1949 Mouton Rothschild & Co

Es dürfte sich unter die ganz großen Proben dieses Jahres einreihen, was da aus einer spontanen Idee geboren und dann in Wien umgesetzt wurde.

In Geisels Vinothek hatten wir im letzten November in kleinem Kreise gesessen, als Jan Erik Paulson, Deutschlands wohl ältester, erfahrenster Raritätenhändler, eine Mail bekam, in der ihm eine nie gereiste 1949 Mouton Rothschild Magnum aus dem Keller des englischen Weinhändlers John Avery angeboten wurde. Eine solche Gelegenheit kommt nicht alle Tage, zumal der Preis durchaus fair war. Spontan entschieden wir, dass wir diese Flasche gemeinsam erwerben und trinken wollten.

Ende April war es dann soweit. Aus der einen Magnum war inzwischen eine komplette 49er Probe geworden. Mit 8 Gläsern blieb die Runde überschaubar, so dass richtig was ins Glas kam. Ort des Geschehens war Wien. Dort hatte Jan Erik ein wunderbares Weinrestaurant ausgemacht, das uns an diesem Abend gehörte. Das Fuhrmann in der Fuhrmanngasse im 8. Wiener Bezirk ist ein echtes Kleinod, für das auch ohne Probe die Reise nach Wien lohnt. Hermann Botolen, Gault Millau Sommelier des Jahres 2016, hat sich mit dem Fuhrmann einen persönlichen Lebenstraum erfüllt. Wir durften davon profitieren, nicht nur durch großartige Küche und perfekten Weinservice. Auch über die sensationelle, sehr umfassende und trinkfreundlich kalkulierte Weinkarte sind wir nach unserer eigentlichen Probe noch hergefallen.

Als Apero hatte Jan Erik Paulson aus seinem Importprogramm zwei Flaschen 2008 Chartogne-Taillet Les Orizeaux spendiert. Das war wirklich großer Champagner aus einem großen Jahr. Ungemein stoffig, kräftig und druckvoll mit faszinierender, vielschichtiger Aromatik in bester Krug-Art, so in richtiger Champagner für Rotweintrinker, dieser 100% Pinot Noir – WT96. Mehr Kuriosität als Rarität war dann ein 1949 MM Scharzberger Sekt von Matheus Müller aus Eltville. Der hatte in dieser Flasche mit suboptimalem Füllstand zwar kein Mousseux mehr, war aber ein durchaus interessanter, immer noch trinkbarer Stillwein mit deutlicher Bitternote. Muss aber ein Einzellagensekt mit Trauben vom Wiltinger Scharzberg an der Saar gewesen sein. Spannend!

Mit zwei Weißen 49ern startete dann unsere eigentliche Probe. Bei ihrer letzten Weihnachtsprobe hatte uns Elke Drescher schon mit einem erstaunlich guten Laville Haut Brion Quartett überrascht (1947, 1948, 1950 und 1952). Da machte jetzt hier der 1949 Laville Haut Brion keine Ausnahme. Kräftiges, brilliantes Goldgelb, erstaunlich frisch, nur ein Hauch von Lanolin, sehr schöne, kräuterige Herbe, hielt sich perfekt im Glas und hatte langen Abgang – WT93. Gülden die Farbe des 1949 Bastor-La-Montagne aus Sauternes, der sich mit feiner Orangenbitternote und weitgehend abgebauter Süße eher wie eine gereifte Spätlese trank – WT91.

Bestechend schön gleich der erste Rote, ein 1949 Domaine de Chevalier aus dem Keller des legendären, englischen Weinjournalisten Edmund Lionel Penning-Rowswell. Immer noch erstaunlich jung die Farbe, die klassische Pessac-Nase eines großen, gereiften Haut Brions, am Gaumen so fein, so elegant und absolut stimmig – WT96. Der schon häufig getrunkene 1949 Gaffelière-Naudes in einer belgischen Thienpoint-Abfüllung zeigte sich hier ebenfalls noch so jung mit sehr dichter Farbe. Wirkte enorm kräftig und brauchte viel Luft zur Entfaltung. Aber mit etwas Geduld kam er dann, dieser Cheval Blanc für Schlaue, und zeigte immer mehr Charme, aber auch gewaltige Länge – WT97. In dieser Form ein Wein für noch lange Jahre und jede Suche wert.

Eher von vergangenen Zeiten erzählte der schon sehr reife 1949 Angelus in einer Chateau-Abfüllung, der schon leicht oxidative Noten zeigte, aber am Gaumen auch mit feiner Süße verwöhnte – WT91. Enorm dicht und kräftig, noch so jung mit immer noch intaktem Tanningerüst der 1949 Pavie in einer Bordelaiser Händlerabfüllung von Philippe Raymond. Ein maskuliner, sehr druckvoller Wein, der deutlich zeigte, dass die heutigen Boliden von Pavie kein Zufall sind, sondern Pavie seit 1998 eher wieder „back to the roots“ geht – WT97.

Und dann kam die erste Magnum ins Glas, ein 1949 Clos Vougeot von Remoissenet, auch diese Flasche aus dem Keller von John Avery. Da wusste ich schon bei der ersten Nase und beim ersten Schluck, warum ich immer mehr zum Burgunder-Liebhaber werde, insbesondere, was gereifte, ältere Burgunder angeht. So ein betörendes, elegantes Elixier mit fast schwereloser Leichtigkeit, einfach flüssige Seide pur, mit dieser unnachahmlichen, burgundischen Pracht und Fülle und diesem feinsten, verschwenderischen Schmelz. Blieb ewig am Gaumen und war ganz klare WT100 wert, einfach ein Traum.

Ob der 1949 Mouton Rothschild da mit konnte? Große Spannung, als Jan Erik Paulson und Hermann Botolen die Flasche entkorkten. Und dann – endlich – das erlösende Lächeln in Jan Eriks Gesicht. Ja, der Wein war perfekt in jeder Beziehung. Der Lieblingswein von Baron Philippe de Rothschild zeigte sich als die elegantere, burgundische Version des legendären 45ers mit Minze und Eukalyptisch, immer noch mit feiner Frucht, so unglaublich stimmig und ewig lang. Auch das ein (in dieser Form wohl unwiederbringbarer) Traum – WT100. Klar habe ich mir da später das Depot nicht entgehen lassen, das in unglaublich konzentrierter Form die Essenz dieser Legende war.

Jetzt wusste ich die acht Gläser pro Flasche sehr zu schätzen. Bekam ich doch insbesondere bei beiden Magnums nicht nur eine Mini-Gegustationspfütze, sondern umgerechnet netto 0,175, was einer Airline Weinflasche entspricht. So konnte ich beide Weine nicht nur immer wieder nachverkosten, auch gegeneinander. Und welcher ist größer? Beide waren für mich voll auf Augenhöhe und unsterbliche Legenden.

Und noch eine Legende wartete auf uns, 1949 Petrus in einer Händlerabfüllung und in einer Burgunderflasche. Würde der jetzt den beiden anderen die Schau stehlen? Keine Chance. Das war Petrus, ohne Zweifel, gereift und sicher authentisch. Also echt, aber leider eben auch echt müde. Nein, kein schlechter Wein, aber der hohen Erwartungshaltung (und dem hohen Preis) konnte er nicht gerecht werden – WT92.

Wie gut, dass der liebe Jan noch Reserveflaschen dabei hatte. Der 1949 Gazin, ebenfalls in einer Händlerabfüllung und für einen Bruchteil des Petrus-Preises zeigte eindruckvoll, wie großer Pomerol geht. Immer noch wunderbare, rotbeerige Frucht, soviel Frische und gute Struktur und dazu feinster, schokoladiger Schmelz – WT96. Absolut genial auch der 1949 Calon Ségur, zwar ohne jegliche Süße, aber sehr mineralisch, elegant und fein, ein sehr stimmiger, perfekt gereifter Wein – WT95.

Perfekt umgesetzt hatte Jan Erik Paulson, tatkräftig unterstützt von seinem Schwiegersohn Nils (beide oben auf dem Foto) unsere Idee. Eine großartige Probe, die ich so schnell nicht vergessen werde.