September 2011

Saisonstart

Die Ferienzeit ging zu Ende, die üblichen Verdächtigen trudelten wieder ein. Zeit also, mit einer kleinen Best Bottle durchzustarten. Mit den ersten beiden Weinen hatten wir da aber so unsere Probleme. Vielversprechend die traubig-fruchtige Nase des 2008 Chateau Bela aus der Slowakei, doch am Gaumen wirkte dieser Riesling erstaunlich dünn mit stahliger Säure, kenne ich aus anderen Jahrgängen deutlich besser 83/100. Den tranken wir genauso wenig aus wie den nächsten Wein, einen 1948 Mertert-Herrenberg Gewürztraminer 1er Cru von Kayser-Burmerange aus Luxemburg. Der hatte eine bräunlich-verwaschene Farbe, die Nase eher an trockenen Sherry erinnernt, säuerlich und kurz der Gaumen, schon sehr lange über das Trinkfenster hinweg und kein Genuss mehr 70/100. Auch der dritte Weißwein konnte, wenn auch auf deutlich höherem Niveau, nicht voll überzeugen. Noch sehr jung mit Ecken und Kanten der 2006 Idig GG von Christmann aus der Magnum, obwohl er im Glas etwas ausbaute. Aber da fehlte die druckvolle, aromatische Saftigkeit großer Idigs. Ich würde diesen Wein gerade in der Magnum noch ein paar Jahre liegenlassen 90+/100.
Es konnte nur besser werden, und das tat es dann auch, als wir ins rote Fach wechselten. Einen völlig anderen Stil als die modernen Pahlmeyers hatte der 1991 Pahlmeyer Cabernet Sauvignon Caldwell Vineyard. Erinnerte in seiner kräftigen, rustikalen, fast etwas rohen Art eher an Dunn und wirkte insgesamt noch recht jung 93/100. Als großer, reifer Bordeaux ging der 1990 Beaulieu Reserve Georges de Latour durch, voll auf dem Punkt, generöse Nase mit Nougat, Schoko und Minze, reifer, süßer, endloser Schmelz am Gaumen, enormer Trinkspaß 95/100. Auf dem Holzwege war ich bei 1990 l Evangile, den ich blind eher auf das linke Ufer gesteckt hätte, in der Nase eine seltsame Mischung aus Brett und Schokolade, am Gaumen kräftig und stückweit verschlossen, scheint derzeit durch eine schwierige Phase zu laufen 92+/100. Eher Ratlosigkeit auch beim Superstar 1990 l Apparita, der war dicht, kräftig, muskulös, aber wo ist die exotisch-explosive Aromatik geblieben, wo die Freude? 92/100. Dafür verwöhnte uns der prächtige 1999 Ornellaia, der sich hervorragend entwickelt hat. Jugendliche, dichte Farbe, Kraft, Rasse, Klasse, süße, dunkle Kirschen, betörende Röstaromen, gewaltige Länge und Struktur, viel Zukunft 95/100. Sehr positiv überrascht hat mich auch der 1994 Lagrange, der sich jetzt in bestechender Form präsentierte, saftige, pflaumige Frucht, viel Leder, Kraft 92/100. Im richtigen Moment getrunken kann selbst so ein 94er verdammt schön sein. An die großen Alexander aus den 80ern und Anfang der Neunziger erinnerte der superbe 1999 Silver Oak Alexander Valley, so sexy, offen und hedonistisch, Cassis pur, Röstaromen und der berühmte Schuss Dill, unter der geilen Frucht lauern immer noch reichlich Tannine 94/100. Gut gemacht hat sich auch der 1995 Beaulieu Tapestry Reserve, der sich als Blend aus Bordeaux mit süßer, kalifornischer Frucht präsentierte 92/100. Sehr reif, weich und süß dann ein 1985 Opus One, schmelzig, sehr lang am Gaumen, kaum noch Tannin 94/100. Auf ähnlichem Niveau 1986 Caymus Special Selection, verschwenderisch süße Cassis Frucht, Schokolade, etwas Minze, aber auch gute Struktur und deutliche Säure, sehr lang am Gaumen, kein spürbares Alter 94/100. Der sehr offene 1995 Ducru Beaucaillou konnte mit seiner süßen Frucht in diesem kalifornischen Dauerfeuer gut mithalten 94/100. Last but not least war da noch als Schlusspunkt ein sehr eleganter, nachhaltiger, großer, rassiger 1996 Etude 95/100.

Auf Schorns Terrasse

Bis auf den letzten Platz gefüllt war die neu gestaltete Terrasse des Restaurant Schorn an diesem sommerlichen Septemberabend. Sehr gemütlich saßen wir dort wie in einer lauschigen Gartenlaube. Absolut grandios und hoch sterneverdächtig war das, was Marcel Schiefer da wieder auf die Teller zauberte. Wie gut, dass die alte Dame Michelin oft etwas langsam und schwer von Begriff ist. So sehr ich Anne und Marcel den ohne Zweifel verdienten Stern gönnen würde, es ist heute schon schwer genug, einen Tisch in diesem angesagten Lokal zu bekommen. Aber wir hatten ja Glück an diesem Samstag Abend, der allerdings auch noch in den NRW Schulferien lag. Als Apero genehmigten wir uns einen feinen, fruchtigen, eleganten und mineralischen 2009 Brauneberger Riesling Kabinett vom Weingut Fritz Haag 85/100. Mir fehlte bei diesem Wein etwas die Finesse, wie ich sie von den früheren Kabinetten aus der Juffer Sonnenuhr kenne. Und dann ging es gleich zur Sache mit einem 1950 La Tour Martillac aus perfekter Flasche ohne Etikett, aber mit Original-Kork. Wahrscheinlich hat diese, vor ein paar Jahren aus Frankreich erworbene Flasche, lange in einem Keller gelegen, der eher einer feuchtkalten Tropfsteinhöhle glich. Dem Etikett ist das nicht bekommen, dem Inhalt umso mehr. Erstaunlich dichte, junge Farbe, ging in der gesamten Anmutung als Wein aus den 80ern durch, wunderbare Pessac-Nase mit Teer, Tabak und Cigarbox, am Gaumen sehr kraftvoll und lang, aber auch mit feinem süßem Schmelz. Haut Brion und La Mission müssten sich für eine solche Qualität nicht schämen 95/100. Und ich werde nach alten La Tour Martillacs suchen. In den letzten Jahrzehnten hat sich dieses Chateau nicht mehr mit Ruhm bekleckert. Irgendwo ist es ein gutes Gefühl, wenn man alte Weine dabei hat und gleich der erste ist ein Knaller. Da mutete es danach fast als Selbstverständlichkeit an, dass sich 1959 Nenin als weicher, saftiger, schokoladig schmelziger Pomerol entpuppte 93/100. Nicht weit vom großen 61er weg der 1959 La Lagune, ein Klassewein mit Struktur, Biss, Süße und Länge 94/100. Altersfrei und jung die allerdings nicht sehr dichte Farbe des 1975 Mouton Rothschild, etwas verhalten die Nase mit Leder und Bleistift, auch am Gaumen trotz delikater Frucht eher mit gebremstem Schaum und immer noch spürbaren Tanninen. Scheint einer dieser 75er zu sein, die sich nur im Schneckentempo entwickeln und könnte über nächsten 10+ Jahre noch zulegen 90+/100. Ganz anders aus Kalifornien der großartige 1975 Cuvaison, da war jede Menge Kraft, Saft, Fülle, Länge und explosive, druckvolle Aromatik mit Eukalyptus und Minze satt. Und das alles mit nur 12,7% Alkohol! 96/100. Sehr reif, auch in der Farbe, als Abschluss ein 1971 Vosne Romanée von Moillard, weich, süß, aromatisch, brach aber rasch im Glas ab und aus anfänglichen 92/100 wurden 88/100.

Kleine GPL Verkostung

GPL steht für Grand Puy Lacoste, einen meiner Lieblingsweine aus Bordeaux. GPL ist ein großartiger Pauillac, früh trinkbar, trotzdem langlebig, elegant, charmant, auf hohem Niveau und für die gebotene Qualität immer noch erstaunlich bezahlbar. GPL hat viele Fans, aber der Wein steht stets im Schatten der namhafteren, aber oft nicht besseren Gewächse. Das ist gut so und möge bitte noch lange so bleiben.
Vier Flaschen hatte ich für unsere kleine Verkostung mit ins D Vine gebracht. Den Anfang machte 1970 Grand Puy Lacoste aus der Magnum. Eine im Keller mehr oder weniger vergessene Flasche war das. Zweimal hatte ich diesen GPL 1998 und 1999 aus der 1tel im Glas. Beide Male bewertete ich den damals reif erscheinenden Wein mit 90/100. Als wir die Magnum öffneten und dekantierten, wurde mir schnell klar, warum es manchmal gut ist, solch einen Wein zu vergessen. Der war nicht alt, der war nicht hin, der war aus dieser perfekt gelagerten Magnum einfach Klasse. Immer noch jung erscheinend und weitgehend altersfrei die Farbe, einfach geil die klassische, große Pauillacnase, pfeffrig, würzig mit pflaumger Frucht, Teer, Tabak, reife Paprika, portig, Unterholz. Das setzte sich am Gaumen fort, wo der GPL dicht und immer noch recht kräftig war. Überraschend schön und aus solchen Flaschen sicher noch mit Potential für 10+ Jahre 94/100. Bei derartigen Flaschen wird mir immer klar, wie vorteilhaft doch ein guter Weinkeller sein kann. Seit 1990 lag diese Flasche dort bei perfekten Bedingungen. Im Glas belohnte uns der GPL dafür. Nicht viel anders sah es beim nachfolgenden 1983 Grand Puy Lacoste aus, ebenfalls aus der Magnum. Der war weicher, süßer, aromatischer und schmelziger mit der für GPL so typischen, reifen Johannisbeere, am Gaumen dafür nicht so dicht und kräftig. Einfach traumhaft gereifter Cabernet, der es in der Magnum noch etliche Jahre machen wird 92/100. Vor 11 Jahren habe ich die erste meiner drei in den Neunzigern erworbenen Magnums mit ähnlichem Resultat getrunken. Mit der Dritten lasse ich mir jetzt noch ein paar Jahre Zeit.
Weiter machten wir mit einem etwas jüngeren Zwillingspärchen, diesmal aus 1teln. Noch sehr jung aus dieser Flasche 1989 Grand Puy Lacoste. Sehr elegant, ledrig, Zedernholz mit süßer, dekadent leckerer Frucht, aber auch mit spürbaren Tanninen, da war mal mehr, und das kommt auch wieder 93+/100. Wie viele 89er hat sich auch dieser GPL nach langer, offener Trinkphase etwas verschlossen, was sich je nach Lagerung schon wieder gegeben hat, oder noch eine Weine dauert. Magere 89/100 bei Parker machen diesen Wein zu einem Geheimtipp auf Auktionen, denn da kommen bald wieder und dann wohl noch für 15-20 Jahre die 95/100 ins Glas, die dieser Wein in der Fruchtphase konstant zeigte. Damit ist er dem 1990 Grand Puy Lacoste ebenbürtig und wahrscheinlich deutlich langlebiger. Der zeigte sich bei unserer kleinen Verkostung in bestechender Form. Ein feiner, eleganter, finessiger GPL mit süchtig machender, süßer Frucht, mit viel Zedernholz und Tabak, weich, lang und schmelzig am Gaumen, aber auch mit gutem Rückrat, einfach Trinkspaß pur 95/100.

Dreimal Husarenquartier

Im Mai diesen Jahres war ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder im Husarenquartier in Erftstadt. Auf dem Wege zu Elke Dreschers Latourprobe hatte ich mir nach den ersten 60 km mit dem Rad eine Rast gegönnt und mich hier mit einem Freund zum Mittagessen verabredet. Neugierig machte uns seinerzeit ein sechsgängiges, rein vegetarisches Menü. Das war von solch außergewöhnlicher Qualität, dass für mich schnell fest stand: hier muss ich wieder hin. Und so landete ich an gleicher Stelle schon ein paar Wochen später mit der Familie, die ich zu einer Fahrradtour an die Ahr zu Stefan Steinheuer hatte überreden können. Meine Damen folgten bei der mittäglichen Rast im gastlichen Husarenquartier meiner Empfehlung und nahmen ebenfalls dieses vegetarische Menü. Voll des Lobes waren sie hinterher und auch mir hatte es wieder außergewöhnlich gut gemundet. Also lag es nahe, dass ich mich jetzt im September auf dem Wege zu Elke Dreschers La Mission Probe, die ich mir wieder mit dem Fahrrad verdiente, mit einem Freund für einen dritten Besuch in diesem sympathischen Hause verabredete. Keine Frage, wir wollten natürlich dieses außergewöhnliche vegetarische Menü, das mit normaler Körnerfresserei sowenig zu tun hat wie Wagyurind mit Buletten. Was Herbert Brockel hier bietet ist ganz große Schule, ein Feuerwerk an Aromen, das jede Reise lohnt.
Die Weinkarte des Husarenquartier mit ihren geschätzten 150 Positionen ist auf Deutschland focussiert. Wir wählten bei unserem letzten Besuch einen 2009 Idig GG von Christmann. Der war in bestechender Frühform, offen, saftig, elegant, kräuterig und mineralisch, brachte enormen Trinkspaß und erinnerte an 2005 94/100. Unkomplizierter, animierender Trinkgenuss danach auch ein 2007 Ahrweiler Rosenthal Spätburgunder von Adeneuer mit pflaumiger Frucht und Süße, cremiger Textur und burgundischer Fülle, nicht der komplexeste aller Weine, aber auch hier Trinkspaß auf hohem Niveau 92/100.
Blieben noch die Weine der ersten beiden Besuche nachzutragen. Das erste Mal starteten wir mit einem 2008 Saarburger Rausch Kabinett von Geltz-Zilliken. Der war fruchtig, mineralisch, extraktreich, durch die knackige Säure harmonisch trocken wirkend und mit nur 7,5% Alkohol erfreulich leicht und erfrischend wirkend 90/100. Weniger anfreunden konnten wir uns mit dem 2008 Silberlack 1.G von Schloss Johannisberg, viel Säure, etwas stahlige Frucht, erheblich zu jung und noch etwas zugeknöpft wirkend, mit Essen deutlich besser, gehört aber noch eine Weile weggelegt 87+/100. Sehr gut gefiel uns dann als Abschluss eine halbe Flasche 2007 Malterdinger Spätburgunder Alte Reben von Huber. Der hatte Spiel, Süße, Frucht und mit viel Säure eine gute Struktur 92/100.
Nicht klar kamen wir beim zweiten Besuch mit einem 2007 Burgberg Riesling GG von Diel. Der wirkte kühl, verhalten, etwas abweisend mit stahliger Frucht und floralen, kräuterigen Noten, gute Säure, aber er sang einfach nicht 87/100. Deutlich besser gefiel uns damals im direkten Vergleich der ausdrucksstärkere, sehr aromatische, mineralische 2008 Pettenthal GG von Gunderloch 91/100. Ein feinfruchtiger, schlanker, frischer Holundercocktail war der 2010 Sauvignon Blanc von Mosbacher, der sich wohltuend von all diesen alkoholischen Cloudy Bay Kopien abhebt 88/100.