La Mission Haut Brion Probe

Lange war La Mission Haut Brion ein Geheimtipp, hohe, gleichbleibende Qualität auch in kleineren Jahren. Inzwischen wird für die unbestrittene Premier Cru Qualität leider auch bei den letzten Jahrgängen ein Premier Cru Preis genommen. Da hilft nur noch die Suche nach reifen La Missions.

Eine dieser feinen Weinproben bei der Raritätenhändlerin Elke Drescher(www.rare-bordeaux-weine.de) war es, bei der ich kürzlich wieder reife La Missions vom Feinsten ins Glas bekam. Überragend gleich im ersten Flight schon der Senior der Probe, ein 1920 La Mission in einer Chateauabfüllung. Reifes, dunkles, dichtes Braun, die Nase teerig, ätherisch, etwas medizinal, Jod, am Gaumen deutliche Säure, aber auch enorme Kraft und druckvolle Aromatik. Wo andere, ältere Weine dann abbauen, legte der hier enorm zu, entwickelte in der Nase und auch am Gaumen eine herrliche, pikante Frucht, feine Waldhimbeere, und zeigte eine schöne Länge am Gaumen. Alt und reif, aber keineswegs am Ende und gewaltiger Trinkspaß 96/100. Das spricht sowohl für La Mission als auch für den Jahrgang 1920, der zu Unrecht immer im Schatten von 1921 stand. Im Glas daneben der Wein des Abends, ein 1952 La Mission, ein perfekter, großer, kompletter La Mission, wie er im Buche steht. Die klassische Nase mit Cigarbox, Teer, Tabak, aber auch mit einem Hauch Minze und Eukalyptus, kraftvoll am Gaumen und mit enormer Länge, zeigte Reife, aber kein Alter. Ein Wein, der sich perfekt auch als extrem hochkarätiger Pirat in einer Heitz Martha s Vineyard Probe machen würde 98/100. Und das alles aus einer Händlerabfüllung mit einem Füllstand von nur mid shoulder! Hochrisiko dann ein 1953 La Mission aus einer suboptimalen Flasche mit nur noch low shoulder. Da war kein Wunder zu erwarten, sehr reif, viel Liebstöckel in der Nase, säuerlich und gezehrt der Gaumen, erinnerte nur entfernt an die Klasse, die dieser Wein aus guten Flaschen zeigt. Mit etwas Luft bäumte er sich noch einmal auf, entwickelte eine teerig-lakritzige Aromatik und war zumindest anständig trinkbar 85/100. So wurden am Tisch auch alle 16 Gläser brav ausgetrunken. Eine Traumnase besaß 1955 La Mission in einer Vandermeulen-Abfüllung mit feinem, süßem Schmelz. Auch am Gaumen erstaunlich fein und elegant, für La Mission fast untypisch filigran, sehr harmonisch mit schöner Länge und generöser Süße, sicher reif und mindestens auf dem Punkt, wenn nicht sogar leicht darüber 96/100. Ich kenne diesen Wein auch deutlich druckvoller.

In der ersten Hälfte der 50er große Weine zu machen war mit Ausnahme von 1954 nicht sonderlich schwierig. Das sah danach schon anders aus. Um so erstaunlicher der grandiose 1958 La Mission, der große Klasse und noch keinerlei Anzeichen von Schwäche zeigte. Sehr dicht und ohne Alter die Farbe, faszinierend die zu Anfang leicht karamellige Tabak-Schokonase, wurde mit der Zeit immer teeriger, ätherischer und entwickelte immer mehr Minze und Eukalyptus. Auch am erstaunlich kraftvollen Gaumen kamen immer mehr Minze und Eukalyptus, und in seiner etwas wilden, exotischen Art erinnerte dieser 58er an eine etwas reifere Version des grandiosen 78ers 94/100. Dieser 58er, den ich seit 1992 schon häufiger mit ähnlicher Qualität im Glas hatte, zeigt keinerlei Anstalten von Müdigkeit. Wer in 1958 geboren wurde, sollte unbedingt auf die Suche nach gut erhaltenen Flaschen für den 60. Geburtstag gehen. Mitten zwischen den beiden Superjahren 1959 und 1961 lag mit 1960 wieder so ein Unjahr, aus dem es kaum etwas Trinkbares gibt. Und gerade hier zeigte der 1960 La Mission einmal mehr die beständige Qualität dieses Chateaus. Gut, das war kein Hammerwein, kein Blockbuster. Wo sollte der auch herkommen. Ein leichter Stinker war in der Nase und etwas nasser Hund, der Gaumen relativ schlank. Aber insgesamt war das ein feiner, kleinerer, sehr harmonischer und schön zu trinkender La Mission ohne Alterstöne 90/100. Auf hohem Niveau etwas dünn fand ich den 1964 La Mission. Einen sehr feinen Charmeur mit der typische La Mission Aromatik, der aber etwas so wirkte, als ob jemand aus dem 61er eine Schorle gemacht hätte 91/100. Das war nicht weiter verwunderlich, war doch 1964 nicht nur ein Jahrgang mit großer Ernte. Es wurde in dieser Zeit auch geerntet auf Teufel komm raus. Mengenbegrenzung war ein Fremdwort. Umso erstaunlicher die Qualität des 1966 La Mission. Der begann etwas verhalten, auch in der Nase, und legte im Glas enorm zu. Ein großer, klassischer La Mission, viel Cigarbox, aber auch Süße, weich und kraftvoll zugleich mit toller Struktur und gewaltiger Länge 96/100. Meine bisher beste Flasche dieses Weines war das, den ich auch schon unterirdisch im Glas hatte.

Von 1970 La Mission verschonte uns die liebe Elke. Dieser Wein aus eigentlich großem Jahr zeichnet sich in sehr vielen Flaschen, und ich habe bisher nur solche getrunken, durch einen unangenehmen Essigstich aus. Um Klassen besser der hervorragende 1971 La Mission. Klar ist er auf dem Punkt. Aber das ist er schon seit über 10 Jahren und wird es wohl noch für die nächsten 10 Jahre sein. Altersfrei in Farbe und Anmutung, seidig, elegant, rauchig, ätherisch mit immer noch guter Frucht und feinem Schmelz 94/100. Aus einem sehr schwierigen Jahrgang mit großer Ernte, aber niedriger Qualität dann 1974 La Mission, der vor 13 Jahren aus der Magnum auf einer Probe mal für eine positive Überraschung gesorgt hatte. Aber damals hatte ich schon "bald trinken" notiert. Jetzt war er immer noch ganz ok und passabel trinkbar, aber mit etwas unreifen und grünen Noten in der Nase, am Gaumen etwas kurz und leicht säuerlich 85/100.

Der letzte Flight unserer Verkostung führte uns in die zweite Hälfte der 80er. Jahrgangstypisch offen, weich, zugänglich, gefällig, mit verführerischer, süßer Frucht und einfach wunderbar zu trinken der 1985 La Mission, ein Wein, der reif scheint, aber sicher noch eine längere Karriere vor sich hat 94/100. Dafür wirkte 1986 La Mission sperrig und abweisend. In der Nase intensiv Brett, am Gaumen zugenagelt, die Frucht unter mächtigen Tanninen versteckt. Was tun? Warten, so wie ich das bei diesem Wein schon seit gut 20 Jahren tue und wohl noch 10 Jahre tun muss. Gaumen-Masochisten trinken ihn jetzt in dieser absolut charmefreien Phase mit 86/100, Geduldige warten noch ein Jahrzehnt und werden dann mit 5 oder mehr weiteren Punkten belohnt. Und ganz Kluge suchen nach 1987 La Mission. So wie 86 einfach nicht reifen möchte, will sich der 87er aus einem eher unterirdischen Jahrgang einfach nicht verabschieden. Zwar gibt es ihn jetzt nicht mehr für die € 20, die ich seinerzeit in der Subskription bezahlt habe, aber sicher zu sehr fairem Kurs. Und dafür gibt es eine Menge Trinkspaß. Der 87er ist ein wunderbar balancierter, reifer, harmonischer La Mission ohne Ecken und Kanten, einfach schön zu trinken mit feinem, süßem Schmelz und erstaunlicher Länge am Gaumen 92/100. Dies hier war meine bisher beste Flasche dieses Weines, der in seiner Art an 1987 Mouton Rothschild erinnert.

Und dann hatte Elke noch ein ganz besonderes Schmankerl, 1988 La Mission aus der Doppelmagnum. Wenn der 58er die reifere, ältere Version des 78ers war, dann ging der 88er als modernere, jüngere Variante durch. Dankenswerterweise war die DM bereits mittags dekantiert worden. So konnte dieser blutjunge La Mission deutlich mehr von dem zeigen, was er drauf hat. Dichte, undurchdringliche Farbe, Tabak, Teer, Cigarbox, hohe Mineralität, gewaltige Frucht, geradezu explosiv und packend am Gaumen. Man sah da am Tisch nur zufriedene Gesichter derer, die an ihrem gut gefüllten Glas rumnuckelten. Da kam trotz aller Jugend schon eine ganze Menge Trinkspaß ins Glas. Und das Beste kommt erst noch, morgen, übermorgen und in 30 Jahren. Ein großer La Mission gemacht für die Ewigkeit 96+/100.