März 2011

Selbstversuch über den Wolken

Langeweile hatte ich auf dem abendlichen Rückflug von Catania nach Düsseldorf. Also tat ich das, was ich mir sonst tunlich verkneife. Ich probierte die Weine aus dem Bordshop, jeweils ausgeschenkt für € 5 das Stück in 0,187 l Plastikflaschen. Der 2008 Weissburgunder von Markus Schneider war mir mit saftigem Pfirsich, Fruchtsüße und Fülle etwas zu marmeladig. Und wenn er dann auch noch Airline-warm ins Glas kommt ., meiner Gattin hat er geschmeckt, ich brauchte nur zu nippen. Das absolute Gegenteil dazu war der furztrockene, saure, magere 2009 Robert von Robert Bauer, der angenehm kühl ins Glas kam, aber erstaunlicherweise mit Wärme etwas besser wurde. Ein saftiger, pflaumiger, fülliger Wein mit guter Fruchtsüße war der 2009 Tur Tur von Markus Schneider, süffig im besten Sinne und für einen Airlinewein erstaunlich gut gelungen 85/100. Das galt leider nur für die zweite, gut temperierte Flasche. Die erste war pipiwarm und praktisch nicht trinkbar.
Eine sensationelle Karriere hat dieser Markus Schneider hingelegt, der seinerzeit von der Sansibar-Legende Michael Hamann entdeckt wurde. Gut, zum renommierten Winzer mit internationalen Lorbeeren wird es als Sansibar/Air Berlin Massenproduzent wohl nicht mehr reichen. Aber vor die Wahl gestellt reich und bekannt statt arm und berühmt würden sicher etliche Kollegen gerne mit ihm tauschen.

Im D´Vine

Rappelvoll die Bude, doch der gute Toni hatte für uns noch einen Tisch gezaubert. Schnell hatten wir mit dem 2007 Eitelsbacher Karthäuserhofberg Riesling halbtrocken einen sehr erfrischenden Apero im Glas, der durch die straffe Säure harmonisch trocken wirkte 87/100. Während die Küche die ersten Schweinereien auf den Teller zauberte zum Niederknien das Rote Beete Maccaron mit Saiblingstartar und Grüner Soße probierte ich ein paar der offenen Weine. Eine schöne Nase hatte der 1996 Pommard Petit Clos Chateau de Santenay, gute Frucht, weiche Tannine, kräftige Säure, wirkte insgesamt rustikal und langweilig, starb schnell im Glas(besser da als an meinem Gaumen) 80/100. Da gefiel mir der filigrane 2008 Frühburgunder von Kreuzberg mit seiner delikaten Frucht deutlich besser 88/100. Der Spätburgunder No. 1 von Kreuzberg hatte eine süße Waldbeernase, Kraft und Fülle, feinen Schmelz, aber viel Holz, das noch verdaut gehört, dürfte sich noch entwickeln 89+/100.
Gestärkt machten wir uns dann über ein paar mitgebrachte Altertümer her. Dicht war noch die Farbe des 1959 Canon-la-Gaffelière in einer belgischen Händlerabfüllung von Georges Audy. Sehr reif die Nase mit leichten Sherry- und Magginoten, am Gaumen Kraft, Fülle, Länge und gutes Säuregerüst, baut aus und wird cremiger 90/100. Erwartet hatte ich beim anschließenden 1955 Chateauneuf-du-Pape von Brotte einen Brummer. Stattdessen kam ein fast zarter Chateauneuf ins Glas mit immer noch schöner, pikanter Frucht, etwas metallisch am Gaumen, für das Alter durch das gute Säuregerüst erstaunlich frisch und gut 30 Jahre jünger wirkend, dabei mehr Burgund als Chateauneuf, legte enorm im Glas zu und wurde immer besser 91/100. Reif war auch der 1949 Volnay Les Pousses d Or von Thorin. Komplex und mit fast explosiver Aromatik die Nase mit reichlich Kaffee, Tabak und Leder, am Gaumen deutliche Reifetöne, gute Säure, aber auch Länge und Finesse, da gab eine alternde Diva ein immer noch berauschendes Abschiedskonzert, war sicher vor 10-20 Jahren deutlich größer, machte aber auch jetzt noch enormen Spaß 91/100.