Bordeaux 2007 nachbetrachtet

Die Bewertungen der Bordeaux-Päbste sind erschienen, die Preise sind draußen. Was jetzt tun mit diesem relativ teuren, nicht unproblematischen Jahrgang? Ich habe mir dazu anlässlich einer 2007er Präsentation des Hauses Moueix meine Gedanken gemacht.

Am 31. Mai präsentierte das Haus Moueix bei seinem deutschen Importeur La Vinea in Duisburg die aktuellen Weine des Jahres als Fassmuster. Der Zeitpunkt ist eigentlich viel glücklicher als die übliche Primeur-Verkostung in Bordeaux Ende März, weil die Weine jetzt viel weiter sind und deutlich eher zeigen, was später mal in die Flasche kommt. Ich habe die Möglichkeit dieser Verkostung ausgiebig genutzt. Schließlich stehe ich, wie alle Weinfans, vor der Entscheidung: Was tun in diesem Jahrgang?

Hier zunächst meine Eindrücke von den vorgestellten Weinen:
2007 La Magedelaine gefällig, fruchtig, ganz nett, aber einfach gestrickt, zeigt deutlich das Problem des Jahrgangs, hier fehlt einfach die Substanz 85-87/100
2007 Belair etwas mehr Substanz, aber auch rustikaler, unfertiger, wird wie immer länger bis zur Reife brauchen 85-87/100
2007 Lafleur Gazin präsentierte sich bereits erstaunlich fertig, ein weicher, schokoladiger, gefälliger Pomerol mit schöner Länge, da fiel es schwer, zu spucken. Für mich eine der großen Überraschungen der Probe und mit einem Preis von knapp unter € 25 eigentlich ein sicherer Kauf 88-90/100
2007 La Grave à Pomerol den fand ich einfach kurz, dünn, mit grünen und vegetalen Noten, konnte auch nicht ansatzweise überzeugen 82-84/100
2007 Latour à Pomerol kein schlechter Wein, nur, wo bleiben die großen Latour à Pomerol vergangener Zeiten? Verkauft sich mal wieder total unter Wert. Seidig, elegant, gute Struktur, etwas Bitterschokolade, aber auch störende, grüne Töne 88-90/100
2007 Providence traumhaft üppiges Nasenbild, da kommt der kompakte, kräftige Gaumen nicht mit 88-90/100
2007 La Fleur Petrus da waren wir jetzt in einer anderen Liga, sehr gut gelungener Wein mit Stoff und Charakter, bei dem spielt sich auch am Gaumen einiges ab, gutes Tannin- und Säuregerüst, elegant und finessenreich, wird sich sehr gut entwickeln 90-92/100
2007 Hosanna den erwischten wir hier wohl auf dem falschen Fuß, wirkte sehr säurelastig, dünn und mit wenig Frucht. Eine Bewertung erspare ich mir hier, denn der müsste eigentlich besser sein
2007 Certan de May sehr gut gelungen, Certan de May ist seit ein paar Jahren endlich mal wieder auf der Überholspur, sehr dichte Farbe, viel Substanz, Fülle und Spannung, kräuterig wirkend wie ein guter Lafleur, Tabak, ein Wein der länger brauchen wird als der überwiegende Teil der Pomerols 91-93/100, kann im Stadium der absoluten Reife in 15 Jahren auch mal 94/100 erreichen. Davon werde ich möglicherweise etwas erwerben
2007 Trotanoy der zeugte deutlich zwei Dinge, 1. 2007 ist ein früh trinkbarer, zugänglicher Jahrgang, 2. Trotanoy ist wieder wie schon 2005, nur diesmal auf etwas niedrigerem Niveau, eine Klasse für sich, traumhafte Nase mit feiner Süße, Schokolade und gebrannten Mandeln, wird mit der Zeit etwas ätherischer, am Gaumen herrliche Fülle, fast fett, aber mit guter Spannung, wirkte schon erstaunlich trinkfertig und war unmöglich spuckbar 92-94/100. Könnte es auf meine kurze Einkaufsliste schaffen.
2007 Petrus tiefdunkel, sehr dicht und konzentriert, zeigte ertstaunlicherweise etwas Eukalyptus und Minze, verhaltene Frucht, wird sehr lange brauchen, aber nie ein wirklich großer Petrus werden und kommt mit Trotanoy nicht mit 91-93/100

Ich bin zwar mehrfach um den Tisch, um jeden Wein mindestens dreimal zu probieren. Trotzdem weise ich darauf hin, dass auch das nur Fassproben waren. Hier lassen sich Tendenzen erkennen, aber wie gut die einzelnen Weine dann wirklich am Ende sind, entscheidet sich erst nach Fasslagerung, Abfüllung und Auslieferung im Frühjahr 2010. Nur eines wurde klar deutlich. 2007 ist kein großer Jahrgang. Der Unterschied zur 2005er Probe vor 2 Jahren war schon gewaltig. Nur war 2005 eben tatsächlich eine Art Jahrhundertjahrgang. 2007 dagegen steht irgendwo in der Tradition der 7er Jahre, die ja mit Ausnahme des Superjahrgangs 1947 noch nie große Weine hervorbrachten. Gut, die Natur kann nicht lesen und richtet sich nicht nach dem Kalender, doch ist die Ähnlichkeit zu Jahrgängen wie 1987 und 1997 schon frappierend. Auch den 2007ern, unter denen durchaus etliche schmeichlerische leckere Weine für den frühen Genuss sein werden, fehlen leider die Substanz und das Standvermögen für eine längere Lagerung. Und wenn das Haus Moueix, wie an diesem Abend, von einem Konsumenten- im Gegensatz zu einem Sammlerjahrgang spricht, dann bezieht sich das leider nicht auf die Preise. Auch, wenn einige Weine mit leichten Preisnachlässen angeboten werden und die Premiers sogar mit gut 20%, beziehen sich diese Nachlässe doch auf das hirnrissige, überzogene und für die schlechteren 2006er beibehaltene Preisniveau von 2005. Für Weine wie Les Forts de Latour, die sogar noch über 2005 liegen, fehlt mir jegliches Verständnis.

Machen wir doch mal eine Milchmädchen-Rechnung auf. Gerade tobte der große Milchbauernstreik. Die Bauern wollten für den Liter Milch 10 Cent mehr haben, weil die derzeitigen 30 Cent nicht kostendeckend sind. Aber der Milchpreis in den Aldis und Lidls dieser Welt liegt nicht bei € 10 pro Liter, sondern ist mit deutlich unter einem Euro scharf kalkuliert. Die Produktionskosten eines Grand Cru in Bordeaux liegen selbst bei den besten Chateaux nicht über € 10, meist deutlich darunter. Und wo liegt der Preis? Da entsteht mit Hinweis auf die neuen Märkte in Asien und Russland eine völlig überzogene, gigantische und ungesunde, spekulative Blase. Für einen Jahrhundertjahrgang wie 2005 mögen solche Preise ja zumindest für die Spitzengewächse ja noch angehen, vielleicht mit den Jahren sogar noch mal deutlicher steigen. Aber was ist denn mit den damals in der Relation ebenfalls deutlich zu teuren 1997ern passiert? Die gab es später deutlich unter dem Subskriptionspreis zu kaufen. Es braucht jetzt nur ein guter Jahrgang 2008 oder 2009 zu kommen, und die 2006er und 2007er werden angeboten wie sauer Bier.

Mein klarer Rat: Finger weg von der 2007 Subskription. Wenn es denn unbedingt sein muss, bitte sehr vorsichtig und selektiv kaufen. Allenfalls Weine und Formate kaufen, die es später ohnehin nie zu kaufen gibt. Wer unbedingt Petrus braucht und welchen zugeteilt bekommt, muss natürlich ebenso jetzt kaufen so wie die Sammler kleinerer Spitzen-Chateaux mit Miniernte wie z.B. Lafleur. Selbst Großflaschen für 2007 geborene Kinder sind bei einem solch kurzlebigen Jahrgang aber nicht ohne Risiko. Für alle anderen Weine heißt es abwarten bis zum Frühjahr 2010. Dann können Sie in Ruhe bei den Ankunftsproben entscheiden, ob und welche Weine davon in Ihr Glas und in Ihren Keller gehören. Also nicht unbedingt Finger weg von den 2007ern. Da sind sicher, siehe Trotanoy, ein paar interessante, gut gemachte, frühreife Weine dabei. Nur lohnt eben die Subkription dieser Weinen bis auf die erwähnten Ausnahmen nicht. Man übernimmt lediglich das Risiko, hat aber nichts davon.

Spekulanten und alle die mit ihrem Keller reich werden wollen, haben in diesem Jahrgang überhaupt nichts verloren. Wer mit 2007 reich werden möchte, muss nur superreich anfangen, dann wird er es mit den Jahren automatisch.

Die Alternativen zur 2007er Subskription sind nicht nur reifere Bordeaux der Jahrgänge 1998, 1999, 2001 und 2002. Bordeaux ist angesichts der hohen Preise schon längst nicht mehr das Maß aller Dinge. Ich empfehle dringend einen Blick über den Tellerrand vor allem nach Spanien, aber auch nach Portugal.

Und hier noch ein Link für alle, die es ganz genau wissen wollen. Die für mich mal wieder ehrlichste, zutreffenste Beschreibung des Jahrgangs lieferte der Schweizer Master of Wine Philipp Schwander in der Neuen Züricher Zeitung. Der Artikel ist frei zugänglich.