Oktober 2010

Ist die Katze aus dem Haus....

Sicher keine schlechte Empfehlung war dieser Emmenhof in Burgdorf, wo Werner Schürch groß aufkocht. Wir legten hier auf der Rückfahrt von der 90*90 Probe in Gstaad einen Zwischenstopp ein und ließen uns mit einem schönen Mittagsmahl kulinarisch verwöhnen. Aus der sehr umfassenden Weinkarte wählten wir dazu zwei Weine von der Rhone. Den Anfang machte ein rauchiger, speckiger, kräftiger 2001 La Landonne von Gerin mit guter Säure, der deutlich die Charakteristik dieser Lage zeigte 93/100. Danach folgte ein überwältigender 2005 Chateau St. Jean Deus ex Machina. Das war ein komplexer, druckvoller Traum-Chateauneuf mit herrlicher Kirschfrucht, die mit der Zeit immer süßer mit Marzipan-Anklängen wurde. Erinnerte mich spontan an den jungen 85er Sassicaia. Klar war da jede Menge Kraft, Alkohol und auch Tannin, aber der Deus ex Machina brachte das alles in unglaublicher Frische und in totaler Harmonie rüber, ein Ausnahmewein mit gewaltigem Potential 97+/100.
Eigentlich waren wir satt, glücklich und sehr zufrieden. Der Chef verabschiedete sich, sprang mit seiner Gattin in einen schwarzen Aston Martin, den wir schon auf dem Parkplatz bewundert hatten und brauste von dannen. Wir bestellten beim Service noch Kaffee und natürlich danach auch die Rechnung. Doch jetzt passierte etwas, das ich in keinem Haus dieser Welt akzeptieren kann, schon gar nicht in einem hoch dekorierten. Eine gute halbe Stunde warteten wir, trotz mehrerer Reklamationen, auf die Rechnung. Als die dann kam, war sie für den Nachbartisch. Auf unsere mussten wir dann noch mal eine halbe Ewigkeit warten. Da sitzt man dann am Tisch, es ist alles aufgegessen, alles ausgetrunken und man wartet und wartet, nur weil das Personal zu dämlich ist oder keine Lust hat. So wurde aus dem guten Eindruck, den wir von diesem Hause hatten, im Nachhinein ein schlechter. Kann man sich gegen derartige Behandlung wehren, außer, dass man nicht mehr hingeht? Natürlich. Aufstehen, Visitenkarte da lassen und gehen. Muss der Wirt halt die Rechnung zuschicken. Ist nicht die feine Art, aber die einzige Möglichkeit, sich als Gast zu wehren.

Ein Latour-Sonntag bei Schorn

Drei meiner Lieblings-Latours hatte ich mitgenommen zu diesem sonntäglichen Dinner bei Schorn. Mit dabei Urgestein Franz Josef Schorn. Einen seiner beiden Hunde hatte er vor Jahren Latour getauft, der andere heißt Lafite.
Wir starteten mit einer 1997 Rüdesheimer Berg Rottland Auslese trocken von Leitz. Die hatte viel Petrol in der Nase, wirkte reif, kräftig, aber für eine trockene Auslese auch erstaunlich schlank mit etwas stahliger Frucht 91/100. 1971 Latour war ein kompletter, großer, perfekt gereifter Latour, der in guten Flaschen wie dieser noch 10+ Jahre vor sich hat 94/100. 1983 Latour mit seiner trüffeligen Fülle und der Latour-typischen, leicht bitteren Walnussaromatik setzte da noch eins drauf 95/100. Überragend dann 1970 Latour. Von diesem Wein gibt es grottenschlechte, mittelmäßige, sehr gute und perfekte Flaschen. Letztere hatten wir hier vor uns, so dicht, so kräftig, so komplex und so irre lang. Latour at it s very best mit sicher noch 30+ Jahren und ohne Wenn und Aber ein 100/100 Erlebnis.
Aus den unendlichen Tiefen der Schorn-Karte zauberte Franz Josef dann noch einen überraschenden 1982 Pine Ridge Cabernet Sauvignon aus Kalifornien hervor. Sehr dichte, junge Farbe. Irritierend zu Anfang die überreif wirkende Nase, doch das ging rasch vorbei. Der Pine Ridge entfaltete sich enorm im Glas und baute immer mehr aus, die Nase zeigte immer mehr frische Cabernet-Würze und viel Minze, der Gaumen war generös und kraftvoll zugleich. Da sind sicher noch gute 10 Jahre Musik drin 96/100.

Latour mit Latour

Latour mit Latour

Wein aus der Sahara?

Das war eine echte Premiere in meinem Glas, ein ägyptischer Wein von den Sahara Vineyards, ein 2009 Caspar Chenin Blanc. Floral die Nase mit reifer Melone und etwas Litschi, mineralisch, erdig und auch fruchtig am Gaumen mit erstaunlicher Frische, dabei sehr nachhaltig 87/100. Weiter ging es danach zur herzhaften Küche des Les Tartines mit einem rustikalen, kräftigen 2008 Primitivo di Manduria von Palazzo Malgara aus Sizilien mit pflaumiger Frucht 85/100. Dritter im Bunde war ein 2007 Spätburgunder von Friedrich Becker. Der kam harmlos und nett ins Glas, legte dann aber mit warm-würziger Frucht deutlich zu 88/100.