Januar 2011

Im Schwarzen Adler

Klar musste ich da wieder hin. Im letzten Jahr hatte ich auf der Rückfahrt vom Engadin eine hochkarätige Übernachtung im legendären Schwarzen Adler in Oberbergen eingelegt, in den WeinMomenten Januar 2010 ausführlich beschrieben. Mein erster Besuch in diesem, in jeder Beziehung sehr gastfreundlichen Hause war das im letzten Jahr. Spontan war mir klar, dass ich da noch mal hin musste, nicht noch einmal, sondern regelmäßig.
So landeten wir an diesem ersten Montag des neuen Jahres aufs neue im Schwarzen Adler. Das Gasthaus Rebstock gegenüber hatte zu. Also machten wir es uns erstmal in der Bar bequem. Ich war gespannt auf den Jahrgang 2009. Das war schon großartig, was hier im zum Schwarzen Adler gehörenden Weingut Franz Keller auf die Flasche kam. Um Längen über den 2008ern, die wir hier vor einem Jahr probierten. Eine große Kollektion. So z.B. der 2009 Weißburgunder Selektion "S", weich gefällig, charmant mit cremiger Textur und reifer, süßer Frucht, voll da 91/100. Oder der 2009 Grauburgunder Selektion "S", kräftig, erdig, mineralisch, komplex, zu Anfang dem Weißburgunder unterlegen, baut aber enorm aus und ist im Finale der größere, spannendere Wein 92/100. Probiert habe ich auch ein Glas des offen ausgeschenkten 2005 Spätburgunder Selektion A, ein molliger, warm-würziger, gut gereifter Spätburgunder, dem aber der letzte (und auch der vorletzte) Kick zur Größe fehlt 87/100.
Weiter ging es im holzgetäfelten Sternerestaurant des Schwarzen Adler. Das war an einem Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt. Kein Wunder bei der Weinkarte, möchte man meinen. Aber die alleine ist es nicht. Verdammt gut gekocht wird im Schwarzen Adler. Nimmt man dazu noch den hervorragenden Service unter Maitre Hubert Pfingstag und Deutschlands Top Sommeliere Melanie Wagner, dann kann ein Jahr einfach nicht besser anfangen.
Ein 1998 Meursault Perrières der Domaine Michelot landete als erstes in unseren Gläsern. Sicher nicht der allergrößte Meursault dieser Erde, aber ein Angebot, das man bei nur € 48.- einfach nicht ablehnen konnte. Ein sehr feiner, reifer Meursault mit goldgelber Farbe, mit wunderbarer, würziger Aromatik, die in der Nase anfängt und sich am Gaumen fortsetzt, immer noch trotz aller Trinkreife frisch mit guter Säure 92/100.
Nicht nein sagen konnte ich auch bei 1990 Romanée St. Vivant DRC. Gut, der war nicht billig, aber extrem preiswert. Und es war ein großer Wein, der hier aus perfekter Lagerung natürlich noch keinerlei Alter zeigte. Betörende, pikante Aromatik, kein Blockbuster, aber so fein, so elegant, aber auch nachhaltig mit toller Länge am Gaumen, ein aristokratischer Wein, hier aus perfekter Lagerung noch so jung, so fordernd, springt nicht wie viele 90er plump aus dem Glas, der will erobert werden und belohnt das dann mit einem Feuerwerk am Gaumen 96/100. Warum gibt man in Lokalen mit sehr preisgünstiger Weinkarte deutlich mehr aus, als in solchen mit hochpreisiger Karte? Weil man in letzteren nur Schadensbegrenzung betreibt und einen preiswerten Wein sucht, mit dem man einigermaßen den Abend rum bringt. In Lokalen wie dem Schwarzen Adler hingegen traut man sich und tut auch verrückte Dinge. Wir trauten uns weiter mit einem 1983 Lafite Rothschild. Das war meine bisher jüngste Flasche dieses großartigen, klassischen Lafites, sehr fein, sehr elegant, Lafite pur mit Minze, Leder und sogar einem Hauch Eukalyptus, ein sehr stimmiger, harmonischer Wein, um Klassen besser als der 82er des Gutes 94/100. Etwas Wehmut hat man nach solch einer Flasche schon. War das der letzte Lafite, den ich in Europa ins Glas bekommen habe? Fürchterlich, dieser Gedanke. Wir mussten uns dringend trösten und taten das mit einem 1998 Cheval Blanc. Bei dem war noch stückweit Phantasie gefragt, das sprichwörtliche Cheval-Parfüm noch recht verhalten, tiefdunkel die Farbe, reife, konzentrierte Frucht, Kraft ohne Ende, aber auch jede Menge Spannung. Ein Legendenwein auf dem langsamen, aber sicheren Weg zur Maximalnote, nicht so exotisch wie 90, mehr Struktur, wenn der 90er der neue 47er wird, dann wird das hier der neue 50er oder 55er 97+/100.

Großes Jubiläum mit großen Flaschen

Auch ein Wineterminator muss von irgendetwas leben. In meinem Fall ist es die Firma DATA BECKER, die ich vor 30 Jahren gegründet habe. Zum Firmenjubiläum, das wir im Januar mit Mitarbeitern und Freunden feierten, öffnete ich mehrere Großflaschen aus DATA BECKERs Geburtsjahr.
Vor fünfzehn Jahren habe ich schon mal eine 81er St. Pierre-Impi aufgemacht. Damals, auf Sylt an der legendären Buhne 16 mit meinen friesischen Freunden war das ein sehr beeindruckender, noch taufrisch wirkender Wein. Und für den St. Pierre in der Großflasche scheint seitdem die Zeit stehengeblieben zu sein. Der 1981 St. Pierre aus der Imperiale und aus der Jeroboam zeigte keinerlei Alter. Ein sehr eleganter, typischer St. Julien mit guter, immer noch frischer Frucht und viel Zedernholz, erstaunlicherweise aus der Jero noch eine Spur druckvoller und jünger als aus der Impi 93/100. Würde ich gerne noch mal nachkaufen, denn da sind sicher noch 20 Jahre Musik drin. Das gilt auch für 1981 Pichon Comtesse, von Mitte der 80er bis Mitte der Neunziger einer meiner Lieblingsweine, meist mit 95/100 bewertet. Ich erinnere mich noch gut an eine meiner ersten Notizen: " Begeisterung führte zum Kauf einer Kiste 95/100". Und jetzt stand dieser Wein aus der Imperiale so vor mir, als sei die Zeit stehengeblieben. Unfassbar, noch so jung, Comtesse in Reinkultur, herrliche, generöse Frucht, sehr druckvolle Aromatik, diese unnachahmliche Mischung aus Kraft und Eleganz 95/100. Auch hier sind in der Impi noch mal 20 weitere Jahre drin. Mal sehen, ob ich das ausreize, eine zweite Impi hätte ich noch.
Gut verstehen kann ich alle, die sich aus den Geburtsjahren ihrer Kinder eine oder mehrere Großflaschen hinlegen. Bei entsprechender Lagerung ist das Alterungspotential wirklich enorm.

Wise Mans´s Lunch Wine

Eine große Probe stand abends noch an. Da war es nicht klug, sich mittags schon die Kante zu geben. Wein wollten wir trotzdem trinken. Schließlich saßen wir ja im D Vine(hat übrigens eine fantastische, sehr preisgünstige Mittagskarte) und nicht bei McDonald. Da fiel die Wahl sehr schnell auf den 2009 Brauneberger Juffer Kabinett von Schloss Lieser. Klar war der "restsüß", aber durch die knackige, perfekt balancierende Säure wirkte er harmonisch trocken. Ein sehr saftiger, mineralischer Riesling mit hohem Extrakt und niedrigem Alkohol, dazu noch ein perfekter Essensbegleiter 90/100. Und die Publikumswertung gewann dieser ausnehmend gut gelungene Kabinett auch noch. Auf die, nach zu sechst natürlich schnell geleerter Flasche, gestellte Frage, ob jetzt was anderes gewünscht sei, kam aus der Runde nur "nein, genau den" und "bis sie alle weg sind". Weg waren sie dann, als der 6er Karton leer war, wir aber nicht voll.

Ein Abend mit Christina

Auch in diesem Jahr hatten mich die süßen Mädels aus dem Voralpenland wieder zu einem kulinarischen Verwöhnabend eingeladen. Meine Gastgeberin an diesem Abend war die bezaubernde Christina.
Verführerisch duftete es bereits bei meiner Ankunft. Eine selbstgemachte, herrliche Pizza begleitete einen großartigen 1964 Taittinger Comtes de Champagne. Der hatte ein tiefes, schon ins Güldene gehendes Goldgelb und immer noch gutes, deutlich spürbares Mousseux. Zu Anfang wirkte er etwas ältlich und oxidativ, blühte dann aber enorm auf, entwickelte eine wunderbare, schmelzige Fülle und einen kraftvollen Abgang mit angenehmer Bitternote 93/100.
Keine Mühe oder Kosten hatten die Mädels gescheut. Und natürlich hatten sie auch ihre Buben kräftig eingespannt. Die bereiteten den famosen Tunfisch vor, gruben den Keller nach Weinraritäten um und schnitten später den göttlichen, mehrere Jahre alten Comté. Ich wurde also nach Strich und Faden verwöhnt.
Kommen wir mal zu den Weinen. Eine reife, petrolige Nase bot das nächste Glas, gute Säure, hohe Mineralität, viel Rasse, das konnte nur ein gut gereifter Clos St. Hune aus dem Elsass sein. War es aber nicht, sondern ein 1979 Stony Hill Napa Valley White Riesling. Absolutly stunning! Ein großer Riesling in bester, europäischer Stilistik mit gewaltigem Alterungspotential mit angenehm bescheidenen 12% Alkohol 94/100. Steht ab sofort auf meinem Suchradar. Soll angeblich ein Wein sein, der nicht nur altern kann, sondern auch muss. Also kein Wein für die Amis, dafür umso mehr für mich. Werde mal bei den Ungers anfragen, ob die den besorgen können

Noch (zu) jung und etwas spröde wirkte zu Anfang der extrem rare 1993 Petite Syrah Aida Vineyard, Erstlingswerk von Helen Turley damals in ihrer neuen Winery. Ein gewaltiges Konzentrat, das wir erstmal beiseite schoben. Nach ein paar Stunden ging dann richtig die Post ab, nix Aida, nix Oper, das war ein Rockkonzert für Nase und Gaumen, Kokos, Zitronengras, satte Exotik pur, am Gaumen immer süßer werdende Power und dabei würziger, komplexer und länger werdend, ein beeindruckendes Fest für die Sinne 95/100.
Von einer der ältesten kalifornischen Wineries stammte der 1974 Christian Brothers Napa Valley Cabernet Sauvignon. In der Nase reifer Alpkäse, der mit Minze und Eukalyptus gewaschen worden war, am Gaumen und im Abgang viel Kräuter und Lakritz, wirkt jünger, entwickelt sich im Glas und legt immer mehr zu, aus anfänglichen 85 werden rasch 91/100.
Eine unglaubliche, leicht staubige Graphitnase besaß der 1968 Martin Rey Cabernet Sauvignon, wie ein Mouton ohne Minze und Leder, wirkte insgesamt noch recht jung mit stahliger Frucht und monilithisch will der ewig leben und in 20 Jahren erst richtig reif sein, wie der sensationelle 47 Martin Rey vom Unger Weihnachtstasting? Oder war es das schon? Ich glaube eher an die Zukunft dieses Weines, denn mit der Zeit entwickelte sich da eine sehr schöne Fülle und Süße am Gaumen 92/100.
Als großer Pomerol ging zunächst der letzte Wein des Abends durch, schokoladig, füllig, generös mit viel Schmelz. Doch mit der Zeit entwickelte sich aus der Schokopraline ein großartiger, komplexer, sehr gut strukturierter und harmonischer Cabernet, ein 1979 Mayacamas Cabernet Sauvignon 94/100. Alte Mayacamas sind wirklich eine Bank.
Ein toller Abend war das, herzlichen Dank den lieben Mädels und natürlich auch ihren Buben. Ich komme sehr gerne wieder wenn ich darf.

Sogar der große Meister selbst war da

Die Rede ist von Schubeck in München. Wir haben uns getraut, auch, weil das Lokal nur ein paar hundert Meter von unserem Hotel entfernt lag. Im aus mehreren Räumlichkeiten bestehenden Schubecks bekamen wir den eleganten Saal Münchner Kindl komplett für uns alleine. Dort wurden wir sehr aufmerksam von zwei Service-Mitarbeitern bedient. Sogar der große Meister selbst war da, allerdings wohl nicht in der Küche. Er steckte kurz seinen Kopf durch die Tür, aber keinen unnötigen Meter weiter und verschwand schnell wieder. Ja, die Küche, die war solide, aber sie haute uns wirklich nicht um. Besser schon die vor allem im weißen Bereich sehr gut bestückte Weinkarte. Wir starteten mit einem 2007 Westhofener Brunnenhäuschen GG von Wittmann, ein rassiger, schlanker, mineralischer, perfekt balancierter Riesling mit strahlender Eleganz, der uns ausnehmeng gut gefiel 95/100. Danach fiel uns ein 1994 Insignia von Phelps ins Auge. Nur hätten wir misstrauisch werden müssen, als uns der Sommelier erzählte, dass das nicht nur die letzte Flasche war, sondern dass sie schon bei seinem Dienstantritt vor vier Jahren bei 16 Grad im Chambrair gelegen habe. Die dichte Farbe wirkte immer noch sehr jung, wunderbar die Cassis-Nase, nur am kräftigen Gaumen fehlte der feine Schmelz, der diesen Wein sonst auszeichnet. Auf hohem Niveau wirkte der Insignia etwas müde 92/100. Ein würzig-pfeffriger, kräftiger, mineralischer Traum dann zum Schluss ein 2008 Grüner Veltliner Ried Lamm von Gobelsburg aus der - 92/100.

Stappenwetter

Stappenwetter heißt bei uns trocken, einigermaßen mild und nicht zuviel Wind. Dann kann ich die Familie davon überzeugen, die knapp 40 Kilometer einer schönen Fahrradtour in großem Bogen zum Gasthaus Stappen in Liedberg auf sich zu nehmen. So auch an diesem Januar-Sonntag, der schon fast wie Vorfrühling wirkte. Da radelt es sich gleich noch mal besser. Statt Schweißperlen auf der Stirn lief uns, je näher wir kamen, beim Gedanken an das gute Futter dort das Wasser im Munde zusammen. Die wohlverdienten 14 GaultMillau Punkte gibt s bei den Stappens sowohl sehr preiswert als auch sehr reichlich auf den Teller. Da bleibt dann noch genug vom sonntäglichen Taschengeld für guten Wein aus der ebenfalls sehr gastfreundlich kalkulierten Weinkarte übrig. Wir entschieden uns diesmal für einen 2009 Kirchspiel GG von Klaus Keller. Dekantiert und aus größeren Gläsern explodierte der förmlich in der Nase und am Gaumen mit süßem Fruchtextrakt, wobei die Frühreife diesen Weines wie bei vielen 2009ern schon irritierte 92/100. Mit dem Jahrgang 2005 hatte ich auch wieder angefangen, jüngere Burgunder zu trinke. Da schmeckte selbst das kleinste Gewächs. Mit den Jahren danach tue ich mich schon etwas schwerer. Der 2007 Gevrey Chambertin 1er Cru Cherbaudes Vieilles Vignes von der Domaine Fourrier war ganz ok mit schöner Kirschfrucht und reifer Himbeere in der leicht rauchigen und floralen Nase, am Gaumen wirkte er etwas rustikal 89/100.

Trüffel satt

Ich liebe diese Knollen, insbesondere die schwarze, die aus Perigord. Aber wenn dann im Restaurant der Mensch mit dem weißen Handschuh und der Briefwaage kommt, dann wird mir ganz anders. Da kann man angesichts er aufgerufenen Kurse nicht schnell genug Stopp rufen. Ganz anders bei unserem jährlichen Trüffelmenü. Unser "Privatsternekoch" Bernd hatte über einen Importeur tagesfrische Trüffel in allerbester Qualität besorgt, die vielleicht besten der letzten Jahre. Daraus zauberte er uns ein geiles Menü mit Trüffel satt.

Natürlich gab es dazu aus unseren Kellern die passenden Weine. Den Anfang machte ein 2000 Beaucastel Blanc Vieilles Vignes. Sehr kräuterig, Fenchel, deutliche Bitternote, entwickelt sich im Glas, ist aber schon über den ersten Punkt, in dem weiße Chateauneufs Spaß machen 88/100. Und was kommt raus, wenn man die Nase eines Cheval Blanc mit der schokoladigen Fülle eines großen Pomerols paart? Der elegante, schmeichlerische, enorm eindrucksvolle 1990 Conseillante 97/100. Und selbst dieser große Wein fand noch seinen Meister in einem schlichtweg außerweltlichen 1971 Petrus, der keinerlei Alter zeigte 99/100. Weich, süß, reif war ein 1952 Chateauneuf-du-Pape von Rebourseau-Philippon, mit viel Schmelz und feiner generöser Süße, aber auch kräftiger Säure, die diesen Wein frisch hielt 94/100. Einer der mit Abstand größten Weine meines, an Weinhöhepunkten sicher nicht armen Lebens war vor 11 Jahren im Tan Dinh in Paris ein 1978 La Mouline von Guigal. Seinerzeit hatte ich mir notiert, dass der nicht nach Perigord-Trüffeln riecht, nein, Perigord-Trüffel riechen nach 78 La Mouline. Über 2 Stunden musste ich damals auf den Wirt des Restaurants einreden, bis er uns endlich eine Flasche davon trinken ließ. Und diesen Wein tranken wir jetzt zu unserem Trüffelmenü noch mal. Immer noch sehr jung, sehr dicht mit fast undurchdringlicher Farbe. Wir machten das Experiment und legten ein paar unserer Knollen auf einen Teller. Dann rochen wir abwechselnd am La Mouline und an den Perigord-Trüffeln. Und wer roch, oder besser gesagt duftete intensiver nach Perigord? Der La Mouline, unfassbar! Ein Wein, der sprachlos macht und für den die 100/100 fast eine Beleidigung sind. Parker hat ja reichlich die Maximalnote auf die LaLas diverser Jahre runterregnen Lassen. In den meisten Fällen kann ich das voll nachvollziehen, doch das hier, dieser 78er La Mouline, ist für mich das größte, was Guigal jemals erzeugt hat.

Würzig, süß, füllig mit guter Säure, die ihm noch Frische verlieh, ein 1952 Castillo YGAY Gran Reserva 94/100. Das Geheimnis dieser Weine ist die lange Lagerung im Betontank und die sehr späte Abfüllung. Nur 8500 Flaschen gab es von diesem Wein, der sicher noch 2 Jahrzehnte altern kann. Und dann kam 1982 Lynch Bages aus wohl perfekter Lagerung ins Glas. Auch der will wohl nicht altern. Ich notierte nur, die jugendliche(!) Variante des 89ers, unglaublich 96/100. Kaum dahinter der ebenfalls großartige 1985 Lynch Bages, ein kraftvoller, toller Pauillac mit junger Farbe, wunderbarer Frucht und ohne Spur von Alter 95/100. Das eine Geheimnis dieses Weines oder besser dieser Flasche ist sicherlich, dass sie aus einer wohl seinerzeit in Subskription gekaufter Kiste entstammte. Das andere Geheimnis ist der Jahrgang selbst. Die 85er hatten eine sehr lange Fruchtphase und als sie sich die besseren Weine dann zur Jahrtausendwende verschlossen, hieß es unisono: das wars. Nichts dergleichen, die Weine sind wieder da und machen enormen Spaß.
Auch der schönste Abend geht irgendwann zu Ende. In diesem Fall tat er es mit einem sehr würzigen, noch von jugendlicher Röstaromatik dominierten 2005 San Vincente 92/100.

Frankreichprobe im WineLive

Die beste Nachricht gleich vorweg: das WineLive hat mit dem Franz, der früher mal Souschef im Berens am Kai war, endlich einen vernünftigen Küchenchef. Wir waren zur großen Frankreichprobe gekommen, bei der es zahllose Weine unterschiedlicher Regionen, auch ältere Raritäten, im Offenausschank gab.
Den Anfang machte ein sehr gut gelungener, mineralischer 2007 Chablis 1er Cru Montée de Tonnère von Raveneau mit viel Spannung. Das war keiner dieser vielen, unsäglichen Chablis, bei denen man das Gefühl hat, die erste Pressung der neuen Heuernte ins Glas zu bekommen 92/100. Kein Vergleich zum großartigen 2006er bei 2007 Chassagne Montrachet 1er Cru Morgeot von Ramonet, grün, säurebetont, ruppig, die Zeit mag es teilweise richten 86/100. Ein sehr fruchtiger, feiner, schmelziger und erstaunlich offener Burgunder war der 2005 Morey-Saint-Denis 1er Cru Clos des Ormes von Lignière&Fils 90/100. Noch recht verschlossen wirkte der 2006 Nectar des Bertrands mit seiner dichten Farbe, den kräftigen Tanninen und der an sich guten Frucht. Aber der braucht wohl noch etwas Zeit, bis er das viele Holz richtig verdaut hat 87+/100. Mit dem typischen Blutgeruch kam der 2006 Chateau d Ampuis von Guigal ins Glas, aber auch mit feiner Würze, ein jugendlicher, eleganter, kleiner La Mouline 90/100. Süße, würzige Fülle mit üppiger, pflaumiger Frucht zeigte der 2007 Chateau de Beaucastel, erstaunlich frühreif mit wenig Säure, ein Beaucastel zum jung trinken, aber wohl nicht für längere Lagerung 93/100. Baff war ich bei 1985 Leoville Barton. Ich bin eigentlich kein Fan älterer Bartons, aber der hir war wirklich gut mit immer noch erstaunlich dichter, jünger wirkender Farbe, mit viel Zedernholz und immer noch schöner Frucht 89/100. Dicht, kräftig, zupackend mit guter Säure und immer noch strammen Tanninen der sehr würzige 2001 Domaine Vieille Julienne Chateauneuf du Pape Vieilles Vignes, die pflaumige, gekocht wirkende Frucht, die schon Richtuung Rumtopf ging, täuschte etwas. Da ist wohl noch reichlich Musik drin für eine längere Entwicklung 93+/100.
Und dann kamen zwei Überraschungsflaschen aus der Raritätenkarte des WineLive, bei denen man dazu lernen konnte. 1976 gilt nicht als großes, langlebiges Bordeaux-Jahr. Um so mehr überzeugte dieser 1976 Certan de May. Immer noch sehr dichte, kräftige Farbe, in der Nase Pflaume in Bitterschokolade, sehr kraftvoll und alles andere als müde auch am Gaumen, baute enorm aus und hat noch etliche Jahre vor sich 92/100. Kräftig dazugelernt habe ich bei 1987 Sassicaia. Bitte nicht dekantieren, meinte WineLive Chef Jochen Fricke, also machten wir es erst recht. Unglaublich, wie sich dieser einstmalige Looser entwickelt hat, das war großer Cabernet und großer Sassicaia in einem mit sehr druckvoller Aromatik und dichter, deutlich jünger wirkender Farbe 94(!)/100. Da bin ich sofort auf die Suche gegangen und habe nachgekauft. Gibt es eine Erklärung für dieses Sassicaia-Wunder? Natürlich, diese klassisch ausgelegten Weine sind nicht so auf schnellen, frühen Konsum getrimmt wie viele andere "aias" und weitere Nachahmerweine. Sassicaias, zumindest die aus dem letzten Jahrtausend, brauchen viel Zeit. Werde in den nächsten Tagen mal eine Flasche des 89ers aus dem Keller holen, der sich jetzt auch sehr gut trinken soll.
Roter Abschluss unserer Verkostung dann ein Glas der 1985 Pichon Comtesse de Lalande, die sich ebenfalls in prächtiger Form präsentierte. In der geradezu explosiven Naseviel rote Früchte, Minze und Eukalyptus, am weichen, schmeichlerischen, typischen Comtesse Gaumen feinstes Cashmere 95/100. Wie oft wurde dieser Wein schon totgesagt. Keine Sorge, er ist extrem vital und lebendig.