Mit Elke im Wunderland des Pomerol

In Vorbereitung

Pomerol steht für Schokolade, Süße, Fülle, Hedonismus – einfach Freude im Glas. Und zu einer solchen Probe mit reiferen Pomerol Gewächsen hatte die liebe Elke in ihr heimatliches Domizil eingeladen. Klar habe ich mir das nicht entgehen lassen. Aviniert hatten wir uns schon in kleinem Kreis auf Elkes schöner Terrasse mit reifen Gewächsen aus deutschen Landen (WeinMomente September).

Mit einem perfekt gereiften 1982 Dom Perignon begrüßte uns die Hausherrin. Tiefe Farbe, immer noch gutes Mousseux, karamellisiertes Brioche, so unglaublich cremig am Gaumen. Das war wirklich reifer Dom Perignon vom Allerfeinsten mit perfektem Trinkfluss – WT96. Und da der sich ratzfaz leerte, war schnell der zweite Apero zur Stelle. "Filigrane Opulenz" - geht das? Na klar, wenn man Egon Müller heißt. Schlichtweg traumhaft war diese 2003 Scharzhofberger Spätlese, die uns der Oli aus der Magnum einschenkte. So elegant und finessig, aber mit hohem Suchtfaktor. Perfekt kombinierter Dreiklang aus Schiefermineralität, süßer Frucht und für den Jahrgang erstaunlich guter Säure. Da stört dann das schlechte Etikett überhaupt nicht. Schließlich wollten wir die Flasche ja nicht sammeln, sondern leer machen. Und das ging bei dieser Qualität auch hier verdammt schnell – WT95.

Drinnen an den beiden Tafeln war inzwischen schon der erste Flight eingeschenkt. 1953 Nenin in einer deutschen R&U Abfüllung hatte eine leicht balsamische Nase, war am Gaumen reif, aber durchaus noch kraftvoll mit Kaffeenoten und immer noch guter Säurestruktur. Baute trotzdem mit der Zeit im Glas ab, statt Schoko gab es dann immer mehr Maggi – WT92 für die ersten Schlucke. Ganz großes Pomerol-Kino der 1955 Conseillante, noch so jung und kraftvoll mit guter, reifer Säure, aber auch mit dem vollen, beerig-schokoladigen Verwöhnprogramm, dabei sehr fein und elegant. Baute enorm im Glas aus und hat sicher noch eine längere Zukunft – WT97. 1959 Nenin aus einer belgischen Händlerabfüllung war ein gut gereifter, schokoladiger Pomerol, bei dem man aber auch den heißen 59er Sommer und die typische, kräftige 59er Säure spürte – WT93. Rund und stimmig der 1961 Nenin aus einer belgischen Händlerabfüllung mit schmelziger Fülle, ein sehr feiner, ausgewogener 61er – WT95.

Nach diesem, gelungenen Start wurde es im nächsten Flight gleich Hardcore. Traumstoff der 1947 Clos l´Eglise Clinet aus einer Händlerabfüllung. Cranberries in Bitterschokolade, ein so eleganter, eher etwas feimininer, sehr burgundischer Wein mit seidiger Eleganz, baute im Glas enorm aus und entwickelte eine enorme Länge am Gaumen – WT97. Für manchen am Tisch mag dieser so stimmige Wein atypisch für 1947 gewesen sein. Aber gerade das zeigte, dass dieser Wein absolut authentisch war. 1947 war l´Eglise Clinet – ich habe mich intensiv darüber mit Denis Durantou, dem Besitzer des Chateaus darüber unterhalten – eben nicht diese üppige Bombe, die mir leider schon häufiger als Fälschung vorgesetzt wurde, sondern genau das, was wir hier im Glas hatten. Dichter, kräftiger, schokoladiger mit mehr „Bumms“, irrer Kraft und Länge war der 1950 Clinet, ein riesengroßer, kompletter Wein – WT99. Auf gleichem Niveau der dichte, konzentrierte, noch so junge 1959 l´Eglise Clinet in einer Barrière-Abfüllung, was für eine superbe Frucht, was für eine perfekte Struktur, Dichte und Länge, die 59er Säure hier reif und gut eingebunden. Ein Riese mit immer noch präsenten Tanninen für lange Jahre – WT99. Auf hohem Niveau kam da in diesem Mörderflight der 1961 Clinet nicht mit. Ein sehr gut gereifter, sehr gefälliger 61er, jetzt auf dem Punkt oder schon etwas drüber mit feinem Schmelz – WT95.

Zum Luft schnappen ging es nach draußen. Und da musste ich dann wirklich nach Luft schnappen, denn das, was da als Pausenfüller ins Glas kam, das war schlicht atemberaubend. 1971 Petrus aus einer perfekten Magnum ist ein sinnlicher, süchtig machender Riese, bei dessen Genuss man nur wohlig die Augen verdrehen konnte. Das war Petrus und Pomerol, wie es besser nicht geht – WT100. Jetzt wusste ich, warum der Weinbuchhalter in mir den beiden Riesen aus dem letzten Flight „nur“ WT99 gegeben hatte. Knutschen hätten wir wohl alle die Elke für diesen hedonistischen Wein, der noch dazu als Magnum für jeden für uns mehr als 0,1 l ins Glas brachte. Das nenne ich mal eine perfekte, generöse Gastgeberin.

Und weiter ging es im nächsten Flight mit l´Evangile. Etwas schwierig war zu Anfang der 1947 l´Evangile aus einer Händlerabfüllung. Aber der vermeintliche Korkton verschwand mit der Zeit und der l´Evangile berappelte sich. Stilistisch ähnelte er dem 47 Clos l´Eglise Clinet, ein sehr feiner, eleganter Wein, den ich aber bei Elke schon druckvoller und schokoladiger im Glas hatte, vielleicht nicht die allerbeste Flasche – WT95. Und dann kam wieder so ein Hammerteil aus Wineterminators Geburtsjahr ins Glas, 1950 l´Evangile aus einer deutschen R&U Abfüllung. Sehr dichte Farbe, Kraft ohne Ende, hoher aromatischer Druck, alter Balsamico, Espresso, Herrenschokolade, Minze, wirkte auf sehr hohem Niveau erst etwas rustikal. Wurde mit Zeit und Luft immer eleganter und schmelziger, meine Bewertung kletterte immer weiter. Bei WT98 war das Glas leer. Und was kommt da raus, wenn man edelste Pralinen mit einem großen Kalifornier aus den 70ern füllt? 1955 l´Evangile natürlich. Ein großer, opulenter Wein, die Schokoladenoper mit einem Hauch Kalifornien, Minze und Eukalyptus. Ein gewaltiger Wein mit enormer Substanz, der in dieser Form noch lange lebt – WT98. Nicht viel drunter der 1959 l´Evangile in einer Eschenauer-Abfüllung, ein großer, sehr stimmiger Pomerol mit superber Frucht und guter, reifer Säure – WT97.

Ja, der gute Jan Erik Paulson, der mit mir zusammen Elke einrahmte, konnte mir schon leid tun. Immer wieder frozzeln wir darüber ob 1949, sein Geburtsjahr, oder meines, 1950, das bessere Weinjahr ist. Und jetzt musste der arme Kerl auch noch den dritten, großartigen Pomerol aus 1950 ertragen. Dieser 1950 Vieux Chateau Certan war ein kompletter, stimmiger Wein mit schokoladigem Schmelz, sehr fein, elegant und finessig mit sehr guter Struktur, die noch auf viele, spannende Erlebnisse mit diesem Wein hoffen lässt – WT98. Sehr fein, elegant und stimmig der 1953 Vieux Certan, die wunderbare Mischung aus Bitterschokolade und Minze machte in zu einer Art After Eight für Erwachsene – WT96. Eigentlich hätte der legendäre 1955 Vieux Certan, den ich schon mehrfach mit WT100 im Glas hatte, einer der vielen Stars dieser Probe sein müssen, aber aus dieser Flasche hier sang er nicht. Das galt leider auch für den ziemlich kaputten, trüben 1961 Vieux Certan, der eher als Motoröl durchging. Das wollte die liebe Elke nicht auf sich sitzen lassen und zauberte aus ihrem, praktischerweise im gleichen Haus gelegenen Keller noch einen 1943 Vieux Certan hervor. Dieser reife Wein aus dem wohl besten Kriegsjahr zeigte mit sehr dichter Farbe erste, oxidative Noten, aber auch Schoko-Banane, Kräuter und Minze, und war gut trinkbar – WT91.

Und als wir alle dachten, die große Pomerol-Probe, mit der Elke Drescher uns in Wachtberg verwöhnte, sei zu Ende, da kam unsere bezaubernde Gastgeberin noch mit einem unglaublichen Highlight um die Ecke.
Als die liebe Elke mir blind ein Glas dieses traumhaften Elixiers reichte, da gab es für mich nach dem, was da in der Nase und am Gaumen abging, nur eine Vermutung. Das musste 1950 Petrus sein, dieser Wahnsinnswein aus Wineterminators Geburtsjahr. Und damit lag ich richtig. Ein 1950 Petrus in einer belgischen Händlerabfüllung mit lausigem Etikett, aber perfektem Inhalt. Einfach Traumstoff, bei dem von der Nase über den Gaumen bis zum langen Abgang alles stimmte. Hoch elegant mit verschwenderischer Süße, reif, aber auch mit guter Struktur und immer noch genug Kraft für lange Jahre. Alle Elemente griffen hier wie in einem großen, klassischen Musikstück perfekt ineinander. Da blieben nur andächtiges Staunen und natürlich klare WT100. 
War dieser Petrus, von dem es so viele Fälschungen gibt, echt? Aber so etwas von echt!!!! Einmal mehr galt hier: the proof is in the bottle. Und die liebe Elke, erfahrene Raritäten-Händlerin mit goldenem Händchen und untrüglichem Gespür für solche Weine, hatte hier mal wieder einen Volltreffer gelandet.
Da bleibt angesichts eines solchen Weinmonuments nur Demut und tiefe Dankbarkeit, dass ich hier dabei sein durfte.