November 2017

Schnelleinkauf

Im Bayer-Casino in Leverkusen war ich zur World of Port. Da bot sich anschließend noch ein Abstecher in die Bayer-eigene, erstaunlich gut bestückten Weinhandlung im Untergeschoss des Casinos an. Einen Besuch hier kann ich unbedingt empfehlen, nicht nur, weil hier Comte Lafon in überraschender Vielfalt in den Regalen liegt. Kurz entschlossen erwarb ich da ein paar schöne Weine, ergänzte das mit einer Flasche aus meinem Keller und nichts wie ab ins Berens am Kai. Schließlich war es inzwischen Freitagnachmittag und mein Magen knurrte wie ein ausgewachsener Grizzly.

Ein großer, kalifornischer Chardonnay mit durchaus burgundischen Konturen war der 2014 Morlet Ma Princesse. Gut 2 Stunden brauchte er in der Karaffe, dann verschwand das üppige und fette des Anfangs und der Morlet stellte sich deutlich stimmiger dar – WT93. Wesentlich besser gefiel mir der immer noch so junge, schlanke und puristische 2011 Meursault Genevrières von Comte Lafon mit seiner intensiven Mineralität. Ein großer, charakterstarker Burgunder, der jetzt erst anfängt, aufzublühen, und der noch zulegen dürfte – WT94+. Nicht dahinter verstecken musste sich der 2012 Coche von Niepoort, ebenfalls sehr puristisch und mineralisch, der unglaublich im Glas ausbaute. Kein Wunder, dass dieser Wein in seiner Jugend völlig unterschätzt und unterbewertet wurde – WT94.

Beim roten 2011 Charme von Niepoort ist der Name wieder Programm, sehr burgundisch, aber auch für Charme in dem Jahrgang erstaunlich alkoholreich wirkend und füllig – WT92.

Geradezu unfassbar gut zum Schluss der vor längerer Zeit erworbene 1990 Bonnes Mares von Jadot, so irre druckvoll und hoch aromatisch mit viel Tiefgang und einfach perfekter, glockenklarer Frucht ohne Ende, dabei insgesamt noch so jung wirkend. Ein großer, absolut stimmiger Burgunder mit perfektem Spagat aus Kraft und Eleganz, und einer der besten, jüngeren Bonnes Mares, die ich je im Glas hatte. Hat noch enormes Potential und dürfte sich über längere Zeit weiter entwickeln – WT96+.

Im Wunderbrunnen

Da wollte ich schon lange mal hin, in dieses Restaurant Wunderbrunnen in Opfikon ganz in der Nähe des Züricher Flughafens. Eigentlich ist das ein gemütliches Gasthaus mit 135jähriger Geschichte, gemütlich eingerichtet und mit schmackhafter, regionaler Küche. Doch unser eigentliches Ziel war die gut 3000 Positionen umfassende Weinsammlung, aus der sich die drei begehbaren Keller des Hauses füllen. Und da das Haus derzeit keine Weinkarte hat, sind wir mit der sehr kompetenten „zweibeinigen Weinkarte“, Sommelier Stefan Hiersemann, zu Streifzügen in die Keller aufgebrochen. Da ließen sich reichlich spannende Entdeckungen machen. Selbst russische Oligarchen würden hier mit einer der 4(!) absolut authentischen 1961 Petrus Magnums für jeweils 38.000 SFr. fündig.

Wir entschieden uns als Start und Apero für einen einfach genialen 2008 Scharzhofberger Kabinett von Egon Müller. Das war aus dem kühleren Jahrgang 2008 ein „Kabi“ von der allerbesten Art. So schlank, so präzise, Citrus-Explosion in der Nase und am Gaumen, sehr gute Struktur, wunderbare Schiefer-Mineralität und rassige, aber reife Säure – WT94.

Danach kam dann der Wein des Abends, ein schlichtweg überragender 2009 Meursault Charmes von Francois Mikulski aus einem 1913 gepflanzten Rebberg. Klar wie ein Gebirgsbach, so frisch, so straff und so puristisch mit steiniger Mineralität. Dagegen ist selbst der vergleichbare Meursault von Coche Dury ein üppiger Klopper – WT96. Leichte Probleme hatten wir danach mit dem 1976 Echezeaux von Léon Violland. Nicht, dass der etwa schlecht gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Der zeigte sich so kräftig und geradezu jugendlich, was in dieser Form eigentlich nicht zum Jahrgang passte, dazu sehr dicht mit würziger Fülle – WT92.

Und jugendlich ging es weiter, diesmal aber voll verständlich. Wenn aus so einem bei den besseren Weinen immer noch so großartigen Jahr so ein begnadeter Langstreckenläufer wie dieser 1985 Trotanoy ins Glas kommt, dann spielt Alter keine Rolle. Da war nicht nur die Farbe sehr jung und dicht. Der Trotanoy präsentierte ich im zarten Alter von 32 Jahren noch als ausgesprochen jugendlicher Liebhaber. Maskulin, eher linkes als rechtes Ufer mit jugendlicher, betörender, rotbeeriger Frucht und feiner Kräuternote, auch Trüffel und dazu schöne Minzfrische, sehr druckvoll am Gaumen. Und – so unglaublich sich das anhören mag – in gut gelagerten Flaschen wie dieser hier kann der noch zulegen – WT95.

Einfach sexy danach mit verschwenderischer Frucht der 1994 Caymus Cabernet Sauvignon aus dem Jahrgang, in dem der normale Caymus locker auf Special Selection Niveau war. Aus dieser Flasche jetzt nicht ganz auf dem Niveau meiner Magnums (ich Glücklicher hab noch ein paar), aber das ist Jammern auf verdammt hohem Niveau – WT95.

Und dann zauberte der Sommelier als Abschluss noch eine sehr wohlfeile Flasche 1975 Lafaurie Peraguey aus dem Keller. Guckt man dann ins Internet, dann weiß man, warum den bisher keiner haben wollte. Lausige 67/100(!!!!) bei Parker, wie gut, dass Wein nicht lesen kann. Denn dieser Lafaurie hat seit dieser Hinrichtung durch Parker im Jahre 1998 wohl kräftig Gas gegeben und zeigte sich jetzt von seiner besten Seite. Kein dickes Sauternes-Monster, sondern ein sehr feiner, sehr eleganter Wein mit nicht übertriebener Süße, sehr stimmig und balanciert mit cremiger Textur und schöner Länge. Natürlich mit der guten 75er Säure, bei der auch Riesling-Fans Freude an Sauternes bekommen – konservative WT93. Und natürlich einen Versuch wert.

Alles andere als tote Hose

Ein sogenannter Stiller Feiertag ist der Totensonntag. Wer vergnügungssüchtig ist, guckt da in die berühmte Röhre. Es sei denn, er hat so einen guten Freund wie den lieben Bernd. Der hat genial für uns gekocht. Dazu haben wir gemeinsam unsere Keller geplündert, und das Ergebnis war alles andere als tote Hose.

Absolut genialer Einstieg die 2015 Zeltinger Sonnenuhr Auslese trocken*** von Molitor, mit puristischer Frucht, präziser Struktur, salziger Mineralität, enormem Druck und Länge, so eine Art Schlossberg von Breuer aus dem Moseltal, Mega-Potential – WT97.

Der echte Schlossberg kam dann danach, allerdings aus schwierigerem Jahr und schon ziemlich reif wirkend. Der 2000 Schlossberg von Breuer hatte Bienenwachs, Lanolin, immer noch gute Säure und gehört getrunken – WT91.

Skepsis, als der nächste Wein in die Karaffe kam. Tiefgülden, aber brilliant die Farbe des 1971 Chassagne Montrachet La Romanée von Henri Pillot. Karamellig, aber alles andere als alt die Nase, am Gaumen gute Säure und Frische, feine, karamellige Bitternote, auch Walnuss wie ein hypothetischer, weißer Latour. Wir haben ihn mit viel Genuss geleert – WT93.

Großartig der 2016 Skurfberg Chenin Blanc von Sadie Family, der sich trotz seiner Jugend so fein, stimmig und nachhaltig präsentierte. Nicht auszudenken, wie der mal in 3-4 Jahren schmeckt – WT94+.

Und damit kamen wir zu den Roten, zunächst aus privaten Gründen zu einer ganzen Flöte 71er. Den Anfang machte ein gerade erworbener 1971 Mondavi Cabernet Sauvignon. Das wäre ein sehr schöner, perfekt gereifter Kalifornier gewesen, immer noch mit rotbeeriger Frucht, Minze, Sattelleder, aber leider auch mit deutlicher Korknote. Sonst sicher in der WT92 Liga. Maskulin, druckvoll, kräftig mit ganz feiner Süße im Abgang der 1971 Corton von SA Leroy – WT95. 1971 war ein großes Burgunderjahr, da war diese Klasse zu erwarten. Aber auch St. Emilion und Pomerol, das sogenannte rechte Ufer, brachte schöne Weine hervor. Deutlich zeigte das der 1971 Magdelaine aus St. Emilion. Sehr kräftig, druckvoll, immer noch jung, aber auch mit seidiger Eleganz, in dem Jahr so eine Art Cheval Blanc mit Turbolader. Wenn ich davon demnächst eine Kiste auf einer Auktion finde, ist die mein – WT95. Und dann kam als Wein des Abends ein schier unglaublicher 1971 Richebourg von Remoissenet in die Gläser. Ein perfekter, großer Burgunder, immer noch so jung, so würtzig und druckvoll mit Pracht und Fülle, im Abgang mit erstem, feinem Schmelz, ein großer, altersfreier Richebourg, locker in der DRC Liga, aber ohne den Preis – WT98.

Und schon kam die nächste Überraschung ins Glas. Wer würde nicht gerne Petrus zum Lafleur-Petrus Preis trinken. Genau das taten wir jetzt. Dieser 1970 La Fleur-Petrus aus einer perfekten Flasche war noch so jung mit einer einfach geilen Frucht und Frische, maskulin, klassischer 70er halt, aber mit jede Menge Druck und Power, ja eine Portion Schmelz hatte er auch, aber die Bitterschokolade hatte locker 90% Kakao und dazu noch geriebene Kaffeebohnen – WT97.

Auf extrem hohem Niveau ging es weiter, denn unser Gastgeber verwöhnte uns mit drei Granaten aus dem fürs rechte Ufer Prachtjahrgang 1998. Den Anfang machte ein immer noch blutjunger 1998 Cheval Blanc. Ein gewaltiges Konzentrat mit superdichter Farbe, aber bei aller Dichte schon mit viel Charme und diesem betörenden Cheval-Parfüm in der Nase. Dürfte aus gut gelagerten Flaschen wie dieser in 10 Jahren die Trinkreife erreichen und dann gut 30 weitere Jahre mit WT100 als einer der besten Chevals der modernen Zeit begeistern – WT97+. Sicher auch auf diesem Niveau meine bisher beste Flasche des 1998 Eglise Clinet mit irrer, schokoladiger Dichte und Fülle, dürfte ebenfalls langlebig sein und eine große Zukunft haben – WT97. Kräftig, kernig, aber auch mit erstaunlichem Schmelz dieser wunderbare 1998 Trotanoy, der ebenfalls eine große Zukunft hat, und dessen scheibare Offenheit ein massives Tanningerüst dieses Langstreckenläufers überdeckt – WT96+. Und dann kam noch ein 98er dazu, der eigentlich nicht hierhin passte, und dann doch wieder. Dieser 1998 Brunello di Montalcino von Salvioni aus dem nicht gerade größten Brunello Jahr zeigte sich so komplex und mit soviel Tiefgang mit feiner Kräuterwürze, Scharzkirsche, Schwarzen Oliven und dem wunderbaren Spagat zwischen Kraft und Elleganz – WT96.

Und dann kam als Abschluss noch eine echte Granate ins Glas, die unsere inzwischen leicht ermüdeten Gaumen wieder wachrüttelte. Dieser 2013 Redigaffi von Tua Rita zeigte sich für das eher kühlere Jahr erstaunlich voluminös und alkoholreich mit gewaltigem Extrakt. Ein tiefschwarzer Vollblut-Merlot modernen Stils mit süßer Frucht und ein Crowd Pleaser erster Güte, der aber mit seinem kraftvollen Tanningerüst eine längere Zukunft hat und dabei durchaus an Tiefgang gewinnen könnte. Vorausgesetzt natürlich, man säuft nicht vor lauter Begeisterung für dieses Hedonistenteil die gesamte Kiste leer – WT96+.