August 2006

Sylter (W)Eindrücke 2006

Nach drei alkoholfreien Wochen und einer knackigen Anreise mit dem Fahrrad 600 km in 2 Tagen - startete ich in die wunderbare Welt des Weins mit einem sehr schönen 1999 Tassinaia. Den fand ich für gastfreundliche € 58 auf der Karte von Hardy s Weinstuben. Der gelungene Verschnitt aus Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Merlot des Castello del Terricio aus der Toskana präsentierte sich voll auf dem Punkt. Schwarze Johannisbeere, Tabak, etwas Lakritz, die Würze des Eichenfasses und reife Tannine ergaben einen sehr runden und ausgewogen, aber überhaupt nicht langweiligen Wein, an dem ich mich sicher noch öfter versuchen werde 90/100.
Hardy s Weinstuben in Westerland waren danach noch häufiger meine Anlaufstelle. Das liegt nicht nur am sehr sympathischen Wirtsehepaar Suzanne und André Speisser, nicht nur an der einfach leckeren Elsässer Küche, nicht nur an der feinen Weinauswahl und auch nicht nur am für Sylt sehr guten Preis-/Leistungsverhältnis. Es liegt vor allem an der einmaligen Atmosphäre dieses 1933 erbauten Lokales, in dem jeder Gast als guter Freund behandelt wird. Kein Wunder, dass der Laden immer zum Bersten voll ist und viele treue Stammgäste hat. So trank ich hier nicht nur meinen ersten, sondern auch meinen letzten Sylter Wein. Letzterer war ein 2002 Canon-la-Gaffelière. Auch der machte schon viel Spaß mit einem kräuterig-würzigen Bouquet, einer pflaumigen Frucht, reifer Kirsche und weichen Tanninen. Sicher kein Langstreckenläufer, aber zum jetzt und in den nächsten Jahren trinken ein solider Wein 89/100. Bei einem anderen Besuch war meine Gattin sehr angetan vom 2002 Chardonnay `S` des Weingutes Kopp aus Baden, und der am Nachbartisch sitzende Winzer freute sich über ihre Komplimente. Ich hielt mich zurück, denn mich konnte dieser Wein überhaupt nicht überzeugen. Er erinnerte mich an Graf Adelmann sche Jugendsünden aus der Zeit der Barrique-Euphorie. Das war hier einfach zuviel des Guten, total überholzt mit deutlichem Bitterton, da kam die Frucht nicht mit. Holzfetischisten werden das anders sehen 82/100.
Ganz ok war 2001 Lynch Bages mit kompakter Frucht, erdigen Tönen und leicht bitterem Abgang 86/100.

Das Sylter Reizklima fördert nicht nur die Gesundheit, es stärkt auch Durst und Appetit. Kein Wunder, dass die Insel eine unglaubliche gastronomische Dichte hat. Allein über 4 Restaurants leuchten Michelin-Sterne, mindestens zwei weitere haben den Stern verdient. Und um alle empfehlenswerten Sylter Restaurants abzuklappern würde nicht einmal ein sechswöchiger Urlaub reichen. So gerne ich neue Dinge ausprobiere, meist landet man doch wieder bei den persönlichen Favoriten.

Am ursprünglichsten ist Sylt am Strand. Hier in einem der Strandbistros mit einem Glas Wein in der Hand einen der spektakulären Sonnenuntergänge zu erleben und sich dabei die würzige, leicht salzige Seeluft um die Nase wehen zu lassen, das hat einfach was.
Saftig, fruchtig, lecker und perfekt zur Meeresbrise ein 2004 Schneider Riesling aus der Literflasche 85/100. In diesem Jahr der absolute Renner an Kampens Buhne 16. Der 2005 Weißburgunder vom selben Winzer fiel dagegen deutlich ab, mehr Kraft als Finesse, wirkte im direkten Vergleich etwas langweilig 83/100. Mein Favorit in diesem Jahr an der Buhne 16 war jedoch ein Wein mit dem passenden Namen "Von der Insel". Der 2005 Sauvigvon Blanc Von der Insel Mariannenaue von Schloß Reinhardshausen war mit seiner pikanten Frucht, seiner Frische und der guten Säure ein unkomplizierter, erfrischender Sommerwein 87/100. Sehr gut gefiel mir an der Buhne 16 auch ein australischer Shiraz, der 2002 Bremerton Selkirk. Bei diesem Wein kamen gleich mehrere, positive Aspekte zusammen. Er war nicht so überladen und dick, wie die meisten Australier. Seine pfeffrige, beerige Frucht und die würzige Süße der amerikanischen Eiche ergaben eine wunderbare Kombination mit der leicht salzigen, frischen Nordseeluft. Und die nette Runde, in der wir zusammenstanden und dabei den faszinierenden Abendhimmel betrachteten, tat ein Übriges dazu. So kamen da locker 91/100 ins Glas.
Im ebenfalls am Kampener Strand gelegenen Grand Plage tranken wir zu sehr leckerer Küche einen 2005 Riesling Terassen Smaragd von F.X. Pichler, noch sehr jung, kräftige Säure, der fruchtige Schmelz früherer Pichler-Jahrgänge fehlt 87/100. Der 2000 Merlust Merlot aus Stellenbosch in Südafrika war ein unkomplizierter, vollmundiger, kräftiger Merlot 88/100.
Eigentlich war auch das Sansibar in Rantum ursprünglich nur ein Strandbistro, hat sich inzwischen aber zu dem Szenerestaurant überhaupt entwickelt. Hier im Sommer abends einen Tisch zu bekommen ist extrem schwierig. Kein Wunder, dass viele Gäste mit der Quartierreservierung für den nächsten Sommer auch gleich einen Tisch im Sansibar bestellen. Wer es dann geschafft hat und wen der Rummel nicht stört, der darf sich auf sehr leckere Küche in großen Portionen freuen, auf die zweitbeste Weinkarte der Insel und auf einen supernetten Service. Wir starteten mit einem 2004 Malterer von Huber. Seit langen Jahren trinke ich diese faszinierende Cuvée aus Weißburgunder und Freisamer mit großer Begeisterung. Auch der 2004er ist wieder gut gelungen, wenn auch derzeit noch etwas jung 91+/100.
Enttäuschend das neue spanische Luxus-Cuvée 2001 Pago de Carraovejas Cuesta de las Libras Vendemia Seleccionada. 24 Monate lang wurden Tinto Fino und Cabernet Sauvignon im Barrique aus französischer Eiche ausgebaut. Das Ergebnis war aber nicht überzeugend. Ein ganz netter, charmanter Schlabberwein mit unpassend kräftigen Tanninen. Da hat man einen feinen, kleinen Wein mit zuviel Holz vergewaltigt. Weniger wäre hier sicher mehr gewesen 86/100. Deutlich besser gefiel mir da der 2003 Howell Mountain Cabernet Sauvignon von O`Shaughnessy. Ein herrlich frisch-fruchtiger Cabernet mit Minze, Eukalyptus und Lavendel. Kein weiteres Super-Konzentrat(Danke!), sondern einfach ein extrem leckerer, gefälliger Rotwein 92/100. Sehr sympathisch auch die Winzerin, Betty O Shaughnessy, die praktischerweise gleich am Nachbartisch saß.
Sehr angetan war ich auch vom 2002 Shafer Relentless. Leicht schweißige, ledrige Nase. Am Gaumen irrer Schmelz, Fülle und Länge, ein tolles Geschoß, diese Cuvée aus 80% Syrah und 20% Petit Syrah 96/100. Was mich auch an diesem Shafer-Wein wieder so fasziniert ist, wie hier ein gewaltiges, konzentriertes Geschoss ins Glas kommt, das bei aller Power und allem Gewicht immer noch so harmonisch und fein wirkt. Für mich deutlich schöner als der 2001 Accent Shiraz Journey s End aus dem australischen Mc Laren Vale. Das war Australien pur, üppig, beerig, dicht, aber auch etwas breit 93/100.

Wein und Speisen werden zur Nebensache, wenn man an einem schönen Sommerabend auf der Terrasse des Waltershof in Kampen sitzen darf. Spektakulär von diesem etwas erhöhten Logenplatz der Blick über den gesamten Nordteil der Insel. Nicht satt sehen kann ich mich am Farbenspiel des Abendhimmels und an den immer neuen, eigenwilligen Wolkenformationen.
Im Glas hatten wir zunächst einen 2005 Riesling S der Gebrüder Kauer von der Nahe. Ein erdiger, kräftiger, rustikaler Essensbegleiter 85/100. Sehr fruchtig, offen und vielschichtig mit feiner Würze und Säure der 2004 Black Print von Markus Schneider, das gut gelungene Gegenstück zu den Schneiderschen Weißweinen 87/100.

Schmunzeln muss ich immer, wenn Parker bei kalifornischen Chardonnays schreibt, dass sie innerhalb der ersten 2-3 Jahre getrunken gehören. Das mag ja für preiswerte Durchschnittsbrühe gelten, nicht aber für die besseren unter Kaliforniens Chardonnays. Die haben oft ein erstaunliches Standvermögen und brauchen sich hinter Burgund nicht zu verstecken. Insbesondere gilt das für die nicht ganz so üppigen Jahrgänge. So habe ich im Kampener Golfclub ohne zu Zögern einen 1998 Merryvale Starmont Chardonnay bestellt. Der war buttrig, nussig, weich mit viel Schmelz, reife Säure, exotische Frucht, Ananas, aber auch frisch und keinesfalls breit 90/100. Immerhin ist das der einfachste, preiswerteste der Merryvale Chardonnays. Wird sich sicher noch ein paar Jahre auf diesem Niveau halten. Gut gefiel mir auch der Caballo Loco No 7 von Valdivieso. Nach dem üblichen, chilenischen Strickmuster kamen hier reichlich Cassis und schwarze Johannisbeere ins Glas, dazu würzige und rauchige Töne. Ein üppig-fruchtiger, leckerer Wein, der sich hinter Sena&Co nicht verstecken muss 92/100. Der Caballo Loco trägt keine Herkunftsbezeichnung und keine Jahrgangsangabe. Er wird nach dem portugiesischen Solera-System aus den jeweils besten Fässern des gesamten Weingutes produziert. Dabei bleiben immer 50% des Weines für den Folgejahrgang stehen. So sind im Callo Loco immer noch Teile aller bisher erzeugten Weine drin.
Sylt hat übrigens inzwischen drei Golfplätze, zwei davon mit 18 Löchern. Ein vierter Platz kommt demnächst dazu. Kein Wunder, dass die Insel immer voller und beliebter wird.

Zum Schweizer Nationalfeiertag, dem 1. August, gingen wir natürlich ins Manne Pahl zu Pius Regli. Der gebürtige Schweizer hatte passend zum Anlaß natürlich wieder sein Lokal in eine Schweizer Alphütte verwandelt.
Zunächst tranken wir hier einen 2001 Ruppertsberger Gaisböhl Riesling Großes Gewächs von Bürklin Wolf, der schon einen erstaunlich reifen Eindruck machte, sicherlich keine perfekt gelagerte Flasche, denn erste oxidative Töne dürfte ein Wein solchen Kalibers eigentlich noch nicht zeigen 89/100. Vor drei Jahren hatte ich an gleicher Stelle noch notiert: großer Riesling, noch ganz am Anfang, verträgt und braucht Dekantieren und große Gläser. Grandios und passend zum Schweizer Nationalfeiertag ein 2003 Gantenbein Pinot Noir. Erwartet hatte ich entsprechend dem Jahrgang ein ausladendes, üppig-breites Teil, doch hatte der viel Kraft, feine Himbeerfrucht, eine tolle Struktur und viel Zukunft, muss sich hinter großen Burgundern nicht verstecken 93/100.
Sehr angetan waren wir übrigens von der Küche im Manne Pahl, die in diesem Jahr mit einem neuen Küchenchef einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht hat.

Sylts Gastroszene bleibt in Bewegung. Immer wieder machen sich Küchenchefs mit neuen Lokalen selbständig, meist mit unkomplizierten Bistros, in denen preiswert auf hohem Niveau gegessen und getrunken werden kann.
Das Esszimmer in Keitum ist solch ein Laden, den ich sehr empfehlen kann. Das Lokal ist sehr klein, allerdings mit einer schönen Terrasse, die Küche Spitze, die Weinkarte ebenfalls sehr kompakt, aber höchst intelligent und spannend aufgebaut. Sehr gelungen beim 2002 Chardonnay von Huber der Spagat zwischen Kraft, Finesse und Frische. Von Hubers Chardonnay bin ich stets ebenso fasziniert wie von seinem Malterer und seinen Rotweinen. Der Chardonnay ist sicher kein Leichtgewicht, aber die knackige Säure, die frische Frucht ergeben mit der feinen Mineralität und dem gut eingebundenen Holz einen sehr ausgewogenen Wein, der gerade zum Essen einfach Spaß macht 91/100.
Sehr überzeugend auch der 1998 Leda Vinas Viejas, den ich bisher nur als 99er kennen und schätzen gelernt habe. Ein sehr vollmundiger, reifer Wein mit "spanischer" Aromatik, mit guter Frucht und Mineralität, aber auch mit kräftigem Tanningerüst für längere Lagerung. Kräftig mit langem Abgang und elegant zugleich 92/100. Ausnehmend gut dann der ultrarare 2003 Tua Rita Syrah. Ein sehr junger, konzentrierter Wein in bester Neue Welt Art. Üppige, pfeffrige Brombeerfrucht, viel Kakao, würzig, baut im Glas sehr gut aus und wird immer vielschichtiger mit toller Länge am Gaumen, erst ganz am Anfang, gutes Tanningerüst 95+/100. Der gehört als Pirat in hochkarätige Syrah-Proben.
Hervorragende Küche auch in Kampen im Sanders. Natürlich liegt für mich die Messlatte bei Knoll-Weinen immer sehr hoch. So war ich denn auch vom 2002 Loibner Riesling Smaragd auf hohem Niveau etwas enttäuscht. Da fehlten einfach Brillianz und Strahlkraft, durch die sich diese Gewächse sonst auszeichnen 90/100. Cassis pur brachte der würzig-rauchige 2001 Almaviva. Ein unkomplizierter, aber nicht langweiliger Spasswein, der mit zum Schönsten gehört, was Südamerika zu bieten hat 91/100. Weniger überzeugen konnte mich ein 2002 Welschriesling Eiswein Weinrieder. Fett, plump, säurearm und langweilig. Dabei mit 12% zu alkoholreich. Eisweine sollten die Ösis besser ihren deutschen Kollegen überlassen 83/100. An einem anderen Abend tranken wir im Sanders die 1997 Zeltinger Sonnenuhr Auslese* von Markus Molitor. Die startete mit hefigen böckser-artigen Nebentönen, entwickelte sich dann aber zu einem sehr schönen, schmelzigen Riesling mit feiner Frucht und prägnantem Schiefer 90/100



Extrem beliebt ist auch die Kampener Vogelkoje. Das beginnt bei fantastischem Frühstück und reicht über das nachmittägliche Kaffeegeschäft bis hin zum Abend, wo die Vogelkoje ohne Ende brummt. Bleiben wir zunächst beim Kaffee, Wunderbar am späten Nachmittag nach einer ausgedehnten Fahrradtour ein 2003 Maximin Grünhäuser Riesling Auslese. Sehr frisch und fruchtig mit faszinierendem Süße-/Säurespiel, glockenklarer Frucht, feiner Mineralität und guter Säure. Bei vielen Weinen dienen hohe Alkoholgrade als Geschmacksträger. Der hier schafft es auch ohne spielend. Sehr freundliche 7,5% - 92/100.
Abends dann zunächst das hochkarätigere Gegenstück, 2003 Maximin Grünhäuser Abtsberg Riesling Auslese #70, fülliger, mit mehr Boytritis, aber auch sehr elegant 93/100. In 2003 sind den Schuberts endlich mal wieder tolle Weine geglückt.
Als gelungene Empfehlung des sehr kompetenten Sommeliers nahmen wir dann einen 2003 Chassagne Montrachet 1er Cru Les Caillerets von Marc Colin. Der entpuppte sich als sehr aromatischer, eleganter Burgunder 91/100. Cabernet Sauvignon ist keiner drin im 1997 Grans Muralles von Torres, einer Cuvée aus 5 autochtonen, spanischen Rebsorten. Und doch schmeckt dieser geniale Wein wie ein großer, gereifter Bordeaux, perfekt balanciert mit schöner Länge am Gaumen, jetzt mit erster Trinkreife 94/100.
Bei einem weiteren Besuch in der Vogelkoje starteten wir wieder mit dem 2004 Malterer von Huber. Sehr gut gelungen auch wieder der 2003 Spätburgunder "R" von Bernhard Huber. Sehr kräftig und nachhaltig, aber nicht üppig oder breit, tolle Länge am Gaumen, elegant mit sehr guter Struktur, da konnte jemand sehr gut mit dem reifen 2003er Lesegut umgehen 93/100. Drei Süßweine des Weingutes Frey aus der Pfalz konnte ich anschließend gegeneinander probieren. Blumig mit knackiger Säure, guter Frucht und Frische, nur etwas kurz am Gaumen war die 2003 Ortega Beerenauslese 90/100. Sehr fein und nachhaltig mit guter Säure, schlank, aber mit toller Länge am Gaumen der 2003 Essinger Rossberg Chardonnay Eiswein Barrique 93/100. Den habe ich, da er nicht zu süß und sehr ausgewogen war, sowohl als perfekten Aperitif als auch als Dessertwein kennen- und schätzen gelernt. Groß dann der 2005 Essinger Sonnenberg Riesling TBA. Da wird am Gaumen der große Samtteppich ausgelegt, mit feiner Frucht und Säure 96/100. Sehr gut an allen Frey-Weinen gefällt mir, dass hier kein Öchsle-Fanatiker am Werke ist und hier statt dicker Wuchtbrummen sehr harmonische Süßweine erzeugt werden.

Eigentlich passt das etwas plüschige, altbackene Stadt Hamburg mit seinem Restaurant eher auf einen englischen Landsitz als nach Sylt. Vielleicht macht es gerade dieser Kontrast so faszinierend. Wir waren jedenfalls sehr, sehr angetan. Nicht nur, weil man hier im Gegensatz zu den gerammelt vollen Szeneläden endlich mal die Beine ausstrecken konnte. Die Küche auf hohem, absolut sterneverdächtigem Niveau. Sehr zuvorkommender Service und eine feine Weinkarte. Wir starteten mit einem 1998 Chateau Montelena Chardonnay. Erstaunlich schlank mit guter Säure und feiner Frucht. Wo in anderen kalifornischen Chardonnays Massen von exotischen Früchten und viel Vanille wabbern, meint man hier eher frische Äpfel und europäisches Steinobst zu spüren. Entwickelte sich gut im Glas und war ein fabelhafter Essensbegleiter 90/100. Vorher hatte ich als Aperitif einen 2005 Bacharacher Hahn Riesling Auslese von Toni Jost getrunken. Saftig, füllig, frisch und finessig mit feiner Boytritis 91/100. Nicht vorbeigehen konnte ich an einem 1969 Romanée St. Vivant les Quatres Journaux von Louis Latour. Das war wie ein sommerlicher Waldspaziergang nach einem Regenschauer. Der Duft von dampfendem Waldboden, von Laub und Pilzen, aber auch von feinen, kleinen Waldhimbeeren und von Blaubeeren. Ein faszinierender Burgunder, voll auf dem Punkt 93/100. Zum Dessert bestellten wir aus der gut bestückten Karte einen 2002 Thanisch Eiswein. Ich hatte mich schon über den attraktiven Preis gewundert, doch war das leider weder Wwe. Thanisch noch ein Doctor, sondern ein namenloser Eiswein eines Weingutes Ludwig Thanisch. Sehr frisch, fruchtig und schlank mit wenig Boytritis und guter Säure, eher im Stile einer feinen Auslese 91/100. Mit satter Frucht, Süße und Marzipan danach ein 1995 Taylor Quinta Vargellas 94/100.

Sehr gut auch wieder die Küche bei Lässig im Strandhörn in Wennigstedt. Auch hier wird (wieder) auf Sterneniveau gekocht. Weniger inspirierend der als Aperitif gewählte, offene Riesling des Hauses, ein 2005 Gutsrieling QbA von Schloß Neuweier aus Baden. Der war gefällig mit Aromen von Pfirsich und Wassermelone, wirkte aber auch etwas plump 82/100. Ganz anders danach der 2004 Birkholz Riesling Großes Gewächs von Rebholz. Feine Frucht, Weinbergpfirsich, reife Säure, schöne Mineralität, cremige Textur und gute Länge. Noch ganz am Anfang mit viel Potential 92+/100.
Sehr überzeugend wieder der feinduftig-elegante 1985 Cheval Blanc. Da wird der gesamte Gaumen in feinste Seide gepackt 95/100. Zum Abschluß genehmigten wir uns eine 1995 Loibner Grüner Veltliner Auslese von Knoll. Der machte richtig Spaß und harmonierte perfekt mit den diversen Nachspeisen. Ein sehr nachhaltiger und würziger Wein mit bester, pfeffriger Grüner Veltliner Art mit feiner Süße und toller Länge am Gaumen 94/100.

Klug zusammengestellt auch die Weinkarte des Landhaus Stricker, wo über dem Gourmetrestaurant ebenfalls ein Stern leuchtet. Für die überzogenen Bordeaux-Preise kann der kompetente Sommelier nichts, die Karte bietet aber genügend Alternativen. Wir starteten als Aperitif mit einer 2003 Ürziger Würzgarten Spätlese von Dr. Loosen. Ein saftiger, voll trinkbarer Wein mit guter Säure, reifer Frucht und erdiger Mineralität 90/100. Sehr reif und wunderschön zu trinken danach ein nussig-würziger 2000 Meursault Clos de la Barre von Comte Lafon 91/100. Als gastfreundlich kalkulierte Bordeaux-Alternative entschied ich mich für einen 2000 Aalto PS, der ohnehin besser mit der superben, aromatischen Küche von Holger Bodendorf klar kam. Schon der normale Aalto ist eine Wucht, aber in den PS könnte ich mich reinsetzten. Der sprüht nur so von konzentrierter, reifer Frucht, von Gewürzen, von Graphit und rauchigen Tönen und bleibt trotzdem sehr finessig und elegant. Voll trinkbar, nimmt es dieser grandiose Wein auch mit frech gewürzter Küche auf, ohne diese zu dominieren 96/100.

Viel Sachverstand steckt auch in der sehr umfassenden Weinkarte des Munkmarscher Fährhauses. Da empfehlen sich vor allem auch Weine abseits ausgetretener Pfade. Wir starteten als Aperitif mit einem Glas 2005 Grüner Veltliner Faß Nr. 4 vom Weingut Ott. Was für ein spannender Wein! Da war nicht nur das klassische Pfefferl, das man in vielen der hochgezüchteten Grünen Veltliner heute vermisst. Da war reife Säure, fordernde Aromen, Zitrusfrüchte, frische Äpfel, eine große Blumenwiese, etwas Herbe, wie Weißer Pfirsich mit Gin. Einfach ein animierender, frischer und trotzdem sehr nachhaltiger Charakterwein, der Lust machte auf all die weiteren Dinge, die da im Glas und auf dem Teller kommen sollten 91/100. Eher klassisch ging es danach weiter mit einem 2003 Meursault von Coche Dury. Da merkte man den heißen Sommer. Erstaunlich offen mit fülliger cremiger Frucht, sehr kräftig und würzig, einfach ein tolles Maul voll Wein 93/100. Ach ja, bezahlbar war dieser einfachere Coche Dury auch noch. Nicht vorbei konnte ich auch an einem
1989 Shafer Hillside Select. 1989 gehörte nicht zu den begehrten Jahrgängen in Kalifornien. Es war der vielleicht letzte Jahrgang klassischer Machart mit massiven, harten Tanninen, die die Weine für viele Jahre unnahbar erscheinen ließen. Doch viele haben sich inzwischen großartig entwickelt, so auch dieser Wein. Man muss ihnen nur genügend Zeit und Luft gönnen. Beim ersten Schluck war ich auch noch etwas enttäuscht. Klar, da war schon die minzig-eukalytische Aromatik, die reife Brombeere, aber am Gaumen auch etwas austrocknende, staubige Tannine. Doch baute der Wein einfach fantastisch in Glas und Karaffe aus, wurde runder, vielschichtiger, länger. Das ist ganz großer Stoff, gemacht für 20 weitere Jahre 96/100. Zwischendurch konnte ich noch ein Glas 2000 Testarossa Chardonnay Bien Nacido Vineyard abstauben. Nicht schlecht, dieser Chardonnay aus dem Hinterland von Santa Barbara, fein-fruchtig und fett zugleich, noch kein bisschen müde 88/100.

Mein klarer Favorit auf Sylt ist nach wie vor Jörg Müller. Hier hätte ich auch mit vier Wochen Vollpension kein Problem. So gab es denn auch in diesem Urlaub wieder mehrere Müller-Abende mit ausgiebigen Rundreisen durch die sensationelle Weinkarte.
Grandios der 2002 Rüdesheimer Berg Schlossberg von Georg Breuer. Präzise, geschliffene Frucht, kräftige, aber harmonische Säure und hohe Mineralität, gut aufeinander eingestimmt in einem kraft- und eindrucksvollen Ganzen, ein Weltklasseriesling 96/100.
Beschimpft hat mich der recht eigenwillige Philip Togni vor etlichen Jahren, als ich ihn auf die Performance eines seiner jüngeren Weine ansprach. Es sei schlicht und einfach eine Unverschämtheit, seine Weine schon nach wenigen Jahren zu trinken. Na gut. Für den 1993 Philip Togni Cabernet Sauvignon, den ich auf Jörg Müllers Karte fand, dürfte das nach nunmehr 13 Jahren eigentlich nicht mehr zutreffen. Doch auch dieser Wein erwies sich nach dem Öffnen noch als sehr jung mit Cassis und Holunderbeere sowie kräftigen Tanninen. Gut eine Stunde nach dem Dekantieren war er deutlich ziviler und erinnerte in seiner minzigen Art an einen großen Lynch Bages. Insgesamt mehr Pauillac als Napa, sehr komplex und lang und erst ganz am Anfang 94/100.
Beim zweiten Müller-Besuch war der 2004 Sauvignon Blanc Zieregg von Tement frisch mit den typischen Aromen, aber nicht in der gewohnten Klasse, wie z.B. aus 2001 und wirkte auch noch etwas verschlossen 90/100.
1983 Mouton Rothschild war Mouton vom Feinsten. In der Nase erst etwas animalisch, mit der Zeit kamen dann wie am Gaumen Leder und Bleistift. Unendliche, seidige Eleganz. Wirkt zwar reif, dürfte sich auf diesem Niveau aber noch einige Jahre halten. Da lohnt die Suche nach gut erhaltenen Flaschen 94/100. Nicht suchen muss man wohl mehr nach 1964 Pichon Baron. Leicht morbide Aromatik von Waldboden und Pilzen, insgesamt etwas dünn, verabschiedete sich schnell 82/100.
Ein 1993 Grüner Veltliner Eiswein von Nigl hatte eine wunderbare Honignase, wirkte aber am Gaumen eher langweilig, etwas brandig und eindimensional - 87/100. Da gefiel mir der 1992 Geisenheimer Rothenberg Riesling Eiswein von Wegeler-Deinhard, den es im Offenausschank gabe, schon deutlich besser. Güldene Farbe, rosinige Süße, viel Boytritis, einfach rund, süß und lecker im Stile einer guten BA 92/100.
Und plötzlich hatten wir da vor uns noch einen perfekten 1986 Gruaud Larose stehen. Das ist schon ein perfektes, dichtes, komplexes Teil, ganz am Anfang einer langen Entwicklung 96+/100.
Auch beim nächsten Besuch starteten wir mit einem deutschen Spitzen-Riesling. Was für ein Riese, die 2002 Hochheimer Hölle Riesling Auslese trocken Goldkapsel von Künstler. Da stimmt einfach alles, Wahnsinnsaromatik und Nachhaltigkeit, satte Frucht, hohe Viskosität, Kraft und Rasse, irre Länge. Und das alles perfekt aufeinander abgestimmt 97/100. Klar, das wir diesen Wein dekantiert aus großen Burgundergläsern genossen haben. Überrascht und enttäuscht war ich von 1982 La Mission Haut Brion. Vor ein paar Jahren war das noch ein fast unnahbarer Brocken gewesen. Jetzt kam er sehr zugänglich ins Glas mit burgundischer Eleganz. Klar, da war die typische Mission-Nase und am Gaumen war auch noch Tannin spürbar. Aber so schnell so reif, übrigens auch mit ersten Reifetönen in der ansonsten dichten Farbe? Das stimmt nachdenklich, insbesondere, wenn die Flasche aus einem solch guten Keller stammt 96/100.
Die 2004 Hermannshöhle GG Dönnhoff an einem anderen Abend war wieder ein konzentrierter, jugendlicher Power-Riesling am Anfang einer großen Entwicklung 95+/100.
Ein Klassiker in Bestform war 1961 La Mission, süchtig machende Nase mit Jod, Tabak, Teer und Cigarbox, aber auch feine Frucht, sehr komplex am Gaumen und unendliche Länge 100/100. Auf welcher Weinkarte gibt es so etwas noch?
Noch so jung war 1989 La Mouline, da war sie wieder, die gesammelte Würze des Orients, in einem traumhaft balancierten Wein, der erst ganz am Anfang der Trinkreife steht 97+/100
Sehr schön und bereits mit Genuss trinkbar zum Abschluss ein 1996 Taylor Quinta Vargellas 93/100.
Beim letzten Müller-Besuch ging es los mit einem 2003 Forster Pechstein 1. Gewächs Dr. Bassermann-Jordan. Frische, fruchtige Nase mit Zitrusfrüchten und Limetten. Am Gaumen für 2003 erstaunlich knackige Säure, mineralisch und sehr erdig, da ist ein halber Blumentopf mit drin, ein kerniger Wein 90/100. Wunderbar danach ein 1983 Gruaud Larose. Intakte, dichte Farbe ohne Reifetöne. Traumhafte Nase, am Gaumen reif mit guter, tragender Säure, sehr elegant mit feiner Rustikalität, einfach schön 92/100. Dürfte sich auf diesem Niveau noch eine Weile halten. Wir beendeten den Abend mit einem 1997 Oberhäuser Brücke Riesling Eiswein Goldkapsel von Dönnhoff. Das war ein grandioser Süßwein mit irrer Fülle, balanciert durch eine knackige Säure 97/100.

Und dann waren dann natürlich noch ein paar Abende mit guten Freunden in geselliger Runde, in der wir mitgebrachte und "Sylter" Weine verkosteten.
Ein großartiges Weinerlebnis war eine 1990 Newton Merlot Doppelmagnum. Ein perfekt gereifter Pomerol mit einem Schuss Kalifornien. Seidige Eleganz, sehr lang mit wunderbarer Aromatik und Länge, aus der Großflasche ein Erlebnis 95/100. Die Bewertung ist sogar noch konservativ, denn ein danach getrunkener 2001 Pintia war sehr schön mit würziger Kraft, aber nach Newton ein ganz armer Wicht.
Neuer Schwung scheint in das Schubert sche Weingut an der Ruwer gekommen zu sein. Die Qualität der Weine hat sich in den letzten Jahren wieder gesteigert. Als Antwort auf die Großen Gewächse der Konkurrenz gibt es jetzt einen trocken ausgebauten 2005 Maximin Grünhäuser Herrenberg Riesling Superior, mit dem wir in einen anderen Abend starteten. Dieser enorm konzentrierte, dichte Riesling, der irgendwo zwischen trockener Spätlese und Auslese liegen dürfte, besticht durch gute Frucht, knackige Säure und hohe Mineralität. Dabei bleibt der Alkohol mit 11.5% sympathisch niedrig. Derzeit präsentiert er sich noch sehr jugendlich ungestüm, ich würde ihm noch 2-3 Jahre Reife gönnen 89/100.
So eingestimmt machten wir uns an einen 1999 Marojalla. Blind würde man bei diesem konzentrierten Kraftbolzen weder auf 1999 noch auf Margaux kommen. Dichte, pflaumige Frucht, sehr fleischig, Power ohne Ende 93/100.
Ein am Gaumen nicht enden wollender Traum auf klarem 100/100 Niveau der 1989 La Mission Haut Brion, der in dieser Flasche erste Trinkreife zeigte. Kein Wunder, ich hatte diese Flasche im vorherigen Urlaub mitgebracht und deutlich wärmer lagern müssen. Kurzfristig war das kein Nachteil, längerfristig kann ich diese Methode nicht empfehlen.
Grandios auch 1955 Cheval Blanc in der Vandermeulen-Abfüllung. Einige am Tisch setzten ihn noch deutlich über den La Mission. Finesse pur, da wurde der gesamte Gaumen in feinste Seide gepackt 98/100. Und alles ohne jede Spur von Alter.
Der dann folgende 1996 Peter Michael Les Pavots hatte es nach soviel Eleganz und Geschmeidigkeit schwer. Ein hammerharter Powerwein 95/100.
Und dann bleibt da noch ein unvergessener Abend mit guten Freunden auf der Rantumer Düne. Wir starteten in den Abend mit einem 2004 Felsenberg Riesling Spätlese trocken von Dönnhoff, einem sehr mineralischen, frischen Riesling mit klarer Frucht, kein Hammerwein, einfach nur schön 91/100. Sehr hochkarätig ging es weiter 1999 Hochheimer Hölle Auslese trocken von Künstler. Dieser Weltklasseriesling, den ich schon häufiger, aber noch nie so gut getrunken habe, zeigte eindrucksvoll, warum große Rieslinge, auch trocken ausgebaute, gut altern können und auch müssen. Der war inzwischen so faszinierend mit praller, süßer Frucht, druckvoller Aromatik, irrer Viskosität, toller Fülle und Länge 97/100. Da konnte ich gar nicht mehr aufhören, immer wieder zu riechen und zu probieren. Essensbegleiter ist das keiner, denn der stielt jedem Gericht die Schau. Nach so einer Höhe konnte eigentlich nur eine Tiefe kommen. Die hatten wir dann mit einem 2003 Gottenheimer Kirchberg Spätburgunder Auslese trocken vom Weingut Hunn im Glas. Diese Barrique-gereifte Auslese mit furchtlosen 15% Alkohol lebte bereits verdammt gefährlich, in der Nase Hustensaft-Töne, überreifes Lesegut, Amarone-Anklänge, dick, fast mastig, gehört bald getrunken, einfach zuviel des Guten mit wenig Finesse 86/100. Da gefiel mir der Vergleich getrunkene 2003 Pinot Noir von Martin Waßmer deutlich besser. Auch das ein üppiger Burgunder, füllig, kräftig mit reifer Frucht, aber wesentlich balancierter 92/100. Weiter ging es mit einem 2001 Sassicaia. Der besaß zwar immer noch präsente Tannine, zeigte sich aber schon sehr weich, reif und geschmeidig mit feinen Röstaromen. Ein sehr eleganter Wein, wie praktisch alle Sassicaias der letzten 15 Jahre aber eher etwas dünn und enttäuschend, da fehlt es einfach an Struktur 91/100. Gespannt war ich dann auf 2003 Pavie, einen Wein, der die Weinwelt schon bei den Primeur-Verkostungen gespalten hat. Das war schon gewaltig, was da fast dickflüssig und mit sehr dichter Farbe ins Glas lief. Mir wurde sofort klar, warum sich hier die Geschmäcker scheiden. Ein konzentriertes, dichtes Wahnsinnsteil mit riesigem Aromenspektrum von reifer Brombeere über Feige bis zu Schokolade mit einem für 2003 erstaunlichen, massiven Tanningerüst. Wurde im Glas immer "rhoniger" mit Veilchen und Lakritze. Ein Langstreckenläufer mit gewaltigem Potential, dem man noch einige Jahre gönnen sollte. Der blüht erst richtig auf, wenn das diffuse 2003-Geschwabbel vieler anderer Bordeaux-Güter bereits das Zeitliche gesegnet hat und könnte eine Art Wiedergeburt des 28ers werden 95+/100. Die Klasse von 2000 wird er wohl nicht ganz erreichen. Dafür fehlt etwas die Finesse, aber zweifellos der zweitgrößte Pavie der jüngeren Zeit.
Faszinierend-üppig die Nase des 1995 Valandraud, wie eine frisch geöffnete Packung mit Bitterschokolade-Pralinen, auch am Gaumen üppig, süß und einfach dekadent lecker 95/100.

Verpasst habe ich unter anderem eine Spontanprobe Sylter Freunde an Buhne 16. Als ich an einem verregneten Spätnachmittag dorthin kam, saß ein kleines Häuflein Aufrechter zusammengekuschelt mit glasigen Augen und glücklichem Gesichtsausdruck vor einer ganzen Batterie leerer Flaschen. Für mich reichte es noch zu einem kleinen Schluck 1991 Merryvale Profile. Der war sehr reif, aber nicht ohne Charme und sicher zum baldigen Verzehr bestimmt mit dichter Farbe, ersten Brauntönen, nicht mehr viel Frucht und einem Hauch Minze 90/100.