amerikanischen Merlots so häufig vorkommende Espresso-Touch, toller Stoff! 95/100.



Auf welchem Niveau wir hier getrunken hatten, wurde klar, als in unendlicher, unnötiger Gier nach der Probe noch ein paar mitgebrachte Weine aufgerissen wurden. Ein 95 Mondavi Reserve erwies sich als ganz ok, ein 99er Tom Eddy Reserve war im Vergleich zu dem, was wir vorher hatten, völlig untrinkbar. Ich konnte an beiden Weinen ohnehin nur noch kurz nippen, und das war auch gut so.