1928 und 1929

Im zweiten Teil von Elke Dreschers 1928/29 Probe gab es wieder spannende Paarungen wie z.B. 1928 und 1929 Pavie und großartige Solitäre wie 1928 Pichon Baron.

Die Hardcore-Elke-Fans reisen immer schon am Vorabend der Probe an. Da gibt es dann in etwas kleinerem Kreise traditionell eine feine Champagner-Probe, die noch mit schönen Rotweinen abgerundet wird. Das war schon beeindruckend, was da wieder „abgearbeitet“ wurde. Leider kann ich es nicht beschreiben, ich war nicht mit dabei. Diesen Fehler sollte ich vielleicht beizeiten mal korrigieren.

Dafür machten wir am Samstagnachmittag in noch kleinerem Kreise eine Vorprobe vor der Probe mit ein paar interessanten, älteren Rieslingen. Der 1988 Drachenstein von Breuer hatte eine karamellige Nase, kräftige Säure, furztrocken, war aber weitgehend charmefrei - WT83. Der 1999 Nonnenberg von Breuer war aus der Magnum ein sehr feiner, fruchtiger, mineralischer und schlanker Wein ohne Alter – WT91. Die 1985 Graacher Himmelreich Riesling Spätlese trocken von S.A. Prüm hatte eine helle Farbe, knackige Säure, puristische Frucht, schlank, kein Alter, geradezu zeitlos mit für eine trockene Spätlese unglaublich niedrigen 9,2% Alkohol - WT87. Noch so frisch und mit größtem Vergnügen zu trinken die 1992 Graacher Himmelreich Auslese von Kerpen, verhaltene Süße, sehr mineralisch mit feiner, leicht bitterer Schiefernote, gute Säure, sehr balanciert und stimmig - WT93. Wenig Genuss bot die 1983 Wehlener Sonnenuhr Auslese von Prüm-Adams, eine gezehrte Mischung aus Bienen- und Bohnerwachs – WT82.

Als eigentlichen Apero gab es 1983 Perriet Jouet Belle Epoque aus der 3 Literflasche. Der zeigte sich schon sehr reif mit güldener Farbe und wenig Mousseux. Wirkte schon sehr reif – WT86. Der war wohl irgendwann zu warm gelagert worden. Von allen Weinsorten reagiert Champagner am empfindlichsten auf hohe Temperaturen. Frisch und etwas leichtgewichtig mit feiner Kräuternote aus Südafrika der vom Winzer selbst mitgebrachte 2013 Eagles Nest Viognier – WT87.

Und dann ging es endlich los. Mit Stevie in der Küche und Oli am Korkenzieher hatte Elke wieder für zwei bewährte Topkräfte gesorgt, die für reibungslosen Ablauf sorgten. Hochklassig Stevies Küche. Der erste Flight war bereits eingeschenkt, als wir an den beiden, langen Tafeln Platz nahmen. Mausetot leider der 1929 Angelus mit trüber, alter, grauer Farbe. Enttäuschend auch der etwas flach und ausdruckslos wirkende 1983 Angelus. Der war nie was und hat sich das perfekt erhalten – WT85. Ganz anders der grandiose 1928 Ausone, der an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn haarscharf auf der Genieseite blieb. Sehr dicht die unglaublich junge Farbe, in der Nase alter Balsamico, Kaffee, Leder, aber auch rote Rumtopffrüchte und nur ein Hauch von Oxidation, am Gaumen enorme Kraft und hohe Säure – WT96. Sehr schön zu Anfang auch der 1928 Gazin, erstaunlich frisch mit feinem. schokoladigem Schmelz. Doch dieser famose Auftritt war nur von kurzer Dauer, der Gazin baute sehr schnell ab – WT88.

Kaum zu glauben der noch originalverkorkte 1928 Pavillon Blanc von Chateau Margaux. Brilliante, goldgelbe Farbe, sehr mineralisch, nussig, brettonische Salzkaramellen, feine Bitternote, cremige Textur und eine sehr gute Säure, die diesem Wein eine erstaunliche Frische verlieh – WT96. Alte, gut gelagerte Pavillon Blancs sind immer wieder für eine Überraschung gut und jede Suche wert.

Der 1928 Cheval Blanc brachte wieder diesen gelungenen Spagat zwischen der unbändigen 28er Kraft und der sprichwörtlichen Eleganz eines Cheval ins Glas. Deutliche Kaffeenoten, feine Süße, großartige Länge am Gaumen – WT97. Konnte ein Wein noch toter sein als der 29er Angelus? Der 1929 Cheval Blanc brachte dieses Kunststück leider fertig. Dafür sorgte im dritten Glas der 1983 Cheval Blanc für Furore. Ein großer Cheval mit dem klassischen, unnachahmlichen Cheval Parüm, mit seiger Eleganz, süßer, leicht portiger Fülle, sehr druckvoller Aromatik, stabilem Tanningerüst und aus dieser Flasche noch so unglaublich jung wirkend – WT97+.

Und dann dieser Wahnsinnsflight aus 1929 Pavie und 1928 Pavie. Der 29er der feinere, elegantere und stimmigere mit gerösteten Piemonteser Haselnüssen – WT97. Der 28er mit Power ohne Ende, immer noch deutlichen Tanninen, dunklem Nougat und den Walnüssen mit dieser typischen Latour-Bitternote – WT98. Beide Weine nahe der Perfektion und in der Klasse der heutigen Pavies. Der heutige Besitzer, Gerard Perse, hat dieses Chateau nach längerem Durchhänger erfolgreich wach geküsst und dahin zurückgeführt, wo es früher einmal war.

Gefährlich lebte der 1928 Gruaud Larose, der zwar die Kraft und Substanz großer 28er besaß, aber auch schon erste Schuhcreme-Noten zeigte. Würde er im Glas abbauen und zusammenfallen? Er legte stattdessen zu und baute aus – WT93. Großes Kino im anderen Glas der 1929 Gruaud Larose, sehr viel feiner, eleganter und mit wunderbarer Süße im Abgang, ein großer, burgundischer Gruaud – WT97. Erstaunlich, wie sich im dritten Glas der 1983 Gruaud Larose gemacht hat. Ein wein, der statt abzubauen immer mehr zulegt, ledrig, kräftig, Zedernholz und erster, feiner Schmelz – WT92. Sicher immer noch ein schlauer Kauf. Da kam trotz Magnum der 1983 Talbot nicht mit. Ein feiner, eleganter, reifer Wein, der langsam getrunken gehört – WT89.

Trotz heller Farbe noch voll da der feine, mineralische 1928 Smith Haut Lafitte mit viel Tabak, guter Säure und schöner Süße im Abgang – WT93. Eigentlich ein Erfolg in diesem Jahrgang der 1928 Carbonnieux, den ich schon mehrfach mit WT94 im Glas hatte. Man spürte die Kraft und die Substanz dieses Weines, aber leider auch den stärker werdenden Korkton, der uns den Spaß verdarb.

Ein sehr feiner, eleganter Wein mit der klassischen Cigabox-Aromatik, mineralisch, schmelzig und stimmig der 1983 Haut Brion – WT94. Aber der war chancenlos gegen den überragenden 1983 La Mission, einen der Superstars des Jahrgangs, der sich wieder so unglaublich druckvoll, kräftig und jung zeigte, einfach Traumstoff mit Zukunft und ein La Mission wie aus dem Bilderbuch – WT97.

Und dann durften wir zum Schluss noch mal richtig staunen. Schier unglaublich diese Galavorstellung, die der 1928 Pichon Baron da bot. Ein großer, kompletter Wein ohne Runzeln. Dafür mit Kaffee, Nougat, Rumtopf, mit guter Säure, jede Menge Kraft und guter Säure. Ein Riese, der den Gaumen noch mal richtig wach rüttelte – WT98. Da wirkte der 1983 Lynch Bages im anderen Glas trotz Magnum richtig schüchtern gegen. Wirkte reif, weich, elegant mit viel Zedernholz und um Längen von den großen Lynchs aus 82, 89 und 90 entfernt – WT91. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Baron den Lynch noch überlebt.

Blieb last not least noch unser Tischwein, der uns den Abend über begleitete. Unsere bezaubernde Gastgeberin hatte in ihrer großzügigen Art den 1983 Mouton Rothschild als Doppelmagnum aufgemacht. Der zeigte sich aus dem großen Format noch so jung. Ein erotischer Traum-Mouton mit Cassis, Bleistift, Ledersattel und einem Hauch Minze. Elegant und druckvoll zugleich – WT96.