Juni 2012

Sylter Wein- und Fußballfreuden

Endlich wieder Sylter Boden unter den Füßen und Sylter Luft in der Nase. Auf der Terrasse des Walters Hof mit dem genialen Blick über den Norden der Insel und beide Meere genießen wir als Apero eine rassig mineralische, furztrockene 2007 Eitelsbacher Auslese trocken mit feinem Petrolton - 90/100. Passt mit seiner beschwingt fröhlichen Art und der knackigen Säure zur würzigen Sylter Luft wie Pott auf Deckel. Wir waren für einen kurzen Urlaub auf unserer Lieblingsinsel. Dass gleichzeitig Fußball EM war, stellte sich nicht als Nachteil raus. Mehr freundliche Menschen heißt oft auch größere Weinauswahl. Da muss man nicht einsam an einer Flasche Wein nuckeln, sondern tauscht Gläser. So wird die Auswahl größer, ohne dass man sich sinnlos besaufen muss, was eh nicht zu großen Weinen passt.

Einfach fantastisch trank sich zum großen Menü bei Jörg Müller die Wehlener Sonnenuhr GG von Kesselstatt mit geradezu saftiger, betörender Frucht und toller Struktur, herrlicher Abgang, dabei rassig schlank am Gaumen - 92/100. Da werde selbst ich zum Fan trockener, großer Mosel-Gewächse. Dicht, kräftig, edel-rustikal, sehr mineralisch mit reifer Marille und präziser Struktur der 2007 Riesling Loibner Steinertal Smaragd von Alzinger - 92/100 wird mit Luft cremiger. Ein echtes Monument der 2006 Pettenthal Riesling von Gunderloch mit gewaltiger Mineralität, zupackend, sehr lang einfach genial - 94/100. Mit dem Chef des Hauses tranken wir zu später Stunde noch einen faszinierenden, aber immer noch recht jungen 1989 Montrose, animalisch mit dunkler Frucht und Lakritz die Nase, am Gaumen ein gewaltiges Muskelpaket mit enormem Druck, aber auch erster Süße und auch immer noch mit bissigen Tanninen 96/100. Wird sich sicher über 20 Jahre weiter entwickeln und könnte eines Tages dem 90er mal die Schau stehlen.

Sonne auf Sylt, wie herrlich. Also landeten wir auf der auf Terrasse von Karsten Wulf, wo uns Norman und Anke bestens umsorgten. Ein 2009 Baccharacher Hahn GG von Toni Jost war unsere erste Wahl, schlank, elegant mit pikanter Frucht und rassiger Säure, kein typisches 2009er GG 90/100. Deutlich spannender und vielschichtiger mit enormem Tiefgang war der 2009 Siefersheimer Heerkretz GG von Wagner-Stempel 92/100. Und dann kam plötzlich und unerwartet ein kurzer, knackiger Regenschauer. Wir rückten mit dem Nachbartisch unter einem riesigen Sonnenschirm zusammen, der sich auch als Nässeschutz hervorragend eignete. Und da es auch kühl wurde, fiel das Stichwort "Rotweinwetter". Da gab es nur Eines, die letzte Flasche 1994 Dominus des Hauses musste dran glauben. Die präsentierte sich wohl wärmer gelagert als meine in perfekter Trinkreife. Dominus 94 pur, das berühmte Pferd samt Sattel, in bester Bordeaux-Stlistik - 97/100. Kein Wunder, dass danach wieder prächtig die Sonne schien.

Ist dieser 2009 Oelberg GG von Kühling-Gillot ein großer Riesling? Und was ist überhaupt ein großer Riesling? Ich sitze mit Ivo vor seinem Ivo&Co und sehe voll Erstaunen, wie dieser Wein mit tiefgoldener Farbe in unsere Gläser fließt. Dabei ist er alles andere als reif, sondern noch blutjung. In der komplexen Nase reifer Pfirsich, aber auch orientalische Früchte und eine enorme Mineralität, was sich am Gaumen mit gewaltigem Tiefgang und leicht ölig wirkender, cremiger Textur fortsetzt. Spontan kam mir Coche Dury in den Sinn. Der würde, wenn er Riesling Reben hätte, wohl genau so einen Wein machen. Kein Wunder, dass sich der Oelberg im Burgunderglas sehr wohl fühlt, an meinem Gaumen mit endlosem Abgang sowieso. Das ist ungewöhnliches, aber sehr großes Riesling Kino. 95/100 sind das bei mir, in 5-10 Jahren vielleicht noch mehr. Bei Parkers David Schildknecht sind es 89, und das ist gut so. Einen 89 Punkte Wein kann man nicht exportieren, damit kann man nicht spekulieren, den kann man nicht versteigern. Den kann man nur kaufen, lagern und genießen. Und das werden außer mir wohl noch viele derer tun, die einen solch eigenständigen, außergewöhnlichen Wein würdigen können. Prost Ivo.

Im Walters Hof orderte ich zur Seezunge einen 2009 Grünen Veltliner Rosenberg von Ott hast Du einen süßen Wein bestellt? Fragte meine Frau. Der hatte so eine intensive Extraktsüße, durch die er wirklich restsüß und unbalanciert wirkte, sollte sich mit den Jahren legen, derzeit nur begrenzter Genuss 86+/100. Deutlich besser der herrliche 2007 Marius aus Côtes de Catalanes, Ausgerechnet "Oberpreistreiber" Frederic Engerer von Chateau Latour zeigt uns mit diesem Wein seines eigenen Weingutes, dass großer Genuss auch ohne Bordeaux geht, offener und zugänglicher als seinerzeit der 2005er, aber nicht minder spannend mit süßer, reifer, dunkler Frucht, mineralisch, lakritzig 93/100.

Traumweine gab es gestern auf Sylt bei Traumwetter mit supernetten Leuten auf wunderschönen Terrassen. Heute ist Sturm. Mit 60 km/h Gegenwind haben wir uns zu Fuß nach Westerland gekämpft, stets gut wassergekühlt von oben. Dafür ist jetzt in Jörg Müllers Pesel Genuss angesagt. Der 2007 Altenberg Alte Reben von Van Volxem aus der Magnum schmeckt wahrscheinlich so wie die großen Saarweine um 1900, an denen sich Europas Königshäuser delektierten, ein Traum mit gut eingebundener, leichter Restssüße - 94/100. Noch einen Tick drüber, ebenfalls aus der Magnum, die 2006 Hochheimer Hölle Goldkapsel von Künstler, Aprikose in ihrer schönsten Form, sehr mineralisch und immer noch blutjung - 95/100. Geht solch ein großer, trockener Wein auch zu einem Dessert? Kein Problem für Maitre Schwarz, JM's Küchenchef und Patisserie Genie. Der probierte ein Glas der Hölle und zauberte dazu einen Traum von Crepe Suzette. Uns geht es gut, verdammt gut. Ich könnte jetzt aus dem Stand gegen Portugal 3 Tore schießen. Aber erstmal gibt es in erweiterter Runde am Tisch noch ein Match zwischen zwei großen Rotweinen. 1998 Pavie überzeugt mit herrlicher, reifer Frucht, aber auch mit kühler, rauchiger Aromatik, ein wunderbarer Kalifornier aus Bordeaux. 1998 Chateau Montelena stellt sich dagegen als der Bordeaux aus Kalifornien dar, mit schöner Kirschfrucht und sehr guter Struktur, erst ganz zum Schluss überwiegen Minze und Eukalyptus, ein noch sehr jung wirkender Wein mit langer Zukunft. Da steht es 1:1 auf zweimal 95/100 Niveau zwischen zwei Weinen, die beide eine bedenkenlose Nachkauf Empfehlung sind. Da kommt der später dazu gestellte 1999 Ridge Monte Bello auch mal hin, ein noch sehr jung wirkender Wein, ungestüm und mit präsenter Frucht, aber mit gewaltigem Potential und deutlichem Tanningerüst 93+/100. Gehört noch ein paar Jahre weggelegt.
Eine Lehrstunde in Reife und Genuss bekamen wir bei Frans Ganser. Ich bin bekennender Fan des Malterer von Huber aus Baden. Nur ist diese voluminöse Cuvée aus Freisamer und Weißem Burgunder, die sich prächtig als Pirat in jeder Burgunderprobe machen würde, meist zu jung. Doch hier gab es 2oo5 Malterer in Bestform, großer Burgunder mit süßem Schmelz, exotischer Frucht, feiner, nussiger Barriquenote und endlosem Abgang 95/100. Aus beiden Flaschen einfach ein Traum.
Zurück ging es zu Jörg Müller, wo wir das Spiel Deutschland gegen Portugal erlebten. Bis auf den Gomez-Knaller ganz schön dürftig, dieses 1:0. Da lobte ich mir den 1989 Lynch Bages, einen gewaltigen, hedonistischen Bordeaux mit noch längerer Trinkreife(96/100), der perfekt meine fantastischen Seezungenfilets in Noilly Prat mit Morcheln begleitete.

Der nächste Tag war vom Wetter her ähnlich grottig wie der davor. Nur waren wir diesmal schlauer, und unsere Karawane ließ sich vom Sturm Richtung Norden treiben. Unser Ziel war die Lister Weststrandhalle, wo Familie König im rustikalen Ambiente eines alpenländischen Berggasthauses mit österreichisch inspirierter Küche verwöhnt. Schlichtweg ein Traum meine panierten Seeteufelbäckchen Wiener Art, vom göttlichen Kaiserschmarrn ganz zu schweigen. Glücklich waren wir mit dem mineralischen 2008 Scharzhofberger GG von Kesselstatt, das sich ähnlich gut trank wie 2 Monate vorher an gleichem Ort der 2007er 90/100. Eher leichte Probleme hatten wir mit dem 2007 Grünen Veltliner Creation vom Tegernseerhof. Dieses mächtige Teil mit 15,5% Alkohol und spürbarer Restsüße war einfach zu dick, zu süß und zu alkoholisch 86/100. Aus Erfahrungen mit anderen Weinen ähnlicher Machart weiß ich, dass sich das in 10 Jahren völlig anders darstellen kann. Da hätten wir wohl besser den 2009 Siefersheimer Riesling Porphyr von Wagner-Stempel genommen, einen herrlich saftigen, mineralischen Wein, von dem wir aus der letzten, offen ausgeschenkten Flasche nur noch einen Probeschluck bekamen - 90/100. Gut gefiel uns auch der 2009 Leberl Chardonnay Reichesbühl, ein mineralischer Vanillecocktail mit erstaunlicher Struktur 89/100.

Was für ein Fußballabend! Mit Klaus haben wir uns im Wiin Kööv angesehen, wie Spanien und Italien ein Fußballfest allererster Güte ablieferten. Da könnten sich Jogis Altherren mal ein Beispiel dran nehmen. Vor uns stand ein erst 2011 abgefüllter 2007 Niersteiner Riesling von Kühling -Gillot mit schmelziger Fülle, viel Mango, cremiger Textur, aber auch leicht irritierender Restsüße, bringt vielleicht in ein paar Jahren noch mehr als die ja auch nicht gerade schlechten 90/100 von heute. Ein Unentschieden gab es bei uns nicht, denn der 2007 Kirchenstück Goldkapsel von Künstler legte deutlich eins drauf. Weicher, schmelziger als die Hölle des Weinguts, aber auch sehr mineralisch mit hoher Extraktsüße - 92/100.
Den zweiten Teil des Fußballabends verbrachten wir im Waltershof mit einem perfekt gereiften, würzigen 2006 Grünen Veltliner Kies von Kurt Angerer - 87/100. Schlichtweg ein Traum so wie das erfrischende Spiel der Kroaten der dekadent leckere 2008 Monteverro(95/100), mein Geheimtipp für die Wein-EM.

Endlich schien auf Sylt mal wieder die Sonne. Und das an einem Montag, wo fast all unsere angedachten Terrassen-Ziele Ruhetag hatten Also landeten wir noch mal bei Karsten Wulf, was nun wirklich nicht die schlechteste Wahl ist. Hier starteten wir zu frisch gepulten Nordseekrabben mit einer 2009 Saarburger Rausch GG von Geltz-Zilliken, feine, traubige Rieslingfrucht mit dezenter Extraktsüße, gute Säure - 90/100. Nicht gerade wohlfeil, aber schwer zu finden war unser nächster Wein. Hinten drauf stand 2009 Westhofener Brunnenhäuschen Riesling trocken, vorne Abts E, die feine Gummibärchen-Nase, die eigentlich eher an Reinzuchthefen erinnert, irritierte etwas. Wahrscheinlich haben wir diesen Wein vom Weingut Klaus Keller in einem etwas unglücklichen, wohl zu frühen Stadium erwischt. Trotzdem war das natürlichein sehr eleganter, nachhaltiger, komplexer mineralischer Wein, den ich gerne noch mal im Stadium optimaler Trinkreife ins Glas bekäme 93+/100. Besser gefiel mir im direkten Vergleich der zwar ebenfalls noch recht junge, aber enorm druckvolle, gewaltige 2009 Grüne Veltliner Ried Lamm von Bründlmayer 94/100.

Eigentlich wollte ich den Jahrgang 1998 ja schon längst auf www.wineterminator.com hochladen. Aber es kommen immer mehr frisch (nach)verkostete Weine dazu. Ein spannender Jahrgang, vor allem in Bordeaux, mit saftigen, zugänglichen Weinen. Am rechten Ufer in Pomerol und St. Emilion ist das sogar ein sehr großes Jahr. Das zeigte hier bei Jörg Müller vor ein paar Tagen der kräftige 1998 Bon Pasteur, der sicherlich bald zum grandiosen 90er aufschließen kann - 92+/100. Jetzt habe ich gerade den reiferen 1998 Conseillante im Glas, der enorm Glas zulegt, pflaumige Frucht, Mokka, Minze, Bitterschokolade, feiner, betörender Schmelz am Gaumen - 93/100. Ein Traum vor ein paar Tagen zuhause 1998 Eglise Clinet, mit Petrus die Spitze in Pomerol. 1998 ist und bleibt bei Bordeaux ein schlauer Kauf.
Eine richtige Modelage scheint das in Deutschland zu werden, dieses Pettenthal. Immer mehr Winzer versuchen, dort mit wenigstens ein paar Rebstöcken heimisch zu werden. Auch das Weingut Klaus Keller kommt demnächst mit dem ersten Pettenthal. Ob die alle groß werden, oder ob es dann wie z.B. bei Le Montrachet oder Clos de Vougeot viele große Namen, aber deutlich weniger große Weine gibt, muss sich zeigen. Wir tranken aus der Karte von Jörg Müller noch einen 2009 Riesling Pettenthal GG von St. Antony, einen kräftigen, kernigen, sehr mineralischen Wein mit intensiver Pfirsichnote - 91/100. Ausnehmend gut gefiel uns auch der 2006 Grüne Veltliner Ried Lamm von Bründlmayer, ein großer, sehr komplexer Wein aus großem Jahrgang, endlich reif und doch mit noch langer Zukunft - 95/100. Wie schön, dass es Weinkarten gibt, wo man solche weine noch findet. Das galt auch für unseren letzten Wein, den 1990 Les Forts. Ein perfekt gereifter Latour ohne die Exotik des 90ers, erstaunlich reife Farbe, sehr mineralisch, Bleistift, Minze, Zedernholz, tolle Länge, ein femininer, großer Latour, der auch deutlich zeigt, wo die Reise beim Grand Vin hingehen dürfte - 94/100.

Als Abschluss eines trotz teilweise widrigen Wetters sehr schönen Sylt-Aufenthaltes war zu später Stunde noch Best Wine in Town mit Best Wine Guy in Town angesagt. Unser Farewell Drink mit Klaus im Wiin Kööv war ein gnadenlos guter 1989 Angelus(97/100), jetzt am Anfang einer 30jährigen Karriere. See you soon again Klaus und all ihr anderen lieben Sylter. We'll be back soon. Und wenn uns die Sehnsucht packt, holen wir uns einen großen Roten aus dem Keller und träumen von Euch und der Insel.

Großer Fußball - Große Weine

Deutschland gegen Griechenland war im Viertelfinale der Europameisterschaft angesagt. Das versprach großen Fußball. Den wollten wir mit großen Weinen genießen. Seltsamerweise hatte von meinen Düsseldorfer Weinfreunden an diesem Freitag keiner Zeit oder Lust. Die wollten wohl alle lieber mit der Flasche Bier in der Hand eine durchschnittliche Grillwurst mümmeln. Egal, stattdessen kamen von überall her, aus Bochum, Bonn, Köln und sogar Saarbrücken echte Weinfreaks mit entsprechenden Buddeln im Gepäck. Im D Vine waren wir an diesem Abend die einzigen Gäste, was Christoph Suhre nicht daran hinderte, uns göttlich zu bekochen.

Mit einer 2002 Durbacher Plauelrain Spätlese trocken Achat von Laible starteten wir auf der Terrasse des D Vine in den Fußballabend. Wo kommt eigentlich dieser furchtbare Name Plauelrain her, der für mich immer etwas wie Plörre klingt? Dabei war das, was der gute Herr Laible hier auf die Flasche gebracht hat sehr trinkenswert. Hohe Extraktsüße, Fülle, reife Zitrusfrüchte, sehr mineralisch, nach einiger Zeit kroch unter der Süße auch eine deutliche, reife Säure hervor. Der Achat baute enorm im Glas aus und wurde am Gaumen immer länger 92/100. Altgolden danach die 1966 Ürziger Würzgarten feinste Auslese vom Bischöflichen Priesterseminar, abgefüllt von Clüsserath. Ein sehr balancierter, harmonischer Wein, gereift, aber ohne Alterstöne, feine Honigsüße und Fülle, Bienenwachs, gute stützende Säure, perfekter Trinkfluss 95/100. Wen es vor rest- oder edelsüßen Weinen graust, und wer sich solche Weine nicht als großartigen Speisebegleiter vorstellen kann, der sollte mal eine richtig reife Auslese probieren. Da stört keine wie auch immer aufdringliche Süße, das ist einfach ein großes, stimmiges Ganzes. Wie ein aus Stein gemeißelter Monolith dann ein 1996 Rüdesheimer Berg Schlossberg von Breuer mit perfekter Struktur, sehr stoffig, reife Zitrusfrüchte, gaukelt in der intensiven Mineralität Muschelkalkböden vor, entwickelt sich enorm, wird immer komplexer und kräuteriger 94/100. Hat sicher noch längere Zukunft im Keller der Glücklichen, die davon noch etwas besitzen.

Huxelrebe in Perfektion - der Vereinigungswein

Huxelrebe in Perfektion - der Vereinigungswein

Würden Sie freiwillig Huxelrebe in Ihr Glas lassen? Keinen besonders guten Ruf hat diese Rebsorte, mit deren Hilfe man wohl auch in sonnenlosen Sommern "große" Süßweine in Mengen erzeugen kann. Gezüchtet wurde die Huxelrebe durch Georg Scheu als Kreuzung von Gutedel und Coutillier Musqué. Ihren Namen erhielt sie in den 50ern durch Fritz Huxel, der sie in den 50ern in Rheinhessen als erster großflächig anbaute. Und so fand sich die Huxelrebe natürlich auch auf dem Weingut der Familie Keller, und Klaus Keller Senior erzeugte damit reichlich Süßweine. Inzwischen haben die Kellers die Huxelreben rausgerissen. Die passten wohl nicht mehr zu diesem ambitionierten Weingut zurecht? Ich hielt also erstmal meine Klappe, als ich den nächsten Wein einschüttete. Kupfergolden die Farbe, Orangenzesten, perfektes Süße-/Säurespiel, perfekte Riesling-Anmutung, so fein, so stimmig, fast tänzelnd, bleibt sehr lang am Gaumen, ohne klebrig zu wirken. Das war großes Süßweinkino. Und erst, als man sich am Tisch auf Riesling TBA und 97/100 geeinigt hatte, lüftete ich das Geheimnis. Eine 1990 Daslsheimer Steig Huxelrebe TBA Vereinigungswein vom Weingut Keller, damals von Klaus Keller am Tag der deutschen Wiedervereinigung geerntet. 1994 hatte ich diesen Wein, der auch seinerzeit als große Riesling TBA durchging, zuletzt im Glas. Der Wein hat soviel Standvermögen, dass er wohl auch noch 40, vielleicht sogar 50 Jahre deutsche Wiedervereinigung erlebt. So schlecht war die Huxelrebe in den Händen qualitätsbewusster Winzer wohl doch nicht.

Und damit waren wir in der roten Abteilung. Faszination pur der 1943 Cheval Blanc in einer Eschenauer Abfüllung aus dem besten der Kriegsjahrgänge, die Flasche in perfektem Zustand mit sehr gutem Füllniveau. Helle, immer noch intakte und nur durch das Aufschütteln des Depots leicht trübe Farbe, traumhafte, klassische Cheval Blanc Nase, am Gaumen filigran, hoch elegant, sehr fein und sehr aromatisch, nur leicht austrocknend im Abgang und dezent metallische Noten, wunderschöne, generöse, aber fein dosierte Süße 96/100. Und dann dieser verrückte 1983 Cheval Blanc, der einfach alles hat, was man sich von einem großen, trinkreifen Cheval Blanc wünscht, dieses unnachahmliche, seidig-elegante Cheval-Parfüm in der Nase, die dekadent süße, leicht portige, trüffelige und exotische Fülle, diese explosive Aromatik und diese perfekte Struktur, eine unglaubliche Länge am Gaumen, das alles hoch elegant verpackt - 98/100. Nicht nur besser als der 82er, sondern von allen trinkreifen Chevals nach 55 der schönste. Dazu kommt ein Trinkfenster für sicher noch 10, eher 20 Jahre.
In Bestzustand auch der altersfreie 1976 Heitz Martha s Vineyard mit seiner immer noch sehr dichten Farbe, süchtig machende, leicht exotische Nase mit viel Minze, Eukalyptus, Coca Cola, Kraft und tolle Struktur am Gaumen mit großartiger Länge und wiederum dieser herrlichen Minzfrische 97/100. Gehört sicher zu den besten Marthas Jahrgängen, und das hier war zudem eine richtig gute Flasche. Sehr viele enttäuschende Flaschen musste ich schon von 1961 Pontet Canet trinken. Diese hier, eine Cruse Abfüllung, war zwar reif, aber immer noch mit großartigen Struktur, mit generöser Süße und Fülle, macht es in diesem Top-Zustand sicher noch länger 94/100.
Wer von Jaboulet-Ainé spricht, denkt an Hermitage-la-Chapelle und hier vor allem an den legendären, inzwischen längst unbezahlbaren 61er. Aber wer braucht den wirklich, angesichts der vielen, großen Weine, die Jaboulet-Ainé in der goldenen Ära dieser Domaine auch in anderen Applelationen gemacht hat. Im letzten Jahr habe ich mit Toni und Christoph einen außerirdischen 59er Côte Rotie getrunken. Jetzt hatten wir hier den perfekten, vielleicht sogar noch einen Tick besseren Zwilling im Glas, 1970 Côte Rotie Les Jumelles von Jaboulet Ainé. Was für eine unglaubliche Aromenbombe, die in ihrer Komplexität und Würze an einen großen, reifen La Mouline erinnerte, so offen, so süß, so dekadent lecker mit unglaublichem Schmelz 98/100. Warum erwische ich von so etwas immer nur Einzelflaschen und nie eine Ganze Kiste? Nicht verstecken musste sich dahinter der immer noch so jung 1970 Hermitage La Chapelle von Jaboulet Ainé mit seiner distinguierten, kühlen Aromatik. "Hartes Zeug" notierte ich 1995 zu diesem Wein bei einer umfassenden Hermitage-la-Chapelle Vertikale. Jetzt öffnete er sich zunehmend im Glas, schwarze Oliven, Leder, Lakritz eine leicht animalische Note, wird immer minziger. Am Gaumen mit enormem Tiefgang, perfekter Struktur und gewaltiger Länge, hat noch gewaltige Zukunft, zumindest bei sehr guten Flaschen wie dieser, die mit dem Weg zu mir erst die zweite Reise in ihrem Leben machte 96/100. Glück muss man haben, und wer viel Glück hat, der hat zwangsläufig zwischendrin auch mal Pech. So mit diesem 1959 Hermitage von Paul Etienne. Der war hell in der Farbe und mit einer unangenehmen Schärfe nur sehr schwierig zu verkosten. Schwamm drüber, wir hatten ja noch andere, gute Flaschen.

Legendäre Weine von Jaboulet-Ainé

Legendäre Weine von Jaboulet-Ainé

Schließlich sollten wir jetzt ein weiteres, in dieser Form nicht erwartetes Highlight ins Glas bekommen. Dieser 1950 Chambertin von Verdrennes-Orluc präsentierte sich wie der gar nicht mal so kleine Bruder des legendären 47 Chambertin Vandermeulen. Burgundische Pracht und Fülle, Kaffee, Mokka, herrliche Süße, aber auch eine tolle Säurestruktur 97/100. Uwe Bende hat davon noch 3-4 Flaschen, verkauft aber keine mehr. Wer diesen spannenden Ausnahmeburgunder trinken möchte, hat zwei Alternativen. Entweder er kauft sich mit zwei großen Weinen in eine unserer Herbst Best Bottles ein, oder er veranstaltet selbst eine solche BB und lässt Uwe(und mich natürlich) daran teilhaben. Und wie man diesen Uwe Bende erreicht? bende@weinforum-ruhrgebiet.de
Zweimal mussten wir jetzt noch durch Untiefen waten. Ich hatte vor kurzem bei Ebay einen 1959 Gaffelière-Naudes erworben, dessen Korken sich auf dem Postwege selbst auf die Reise gemacht hatte. Eine Hochrisikoflasche also, die sich dann leider auch als oxidiert und schlichtweg hin entpuppte. Im anderen Glas eigentlich eine Legende, 1950 Gaffelière-Naudes, aber der erklärte sich mit seinem Kollegen aus 1959 solidarisch und machte ebenfalls einen auf kaputt. Schade.
Das Fußballspiel war zwar längst aus, aber wir waren noch nicht am Ende. Sehr reif aber stabil ein 1949 Corton von Albert Brenot, Kaffeenoten, generöse Süße, viel Schmelz, schöne Länge 96/100. Der trank sich so gut, dass wir ihm keine Chance gaben, im Glas abzubauen. Ratz Fatz waren die Gläser leer. Absolut großartig der im Vergleich etwas jünger erscheinende 1945 Chateauneuf-du-Pape von Verdrennes-Orluc, einfach eine Traumnase mit süßer Würze und Milchkaffee, am Gaumen burgundisch im besten Sinne, so fein, so elegant, so süß und einfach lecker 96/100. Ich weiß, dass "lecker" bei Weinpuristen ein verpöntes Wort ist. Aber wie soll man denn sonst einen einfach leckeren Wein bezeichnen?
Lafleur pur bekamen wir dann mit dem vorläufig letzten Wein des Abends ins Glas. Der 1952 Le Gay von Lafleurs Schwesterweingut in einer belgischen de Cannière Abfüllung war ein perfekter Lafleur Zwilling für Schlaue(gilt übrigens für viele Le Gay Jahrgänge), mit Struktur, Länge, Süße, karamellisierten Kräutern und einem enormen Tiefgang 97/100. So stelle ich mir den Schlusspunkt einer großen Probe vor. Und das war für mich auch das Zeichen für den Aufbruch. Unentwegte(Du hattest eigentlich Besserung gelobt, lieber Uwe) hielten dann noch bis vier Uhr durch.

1952 Le Gay - ein Lafleur für Schlaue

1952 Le Gay - ein Lafleur für Schlaue