Oktober 2011

Ernte gut - alles gut

Eine Kältewelle aus Norden raste Richtung Alpen mit reichlich Wasser und Schnee im Gepäck. Aber das war heute. Gestern hatten die Gantis erfolgreich den letzten Teil der Ernte eingebracht. Und es war wohl eine sehr erfolgreiche, qualitativ hochwertige Ernte. Daniel Gantenbein formulierte es sehr vorsichtig, doch sein zufriedenes Gesicht sprach Bände. Gantenbein 2011 kann man also schon mal getrost auf die Suchliste fürs nächste Jahr setzen.

Im Rössli in Bad Ragaz trafen wir uns mit diesem so ungemein sympathischen Winzerpaar zu einem ausgedehnten Lunch. Bestens umsorgt und kulinarisch verwöhnt von Doris und Ueli Kellenberger und ihrem Team führten wir ein paar erlesene Tropfen ihrer eigentlichen Bestimmung zu. Gut gereift als Start ein 2004 Chablis 1er Cru Mont Mains von Raveneau mit floraler Nase, frischem Gras, reifen Zitrusfrüchten und viel Mineralität, druckvoll und mit feiner Süße am Gaumen 92/100. Reif, weich, sehr fein, aber auch nachhaltig mit in Seide verpackter Kraft ein wunderbarer 1990 Clos de la Roche von Dujac 93/100. Aus einer nicht geleerten Flasche 2005 Ducru Beaucaillou bekamen wir einen großen Probierschluck. Der wirkte auf den ersten Eindruck für das Jahr erstaunlich zugänglich, doch unter der delikaten, verführerischen Frucht lauern massive Tannine 93+/100. Könnte sich noch mal komplett verschließen und ist mit Sicherheit ein Langstreckenläufer für die Zeit nach 2020. Eigentlich war dann als Abschluss unseres Lunches eine faszinierende 1989 Maximin Grünhäuser Abtsberg Auslese #133 vorgesehen, unter derer cremiger Honigsüße noch eine knackige Säure steckte, die diesem wein eine enorme Frische verlieh, wunderbarer Nektar, den man tröpfchenweise genießen konnte 94/100. Inzwischen hatte sich der Wirt zu uns gesellt und wir hatten viel Spaß. Also traf die danach noch zweimal gestellte Frage "einer geht noch?" nicht auf Widerspruch. Und wie der ging, dieser 1999 Pomard 1er Cru von S.A. Leroy, jugendliche, blaubeerige Frucht, teerige Noten, perfekte Säure- und Tanninstruktur, noch so jung, kräftig und enorm druckvoll, großer Stoff mit Potential für Jahrzehnte 94+/100. S.A. Leroy ist nicht gleich Leroy, weil "nur" die Handelsmarke des bekannten Hauses. Aber hier lässt Inhaberin Bize Leroy gleiche Sorgfalt walten und setzt auf Top-Qualität. Da lohnt jede Suche. Weiter und trinkreifer erschien (auch der ging noch) 2006 Vosne Romanée Les Chaumes von Méo Camuzet, der derzeit in einem bestechenden, ersten Trinkstadium ist. Wunderbare, rot- und blaubeerige Frucht mit süßem Schmelz, sehr dichte, junge Farbe, Kraft, Länge, hoher Suchtfaktor, wird sich zwar noch über lange Zeit weiterentwickeln, aber es ist verdammt schwer, jetzt davon zu bleiben 94/100. Und dann ging aus der klug aufgebauten Rösslikarte noch einer, ein allerletzter, der 2002 Clos Vougeot le Grand Maupertui von Anne Gros. Sehr verhalten startete dieser Wein, der über die jugendliche Fruchtphase schon hinaus ist. Doch mit Zeit und Luft startete er eine formidable Aufholjagd. Kein Blockbuster, eher auf der eleganten, der feinen Seite mit prächtiger, süßer Kirschfrucht und hoher Mineralität, ein stimmiger, harmonischer, sehr aromatischer Burgunder, der sich hinter den Vorgängern nicht zu verstecken brauchte, bei der Lage und der Domaine aber auch kein Wunder 94/100.

Herr Naegeli hat Geburtstag

Über Nacht hatten kräftige Schneefälle Klosters in ein Wintermärchen verwandelt, und es schneite den ganzen Tag über intensiv weiter. Eigentlich ist in dieser Jahreszeit Bergwandern angesagt bei frühherbstlicher, immer noch warmer Sonne. Aber diesmal war alles anders. Und so machten wir eine ausgedehnte Winterwanderung durch tiefen Schnee und landeten schließlich im rustikalen Gasthaus Höhwald. Drinnen prasselte das Feuer im wärmenden Kamin. Es fehlten eigentlich nur Glühwein, Bratapfel und ein Adventskranz. Aber es war halt erst Anfang Oktober. René Gabriel hatte zum rustikalen Mittagslunch der Lafite-Afficionados 2000 Smith Haut Lafitte Blanc und 2002 Smith Haut Lafitte Rouge in 12 Liter Flaschen mitgebracht. Aber da war auch noch eine mit viel Sachverstand zusammengestellte, gastfreundlich kalkulierte Weinkarte, die zu Entdeckungsreisen animierte. Und das war gut so, denn der weiße Smith Haut Lafitte entpuppte sich als Rohrkrepierer. Schon die trübe, ins Orangene gehende Farbe hatte misstrauisch gemacht.
So feierten wir halt "Herrn Naegelis" Geburtstag mit herrlichen Weinen aus der Karte. War das eine geile Sause! Den weißen 2000 Smith Haut Lafitte hatten wir schnell abgehakt, trüb wie ein Federweißer, oxidiert wie ein Sherry, einfach ziemlich daneben und kaputt. Deutlich besser der 2002 Smith Haut Lafitte, ein unkomplizierter, ledriger Saufwein mit viel Maulbeeren, etwas Cassis, Vanille und Mineralität. Selbst aus der 12 Literflasche mit reifen, weichen Tanninen voll da und gut trinkbar, aber irgendwie auch unspannend, hatte ich früher schon deutlich besser im Glas 88/100. Lag es an der Konkurrenz? Einen 2009 Zweigelt Unplugged von Hannes Reeh hatten wir zunächst im Glas. Zweigelt mit viel Holz in der internationalen Ami-Version, weich, vanillig, süße Frucht, viel Holz, hat mit klassischem Zweigelt nichts zu tun, trinkt sich aber verdammt gut 90/100. Und dann kam aus der Magnum 2007 Der Mattmann Pinot Noir. Traumhafte, kräuterige, seidige Fülle, süße, rotbeerige Frucht, eher internationaler als burgundischer Pinot-Stil, aber sehr lang am Gaumen und nur kurz im Glas 92/100. Mehr ins burgundische ging danach der einfache 2008 Pinot Noir von Mattmann, ein sauberer, gut gemachter Pinot mit feinem Spiel roter und blauber Beeren, guter Säure und ohne (spürbares) Holz 89/100. Saftig, schokoladig mit süßer Frucht und viel Holz ging es weiter mit dem 2009 Merlot Unplugged von Hannes Reeh, auch der mit moderner, internationaler Stilistik, die aber beim Merlot deutlich besser passte 92/100. Puristen mögen sich von beiden Weinen mit Grausen abwenden, aber wer nicht zum Lachen in den Keller geht, wird sicher seinen Spaß daran finden. Zumindest bei uns war das der Fall, und wir ließen Herrn Naegeli immer wieder hochleben. Der revanchierte sich mit einer großen Platte voller wunderbaren Palatschinken. Natürlich musste dazu ein flüssiger Begleiter her. Den fanden wir in einem 2007 Chardonnay Erste Lage vom Mantlerhof. Der war wohl in der Gärung steckengeblieben, aber die vermutlich 20-30g Restzucker wirkten in der Kombination mit dem Palatschinken harmonisch eingebunden. In der Kombination sehr gut auf 90/100 Niveau, solo wäre mir dieser Wein zu breit, da käme er bei mir maximal auf 86/100.
Kein Ende konnten wir finden, zu gut einfach die Stimmung in unserer 10er Runde. Der Wirt fuhr jetzt schwerere Geschütze auf. Grosses Kino der 2006 Kairos von Zymé. Aus der Qintarelli-Schule stammt Winzer Celestino Gaspari, der dort quasi als "Souschef" gewirkt hatte. Die Rezepte seines Lehrmeisters setzt er auch beim eigenen Betrieb ein, will heißen Trocknung auf Strohmatten zur Extraktsteigerung. Das Ergebnis ist ein alkoholreicher, wilder Wein aus gut 15 verschiedenen Rebsorten, hochkonzentriert, extrem vielschichtig und facettenreich, Kakao pur, Zimt, reife Kirsche, Zigarrenkiste, reichlich Schokolade, eine ganze Sammlung süßer Waldbeeren, auch am Gaumen so schokoladig, ein großer Ausflug durch die Lindt-Konfiserie. Wer da lange genug riecht und schmeckt, kann einen ganzen Roman schreiben über diesen faszinierenden Wein, bei dem es an jeder Ecke Neues zu entdecken gibt, noch sehr jung mit Länge ohne Ende 96/100. In 2006 wurde außerdem der angeblich noch größere Harlequin nach selbem Strickmuster produziert. Wie der wohl schmeckt? Vielleicht ähnlich wie der schlichtweg atemberaubende 2009 Lamarein vom Unterganzerhof. Auch Winzer Josephus Mayr trocknet seine Trauben auf Strohmatten und produziert damit eine Aromenbombe, die zumindest den Kairos noch mal deutlich in den Schattenstellt. Mindest gleich gut wie alles, was ich bisher an Lamarein getrunken habe 98/100. Aber Vorsicht, wer davon mehr als ein Glas trinkt, oder vielleicht sogar eine ganze Flasche, der sollte sich vorher ein Namensschild umhängen, damit man weiß, wo man ihn später abliefern soll. Ich war dankbar, dass unsere Runde so groß war und ich nur ein Glas abbekam. Das galt auch für unseren letzten Roten, den 2007 Batonnage von den Wild Boys of Batonnage aus Österreich, einen total überdrehten, durchgeknallten, völlig ausgereizten Wein, extrem kräftig und Lang mit gewaltigem Spannungsbogen. Ein Glas mit gut und gerne 95/100, mit mehr hätte ich Probleme. Wer zu diesen Weinen dann auch noch Essen möchte, sollte sich untersuchen lassen. Die sind so üppig, so sättigend, dass sie an das Starkbier erinnern, dass sich die Mönche während der Fastenzeit brauten.
Es war dringend Zeit für den Heimweg, denn nicht nur der Gaumen war ermattet. Das als Reparaturschluck vorgesehene Glas 2010 Pinot Blanc von Donatsch war zwar erfrischend, aber reichte da kaum aus. Unser Geburtstagskind, Herr Naegeli, hätte später fast im Hotel das Abendprogramm verschlafen.

17 Punkt im Gaultmillau - 18 Punkte auf dem Teller

Er gehört zu meinen Schweizer Lieblings-Restaurants, dieser Adler in Hurden, malerisch am Zürichsee gelegen. Hier auf dem Wege von oder in die Ostschweiz vorbeifahren zu müssen, tut verdammt weh, denn hier einkehren zu dürfen, tut so ungemein gut. Also wurde an diesem Sonntagmittag rechtzeitig ein Tisch in diesem feinen, gastlichen Hause reserviert. Nach Strich und Faden hat uns Markus Gass wieder verwöhnt, ganz nach dem Motto 17 Punkte im Gaultmillau, 18 Punkte auf dem Teller. Was mir natürlich deutlich lieber ist als umgekehrt. Aus der gut bestückten Weinkarte wählten wir zunächst einen 2009 Fläscher Chardonnay von Christian Hermann, einen noch recht jugendlichen, frischen, sehr vielschichtigen und eleganten Wein mit präziser Frucht, guter Mineralität und sehr gut integriertem, nicht offensichtlichen Holz 92/100. Müsste sich kein namhafter Burgunderwinzer für schämen. Das galt auch für den nächsten Wein, der weder aus Burgund stammte noch Pinot in sich hatte, spontan und blind aber wie ein großer Pinot wirkte, der 2007 Charme von Niepoort. Der Name ist bei diesem Wein Programm, ein Charmeur im besten Sinne mit burgundischer Pracht und Fülle, mit süßer Kirschfrucht, Würze, sehr weichen, aber präsenten Tanninen und sehr guter Länge am Gaumen 94/100. Die frühe Zugänglichkeit dieses Weines täuscht über das gute Alterungspotential hinweg. Markus Gass offerierte uns danach noch einen 2004 Spätburgunder Jannin von Duijn, der nach eigenem Bekunden wie Blei im Keller lag. Das tat er zu Unrecht, ein gut gemachter, fruchtiger, mineralischer und durch den Barriqueausbau leicht rauchiger Spätburgunder mit feinem Schmelz 88/100.

Monteverro & Co im D´Vine

Olympia Romba, Vertriebs- und Marketingchefin von Monteverro war auf Deutschland Tour und stellte Toni Askitis die 2008er von Monteverro vor. Die fanden allgemein sehr großen Anklang, auch bei den Weinfreunden, die ich dazu gebeten hatte, und haben nach der Veranstaltung den Weg auf weitere Weinkarten und in neue Keller gefunden. Und wie es sich gehörte, hatte jeder von uns auch noch etwas Trinkbares im Gepäck. Los ging es mit einem immer noch erstaunlich jungen 1985 Côte Rotie von Berry Brothers, ledrig, fruchtig, animalisch mit guter Säurestruktur, hat über die letzten Jahre kontinuierlich zugelegt 92/100. Gleich der nächste Höhepunkt dann ein 1969 Clos Vougeot von A&R Barrière Frères. Im Gegensatz zum ersten Wein war das keine Händlerabfüllung. Diese Gebrüder Barrière, von denen ich nicht weiß, ob die Namensgleichheit mit dem Bordelaiser Handelshaus Zufall ist, sind in Burgund als Negociants Eleveurs tätig. Ein reifer Burgunder mit generöser Süße, seidig, elegant, sehr mineralisch und immer noch so kräftig, sehr lang am Gaumen, die hohe Säure hält ihn frisch 93/100. Sehr reif und auf dem Punkt wirkte auch 1990 Beaucastel, der mit seiner süßen, fast fetten, opulenten Frucht und seiner himmlischen Würze einfach hedonistisch schön war 95/100. Deutlich weiter übrigens als eine im Mai getrunkene Flasche aus eigenen Beständen. Macht nichts, dann helfe ich erstmal diesem Weinfreund bei der Vernichtung seiner wärmer gelagerten Bestände, bevor wir uns in 5 Jahren an meine Flaschen machen. Deutlich reifer als meine eigenen Flaschen auch der 1994 Solaia mit viel Bittermandel, kräuterig-ledriger Aromatik, Süße, Fülle, Kraft und trotz der Struktur eines großen Medoc eine etwas ausladende Opulenz 94/100. Der größere "Bordeaux" von beiden aber war 1994 Ridge Monte Bello, der zwar eine immense Kraft besaß und sich im Vergleich jünger präsentierte, aber auch mit delikater, feiner Kirschfrucht sehr elegant und präzise wirkte, ein perfekt balancierter, großer Kalifornier mit noch langer Zukunft 95/100. Aus dem Himmel weinseligen Glücks holte uns ein alter, völlig oxidierter 1934 Pommard von Prevot zurück, der in der Nase wie alte, abgestandene Fleischbrühe roch, und bei dem einzig die dichte Farbe stimmte 70/100. Die Fleischbrühe würde ich ja zur Not noch trinken, nicht aber den Nagellackentferner, den ein total kaputter 1947 Chateau La Perrière aus Lussac-St. Emilion ins Glas brachte. Es konnte nur noch aufwärts gehen, und das tat es dann auch mit einem 1953 Ducru Beaucaillou in einer R&U Abfüllung, sehr elegant, fein, wunderbar zu trinken und ohne Schwächen, ein perfekt gereifter Ducru, um Längen besser als die Chateauabfüllung vor zwei Jahren in Krems auf der großen Ducru-Probe 94/100. Immer noch sehr jung wirkend danach mit noch deutlicher Tanninstruktur, Kraft und Länge, aber auch süßer Frucht und Fülle ein 1959 Clos Fourtet aus St. Emilion, der in dieser Form noch lange Jahre vor sich hat 93/100. Der gute Toni kam dann noch mit einem 1979 Cos d Estournel aus seinem Geburtsjahr um die Ecke, aber zumindest diese Flasche hatte sicher schon deutlich bessere Tage gesehen, kräuterig, gezehrt, sehr anstrengend 82/100. Nein, mit diesem Geschmack wollte und musste ich dankenswerterweise nicht ins Bett, denn es gab als letzten Wein noch einen göttlichen 1999 Ornellaia. Er war jetzt in bestechender Form mit satter, dunkler Frucht, mit Bittermandeln und Anklängen von Marzipan, süß, mineralisch, mit Fülle, Kraft und Länge ohne Ende und einfach dekadent lecker 95/100. Zu Anfang unserer Verkostung hätte vielleicht noch der ein oder andere von modernem, gemachten Wein, von einer Stilrichtung Neue Welt gesprochen. Jetzt aber zu später Stunde gab es nur noch allseits ein breites, zufriedenes Grinsen.

Mit Franz Josef Schorn im Marlie

Wieder so ein gelungener, spontaner Weinabend war kürzlich mit meinem Freund Franz Josef Schorn. Der brät jetzt auf der Kö im Marlie die besten Steaks Düsseldorf. Und da er Gott und die Welt kennt, steht immer mindestens einer der üblichen Verdächtigen an der Theke, bereit, z.B. einen 2010 Dhroner Hofberg GG von Grans-Fassian trinken, eine von Franz Josefs Neuerwerbungen. Sehr mineralisch, Schiefer pur, straffe, aber nicht überzogene 10er Säure, frische Pfirsichfrucht, im positiven Sinne schlank 89/100. Und natürlich hatte ich an diesem Abend "rein zufällig" ein paar Weine mit dabei. Immer noch fast taufrisch der 1975 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve, eine zeitlose kalifornische Ikone. Ledersattel eingerieben mit frischer Minze, wunderbare, delikate, rote Frucht, gute Säurestruktur, ein großer Wein für lange Jahre, der auch nach vier Stunden noch wie eine "1" im Glas stand 95/100. Viel Zeit brauchte der zu Anfang deutlich unterlegene 1982 Lynch Bages, reif, weich schmelzig, schokoladig, süß, baute enorm aus und entwickelte sich, nach 2 Stunden war er auf Augenhöhe 95/100. In Bestform zeigte sich an diesem Abend auch 1979 Haut Brion, der anscheinend nicht altern will, immer noch so jung, so fein mit dem klassischen Cigarbox Aroma 94/100. Und dann war da noch eine Flasche Misterioso von Viticoltori di Concilis aus Kampanien ohne Jahrgangsangabe, die mir ein Wirt im Herbst an der Amalfiküste geschenkt hatte. Satte, purpurne Farbe, üppige, süße Frucht, Pfaumen, Brombeeren, Schwarze Johannisbeeren, mit der Zeit immer mehr Dörrobst, enorme Kraft und Fülle, explosiv am Gaumen mit hoher Säure und gewaltiger Länge. Italienisches hatte dieser sehr moderne, sehr extrahierte Wein überhaupt nichts, er erinnerte eher an die Wild Boys of Battonnage aus Österreich. Solch einen Wein kann man lieben oder hassen. In jedem Fall strömte er eine gewaltige Faszination aus und lieferte viel Gesprächsstoff 94/100.

Strohwitwer unter sich bei Stappen

Was machen drei kurzzeitig von ihren Frauen verlassene Männer an einem Sonntagmittag? Die treffen sich als sontane Selbsthilfegruppe im Gasthaus Stappen in Liedberg und lassen sich dort kulinarisch nach Strich und Faden verwöhnen. Als Apero kam aus der Karte eine 2009 Wehlener Sonnenuhr Spätlese von JJ Prüm, die sich erstaunlich offen und saftig in bestechender Frühform zeigte, die Leichtigkeit des Seins mit hohem Extrakt und niedrigem Alkohol, gemacht für Jahrzehnte, kann und wird noch zulegen 92+/100. Erstaunlich schlank für den Jahrgang die 2009 Aulerde GG von Wittmann, ein eleganter, finessiger Wein, wunderbare Honignase mit Wildkräutern, trocken am Gaumen, trotzdem mit feinem Schmelz und luftiger Frische 92/100. Mitgebracht hatte einer aus unserer Runde einen Überraschungswein, bei dem man aber nicht lange überlegen musste. Das war 1967 Heitz Martha s Vineyard, der zweite seinerzeit erzeugte Martha s. Reife, dichte, ins Rotbraune gehende Farbe, die klassische Heitz-Nase mit Minze und Eukalyptus, etwas Leder, am Gaumen reif, weich, süß, für Matha s eher schlank, baute im Glas aber nicht ab sondern aus und war einfach wunderschön zu trinken 93/100. In einer völlig anderen Welt waren wir dann mit einem 2009 Latricières Chambertin von Drouhin-Laroze aus diesem hoch gelobten Burgunder Jahrgang. Feines Spiel roter und blauer Beeren mit erster Fruchtsüße, sehr harmonisch, aromatisch und ausgewogen am Gaumen, kaum spürbares Holz, gutes Gerüst reifer, weicher Tannine, eher auf der eleganten, leichteren Seite, wird noch zulegen 91+/100.

Beim Koch des Jahres

Gerade erst ein paar Tage vorher war Franz Wiget vom Gasthaus Steinen in Adelboden vom GaultMillau zum Koch des Jahres gekürt worden. Recht so! Was wir hier in diesem ungemein sympathischen Landgasthof auf den Teller bekamen war ganz große Klasse. Da musste natürlich auch etwas Anständiges ins Glas, was bei der umfassenden Karte nicht schwer fiel. Statt der üblichen Verdächtigen suchten wir nach Weinen, die man sonst nicht so leicht findet, und wurden mit den raren Uniques von Donatsch rasch fündig. Ein Kraftbolzen mit viel Holz und reifen, gelben Früchten der 2008 Chardonnay Unique von Donatsch, das war mehr Neue Welt als Burgund 92/100. Auch der 2007 Pinot Noir Unique von Donatsch zeigte eine enorme Kraft, aber auch viel burgundische Pracht und Fülle mit süßer, beeriger Frucht und gewaltiger Länge 95/100. Danach probierten wir uns durch diverse Dessertweine. Gut gefiel zunächst der 2008 MR Mountain Wine von Telmo Rodriguez, der viel Süße, Kraft und Würze in schöner Harmonie brachte 92/100. Eigentlich nichts unter den Dessertweinen zu suchen hatte der 2009 Jeninser Guldistückli von Obrecht. Der war in der würzigen Nase furztrocken, auch am Gaumen sehr würzig, eher halbtrocken mit guter Säure 88/100. Und dann war da noch ein 2007 Essinger Rossberg Riesling BA von Frey mit grandioser Fülle, Honigsüße, feinem Schmelz, aber auch guter, balancierender Säure 93/100.