1906

Da lassen sich sicherlich noch Entdeckungen machen, denn 1906 war ein gutes Weinjahr in Bordeaux mit kräftigen, spät reifenden Weinen.

Als unsterblicher, echter 06er Brocken entpuppte sich 2010 Montrose - 90/100.

Sehr kräftig 2010 die Farbe einer Pichon Comtesse, etwas stichig die balsamische Nase, die immer mehr Champignons entwickelte, am Gaumen deutliche Säure, etwas harsches Resttannin, aber auch eine dezente Süße – 88/100.

Erstaunlich gut gehalten hat sich Ducru Beaucaillou und war 2006 immer noch mit Genuss zu trinken. An karamellisierte Wiesenchampignons musste ich spontan denken. Habe ich zwar so noch nie gegessen, aber von der Nase her war das spannend. Dazu viel Kaffeetöne – 90/100. Als sehr gut gelungen und langlebig gilt auch Gruaud Larose.

Geradezu jugendlich und kraftvoller wirkte 2013 ein Rausan-Ségla – 97/100.Doch selbst gut gefüllte Flaschen geben natürlich bei einem 100jährigen Wein keine Garantie mehr für Genuss. Das mussten wir 2006 bei einem Tour de Mons erfahren. Die originalverkorkte Flasche hatte einen sensationellen Füllstand(‚bn’), und auch der Korken war noch weitgehend intakt. Nur vom Wein konnte man das nicht mehr unbedingt sagen. Klar, trinkbar war er. Die ins bräunliche gehende Farbe war leicht trüb, die Nase säurebetont mit Zitrusaromen und Himbeere. Am Gaumen war der Wein recht leicht und etwas ausdruckslos, wenn man von der immer stärker werdenden Säure absieht, aber immerhin ohne größere Schmerzen trinkbar. Nun gut, das war ein hundertjähriger Weingreis, da war schon etwas Ehrfurcht angesagt. Nur kann man Ehrfurcht leider nicht schmecken. Schade – 74/100.

Große, sehr langlebige Weine wurden in Burgund erzeugt. 1906 war das erste der vier glorreichen Burgunderjahre(1911, 1915, 1919 waren die anderen). Natürlich sollten auch die gut gelagert gewesen sein. In einem Prowein-Tasting 2004 habe ich eine Hochrisikoflasche Nuits St. Georges Village von Bourdillat aus dem Keller des alten Restaurant Weber in Paris mit 7 cm Schwund und leicht undichtem Kork geöffnet. Der war sehr weit mit heller Farbe, kam dann im Glas noch mal etwas und zeigte die für alte Burgunder typischen Kaffeetöne, als Verbeugung vorm Alter noch trinkbar, jung würde ich so etwas weggießen - 75/100. Sehr viel besser 2006 zwei große Burgunder auf einer Raritätenprobe. Eine ganz erstaunlich dichte, deutlich jünger wirkende Farbe, viel Kirschfrucht, kräftige, gut eingebundene Säure und dadurch auch eine wunderbare Frische hatte der Chambertin von Morin. Dazu die würzige, spannende Nase, man hat das Gefühl, das da noch eine Menge Zukunft in der Flasche steckte – 93/100. Außergewöhnlich gut auch der Beaune von Bouchard. Wirkte im ersten Moment durch den noch fast ungestümen Morin etwas ältlich, doch das gab sich schnell. Helle, reife Farbe, feine, sehr finessige Nase, schöne Süße, Eleganz, Länge. Baut im Glas irre aus. Der vermeintliche Greis wird mit zunehmender Luft immer frischer und entwickelt sich zu einem traumhaft zu trinkenden, großen Wein – 96/100.

Als hervorragend und sehr langlebig galten auch die Weißen Burgunder. Säure ohne Ende besaß 2006 der Grand Montrachet von Morin. Die hielt ihn nicht nur am Leben, sondern verlieh im sogar noch eine erstaunliche Frische. Da zu eine traumhafte, finessige Nase mit Rauchtönen. Am Gaumen immer noch viel Kraft – 93/100.

Auch in Sauternes wurden 1906 sehr schöne, langlebige Weine erzeugt. Rabenschwarz war 2006 ein d´Arche Crême de Tête, ein irres Konzentrat mit faszinierender Nase und unglaublicher Kraft am Gaumen. Dazu kam eine erstaunliche Frische und eine perfekte Balance. Nicht nur ein Hundertjähriger, sondern auch ein Jahrhundertwein – 100/100.

An einen großen, reifen Port erinnerte 2016 der Muscat de Frontignan von Mazet, Salmon & Cie, ein Vin Doux Naturel aus dem Languedoc. Der war einfach nur schön, so fein und elegant mit süßer, roter Frucht und legte sich wie Seide auf den Gaumen – WT94.

Der Marques de Riscal Reserva war 2017 auf der Cellar Devils Probe ein zeitloses, großartiges Weinmonument! Tiefe, dunkle Farbe, immer noch enorme Kraft und gewaltige Struktur, ja, der hatte immer noch Tannin, intensive Mineralität, feine Süße und mit der salzigen Note erinnerte er stark an bretonische Salzkaramellen. Für solch ein großartiges, singuläres Weinerlebnis gibt es nur eine Note: WT100.

Noch recht komplex wirkte 2007 auf einer Tokayer-Verkostung ein Aszú Eszencia, der durch die höhere Säure auch jünger wirkte. Viel Honig, aber am Gaumen auch etwas beißend, der einzige Wein der Probe, der im Glas deutlich verlor. Mit zunehmender Luft wurden hier die etwas störenden Essignoten immer stärker – 91/100.