Juli 2011

Bella Italia Zuhause

Wir hatten Juli, und woran erkannte man das? Es goss in Strömen und war kühl, Rotweinwetter eben, und so kam an diesem Samstag im Saittavini kein weißer auf den Tisch. Mit einem 1997 Romitorio di Santedame von Ruffino starteten wir. Reif, dicht, dunkle Früchte mit erster Süße, altes Leder, dunkle Trüffel, Teernoten, sandiger Fluss, leicht austrocknend am Gaumen, gehört getrunken 89/100. Der 2005 Brunello di Montalcino Pian del Vigne von Antinori liegt um Welten unter seinem Gegenstück aus 2004, zumindest derzeit, die Zeit mag es richten. Mehr Säure, weniger Kraft, erstaunlich reife Farbe, feine Süße, kräuterige Note, vielleicht nicht die beste Flasche 87+(?)/100. Spannend der Vergleich 2004 gegen 2005 Aalto PS, den der 2004er auf sehr hohem Niveau mit 98 zu 96/100 klar für sich entschied, weil einfach der größere, druckvollere Wein. Beides Weine mit hervorragendem Preis-/Leistungsverhältnis, schon bei der hypothetischen Frage 2004 Lafite oder 2004 Aalto PS täte ich mich heute schwer, mich für den Lafite zu entscheiden. Wenn es aber bei heutigen Preisen heißt, eine Flasche Lafite oder eine OHK Aalto PS, dann brauche ich nicht nachzudenken. Ich bin allerdings auch nur ein begeisterter Weintrinker, kein Spekulant.
Plötzlich rief da jemand: Kinder, die Sonne scheint. Naja, es war zumindest heller draußen und trocken. Solche Momente muss man gerade in schlechten Sommern konsequent nutzen. Also zog die ganze Truppe nach draußen und mit uns ein erstaunlich reifer 1995 Cheval Blanc, bei dem etwas die sonst so erotische Frucht fehlte, auch das natürlich Jammern auf hohem Niveau. Ich habe trotzdem wie ein Löwe um ein zweites Glas gekämpft 92/100. Und dann kam ein edler Spender mit 1996 Petrus um die Ecke. Der zeigte deutlich mehr als in den letzten Proben, bleibt aber trotz aller Klasse ein etwas sehniger, monolithischer Langstreckenläufer mit etwas verhaltener, pflaumiger Frucht, Bitterschokolade und viel Zedernholz, enorm viel Kraft und viel Tannin 93+/100. Wer ihn hat, legt ihn besser noch 5, eher sogar 10 Jahre weg. Wer ihn nicht hat, muss sich nicht grämen. Es gibt da in 1996 reichlich zumindest derzeit bessere Weine für einen Bruchteil des Preises, z.B. die großartige Pichon Comtesse oder den Cos d Estournel. Mehr dazu in meiner Jahrgangsübersicht 1996. Und dann war da noch ein 2004 Barbaresco Gallina von La Spinetta. Da gab es nichts zu meckern, nur zu loben, Süße, Fülle, Kraft, Frucht, Komplexität, Länge am Gaumen da war von allem genug, ein großer Wein 95/100.

Ein weiteres mal Bella Italia starte an einem der schöneren Sommerabende draußen mit einem 2010 St. Michael Sauvignon Blanc St. Valentin, einem der besseren Weine dieser Rebsorte mit straffer Struktur, Eleganz, sehr schöner, präziser Frucht und würziger Kräuternote, kann noch zulegen und gibt einen guten Ausblick auf den wohl grandiosen 2010er Jahrgang in Italien 90/100. Weiter ging es nach Sizilien, wo sich immer mehr Weingüter jetzt in ein paar hundert Meter Höhe auf den mineralischen Lavaböden des Ätna versuchen. Sehr gelungenes Beispiel dafür der 2006 Etnarosso von Cottanera sehr mineralisch, als ob Lava da reingerieben wäre, feine Kirschfrucht, Kräuterwürze, weiche, reife Tannine, ein spannender, eigenständiger Wein 91/100. Gegenbeispiel der 2008 Tascante von Tasca d Almerita, der ist das Erstlingswerk eines neuen Gutes an den Hängen des Ätna. Eigentlich kaum zu glauben, denn er ist nett, gewöhnlich, fruchtig und völlig überflüssig. Von Mineralität oder vulkanischen Böden ist hier nichts zu spüren, ein Wein, den die Welt nicht braucht 84/100. Abschluss dieser kleinen Sause dann ein schon erstaunlich gut trinkbarer und fast etwas zahm wirkender 2001 Barolo von Giacosa 92/100.

Und dann natürlich noch ein weiterer Saittavini-Abend. Kenne ich eigentlich sonst keine Lokale? Doch, aber das Saittavini ist von mir aus zu Fuß zu erreichen, hat eine traumhafte Atmosphäre, mit Michelangelo einen einmaligen Wirt und last not least einen unerschöpflichen Weinkeller. Hier sitze ich nicht vor einer Weinkarte, die ich längst auswendig kenne. Auf Michelangelos Frage, was ich denn trinken möchte, bekommt er stets die gleiche Antwort: etwas, das ich noch nicht kenne. Diese Herausforderung meistert Michelangelo gerne und mit Bravour, so auch an diesem Abend, wo ich "rein zufällig" hier vorbei kam und in einer netten Runde hängen blieb.
Wohl zum (hoffentlich!) falschen Zeitpunkt habe ich den 2004 Pian del Vigne Vigna Ferrovia Riserva von Antinori getrunken. Die Farbe wirkte schon verdammt reif mit deutlichem Orangenrand. Auf der anderen Seite war der Wein verschlossen, geradezu bissig und astringierend, die Frucht erinnerte eher an Trockenobst und Dörrfrüchte. Heißt der etwa Ferrovia, weil er nach alten, verrosteten Eisenbahnschienen schmeckt? Keine Bewertung, den muss ich noch mal in Ruhe nachverkosten. Den Rost habe ich dann erstmal mit einem 2007 Biserno von Antinori vom Gaumen gespült. Das ist ein moderner, breitschultriger, kräftiger, saftiger Wein, geprägt von jugendlicher Röstaromatik, Bitterschokolade, pflaumiger Frucht und frisch aufgebrühtem Espresso. Macht durchaus schon enormen Spass, muss aber sicher noch zu sich finden und das viele Holz verdauen, ein Wein mit Potential 93+/100. Sehr angetan war ich vom 2008 Spumante Rosé Extra Brut Metodo Tradizionale von Bruno Giacosa. Sehr fein mit dezent süß wirkender Himbeerfrucht, sehr gefällig und einfach saulecker, eine großartige Alternative zu teuren Rosé-Champagnern 90/100. Nicht viel anfangen konnte ich mit dem 2007 Masseria Maime von Tomaresca aus Apulien. Der trank sich ganz ordentlich, war sehr kräftig, lakritzig mit dunkler Frucht, rustikal in der Anmutung mit viel Tannin. Möglich dass da noch mehr mit den Jahren kommt. Ich hatte aber eher den Eindruck, dass da ein potentiell sehr schöner Landwein vergewaltigt wurde, um im internationalen Konzert mitspielen zu können 85/100.

Thank God it´s Monday

Selten genug kommt es vor, aber manchmal verspüre auch in der Woche mittags die Lust auf etwas anderes als ein belegtes Brötchen. So just an diesem Montag, dem Tag, an dem viele der besseren Restaurants geschlossen sind. Nicht so das Berens am Kai. Hier steht der gute Holger Berens, der sich mit dem Sonntag nur einen Ruhetag gönnt, von Montags bis Freitags auch Mittags am Herd. Drei schnelle, kleine Gänge gönnte ich mir, dazu noch ein formidables Amuse Bouche und ein feines Dessert. Alles zügig serviert und auf extrem hohem Niveau. Dazu gab es glasweise zwei leichte Rieslinge.
2008 Graacher Domherr Spätlese Molitor ein kräftiger, trockener, mineralischer wein mit klaren Konturen, machte verschlossenen Eindruck, gut trinkbar, aber in 3-5 Jahren kommt da deutlich mehr 86+/100. 2009 Wehlener Sonnenuhr Kabinett Wegeler trinkt sich wie Limo oder Apfelsaft, ein leckeres, fruchtiges, restsüßes Kabinettchen mit weicher, apfeliger Säure 85/100.
Gar kein schlechter Tag, so ein Montag.

Gerd in seiner U-Boot Küche

Gerd in seiner U-Boot Küche

Bei Gerd im U-Boot

Koch aus Leidenschaft ist dieser Gerd Dehnen. Quasi auf dem zweiten Bildungsweg wurde er seinerzeit Koch und verdiente sich seine ersten Meriten im La Crème in Düsseldorf. Von dort ging es nach Amerika und schließlich für lange Jahre als Privatkoch nach Frankreich in die Dienste eines Industrietycoons. In Düsseldorf bewohnt er noch eine kleine Wohnung mit vier Zimmern auf 3 Etagen, genannt sein U-Boot. Und in dieses U-Boot lud uns Gerd zu einer einmaligen, kulinarischen Sause ein. Und da ich wusste, was mich bei diesem begnadeten Koch erwartet, habe ich entsprechend tief in den Keller gegriffen.

Sehr fein, weich und cremig ein 2004 Champagne Fluteau Cuvée Symbiose 90/100. Keinerlei Alter zeigte der 1978 Beaucastel, noch so frisch und kräftig mit viel Biss, baute sehr gut im Glas aus, Kakao, Würze, etwas Unterholz, feine Süße, Eleganz. Etwas trockene Tannine, aber dieser einstmals unnahbare Wein wird seinen Weg gehen und in 10-20 Jahren richtig knallen 91+/100 mit Potential für 95/100. Schlichtweg ein Hammerwein danach der 1978 Brunello di Montalcino Riserva von Lisini, so eine explosive Aromatik, Lakritz, Süßholz, würzige Fülle, Süße und ein unendlicher Abgang 96/100. Flasche 0916 von insgesamt 3600 hatten wir. Da müssten ja wohl noch welche zu finden sein. Der Wein des Nachmittags dann der unsterbliche 1951 CVNE Vina Real Reserva Especial, vielleicht meine bisher beste Flasche und mit dieser unglaublichen Fülle und Dichte ein perfekter Pirat für eine hochkarätige 61er Bordeaux-Probe 97/100. Mitgebracht hatte ich diese Flasche, weil der gute Franz Josef Schorn teil unserer Runde war und in diesem Jahr in den Klub der 60er eingetreten ist. Der Gerd hatte das schon im letzten Jahr vollzogen. Für den hatte ich eine perfekte Flasche 1950 La Gomerie in einer Eschenauer-Abfüllung mit. Das war ein feiner, gut zu trinkender St. Emilion mit pikanter Frucht und hoher Säure, ebenfalls jünger wirkend 92/100. Deutlich reifer als diese beiden Flaschen wirkte ein 1964 Canon-la-Gaffelière, auch der aber noch kräftig und lang, sehr schön im Glas ausbauend 90/100.
Ich bin bekennender Guigal-Fan, ins besondere der LaLas. Nur müssen diese Weine ein gewisses Alter haben, um ihre volle Komplexität zu zeigen. So wie dieser 1987 La Mouline, der reif und auf dem Punkt schien, aber keinerlei Alter zeigte. Hedonismus pur kam da ins Glas, würzige Frucht, Fülle, eine perfekte Auswahl der Gewürze des Orients, dekadente Süße, eine sehr seidige, aber auch nachhaltige Textur, einfach sexy dieser Wein und ein gewaltiges Trinkerlebnis 96/100. Nicht auszudenken, was das heutige Team aus dem 1983 Ausone gemacht hätte. So blieb das ein reifer Ausone alter Schule, kräftig, würzig, mineralisch, aber auch rusikal und etwas eindimensional 91/100. Etwas schwachbrüstig geraten für einen Premier Cru auch 1981 Latour, erdig, mineralisch, Bleistift, Tabak, Leder, sicher deutlich besser in Großflaschen 90/100. Ein guter, kräftiger Wein mit etwas Süße der 1989 Pavie, der an die heutige Pavie-Klasse aber nicht ansatzweise rankommt 90/100.

Drinking in the Rain

Im D Vine waren wir gelandet an diesem späten Samstagmittag, genauer gesagt auf der Terrasse. Eigentlich wollten wir nur eine Kleinigkeit essen und ein gutes Glas Wein dazu trinken. Aber so nehmen meist die ungeplant schönsten Tage ihren Lauf. Schnell hatten wir aus der wunderbaren, sehr gastfreundlich kalkulierten Mittagskarte etwas Spannendes ausgesucht. Schnell wurde das Wetter immer schlechter, unsere Runde immer größer, die Stimmung immer besser, der Regen immer heftiger und die Weine immer spannender. Und so hielten wir durch, zumindest solange der Sonnenschirm seine Rolle als Regenschirm schaffte.
Angestoßen haben wir zunächst mit einem famosen 1996 Champagne Nicolas Feuillatte Cuvée Palmes d Or. Reife, goldgelbe Farbe, kräftig, reif, füllig, cremig und lang am Gaumen, großer Champagner aus großem Jahr, jetzt in perfektem Trinkstadium 93/100. Sehr mineralisch die 2004 Graacher Himmelreich Auslese von JJ Prüm, knackige Säure, aber auch gute Süße, cremige Textur, wird sich über lange Jahre weiterentwickeln 92/100. Jugendlich, straff, mineralisch mit guter Säure und sehr präziser Frucht der 2008 Halenberg GG von Emrich Schönleber 91+/100. Da kommt mit den Jahren noch deutlich mehr. Kraftstrotzend, pfeffrig, würzig, sehr mineralisch, lang, komplex und dabei sehr ausgewogen der 2008 Grüne Veltliner Maximus von Hiedler, ein großer Wein, der gut im Konzert der "Granden" aus der Wachau mitspielen kann 93/100. Ein würziger, einfach leckerer Sauerkirschsaft mit gutem Säuregerüst und Rückrat war der 2004 Tassinaia 91/100. Pflaumig, animalisch, zupackend und doch für Montrose so erstaunlich zugänglich und offen der 1998 Montrose 92/100.
Inzwischen waren auch Toni und Christoph eingetroffen, die über Mittag in fremde Töpfe geguckt hatten. Und mit ihnen gesellte sich zu uns eine 1985 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese Goldkapsel #17 von Fritz Haag. Taufrisch wirkte dieser geniale Wein, der auf der Zunge tanzte, so eine tolle Säure, so eine Strahlkraft und Brillianz, feine Rieslingfrucht gepaart mit dezenter Honignote, so perfekt balanciert und ausgewogen, lang am Gaumen. Nur die klare, goldgelbe Farbe zeigte, dass dieser Wein aus dem letzten Jahrtausend stammte 95/100. Ich konnte kaum glauben, was ich da im Glas hatte. 1997 hatte ich diesen Wein zweimal im Glas und war sehr enttäuscht. Damals glaubte ich, der habe seine Zukunft hinter sich. Inzwischen weiß ich, dass hochkarätige Auslesen zwar auch sehr jung Spass machen können, ihre echte Klasse aber erst nach 20 Jahren und mehr zeigen. Dazwischen lässt man sie besser in Ruhe. Blutjung, aber schon so betörend danach der 2006 Nuits-Saint-Georges aux Murgers 1er Cru von Meo-Camuzet, wunderbare, delikate Frucht, reife Waldbeeren, aber bei aller Finesse und Eleganz so enorm druckvoll, kräftig und lang 93+/100.
Der Regen wurde immer heftiger, es war kaum noch auszuhalten. Das Lokal war leider für den inzwischen angebrochenen Abend ausgebucht. Doch das Wetterradar auf dem Iphone hatte eine kurze Regenlücke angekündigt, die sich auch pünktlich einstellte. Die nutzten wir konsequent. Ab nach Hause, rein in trockene Klamotten, dann rein in den Keller, zwei Weintaschen vollgestopft, ab ins Taxi und schnell zu Franz Josef ins Marlis. Da waren wir sicher vor den Fluten, die sich jetzt hemmungslos für den Rest des Abends und der Nacht über Düsseldorf ergossen. Schnell war unsere Runde wieder komplett. Franz Josef begrüßte uns mit einem 2010 Meddersheimer Rheingrafenberg Riesling Kabinett von Harald Hexamer, seinem ersten, spontan vergorenen Wein. Was für ein Teil! Spontan vergoren kann nicht jeder, lieber Harald, aber Du scheinst es drauf zu haben. Lass die Finger von den Reinzuchthefen und mach mehr von diesem geilen Zeugs. Dann räume ich im Keller gerne ein großes Regal für Dich frei. So ein brillianter, spannungsgeladener, mineralischer Wein mit (nicht entsäuert) großartiger Säure, perfektes Süße-/Säurespiel, Zukunft ohne Ende, hält locker mit großen Kabinettweinen von der Mosel mit 90+/100.
Dann wurde es alt in unseren Gläsern. Nicht spontan vergoren, sondern im Keller spontan gegriffen waren diese Weine. Tiefgülden der 1937 Chassagne Montrachet von Drouhin, aber oxidiert, bissige Säure, nur noch mit Schmerzen zu trinken. Franz Josef versprach, ihn zu einer guten Beurre Blanc zu nutzen. Etwas brillianter die goldbraune Farbe des 1938 Chassagne Montrachet von Drouhin, wunderbare, generöse, karamellige Nase, furztrocken am Gaumen mit der Säure eines Rieslings aus verregnetem Jahr, aber immerhin noch trinkbar 81/100.
Richtung vidange, also noch unter low shoulder, ging der Füllstand der Hochrisikoflasche 1950 Rol de Fombrauge aus St. Emilion. Doch sensationell immer noch die superdichte, altersfrei wirkende Farbe, die Nase kommt da nicht mit und erinnert eher an ein großes Wurstbrot. Am Gaumen dafür weich, generös mit feiner Süße und guter stützender Säure 86/100. Würde ich gerne mal aus guten Flaschen trinken. Etwas ältlich wirkte trotz gutem Füllstand der 1950 Beaune Grêves vom Comte de Moucheron 82/100. Aus 1950 gibt es in Burgund einige Überraschungen, das hier war eher die Norm. Dafür verwöhnte unsere Gaumen und Nasen ein schon vom Bouquet her betörender Traumburgunder, ein einfacher 1953 Pommard von Mommessin, schmelzig, süß und generös am Gaumen, weich und reif, aber immer noch mit gutem Rückrat 94/100. Dicht, portig, kräftig und nicht nur in der irren Farbe noch so jung ein 1952 Canon-la-Gaffelière mit guter, stützender Säure 92/100.
Und dann kam der Knaller des Abends, eigentlich aufgehoben und vorgesehen für eine große Probe, aber wenn ich ihn nun schon mal gegriffen hatte . Ganz großes Kino war dieser 1959 Côte Rotie von Jaboulet Ainé, mit perfekt balanciertem Verhältnis aus Frucht, Säure und immer noch spürbaren Tanninen, animalisch, zupackend, aber auch mit schöner Süße, so komplex und dabei noch so jung wirkend, ein Monument, das ewig lang am Gaumen bleibt 97/100.
Aufhören sollte man, wenn es am Schönsten ist. Das dachte sich wohl auch der 1986 l Eglise Clinet, der sich dem Vergleich durch einen deutlichen Kork entzog. Schade, die Kraft dieses großen Weines war trotz Kork deutlich zu spüren. Aber davon habe ich noch für ein anderes Mal, vom Côte Rotie leider nicht.
Es schüttete auf dem Heimweg immer noch aus Eimern. Wie gut, dass Rheintaxi Mercedes einsetzt und keine Rickschas.

Tantris ohne Paula Bosch

Geht das, Tantris ohne Paula Bosch? Für viele Weinfans mag das undenkbar sein, aber es ging nicht nur gut, sondern verdammt gut. Ein Dreierteam bestehend Justin Leone(Kanada), Xavier Didier(Frankreich) und Stefan Peter(Deutschland) mit viel Liebe zum Wein und dem dazugehörigen Weinverstand macht seine Sache sehr engagiert und professionell.
Wir starteten an der Bar als Apero mit einer 2003 Graacher Himmelreich Auslese Goldkapsel von JJ Prüm. Viele Weine gewinnen mit steigender Temperatur. Dieser hier gewann mit zunehmender Zeit im Eiskühler, ein typischer 2003er eben, dem es an balancierender Säure fehlt, die Nase floral mit Lychees und Honigblüten, der Gaumen mineralisch, weich mit cremiger Textur, deutliche Honigsüße, durch die reife und kaum spürbare Säure fast etwas klebrig wirkend. Jammern auf hohem Niveau, denn er trank sich trotzdem sehr schön 91/100. Überraschend gut danach eine 1992 Walluffer Walkenberg Spätlese trocken von JB Becker, das prägnante Säuregerüst hat diesen Wein erstaunlich frisch gehalten, trotz deutlicher Petrolnote und etwas stahliger Frucht, steht wie eine Eins im Glas und ist ein guter Essensbegleiter 90/100.
Rätsel gab der erste Rotwein auf, ein 1986 Lafite Rothschild. Tiefes Rotbraun mit sehr dunklem Kern, ein Monster, das sich nur sehr zögerlich und widerwillig öffnet, immer noch mächtige Tannine und deutliche Astringenz, die portige Nase erinnert zu Anfang an 47er Vandermeulens, öffnet sich dann mit der Zeit etwas, um schließlich wieder flacher und gewöhnlicher zu werden. Auch am Gaumen spielte sich nicht viel ab. Zwischendurch schien es, der Lafite würde massiv ausbauen und dabei dichter, komplexer und auch etwas gefälliger werden, aber auch das währte nur kurze Zeit. Wir warteten auf den Knall, das 100 Punkte Erlebnis vergeblich. Den Knall bekam man höchstens im Kopf, wenn man daran dachte, was eine solche Flasche heute auf dem internationalen Markt bringt. Zu Anfang hatten wir 90+/100 im Glas, zwischendrin auch mal 93+/100, zum Schluss waren wir wieder bei 90+/100. Da kann ich durchaus verstehen, wenn Sammler ihre Flaschen nicht nur aus Geldgeilheit, sondern auch aus Frustration nach China verkaufen. Es soll bessere Flaschen dieses Weines geben, weiter entwickelte. Nur richtig groß hatte ich ihn noch nie im Glas. Und wer die Flasche umdreht, sich nicht vom Etikett beeindrucken lässt, kann eigentlich nur den Kopf schütteln. Wie gut, dass wir im anderen Glas einen 1990 Cheval Blanc hatten, einen Traumwein par Excellence. Schon diese süchtig machende Nase, dieses unnachahmliche Cheval Blanc Parfüm. Klar kann man jetzt versuchen, das in Einzelaromen zu zerlegen, von reifen Maulbeeren über Eukalyptus, feinstes Handschuhleder bis hin zu Minze, Aber das kann dann nicht annähernd beschreiben, was hier abgeht. Das Ganze ist hier erheblich mehr als die Summe der Einzelteile. Ähnlich am nicht enden wollenden Gaumen mit dieser dekadent leckeren Cashmeresüße, dabei so hoch elegant, so schmeichelnd. Der in seiner Jugend etwas exotische, wilde Cheval Blanc hat sich zu einem perfekt balancierten Ganzen entwickelt, totale Harmonie aus Frucht, Süße, Säure, Tannin einfach nur groß und denkwürdig 100/100. Eigentlich sollte man nach einem solchen Wein aufhören, sofort nach Hause ins Bett und weiterträumen. Und was machen Freaks stattdessen? Denken schon wieder an den nächsten Kick und finden auf der mächtigen Tantris Karte noch eine sehr fair gepreiste Trouvaille, den legendären 1995 Pingus, von dem ein guter Teil der Ernte auf dem Grund des Atlantiks liegt. Ich habe erst etwas gezögert, denn meine letzten vier Begegnungen mit diesem Jahrhundertwein waren längst nicht so euphorisch wie die ersten beiden 1999. Aber wie sollten wir es sonst erfahren, ob dieser Pingus wieder zu alter Form zurückkehrt? Das Risiko eingehen, dass in den folgenden Tagen und Wochen jemand anderes diese Flasche entdeckt und köpft? Niemals! Und es hat sich gelohnt. Was für ein Wein, schon diese undurchdringliche, dichte Farbe, dann diese explosive Aromatik, diese unbändige Kraft, die reife, süße Schwarzkirsche, die an den 1985 Sassicaia in seiner Hochzeit erinnerte, Teer und Tabak von 1982 La Mission, so unglaublich dicht und lang am Gaumen, ein riesengroßes, singuläres Weinerlebnis, das gibt noch mal ganz klare 100/100. Der Pingus ist wider da, wo er damals angefangen hat und wird auf diesem einmaligen Niveau noch lange bleiben.
Ach ja, hervorragend gegessen haben wir auch in diesem Tantris, das auch an einem normalen Donnerstag bis auf den letzten Platz besetzt war. Nur draußen konnten wir leider nicht sitzen, es war ja Juli und nicht April.

Willkommen im Weinzimmer

Eigentlich steht die Düsseldorfer Altstadt mehr für Altbier. Doch jetzt gibt es direkt am Burgplatz mit dem Weinzimmer auch eine chice Weinbar, betrieben von zwei charmanten, gereiften Mädels. Die Weinkarte und das große Angebot offener Weine sind preiswert ausgelegt und zielen weniger auf Spesenritter und Etikettentrinker. Das gute Glas vor dem Theater ist hier ebenso angesagt wie das Glas nach dem Theater und natürlich auch die Flasche statt Theater.
In munterer Runde konnte ich hier kürzlich ein paar Weine verkosten. Die 2008 Bernkasteler Badstube Kabinett von Molitor war ein sehr kräftiger, fetter Wein, der für diesen gewaltigen Extrakt noch eine Spur mehr Säure gut gebrauchen könnte, eher Spätlese als Kabinett 88/100. Dunkle Früchte, viel Weihnachtsgewürz, Vanille und Zedernholz zeigte der mineralische 2007 Vinha Paz Reserva aus Portugal. Ein sehr mineralischer, kräftiger wein mit guter Tanninstruktur, der erst ganz am Anfang steht 91+/100. Deutliche Restsüße zeigte der 2007 Ockfener Bockstein 1. Gewächs des Saar-Weingutes von Othegraven, sehr reif wirkend mit Petrolnoten, nicht ohne Charme, aber die jugendliche Spritzigkeit hat der längst verloren 87/100. Sehr jugendlich der 2009 Schloss Vollrads Kabinett feinherb mit dem typischen Gummibärchen-Touch der Reinzuchthefe, knackige Säure, ein gefälliger, etwas poliert wirkender Saufwein 83/100.

Das Taillevent in Paris

Zu den Klassikern gehört das Restaurant Taillevent in Paris. 34 Jahre lang hatte es drei Sterne, verlor den dritten aber 2007. Bei unserem letzten Besuch hatten wir das Gefühl, dass der bald wiederkommen könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das wünschen soll. Die Küche von Alain Soliveres ist superb und sehr aromatisch, keine Schäumchen, kein Teller-Ikebana, einfach klassisch mit modernen Einsprengseln. Sein Motto lautet "La vraie cuisine est faite de simplicité". Der Service ist absolute professionell, aber auch freundlich und unverkrampft. Zwei Sommeliers kümmern sich um das, was der legendäre Keller bietet. Der jüngere von beiden ist mal gerade 21 Jahre alt. Unglaublich, was der bereits an Weinkenntnissen drauf hat. Wenn ich im dem Alter schon so weit gewesen wäre, hätte der Wineterminator heute den dreifachen Umfang.
Als Apero die animierende, frische-fruchtige, mineralische 1999 Zeltinger Sonnenuhr von JJ Prüm, die wie schon vor ein paar Wochen auf der großen Prüm-Probe in Lerbach punkten konnte. Im Taillevent kann man bedenkenlos auch ältere Weine trinken, denn die stammen in der Regel aus alten Beständen und einem perfekten Keller. Für freundliche € 250 wählten wir einen 1982 Petit Village, der jetzt endlich reif ist mit Leder, Unterholz, Trüffeln und viel Schmelz, ein großartiger Pomerol auf dem Höhepunkt 94/100. Bis dahin hat der 1988 Vieux Certan aus solch kühlem Keller wohl noch eine Weile, kräftig, etwas ruppig, gut trinkbar, wird sich aber noch entwickeln 91+/100. Ein Traum dann 1979 Haut Brion eben aus perfektem Keller, immer noch so jung mit der typischen Cigarbox-Aromatik, eine meiner bisher besten Flaschen 94/100.
Als Absacker wählten wir einen 2004 Wehlener Sonnenuhr Kabinett von JJ Prüm frisch, fruchtig, animierend, besser als jeder Espresso, passt perfekt vor und hinter jedes Menü, natürlich auch zum Menü 92/100. Zwei JJ Prüms auf der Karte eines französischen Sternetempels, das spricht ebenfalls für dieses Restaurant. Mittags gibt es übrigens im Taillevent ein für Paris und ein solches Restaurant wohlfeiles, viergängiges Mittagsmenü für € 80. Unbedingt zu empfehlen, nur nicht im August, da macht das Taillevent Urlaub.

Der 111jährige Notfall

Warum ist denn diese Flasche offen, fragte meine Tochter. Sie hatte sich im Keller umgeschaut, während ich Kisten mit Neuerwerbungen schleppte. Offen? Was für eine Flasche? Wie vom Donner gerührt betrachtete ich diese ultrarare 1900 Chambolle Musigny Bonnes Mares Magnum von Jaboulet-Vercherre, in der selig der Korken schwamm. Da half jetzt nur noch Eines

Vorsichtig transportierten wir die Flasche ins Saittavini und informierten von unterwegs noch ein paar gute Freunde. Was war passiert? In der stehenden Flasche hatte sich irgendwann in den letzten Monaten der Korken gelöst. Und da die ursprüngliche Versiegelung der Flasche nur noch zum Teil vorhanden war, klaffte jetzt oben ein Loch. Schnell hatten wir ein Glas herbeigezaubert um zu überprüfen, ob diese, eigentlich für eine große Probe vorgesehene Rarität noch genießbar war. Sie war es. Da erwartete uns alles andere als eine Leiche. Zu versuchen, die Flasche wieder zu verschließen, schied für mich aber aus, da ich ja nicht wusste, wie lange sie schon offen war. Also blieb nur eines, Trinken und zwar sofort. Schnell wurden noch ein paar Freunde alarmiert. Eigentlich war diese Flasche als Star einer größeren Probe in den nächsten Jahren vorgesehen. So tranken wir sie halt jetzt in kleinerer Runde, was den nicht unerheblichen Vorteil hatte, dass jeder von uns sehr reichlich ins Glas bekam. Etwas Ehrfurcht habe ich schon, wenn so ein zeitgeschichtliches Monument vor mir steht. 111 Jahre sind ja kein Pappenstil. Was haben sich die Menschen nicht alles vom 20. Jahrhundert erhofft. Sicherlich nicht diese beiden, fürchterlichen Weltkriege. Aber es hat sich halt nur die Technik deutlich weiterentwickelt, nicht die Vernunft derer, die sie nutzen.
Mit tiefer, dunkelbrauner, aber durchaus noch gesunder und sogar klarer, brillianter Farbe floss der Bonnes Mares in unsere Gläser. In der Nase waren da erst leicht oxidative Sherrynoten eines Amontillado, aber auch dunkles Malz und eine generöse Süße. Erstaunlich kräftig war dieser Senior noch und verdammt gut zu trinken, stand wie eine Eins im Glas und baute nicht ab. Mit der Zeit wurde er etwas portiger, dazu kam eine durchaus angenehme, lakritzige Bitternote, die auf eine weit verbreitete Methode der damaligen Zeit hindeutete. Hier war sicherlich hochwertiger Hermitage mit verschnitten worden. Geschadet hat es dem Bonnes Mares nicht. Gut und gerne 94/100 hatten wir da im Glas, der erlebniswert einer solchen Flasche lässt sich in Punkten kaum ausdrücken.

Deutlich jünger wurde es danach, nur beim Flaschenformat blieben wir. 2001 Sassicaia aus der Magnum kam ins Glas. Den habe ich 2006 und 2009 als eleganten, feinen Wein mit 91/100 im Glas gehabt und durfte heute wieder dazu lernen. Sassicaia braucht einfach Zeit, 10 Jahre dürften das Minimum sein. Wer heute 2006 oder 2007 aufreißt, ist schlicht und einfach wahnsinnig, denn er sieht vom großen Kino, das diese Weine mal bringen werden, mit Glück gerade mal einen Trailer. Gewaltig war das, was hier aus dieser Magnum kam, reife Schwarzkirsche, Leder, Tabak, Lakritz, feine Kräuter, rauchige Mineralität, einfach eine immens druckvolle Aromatik, gestützt und balanciert durch eine gute Säure und ein intaktes Tanningerüst, da war reichlich Kraft, Fülle und Länge, aber auch eine überzeugende Harmonie und natürlich massig Zukunft 94+/100. Schon wieder ein Wein auf meiner Suchliste.
Gewaltig danach auch die 1996 Pesquera Millenium Reserva aus der Magnum, das beste vom besten aus diesem Pesquera Jahrgang, die Trauben von den ältesten Rebstöcken, ausgebaut in französischer Eiche. Tiefe, tintige Farbe, deutlich spürbar das wohl getoastete Holz, würzige, kräftige Fülle, modern in der Anmutung, hoher Hedonismus-Faktor 94/100.
Beim anschließenden, genialen Schlusspunkt dieses ungeplanten Powerlunches musste ich unwillkürlich an einen klassischen Spruch aus der Kampener Clubszene denken: Moet macht blöd, Roederer macht blöderer, nur Krug macht klug. Und den hatten wir im Glas. Krug ist ein Champagner, der polarisiert. Ich liebe diesen kräftigen, maskulinen Stil, dieses gewaltige Alterungspotential und den unerhörten Spannungsbogen. Krug kann nicht nur, Krug muss altern. Es ist nun mal einfach der Latour unter den Champagnern. Eigentlich noch viel zu jung war dieser 1998 Krug, der aber trotzdem schon viel Faszination ausströmte. Kräftig, komplex, dicht, nussig, dicke Brotkruste 94+/100. Wer kann, kauft davon 12 Flaschen und trinkt alle 2 Jahre eine. Bei den beiden letzten wäre ich dann gerne dabei.

Mit in unserer Runde Holger Berens, bei dem wir dann auch gleich einen Tisch für den Abend reservierten. Mit ein paar Strohwitwern hatte ich mich, nicht wissend, was mich mittags erwartete, verabredet. Absolut göttlich das Menü, mit dem wir am Abend im Berens am Kai verwöhnt wurden. Der gute Holger Berens hat derzeit einen sensationellen Lauf. Da fragten wir uns am Tisch schon, warum solch ein Top-Lokal mit einem mickrigen Michelin-Stern auskommen muss. Was wir auf die Teller bekamen, war konstant auf Zwei-Sterne-Niveau, zwei Gänge kratzten auch am Dritten.
Gelungener Einstieg der immer noch jugendlich-frische 2001 Chassagne Montrachet 1er Cru Les Ruchottes von Ramonet. Gegenüber der letzten Begegnung 2006(89/100) hat dieser Wein deutlich an Komplexität und Dichte zugelegt, nussig, füllig, lang, balanciert durch gute Säure und einfach sexy 93/100. 10 Jahre sind für einen guten Weißen Burgunder wie diesen kein Alter, 15-20 locker machbar. Sehr angenehm überrascht waren wir auch von 1964 Beychevelle in einer Barrière-Abfüllung, immer noch so jung, so komplett, so groß, mit feiner Süße und guter Länge 94/100. Beychevelle dürfte damals noch rechtzeitig vor dem großen Regen geerntet haben, und Barrière hat sich mal wieder die besten Fässer ausgesucht. Ziehe ich der Chateauabfüllung unbedingt vor. Absoluter Star des Abends, der Woche, des Monats und wohl auch des bisherigen Jahres war 1947 Conseillante Vandermeulen. Auch dieses perfekte Bordeaux-Gegenstück zum legendären 1947 Chambertin Vandermeulen braucht mehrere Stunden Luft in der Karaffe, um sich voll zu entfalten. Die haben wir ihm diesmal gegeben. Das Ergebnis war ein überragender, unglaublich druckvoller, perfekter Wein mit superber Frucht, sehr dichter Farbe und nicht enden wollender Länge. Über 20mal hatte ich den bisher im Glas, und auch diesmal kam ich wie alle in der Runde aus dem Staunen nicht heraus, eine Legende 100/100. Gut, dass wir danach den 1983 Cheval Blanc im Glas hatten. Der konnte sich wenigstens einigermaßen wehren und hat einfach alles, was man sich von einem trinkreifen, großen Cheval Blanc wünscht, dieses unnachahmliche, seidig-elegante Cheval-Parfüm in der Nase, die dekadent süße, leicht portige und exotische Fülle, diese druckvolle Aromatik und diese perfekte Struktur, einfach groß und noch lange nicht am Ende - 97/100. Ziehe ich derzeit dem 82er vor. Jung, charmant, kräuterig und kräftig der 1985 Grands Echezeaux von Mongeard-Mugneret, etwas rustikal mit leicht ruppigen Tanninen 92/100. Ebenfalls noch recht jung und kräftig, aber weitgehend charmefrei ein 1966 La Conseillante, mehr Pauillac als Pomerol 90/100. Dürfte sich auf diesem Niveau noch länger halten.

Grillen auf der Kö

Schon mal einen Grill auf Düsseldorfs Nobelmeile gesehen? Es gibt halt für alles ein erstes Mal. Letzten Sonntag war es soweit. Franz Josef Schorn hatte die Terrasse des Marli in eine fröhliche Grillzone umgewandelt. Lauter nette Menschen, die den gegrillten Genüssen huldigten. Dazu gab es reichlich Bier und Weißwein. Und für die Hardcore-Weinfreaks gab es ein paar honorige Flaschen aus Wineterminators Keller.
Den Anfang machte ein 1945 Gevrey Chambertin Paladin von Mähler-Besse. Das war ein klassischer 45er aus dem Jahr, wo die Natur mit den Frühjahrsfrösten für eine natürliche Erntebegrenzung sorgte und sich mit grandioser Qualität für die schlimme Kriegszeit revanchierte. Superdichte Farbe, noch so jung, so dicht, so konzentriert und kräftig, ein Powerburgunder mit Potential für Jahrzehnte 95/100. Reif, bräunlich und etwas trüb die Farbe des 1925 Castillo YGAY von Marques de Murietta, aber was für ein Wein! Ok, ich hätte ihn vielleicht noch ein paar Monate liegen lassen sollen. Er war erst 14 Tage vorher aus Spanien gekommen, und alte Weine brauchen nach solchen Strapazen ein paar Monate Ruhezeit. Aber die Neugier auf dieses "Hämmersche" war einfach größer. Und der YGAY war in der Nase und am Gaumen alles andere als alt, so süß, so würzig, so komplex und lang, Rioja at it s very best 97/100. Und die fehlenden 3 Punkte zu den 100/100, mit denen ich diesen Wein schon mehrfach im Glas hatte, bringt dann die Zwillingsflasche. Auch vor 14 Tagen gekommen und jetzt in Quarantäne mindestens bis Weihnachten. Überraschend gut danach ein 1970 Leoville Poyferré, keine perfekte(upper shoulder), dafür aber absolut reife Flasche, tiefes, dunkles Braun, portige, süße Fülle mit einem Schuss Kaffee und Schokolade, geradezu verschwenderische Süße, statt des befürchteten 70er Knochen Hochgenuss pur 93/100. Und wo wir gerade bei den Überraschungen waren. Ausgerechnet aus dem Keller eines Weinfreundes hatte ich, ohne dass wir beide voneinander wussten, bei Ebay einen 1985 Silver Oak Alexander Valley erworben. Er hatte ihn für nicht mehr trinkbar gehalten. Was wären die heute bei Silver Oak froh, wenn ihre aktuellen Weine noch so gut wären. Taufrisch war der noch mit süßer, roter Johannisbeere und der typischen Dillnote. Hatte ich früher häufiger, aber noch nie so gut im Glas 94/100. Die große Röstaromen-Oper genossen wir dann mit einem 1999 Quinault l Enclos, der sich einfach in bestechender Form zeigte, sicher nicht der komplexeste aller Weine, aber einfach Hedonismus pur 94/100. Und dann war da noch ein großartiger 1992 Petrus, der den schwachen Bordeaux-Jahrgang Lügen strafte. Noch einen Tick besser und druckvoller als vor ein paar Monaten im D Vine, ein enormer, junger, kompletter Wein mit faszinierendem Spagat aus Kraft und Finesse 95/100.
Meine Tasche war leer, aber da waren ja noch die Weinvorräte des Restaurants. Eine Rarität hatte ich dort gesehen, einen 2005 Vino Rosso in der Magnum, den man nirgendwo kaufen kann. Ein Geschäftsfreund füllt ihn nur für Freunde und Verwandte in kleinen Mengen ab. "Imbottigliato dall produttore per gli amici e parenti" stand bezeichnend auf dem Etikett. Die Magnum hatte er vor ein paar Jahren bei einem gemeinsamen Besuch bei Franz Josef gelassen. Jetzt war sie dran. Wunderbare Kirschfrucht und Fülle, fruchtige Süße, balanciert durch gute Säure und Struktur, weich, generös und einfach lecker, ging runter wie Öl 92/100. Jetzt musste auch noch eine 2001 Ridge Monte Bello Doppelmagnum dran glauben. Was für ein Riese kam da aus der Flasche, ein großer, aber auch heftiger Ridge Monte Bello, vielleicht einen Tick offener als aus der Magnum eine Woche vorher in Weggis 96/100.
Grillen auf der Kö kann verdammt viel Spaß machen.