Oktober 2017

End of Season?

Einfach der Hammer. Mitte Oktober und Abends noch 22 Grad. Klar musste Mann/Frau das ausnutzen. Da war dann eine kleine, spontane "Monday Bouteille" draußen vorm Passion du Vin in Niederkassel angesagt. Zu einer genialen Platte feinsten französischen Käses kam als erstes 1970 Giscours ins Glas, der unglaublich druckvolle Best-ever-Giscours, ein der ganz großen 70er. Dichte Farbe mit wenig Alter, schöne Kirschfrucht, perfekter Spagat aus unbändiger Kraft und Margaux-typischer Eleganz. Kaffee, portige Noten, Trüffel, Zedernholz, sehr druckvoll und lang am Gaumen, dazu wohl noch reichlich Zukunft – WT96. Und dann gab es eine große Überraschung für Passion du Vin Patron Michael Krieg. Dieses irre, im besten Sinne kernige Zeugs mit der explosiven, leicht exotischen, sehr kräuterigen Aromatik war aus seinem Geburtjahr. Der 1977 Beringer Zinfandel zeigte in beeindruckender Form, wie gut alte Zins sein können. Der hier wirkte wie eine Chartreuse als Rotwein und hatte hohes Suchtpotential – WT94. Auf sehr hohem Niveau ging es dann weiter mit dem enorm kräftigen, immer noch so jugendlich wirkenden 1985 l'Eglise Clinet, einem Parade-Pomerol vom Feinsten. Tief dunkle Farbe, pflaumige Frucht in feinster Bitterschokolade, generöser Schmelz, so kräftig und druckvoll mit enormer Länge – WT96. Ein Musterbeispiel für die völlig unterschätzen 85er aus Bordeaux, von denen die besten noch lange enormen Trinkspaß bereiten werden. Und auch unser vierter Wein konnte auf hohem Niveau mitspielen. Der 1990 Domaine de Chevalier brachte die klassische Pessac Aromatik mit viel Cigarbox und teeriger Mineralität mit viel Grazie rüber, ein sehr eleganter, finessenreicher Schmeichler, Kraft und druckvolle Aromatik in Seide verpackt, mit Langstreckenpotential – WT94.

Grosse Weine mit großen Winzern zu großer Küche

Hoher Besuch in Düsseldorf. Klaus Peter und Julia Keller sowie Julian und Nadine Haart gaben uns die Ehre. Zu einem großen Menü von Holger Berens öffneten wir im Berens am Kai ein paar nicht alltägliche Weine.

„Gut und schräg“ schrieb Heiner Lobenberg in seinem Katalog zu unserem Apero. Und das traf es auf den Punkt. Ein Glas des 2017 degorgierten 1988 Sekt Reserve von Peter Lauer, der am Gaumen absolut trocken wirkt, der aber in der Nase Restsüße erahnen lässt, war 2017 durchaus spannend, mehr musste aber nicht sein - WT90.

Danach kamen die Dönnhoff Super-Zwillinge aus dem großen Riesling Jahrgang 2001 ins Glas. Perfekt gereift ohne Alter die brilliante, sehr elegante und stimmige 2001 Hermannshöhle Spätlese trocken – WT97. Sehr fein mit spielerischer Eleganz, dezenter Süße und guter, balancierender Säure die 2001 Hermannshöhle Spätlese – WT97.

Mit einer Sherry-Nase kam der wohl weitgehend trocken ausgebaute 1934 Riesling Rüdesheimer Berg eines unbekannten Erzeugers/Händlers namens Rup ins Glas, baute dort enorm aus und zeigte mit guter Säure eine erstaunliche Frische – WT90.

Wie gut die Keller-Weine altern zeigte der 2002 Hubacker, ein faszinierender Frischling mit der leicht barocken Hubacker-Fülle – WT97. Ein faszinierendes Weinbaby immer noch der 2012 Hipping GG Versteigerungswein, der zum 60. Kronjubiläum der englischen Königin gereicht worden war. Das war Roter Hang pur, ein begeisternder Weinmit messerscharfer Präzision, der vor Mineralität nur so strotzt und eine große, lange Zukunft haben dürfte. Jetzt schon mit Vergnügen gut (an)trinkbar, aber da kommt noch mehr – WT95+.

Überraschend gut aus schwierigem Jahr ein 1973 Mouton Rothschild mit dem Jahrgang, in dem Mouton per Dekret von Präsident Chirac zum 1er Grand Cru Classé erhoben wurde. In seiner ganzen Anmutung ging dieser sehr elegante Wein am Tisch als gut gereifter Pinot durch. Nur die typische Bleistift-Mineralität deutete auf Mouton und Bordeaux hin. Für das in Bordeaux sehr schwierige Jahr ist dieser Wein eine beachtliche Leistung, und am Ende ist er in guten Flaschen noch lange nicht – WT92.

Damit landeten wir bei einem Quartett hochkarätiger, roter, perfekt gereifter Burgunder. Ein Tâche Romanée aus der legendären, 1933 von DRC gekauften Lage, von Chevillot war ein zwar leicht von Kork getrübtes Mörderteil, das immer noch so eine junge Farbe und eine irre Kraft und Präzision zeigte. In perfekten Flaschen sicher ein perfekter Wein. Diese Perfektion zeigte dann ein 1937 Richebourg von Lalignant Chameroi, so eine sensationelle, dichte Farbe, so eine verrückte Nase, soviel Kraft, aber auch burgundische Pracht und Fülle am Gaumen. Einfach ein riesengroßer, kompletter Burgunder aus längst vergangenen Zeiten, gut 40 Jahre jünger wirkend und mit einer gewaltigen tragenden Säurestruktur, die diesen Wein noch 50 Jahre weiter altern lässt – WT100. Sprachlos machte auch eine immer noch so junge, „best ever“ Flasche 1947 Vosne Romanée in einer Vandermeulen Abfüllung, mit der genialen Struktur eines Grand Cru und generöser, süßer Würze. Für KPK war das eine Cuvée aus Richebourg und Romanée St. Vivant – WT99. Noch so jung mit traumhafter Frucht und würziger Fülle ein 1959 Richebourg von Bichot mit großartiger Struktur, feiner Süße und einem Rückgrat, das ihm noch eine lange Zukunft gibt – WT98.

Mit einem dieser faszinierenden Kabinette von Julian Haart ging es in die Endrunde. Der 2015 Schubertslay Kabinett von 120 Jahre alten, wurzelechten Reben begeisterte mit Rasse und Klasse, ein noch sehr junger, großartiger Kabinett mit wunderbarer Leichtigkeit. Und da uns der liebe Holger dann noch mit einer schlichtweg göttlich, hauchdünnen Apfeltart verwöhnte, fand noch eine großartige 2007 Wehlener Sonnenuhr Spätlese Magnum von JJ Prüm den Weg in unsere Gläser, die trotz des üppigen Jahrgangs eine faszinierende Leichtigkeit zeigte - WT94.

Nach der Probe ist vor der Probe

Jan Erik Paulson hatte eine handverlesene Zahl von Weinfreunden zu seinem jährlichen Raritäten-Wochenende ins Kronenschlösschen geladen. Wieder eine hoch spannende Veranstaltung, über die ich an anderer Stelle berichte. Natürlich geht bei diesen herrlichen Proben niemand durstig ins Bett. Aber das Kronenschlösschen steht auch für eine geniale, sehr umfassende Weinkarte. Und wenn dann der Pedro aus Brasilien, der Rune aus Norwegen und viele andere zusammenkommen, dann wird natürlich vor den Proben, zwischendrin und auch danach in dieser wunderbaren Weinbibel gelesen, gesucht, gefunden – und natürlich getrunken.

Ein feines, erstes Mittagessen am Freitag sollte nicht trocken herunter gewürgt werden. Und natürlich hatte Sommelier und Restaurantchef Florian Richter die passenden Tipps. So starteten wir mit einem 2011 Lady May, dem Topwein von Glenelly aus Stellenbosch in Südafrika. Die frühere Pchon Comtesse Besitzerin May-Elaine de Lencquesaing hatte 2003 Glenelly Estate gekauft, vier Jahre bevor sie Pichon Comtesse verkaufte. Der 2011 Lady May ist eine klassische Bordeaux Cuvée mit 85% Cabernet Sauvignin, 10% Merlot und 5% Petit Verdot. Mit reifer, südafrikanischer Frucht, großartiger Struktur, feiner Bleistift Mineralität und dem Charme einer Comtesse trinkt sich dieser elegante Wein einfach wunderbar – WT93. Weiter ging es mit einem 2004 Gottesfuß Alte Reben von Van Volxem, der sich in bestechender Form ohne jedes Alter zeigte, so irre stimmig mit betörender Frucht, fast schwereloser Eleganz und feiner Mineralität – WT95. Ein Musterbeispiel nicht nur für den seinerzeit verkannten, großen Jahrgang 2004, sondern auch dafür, dass es einfach lohnt, solch großen Weinen die nötige Reife angedeihen zu lassen. Schwierig, da noch eins drauf zu setzen, aber mit dem 1998 Nonnenberg von Breuer ging das. Die etwas kleinere Version des 92ers brachte saftige, glockenklare Frucht, enormen aromatischen Druck und hohen Extrakt so elegant und harmonisch rüber, dass man mal wieder die so bescheidenen 12% Alkohol kaum glauben konnte – WT96. Als Abschluss gönnten wir uns dann noch eine halbe Flasche der erstaunlich fülligen, gereiften 1995 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese #12 von Fritz Haag, die aber trotzdem das feine Süße/Säurespiel und die Leichtigkeit der Haag Weine zeigte – WT93.

Am späteren Abend führte mein Weg von der außerirdischen Pichon Probe ins Bett durchs Foyer. Und da war Wein-Trüffelschwein Pedro schon fündig geworden. Ein atemberaubend guter 1929 Cos d´Estournel sollte/durfte/musste es noch sein. Eine absolute Traumflasche war das. Voll da war der Cos mit immer noch intaktem Tanningerüst und gewaltiger Länge am Gaumen, aber auch mit der Eleganz und Feinheit des Jahrgangs – WT97. Anschließen probierte ich noch einen Schluck vom 1955 Canon-la-Gaffelière, den ich besser kenne. Aus dieser wohl nicht optimalen Flasche störten oxidative Noten und etwas spitze Säure – WT84.

Der nächste Morgen brachte einen kurzen Besuch auf Schloss Johannisberg, das mit schlichtweg atemberaubendem Blick über dem Rheingau thront. Und wenn ich schon da war, dann wollte ich auch einen Schluck vom 2016 Johannisberg Silberlack GG probieren. Doch erst wurde uns er Unterschied zwischen einem Winzer und einem Konzern vorgeführt. Ein Winzer hätte bei diesem nasskalten Wetter – wir waren ein paar Minuten zu früh – gesagt, kommt rein Jungs. Doch bei der Oetker Konzerntochter wurde die Vinothek, obwohl vorher schon mit Personal besetzt, natürlich erst Punkt 11 bzw. kurz danach geöffnet. Das 16er GG gefiel mir recht gut und zeigte sich deutlich offener als das 15er GG ein Jahr vorher an gleicher Stelle. Es hat vielleicht etwas weniger Substanz und dürfte langfristig dem 15er unterlegen sein, bietet aber jetzt frühen Trinkspaß – WT92+.

Und wo landeten wir nach Ernie Loosens spannender Masterclass? Im Foyer des Kronenschlösschens natürlich. Stand da doch der legendäre 1992 Nonnenberg von Breuer als wohlfeile Doppelmagnum auf der Karte. WT100 hatte ich diesem Wein 2016 auf einer Probe reifer Riesling-Raritäten gegeben. Und diese Qualität zeigte er auch jetzt aus der Großflasche wieder. Einfach ein perfekter, riesengroßer, stimmiger Riesling ohne Alter, der mit dieser druckvollen Aromatik bei bescheidenen 12% Alkohol all den Winzern, die mangels Substanz hohen Alkohol als Geschmacksträger einsetzen, die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste. Zwischendrin stellte dann noch jemand eine 1959 Schloss Johannisberg Blaulack Spätlese auf den Tisch. Ein sehr schön zu trinkender Bratapfelsaft mit verhaltener Süße und feiner Bitternote war das – WT93.

Nach dem abendlichen Raritätendinner wurde am Tisch noch heftig mit Champagner&Co weiter gezaubert. Ich flüchtete Richtung Bett, musste aber noch durchs Foyer, wo Pedro mit einem beeindruckenden 1962 Vina Real von CVNE saß. Ok, zu einem Glas ließ ich mich dann noch überreden. Dieser Vina Real zeigte wieder die große Klasse der älteren CVNE Weine, die man bedenkenlos bis runter in die 40er kaufen kann, was ich seit langen Jahren tue. Das Gemüsige, das bei älteren Riojas oft stört, gibt es hier überhaupt nicht. Klare Frucht, schöne Fülle, Kraft und Länge, alles so stimmig von ganz dezentem, feinem Schmelz – WT96. Derer nachfolgende 1975 Palmer zeigte anschließend deutlich, dass es jetzt wirklich Zeit war, ins Bett zu gehen. Der war wieder einmal nur uncharmant, ruppig und freudlos – WT80.