Juli 2015

Drinking in the rain

Jetzt fangen ja irgendwann die Hundstage an. Warum heißen die so? Wahrscheinlich, weil sich die Hunde vor dem Sommerregen verkriechen. Den hatten wir hier heute ohne Ende. Deutlich feuchter waren aber in schöner Runde unsere Gläser. Mit einem herrlichen 2013 Rothenberg GG von Gunderloch ging es los. Wie schön, dass Gunderloch endlich wieder große Weine macht. Mineralisch, straff, druckvoll mit toller Frucht, jetzt in erster Trinkphase – WT94. Mit feinem, burgundischem Schmelz überzeugte der sehr elegante 2013 Chardonnay von Studach – WT94.. Eine geile, würzig-pfeffrige Wuchtbrumme war der 2001 Grüne Veltliner Kellerberg Smaragd von FX Pichler, der immer mehr burgundische Anklänge bekommt – WT96. In der roten Abteilung überzeugte der kirschig-zimtige, würzige, noch sehr junge 2013 Studach Pinot Noir mit kräftigen Tanninen – WT95+. Der sehr dichte, füllige 2003 d'Alceo vom Castello di Rampolla war mir mit seiner cremig-würzigen Frucht und den heftigen 15% Alkohol schon etwas zuviel des Guten, die Zeit mag es richten – WT92+. Schlichtweg atemberaubend der minzige 1991 Heitz Martha's Vineyard, der sich immer mehr zum Heitz Superstar entwickelt und noch deutlich zulegen dürfte – WT96+. Überraschend vital noch aus der halben Flasche die 1954 Vina Real Reserva Especial, die sich im Glas gut hielt und sogar noch ausbaute – WT91. Ein schmelziger, burgundischer Traum war der schokoladig-berauschende 2009 Gantenbein Pinot Noir – WT95. War jetzt 1990 Lynch Bages größer als 1989 Trotanoy? Der Lynch Bages war einfach der opulentere, fülligere, einfach sexy und hedonistisch schön, nahe der Perfektion – WT99. Aber der Trotanoy musste sich dahinter nicht verstecken. Klar, der ist noch längst nicht so offen wie der Lynch und macht auch nicht soviel Spaß. Aber da entsteht ein großer, langlebiger Wein, der erst einen Teil des Weges zurückgelegt hat – WT94+. Spannend wäre auch als Abschluss aus halben Flaschen der Vergleich 1989 und 1990 Cos d´Estournel gewesen. Aber der 90er war leider fehlerhaft. Dafür brillierte der 89er um so mehr. Der wirkte einerseits offen mit süßer, würziger Frucht, andererseits aber auch noch sehr jung mit deutlichem Tanningerüst, da könnte noch mehr kommen – WT94+.

Was für ein wunderbarer Mittag/Nachmittag/Abend.

Wenn so ein Spitzenwinzer auch ein Spitzenkoch ist...

….dann wird so ein Abend richtig geil. Mit riesiger Vorfreude sind wir vom Flughafen Zürich nach Fläsch in der Bündner Herrschaft geeilt. Auf der sommerlichen Terrasse erwarteten uns dort erste, kulinarische Köstlichkeiten und vier große Weißweine. Der Jahrgang 2010 war angesagt. Erstaunlich reif zeigte sich schon der 2010 Chablis La Forest 1er Cru von Dauvissat, ein feiner, floraler Schmeichler, der eigentlich getrunken gehört – WT92. Da zeigte der 2010 Chablis Forêt 1er Cru von Raveneau schon deutlich mehr Biss, Struktur und tiefgründigere Mineralität – WT93. Sehr schön trank sich der elegante, mineralische, nussige 2010 Puligny Montrachet Les Folatieres von der Domaine Leflaive, der sicher noch einige Jahre altern kann, aber jetzt eigentlich schon alles zeigt – WT93. Erstaunlich, wie reif sich diese drei Weine aus einem eigentlich säurebetonten, rassigen Burgunderjahr mit hoher Säure präsentierten. Aber mit dem Alterungspotential ist es mit den Weißen Burgundern ohnehin nicht mehr soweit her. Ich trinke diese Weine inzwischen bevorzugt jung, da ich keine Lust auf die Premox-Seuche habe. Wenn ältere, weiße Burgunder, dann bitte vor 1990. Da lassen sich noch unglaubliche Entdeckungen machen. Und dass man für großen Chardonnay nicht unbedingt mehr nach Burgund muss, zeigte eindrucksvoll der 2010 Gantenbein Chardonnay, den unsere Gastgeber auf unseren Wunsch dazu stellte. Gantenbeins für mich bisher bester Chardonnay zeigte sich noch so jung und rassig, dabei schlank im eigentlich klassischen, burgundischen Stil, sehr würzig, mineralisch mit guter Säure und feinem Schmelz, sicher mit großer Zukunft – WT96.

Die Stirn bieten konnte dem Gantenbein der 1993 Chevalier Montrachet von der Domaine d´Auvenay, die Mdme Bize Leroy gehört. Nur gerade mal 730 Flaschen gibt es von diesem göttlichen Exlixier. Immer noch blutjung zeigte sich dieser Wein mit einfach genialer, messerscharfer Struktur und sehr guter Säure, sehr finessig und elegant. Das war schon beeindruckend, mit welchem Nachdruck dieser Wein die feinen Noten eines klassischen Chevalier Montrachet rüberbrachte – WT96. Schwierig unser letzter Weißwein, ein 1996 Beaucastel Blanc Roussanne Vieilles Vignes. Der hatte konzentrierte Frucht, Kraft und Länge, aber die Spannung fehlte. Im Abgang wirkte er oxidativ, bitter und kräuterig – WT88. Wohl eindeutig zu alt, obwohl man ja weißen Chateauneufs ein späteres, zweites Leben nachsagt.

Und damit waren wir im roten Teil dieses wunderschönen Abends. Enorm viel Luft brauchte der noch so jung wirkende 1995 Corton Renardes von der Domaine Leroy. Wirkte zu Anfang etwas stahlig, doch das gab sich mit der Zeit. Die Textur dieses Weines, der immer noch ein präsentes Tannin- und Säuregerüst hatte, wurde immer cremiger – WT95. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieser Corton noch über 10 Jahre weiter zulegt. Und dann kam noch ein Burgunder der Sorte „macht sprachlos“ ins Glas. Das war wirklich hohe Schule, dieser 1990 Clos de la Roche von Dujac. Der hatte soviel Kraft, Fülle, Länge und so eine fantastische Frucht, war so dicht, so komplex, so unglaublich druckvoll mit ewigem Abgang – WT98+. Möchte ich gerne in 10 Jahren noch mal trinken. Der Wein hat das Zeug zur Perfektion. 1990 erweist sich bei den Spitzenerzeugern immer mehr als grandioses Burgunderjahr mit langer Lebensdauer. Daniel Gantenbein stellte auf unsere Bitte danach noch seinen außerirdischen 2013 Gantenbein Pinot Noir an. Einfach irre, dieser Wein, der nach dem Dujac alles andere als ein Abstieg war – WT97+. Der liebe Gott möge mir die Gesundheit und die nötigen Flaschen geben, dass ich die Entwicklung dieses Ausnahmeweines über die nächsten 20, gerne auch 30 Jahre verfolgen kann. Und auch der Abschlusswein dieses Abends konnte sich sehen lassen. Fantastisch entwickelt hat sich dieser 1991 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve, den ich zuletzt vor fünf Jahren auf der American Beauty im Glas hatte. Immer noch ein kerniger Charakterstoff, Minze, alte Ledertasche, Kräuter, ein Hauch Eukalyptus, lang am Gaumen mit erster, feiner Süße, ein großer Kalifornier alter Schule mit noch viel Zukunft – WT96.

Kleine Sommer Best Bottle im Berens am Kai

Ein nur leicht dezimiertes Häufchen Hiergebliebener traf sich im Berens am Kai zu einer knackigen Sommer Best Bottle. Und das war eine weise Entscheidung. Draußen tobte ein Sturm, der selbst die Große Kirmes auf den Rheinwiesen lahmlegte. Drinnen ließen wir in mundgeblasenen Gabriel-Gläsern die Weine toben. „Saugut“ hatte Cheforganisator Rainer als Motto ausgegeben.

„Saugut“ dann auch gleich der Start, ein 1995 Taittinger Comtes de Champagne mit intensivem Mousseux, cremiger Textur, feinem Schmelz, nussigem Brioche und immer mehr Nougat, lang am Gaumen – WT95.

Großes Rätselraten am Tisch beim nächsten Wein. Ein gereifter Barolo, oder doch eher ein Kalifornier aus den 70er Jahren? Einfach geil die Nase des 1920 Pavie, der insgesamt dramatisch jünger eingeschätzt wurde. Sehr mineralisch die Nase, Torf, Rosenblätter, Süßholz, Minze, Eukalyptus, einfach zum Reinsetzen. Da kam der zu Anfang etwas stahlige, schlanke Gaumen nicht mit. Doch der Pavie baute mit der Zeit enorm im Glas aus und entwickelte eine beachtliche Länge. Wer den zu schnell austrank, sah nur die Hälfte des Films – WT93. Meine zweite Flasche werde ich mindestens 2 Stunden vorher dekantieren. Gut möglich, dass dieser Pavie dann die WT95-Marke reißt.

Ein echter Jahrhundertjahrgang war 1945. Späte Fröste und ein heißer Sommer führten zu einer natürlichen Begrenzung der Erntemenge und hervorragendem Lesegut. Das Ergebnis waren konzentrierte Weine mit hervorragender Frucht und stabilem Tanningerüst für eine lange Lebensdauer. So mancher vermeintlich kleine Wein erreichte durchaus Premier Cru Qualität anderer Jahre. Eindrucksvoll zeigten das unsere beiden Kandidaten. Der 1945 Grand Barrail Lamarzelle Figeac ging mit seiner sehr minzigen Nase und der großartigen Struktur wieder als Kalifornier aus den 70ern durch. Perfekt gereift war dieser wein und dabei noch so lebendig und hoch elegant – WT96. Diese Klasse hat normalerweise auch der schon mehrfach auf hohem Niveau getrunkene 1945 Croix de Gay, bei dem vor allem zu Anfang deutlicher Kellermuff in der Nase das Vergnügen trübte. Doch die Nase wurde besser, und am Gaumen entwickelte sich eine immense Kraft und würzige Fülle – WT94.

Noch nie hatte ich den 1986 Haut Brion so offen im Glas. So elegant mit der klassischen Cigarbox-Aromatik, ätherischen Noten und erstem, feinem, süßem Schmelz, die immer noch mächtigen 86er Tannine gut verpackt. Und trotzdem, da kommt noch mehr – WT96+. Prächtig hat sich auch der 1987 Heitz Martha´s Vineyard entwickelt. Warum alle Welt immer den 74er des Gutes für das Maß aller Dinge hielt? Weil der reif war. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit dem 87er, 1996 auf einer Koppe-Gala. Meine damalige Notiz: „Deutlich zu jung, sensationelle Farbe, Minze, Eukalyptus, aber auch kalte, stahlige Frucht, viel zuviel Alkohol, aber eindimensional, ein undifferenzierter Klotz, 89/100 mit Potential für 3-4 mehr.“. Erst ab 2010 schossen meine Bewertungen immer mehr in der Höhe. Und das Ende der Fahnenstange war auch heute noch längst nicht erreicht. Extrem konzentriert mit dunkler Frucht, Kraft ohne Ende, sehr minzig, Eukalyptus, hohe Mineralität, bleibt ewig am Gaumen, ein Mörderteil auf dem Wege weiter nach oben – WT97+.

Mächtig in jeder Beziehung war der 2009 Saxum James Berry Vineyard, eine Cuvée aus 57% Grenache, 31% Mourvedre and 12% Syrah aus Paso Robles in Kalifornien. Sehr würzig, Kirschkern, satte, kirschige Frucht, Lakritz, gewaltige Extraktsüße – kein Wunder bei 16% Alkohol – wuchtig und lang am Gaumen, dabei aber durchaus Finesse zeigend – WT95. Ein Glas davon hat schon eine gewisse Faszination, beim zweiten würde ich wohl schon streiken. Wer eine ganze Flasche trinken will, sollte sich vorher ein Schild umhängen, auf dem drauf steht, wo man ihn abliefern soll. Persönlich ziehe ich da Weine wie den 1987 Dominus vor, einen Langstreckenläufer in klassischer Bordeaux-Stilistik mit enormem Potential. Nur war das hier leider nicht die beste Flasche. Da störte zu Anfang die Aromatik von kalter Pilzsuppe. Mit der Zeit wurde der Dominus etwas besser, kämpfte sich zurück, blieb aber weit unter seinen Möglichkeiten – WT90.

In Bestform wieder der 1983 La Mission Haut Brion, eine dichte, kräftige, unglaublich druckvolle Orgie aus Cigarbox, Tabak, Minze, Teer, Eukalyptus und Kräutern, so ätherisch und ewig lang am Gaumen. Da stimmt von der Nase bis zum Abgang alles – WT96+. Und warum das ‚+’? Weil dieser La Mission zu einer kleinen Gruppe von 83er Superstars gehört, die schon längst reif sein müssten, aber immer weiter zulegen. Zu dieser Gruppe gehören z.B. Cheval Blanc, Mouton und Latour. Sehr gelungen diesmal auch 1983 Haut Brion mit ähnlicher Aromatik, nur nicht so druckvoll, eher auf der eleganteren, etwas filigraneren Seite – WT94. Glück gehabt, denn der Haut Brion hat nicht die Konstanz des La Mission. Da habe ich auch schon viele enttäuschende Flaschen erlebt.

1992 Dominus spielte seine Rolle als großer Pauillac aus Kalifornien wieder glänzend. Sehr würzig, kräftig, ledrig mit Zedernholz und reifer, süßer Frucht und Minze, immer noch sehr kräftig mit intaktem Tanningerüst für lange Jahre – WT97. Der 1996 Pingus im anderen Glas hatte leider Kork. Das kann passieren. Nur ist so eine Best Bottle ja keine Solidargemeinschaft zum Teilen von Pleiten, sondern eine Veranstaltung auf Gegenseitigkeit. Da gibt es dann zwei Möglichkeiten. Die eine hatte an diesem Abend der liebe Bernd wieder vorbildlich exerziert. Die Flaschen zuhause öffnen, dekantieren und in der Originalflasche mitbringen. Die andere Möglichkeit ist die einer Reserveflasche für den Fall der Fälle.

Ertaunlich offen, sehr fein und elegant mit schöner Frucht zeigte sich der 2000 Pontet Canet, die immer noch massiven Tannine gut maskiert, da kommt noch deutlich mehr – WT93+. Als Edelbrocken zeigte sich wieder der gigantische, sehr kräftige 2000 Pichon Baron, der im Gegensatz zu sonst geradezu durchs Glas polterte und jede Feinheit vermissen ließ, aber aromatischer Druck und Länge waren da reichlich – WT96+. Vielleicht derzeit in einer Art Übergangsstadium.

Natürlich habe ich auch noch die Reserveflasche meiner Reserveflasche geöffnet. Aber dieser 1950 Tronquoy Lalande war zwar mit pikanter Restfrucht noch gut zu trinken, aber schon deutlich über den Punkt und eher auf der säuerlichen Seite – WT86.

Als Abschluss kam noch ein 2007 Kistler Hyde Vineyard Chardonnay ins Glas. Süße Karamellbonbons, kandierte Früchte, gute Mineralität, auch die Säure stimmte. Nur wirkte dieser Kistler arg üppig und auch zu holzlastig. Das geht deutlich besser, aber da die Kistlers sehr gut altern, kommt da wohl noch deutlich mehr – WT91+.

Großes Kompliment an das Team um Holger Berens und Barbara Beerweiler. Der Laden war trotz Ferienzeit bummsvoll (Modemesse), aber Service und Küche verwöhnten uns auf höchstem Niveau.