September 2017

In Elkes Garten

Die großen Sommerproben finden bei Elke Drescher bei schönem Wetter in ihrem großen, wunderschön angelegten Garten statt. Für das heutige Petrus-Feuerwerk war es schon zu frisch. Das hinderte uns nicht daran, in kleinerem Kreise schon m,al am Nachmittag draußen den Gaumen zu avinieren.

Aus Düsseldorf hatte eine 2007 Abtserde GG von Keller den Weg nach Wachtberg gefunden. Die war noch so taufrisch, schlank mit sehr präzisen Konturen, elegant, intensiv mineralisch und finessig mit feiner Frucht, ein balancierter Traum, könnte noch zulegen und hat noch lange Jahre vor sich – WT96. Aus Elkes Keller kam dann ein zwar reifer, aber noch sehr vitaler 1993 Roederer Cristal mit sehr gutem Mousseux, dicker Brotkruste und feiner Bitternote, einfach großer, gereifter Champagner – WT95. Auf gleichem Niveau, aber natürlich völlig anders, der 1928 Rayne-Vigneau aus Sauternes eines edlen Spenders. Tiefes Dunkelbraun mit viel gelb/grünem Einschlag. Kam erst sehr reif mit Pilznoten ins Glas und wirkte mit guter Säure eher halbtrocken. Aber der musste erst Anlauf holen. Baute enorm im Glas aus, Toffee, Bienenwachs, Honig, Bittermandel, Kaffee und dazu ein sehr guter Trinkfluss – WT95. Probieren ließ uns Elke auch schon mal den Tischwein des Abends, 1988 Latour-à-Pomerol. Der war frisch und schlank mit guter Säure und Struktur, zeigte in der Nase, die generöser war als der Gaumen mehr Kräuter als Schokolade. Am Gaumen wirkte er sehnig und wurde mit der Zeit bitterer – WT87. Und dann kam auch schon der Apero, ein ausdrucksstarker 1999 Cuvée Nicolas Francois Billecart von Billecart-Salmon aus der Magnum. Immer noch so frisch und kraftvoll mit Zitrusfrucht und kalkiger Mineralität, Brioche und Brotkruste – WT92.

25 Jahre Berens am Kai

Ob der noch trinkbar wäre? Mit einem großen Träger 92er bin ich beim Holger Berens im Berens am Kai angerauscht. Damit trinken wir nicht nur auf die 4 Punkte im Feinschmecker ("Holger Berens gibt Gas"), mit den der erste der Führer jetzt endlich mal begriffen hat, was der Holger für ein genialer Küchenzauberer ist. Wir trinken auch auf 25 Jahre Berens, denn vor 25 Jahren haben sich Holger und Barbara damals im Anne Bell selbständig gemacht. Und da ist dieser 1992 Niersteiner Orbel Spätlese trocken von St. Antony ein phänomenaler, großartiger Einstieg. Reif aber ohne Alterstöne, absolut trocken, enorm druckvoll, gibt enorm Gas im Glas – WT92. Tolles Zeugs. Erstaunlich frisch, würzig, pfeffrig, schlank und Botrytis-frei aus der Magnum der 1992 Honivogl Grüne Veltliner Smaragd von Hirtzberger. Ein großer Wachauer, wie er früher einmal war und heute von einigen, innovativen Winzern wieder gemacht wird - WT95. Und wir geben gleich weiter Gas mit einem großartigen 1992 Musigny VV von Comte de Vogüe. Riesengroßer Burgunder, so ein Druck, so eine tolle Frucht, noch irre Zukunft – WT97+. Sehr würzig, speckig, animalisch der 1992 Côte Rotie Grandes Places von Gerin, entwickelt trotz des auf hohem Niveau spürbaren Wassers von 1992 Komplexität und Dichte – WT94. Taufrisch mit dieser betörenden, für diesen Wein so typischen Cassis-Frucht der 1992 Caymus Special Selection – WT98. Und dann als Abschluss 1992 Harlan, dieser großartige Latour aus Kalifornien mit toller Struktur, enormer Kraft und Länge – WT95+.

Auf der Marli-Terrasse

Ein Traumnachmittag/abend war das mit Franz Josef Schorn und seiner Claudia auf der Terrasse des Marli. Grosse Weine, wunderbare Küche und viel Freude, nicht nur im Glas. Aber den umstrittenen und so häufig fehlerhaften 2007 Kallstadter Saumagen Auslese trocken RR mal absolut perfekt im Glas haben zu dürfen, und das noch mit sehr überzeugendem Rahmenprogramm, das hatte was.

Gestartet sind wir mit einem würzig-cremigen 2016 Schlossböckelheimer Königsfels von Harald Hexamer. Ich war nicht immer ein Freund der Hexamer Weine, aber das hier ging durchaus Richtung GG Qualität zum QbA Preis – WT92. Mit seiner intensiven, kalkigen Mineralität, mit Kraft, Struktur und immensen Strahlkraft war dann der 2007 Kallstadter Saumagen Auslese trocken RR von Koehler-Ruprecht ohne Korkprobleme endlich mal das eigentlich erwartete Monument, ganz großes Riesling-Kino, muss sich auch hinter größten Burgundern nicht verstecken - WT99. Nicht so weit dahinter der 2007 Niedermenniger Herrenberg Auslese trocken** von Molitor, ein würziger Schiefercocktail mit süßer Fülle, der noch zulegen und an Struktur gewinnen wird - WT96. Sehr stark aus kühlerem Jahr auch der 2008 Kallstadter Saumagen Auslese trocken R von Köhler-Ruprecht, der noch eine große Zukunft hat und ebenfalls weiter zulegen dürfte - WT96. Eher Balsamico aber mit generöser Süße durchaus trinkbar die Risikoflasche 1975 Dôle les Mazots - WT81. Traumhaft schön mit dunkelbeeriger Pracht und Fülle, aber auch noch Röstaromatik der kräftige 2009 Pinot Noir von Friedrich Becker - WT95. Danach verkosteten wir dann drei Spätburgunder aus 2011 gegeneinander. Das 2011 Oberrotweiler Eichberg Spätburgunder GG von Salwey war der frischeste der drei, schlank, fruchtig mit viel Säure und guter Zukunft - WT92+. Sehr kräftig, druckvoll, mit reifer Schwarzkirsche das 2011 Bombacher Sommerhalde Spätburgunder GG von Huber - WT93+. Sehr fein, schlank, elegant (Franz Josef: der französischste) der 2011 Blaue Spätburgunder SJ von Johner - WT92+. Alle drei jede Suche wert.
Und dann kam zum Schluss noch eine irre 1989 Spätburgunder Rosé TBA von Friedrich Becker mit nicht spürbaren 15,9% Alkohol. Absolut geniales, hoch aromatisches Zeugs, dem die fast 30 Jahre Reife gut getan haben, wirkte mit gut balancierter Süße wie ein Rosé von Yquem - WT96.

Mit dem Geheimtipp beim Geheimtipp

Nutzen muss man sie einfach, diese letzten Abende des Altweibersommers. Wir taten das bei und mit Michael Krieg im gemütlichen Hof des Passion du Vin. Im Glas zunächst aus einer perfekt gelagerten Magnum ein beeindruckender 1964 Cantemerle. 1964 war vor allem im Medoc durch den zur Unzeit einsetzenden Herbstregen ein schwieriges Jahr, doch auf Cantemerle hatte man wohl alles richtig gemacht. Der war noch so frisch, so elegant und immer noch voller Leben, die Nase an frisch gebackenen Pflaumenkuchen erinnernd, dazu Minzfrische, Leder, Zedernholz und ein gutes Rückgrat für noch lange Jahre -WT92. Und damit passte der Geheimtipp Cantemerle zum Geheimtipp Passion du Vin. Beide sind eine Entdeckung wert.

Mehr hatte ich von 1983 Gaffelière erwartet, der trotz dichter, junger Farbe reifer als der 18 Jahre ältere Cantemerle wirkte, weich, füllig mit Waldboden und etwas rustikalem Charme - WT88. Aber dieser ehemals Cheval Blanc für Schlaue, der früher als Gaffelière-Naudes brillierte, war wohl in eine Phase der Selbstfindung. Seit ein paar Jahren geht es bei Gaffelière wieder deutlich aufwärts. Deutlich jünger wirkte dagegen der 1983 La Lagune, ein klassischer, etwas sehniger, aber stimmiger Medoc, der seinen Höhepunkt noch immer nicht erreicht zu haben scheint - WT90. Wer gut gelagerte, ältere. La Lagunes findet, z.B. aus 26(!), 59, 61, 64, 66 oder 70, sollte zugreifen bevor ich das tue.

Indian Summer Night

Der gestrige Blick in den Keller und das beherzte Zuschlagen hat gelohnt. Während hier auf Facebook heftig diskutiert wurde, welches der 15er Weinbabys von Keller der bessere Wein sei und quasi noch auf der Entbindungsstation der spätere Olympiasieger ausgeguckt wurde, haben wir an diesem traumhaft milden Spätsommerabend zu Holger Berens genialer Küche ein Vollbad in großen, reifen Burgundern genommen.
Phantasie war da nicht mehr erforderlich. Dafür durften wir reichlich träumen. 
Ganz großes Chablis-Kino zu Beginn der 2010 Chablis Grand Cru Les Clos von William Fevre. Der muss sich mit seiner messerscharfen Präzision und der fantastischen Mineralität nicht hinter Raveneau verstecken – WT95
Reif aber nicht alt wurde es mit dem 1964 Nuits-Saint-Georges 1er Cru von Jules Belin aus Holgers Geburtsjahr, der mit generöser, malziger Süße und guter Länge verwöhnte – WT91. Deutlich jünger der filigrane, hoch elegante 1972 Charmes Chambertin von Mommessin, so harmonisch mit toller Struktur und feiner Süße, der mit dieser Klasse und Frische auch aus 1971 hätte stammen können – WT94+. Noch eine Ecke drüber der schlichtweg traumhafte 1978 Vosne Romanée von Manière-Noirot mit feiner Würze und herrlichem Spiel roter und blauer Beeren, der als Dorflage absolute Grand Cru Klasse zeigte – WT95. 
Faszination pur und große Überraschung der schlanke, sehr würzige 1985 Meursault Clos de la Baronne von René Manuel, der mit seiner intensiven Mineralität und Präzision als so eine Art großer, rot eingefärbter Meursault von Coche-Dury durchging – WT95.
Gewaltiges Potential als vorläufiger Abschluss dieses Traumabends der sehr druckvolle, kräftige und trotz 24 Jahren immer noch so jugendliche 1993 Gevrey Chambertin Lavaux St. Jacques von Jadot mit burgundischer Pracht und Fülle – WT95.