Cellar Devils 2017

Hijacked by Düsseldorf Cellar Devils“ titelte der amerikanische Weinkritiker Jeff Leve (www.winecellarinsider.com) 2011 einen Bericht über eine denkwürdige Probe hier in Düsseldorf, bei der wir den guten Jeff mächtig unter Strom setzten. Und weil es Jeff so gut gefallen hatte (uns natürlich auch), ist aus der damaligen Stippvisite ein fester, regelmäßiger Termin geworden.

So trafen wir uns auch in diesem Jahr mit Jeff im Berens am Kai zu einer großen Best Bottle, für die jeder der Devils tief in seinem Keller gegraben hatte. Jeff Leve kam wie immer von einer ausgiebigen Bordeauxreise mit intensiver Primeurverkostung des aktuellen Jahrgangs. Wahre Wunderdinge erzählte er uns mit leuchtenden Augen vom Jahrgang 2016. Seine ausführlichen Notizen hat er inzwischen auf seiner sehr empfehlenswerten Website veröffentlicht.

Aber unser Thema waren natürlich nicht Weinbabys, über deren Zukunft sich gut spekulieren lässt, sondern gereifte Raritäten. Als Apero starteten wir auf der frühsommerlichen Terrasse des Berens am Kai mit zwei Rieslingen, während Barbara Beerweiler gekonnt die danach folgenden Weinsenioren von ihren Korken befreite und zu spannenden Flights zusammenstellte.

Schlank, mineralisch, etwas karg mit kräuteriger Herbe in der Nase der immer noch so frische 2004 Niersteiner Orbel Riesling GG von St. Antony, der deutlich das kühle Jahr verkörperte und sicher noch eine lange Zukunft haben dürfte – WT93. Ebenfalls jahrgangstypisch deutlich fülliger mit feinem Schmelz zeigte sich der grandiose 2005 Ruppertsberger Hoheburg Faß #57 von Bürklin-Wolf aus der Magnum. Sehr würzig, kraftvoll, mit viel Druck und Länge, großem Trinkspaß, aber absolut trocken mit großartiger Struktur – WT96. Leider nicht nur meine bisher wohl beste Flasche dieses Ausnahmeweines, sondern auch meine letzte Magnum. Wie schön, dass es davon aber noch eine Doppelmagnum gibt.

Mit zwei weiteren, weißen Giganten starteten wir in die eigentliche Probe, die wieder von einem sehr hochklassigen Menü begleitet wurde. Der 2010 Batard Montrachet von Joel Gagnard war weißer Burgunder vom Allerfeinsten und gefiel mir noch etwas besser als die Zwillingsflasche im letzten Jahr, wirkte etwas frischer und offener. Zeigte geniale Struktur, Mineralität, Präzision und Länge, aber auch Fülle und ersten feinen Schmelz, könnte sich noch weiterentwickeln – WT97. Erstaunliche Kraft und Fülle zeigte der 1999 Clos St. Hune von Trimbach, leicht rauchig, dezente Petrolnote, die einst so bissige Säure inzwischen deutlich weicher – WT95.

Große Weine wurden seinerzeit bei Clos Fourtet in St. Emilion produziert, die sicher in einer Liga mit Cheval Blanc spielten. Das zeigte sehr deutlich der 1920 Clos Fourtet, immer noch mit feiner Frucht, dazu mit Schmelz, Süße, Eleganz und sogar gewisser Frische, sehr finessig und elegant am Gaumen in bester Cheval Blanc Art – WT99. Eigentlich hätte da der 1921 Clos Fourtet mithalten müssen, von dem ich im letzten Jahr zusammen mit Uwe Bende ein Lot in gutem Zustand ersteigern konnte. Uwe hatte aus diesem Lot schon eine hervorragende Flasche in einer Probe (und vermutete deshalb den 21er im 20er Glas). Doch diese Flasche wirkte schon sehr reif mit oxidativen Noten. Künstlerpech halt, die zweite Flasche baue ich dann im nächsten Jahr in die Cellar Devils Probe ein.

Als herausragendes Jahr galt 1906 in Rioja. Und das dies wirklich so war, zeigte eindrucksvoll der ja nun immerhin 111 Jahre alte 1906 Marques de Riscal Reserva. Was für ein zeitloses, großartiges Weinmonument! Tiefe, dunkle Farbe, immer noch enorme Kraft und gewaltige Struktur, ja, der hatte immer noch Tannin, intensive Mineralität, feine Süße und mit der salzigen Note erinnerte er stark an bretonische Salzkaramellen. Für solch ein großartiges, singuläres Weinerlebnis gibt es nur eine Note: WT100. Noch etwas jünger wirkte der enorm druckvolle 1925 Marques de Riscal Reserva mit mehr Frucht, Kaffee- und Mokkanoten, sehr lang am Gaumen mit feinem Schmelz – WT97. Für den ewigen, zweiten Sieger gegen den legendären 1925 Castillo YGAY blieb auch hier auf sehr hohem Niveau wieder nur der zweite Platz.

1943 gilt als das beste der schwierigen Kriegsjahre. Die besten Weine zeigen sich immer noch in beeindruckender Form. Das wird auch mit daran gelegen haben, dass sie etwas länger in den zumeist gebrauchten Fässern verbringen durften. Denn sie wurden erst nach Abrücken der deutschen Wehrmacht gefüllt. Beeindruckend der noch erstaunlich kräftige, dichte 1943 Lafite Rothschild in einer Händlerabfüllung mit feiner Frucht und intensiver Mineralität. Wirkte in seiner noblen, eleganten Art geradezu aristokratisch, einfach Lafite pur – WT96. Noch eine Ecke drüber der 1943 La Conseillante in einer deutschen R&U Abfüllung für die Bremer Eiswette. Meine bisher beste (und leider letzte) Flasche dieses Weines war das, die hier eine Glanzvorstellung ablieferte. Großer Pomerol, geradezu opulent mit dekadenter Süße, aber auch enorm kraftvoll und lang – WT97.

Und wie führt man selbst erfahrene Weinnasen hinters Licht? Man serviert ihnen ein und denselben Wein in zwei verschiedenen Gläsern. Hat geklappt. Schließlich haben wir ja nach Unterschieden gesucht, und wer sucht, der findet auch. Klar waren da große Ähnlichkeiten. So lauteten die Vermutungen entweder auf ein und derselbe Wein aus zwei unterschiedlichen Jahren oder auf zwei unterschiedliche Weine aus ein- und demselben Jahr. Eine Magnum 1955 Canon aus St. Emilion hatten wir vor uns. Diesen Wein hatte ich schon häufig im Glas, aber noch nie aus der Magnum und noch nie in dieser sensationellen Qualität. Noch so jung in der Farbe, so unglaublich kräftig mit immer noch deutlichen Tanninen, reichlich dunkle Frucht, in der Form noch gewaltige Zukunft – WT96.

Und dann kam Uwe Bendes Auftritt mit zwei super-spannenden Weinen. Schlichtweg sensationell der perfekt gereifte 1950 Chateauneuf-du-Pape Les Cailloux von Lucien Brunel. Da war kein Alter, einfach nur geniale Aromatik und Süße, die vollreife Erdbeere eines großen Chateauneuf, viel Kaffee, Nüsse, eine halbe Patisserie, alles sehr kraft- und druckvoll dargeboten, aber auch mit burgundischem Schmelz und Eleganz. Wenn großer Chateauneuf reif wird, steht er einem großen Burgunder in nichts nach. Der hier war ganz großes Kino – WT98. Im anderen Glas eine moderne Chateauneuf-Legende, der 1990 Clos des Papes. Betörende, süße Frucht, erst Kirsche, dann immer mehr Erdbeere, enorme Kraft und Fülle, sehr würzig, mineralisch, in keiner Form überladen oder süßlich mit großartiger Struktur, dabei immer noch so jung. Ein großer Chateauneuf aus einem Guss, der für die nächsten 20-30 oder mehr Jahre noch einiges erwarten lässt – WT99.

Geplant war danach der absolute Overkill. Der legendäre 1974 Heitz Martha´s Vineyard sollte gegen seinen designierten Nachfolger, den 1975 Heitz Martha´s Vineyard antreten. Doch der 75er kniff leider und beförderte sich mit üblem Kork aus diesem hoch spannenden Duell. Wahrscheinlich wäre er hier auf höchstem Niveau auch nur zweiter geworden. In den letzten Jahren habe ich dem großartigen 75er im Vergleich fast immer den Vorzug gegeben, weil er der jüngere, druckvollere, einfach dramatischere Wein war. Die Ikone 74 war aus zu vielen Flaschen schon zu weit und etwas müde. Aber aus dieser perfekten Flasche, der vielleicht besten, die ich je vor mir hatte, drehte der Champion noch mal richtig auf. Ein unglaublich stimmiger Wein mit viel Minze und Eukalyptus, sehr würzig, pfeffrig, sehr lang am Gaumen, einfach alles in der totalen Harmonie eines Weltklasseweines – WT100.

Statt des 75ers kam dann der Ersatzwein ins Glas. Ersatzwein? Nein, alles, aber kein Ersatzwein. Ein unsterblicher Riese war dieser 1947 Margaux in der Vandermeulen-Abfüllung, der kaum älter als der Martha´s und sogar noch etwas kraftvoller wirkte. Sehr elegant mit feiner Minze, viel Kaffee und Leder. Nur ging es ihm hier im direkten Vergleich so wie sonst dem 74er Heitz gegen den 75er, es fehlte (was nun für einen 70jährigen Wein nicht verwunderlich ist) etwas die Dramatik – WT98.

Auf allerhöchstem Niveau, aber deutlich jünger, ging es weiter. 1990 Latour stand gegen 1990 Margaux. Der Wein im ersten Glas so fein, so elegant, einfach perfekt – WT100. Der Wein im zweiten Glas deutlich kräftiger, druckvoller und stückweit verschlossener, aber mit Mörderpotential – WT98+. Klar, das erste Glas musste Margaux sein, das zweite Latour. Aber es war genau anders herum, was ich immer noch nicht so richtig glauben kann.

Und damit kamen wir zum letzten Flight dieser Wahnsinnsprobe. Enorm kräftig mit immer noch deutlichem Tanningerüst der zupackende, leicht animalische 1997 La Landonne von Guigal mit erdigen, trüffeligen Noten. Beginnt zögerlich, sich zu öffnen, dürfte aber über die nächsten 10 Jahre noch gewaltig zulegen – WT96+. Genial die Nase des 1995 Colgin Herb Lamb mit Minze und einem Hauch Eukalyptus, mit superber, reifer süßer Frucht, Blaubeere und Brombeere, dazu seltsamerweise die Dillnote von Silver Oak. Immer noch so frisch, aber deutlich stimmiger als in der Jugend mit wunderbarer Länge. Hier hat warten wirklich gelohnt – WT97.