Kultweinprobe: Harlan - Pingus - La Mondotte

Bei Harlan, Pingus und La Mondotte stellt sich nicht die Frage, ob diese Weine gut und ihren Preis wert sind. Zu gering sind die erzeugten Mengen, um auch nur ansatzweise einen Teil der internationalen Nachfrage zu befriedigen. Meist bleibt nur der Weg über eine Auktion mit entsprechenden Preisen, oder der auch nicht gerade wohlfeile Preis ein einem der wenigen Restaurants, die diese Weine auf der Karte führen. Wer in einem spanischen Nobel-Restaurant auf der Karte Pingus findet, fragt sich im ersten Moment, ob die Karte noch in Peseten ausgezeichnet ist. Um so glücklicher darf sich schätzen, wer noch auf "normalem" Wege an das ein oder andere Fläschchen kommt, oder sogar an einer solchen Probe teilnehmen darf.

Stilecht saßen wir zur Verkostung dieser wertvollen Tropfen im ehemaligen Tresorraum einer Bank. Saittavini, die von Michelangelo Saitta betriebene Enoteca, Weinbar und In-Treff im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel residiert in einer ehemaligen Bankfiliale und nutzt den früheren Tresorraum als Weinkeller. Perfekt betreut durch die talentierte Sommelière des Hauses, Anke Brandes, und vorzüglich bekocht durch die Saitta-Crew starteten wir zur unserer Traumreise durch die Welt der Kultweine.

1998

Als ersten Jahrgang hatten wir 1998 auf dem Tisch. In Kalifornien und Spanien galt 1998 eher als schwächerer Jahrgang, während in Bordeaux insbesondere in St. Emilion und Pomerol zum Teil ganz hervorragende Weine erzeugt wurden.
Gnadenlos hatte Perfektionist Bill Harlan im Jahrgang 1998 selektieren lassen und mit gerade 1.100 Kisten nur einen Bruchteil der normalen Menge ernten lassen. Das Ergebnis dieser mühevollen und finanziell nicht gerade lukrativen Arbeit kann sich sehen lassen. Etwas verschlossener als noch vor 3 Jahren in seiner jugendlichen Fruchtphase präsentierte sich 1998 Harlan. Die erst etwas anstrengend wirkende, leicht korkig wirkende Nase wurde zunehmend besser, es kamen rauchige Töne, Lakritz, ein Schuß Espresso und natürlich die geballte Frucht dieses Kraftpaketes. Am Gaumen ein fordernder Wein mit kräftigen, aber reifen und würzigen Tanninen und konzentrierter Frucht. Dazu die perfekte Harmonie und Symmetrie der Harlan-Weine. Sicher ein Langstreckenläufer. An diesem Abend für mich nur 93+/100, aber mit gewaltigem Potential. Kann in ein paar Jahren im richtigen Zeitpunkt durchaus wieder deutlich höher abschneiden.
1998 Pingus ist das, was man in den USA einen Crowd-Pleaser nennt. Ein sehr einfach zu trinkender, gefälliger, schmeichlerischer Wein, der spontan anmacht. Die grünen Noten und das alte Fass, die noch vor ein paar Jahren in der großen Pingus-Probe in Lehrbach störten, sind verschwunden. Stattdessen in der Nase getrocknete Kräuter, etwas Schokolade, am Gaumen sehr reif und schmelzig, dabei eher leichtgewichtig und elegant. Gehört sicher in den nächsten Jahren getrunken 91/100.
Ein Weinbaby ist immer noch der großartige 1998 La Mondotte. Gewaltiges Brombeer- und Cassisbouquet, Schokolade, frische Kräuter, am Gaumen bei aller Kraft erstaunlich frisch und elegant, aber auch mit sehr präsenten Tanninen. Baut im Glas sehr schön aus und wird weicher und runder 94+/100. Ein Wein mit gewaltigem Potential, der sich erst in 3-4 Jahren richtig offenbaren wird.
Für mich lag in diesem ersten Flight klar der Mondotte vorne, doch die Runde sah es anders. 1 Stimme für Harlan, 5 für Pingus und 4 für La Mondotte.

1999

Auch 1999 gilt nicht als großes Kalifornien-Jahr, doch habe ich mit 99er Kaliforniern bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Weine haben in der Regel eine sehr schöne Frucht, sind sehr elegant und nicht so exzessiv alkoholisch wie z.B. 1997 und 2001. Sehr gute Erfahrungen habe ich bisher auch mit 1999er Spaniern gemacht, insbesondere aus dem Ribera del Duero, aus dem auch Pingus stammt. 1999 Bordeaux sind Weine für Leute ohne Keller. Kaufen und saufen! Tolle, sehr zugängliche Weine mit wunderbarer Frucht, die jetzt einfach Spaß machen.
Eher als großer, trinkreifer Bordeaux präsentierte sich 1999 Harlan. Nicht so kraftvoll wie 1998, dafür zugänglicher, sehr elegant, harmonisch mit feiner, delikater Frucht, schöner Süße und seidiger Länge am Gaumen. Und das alles so ausgeglichen und finessig, wenn es für Wein einen Schönheitspreis gibt, der bekommt ihn 94/100.
Da war 1999 Pingus deutlich kräftiger mit einer eher etwas rustikalen Eleganz. Wirkte in diesem Flight eher etwas verschlossen und zeigte nur einen Teil seines Potentials. Ein dichter, kräftiger, üppiger Wein mit reifer konzentrierter Frucht, die die massiven Tannine überdeckt und kaum spüren lässt, mit Kaffee- und Toffeenoten. Wirkte im Vergleich zu Harlan fast etwas ungelenk, hat aber noch eine gewaltige Zukunft. Eigentlich der größere Wein, aber bei dieser Momentaufnahme unterlegen 93+/100.
Eher ein harmloser Simpel war 1999 La Mondotte. Wirkte nach dem großen 98er fast etwas belanglos, eben einer dieser fruchtig-leichten, zugänglichen 99er Bordeaux. Für sich alleine sicher ein großartiger Wein, im Vergleich kam er nicht mit 91/100.
Ich hatte mich klar für Harlan entschieden. So sah es auch mehrheitlich die Runde, 6 Stimmen für Harlan, 4 für Pingus, La Mondotte ging leer aus.

2000

Und noch ein eher schwaches Kalifornien-Jahr, soldie Qualität aus Spanien, Jahrhundert-Weine aus Bordeaux.
Überraschend wieder 2000 Harlan. Von der reinen Konzentration her im Vergleich mit 1998 und 1999 sicher der schwächste. Und trotzdem ein Wahnsinnswein. Unendliche Finesse und Eleganz, als ob Wilhelm Haag dort einen Sommer ausgeholfen hätte. Schöne Frucht, perfekte Tanninstruktur. Auch dieser 2000er ist wieder eines dieser perfekten Harlans, in denen die Einzelteile perfekt aufeinander abgestimmt, Harmonie und Symmetrie, ein wunderbares Weingemälde, das im Glas immer besser wurde 94/100.
Und wenn Harmonie der einzelnen Teile den wirklich großen Wein macht, dann fehlte eben genau die an diesem Abend bei 2000 Pingus. Klar, das ist ein laut auftretender Wein-Dandy, Hedonismus mit ausladenden Aromen und einer Superfarbe, ein wilder, ungezähmter Wein, der einfach alles hat, bis eben genau die Harmonie eines großen Weines, die hier fehlte 93/100.
Wenig Spaß machte auch 2000 La Mondotte. Klar, das ist eine Legende im Werden, die leider mindestens 5 Jahre zu früh auf den Tisch kam. Zeigte zwar neben einer dichten, undurchdringliche Farbe eine irre Frucht und wirkte sehr konzentriert am Gaumen, wirkte aber auch total zugenagelt 93++/100. Ganz hinten im Keller vergraben und vergessen.
Trotzdem lag in der Jury-Wertung der La Mondotte mit 6 Stimmen vorne. Harlan, für den ich mich zum jetzt-und-hier-trinken entschieden hatte, erhielt 4 Stimmen. Pingus ging leer aus.

2001

Ein Traumjahrgang in Kalifornien mit ultrareifen, aber auch meist sehr alkoholischen Weinen. Großes Jahr auch in Spanien. Bordeaux 2001 wird von Handel und Chateaux-Besitzen hoch bewertet. Die sitzen nämlich noch auf hohen Beständen. Kein schlechter Jahrgang, aber auch kein Vergleich zu 2000 und schon gar keiner zu den 2001ern aus Kalifornien und Spanien.
Sprachlos machte mich 2001 Harlan. Was für ein Weinmonument! Ich habe Harlan immer als eine Art Quadratur des Kreises bezeichnet, als eine Art jungen, reifen Latour. Was als Widerspruch in sich erscheint, wird gerade bei diesem Wein deutlich. Klar ist das ein Wahnsinnskonzentrat, eine irre Frucht, ein Pfauenrad an Aromen, aber wieder kommt dazu diese totale Harmonie aller Komponenten, diese unglaubliche Leichtigkeit und geradezu spielerische Eleganz, mit der dieser sicher 15% Alkohol besitzende Koloss da auf der Zunge tänzelt, mit einem Abgang, der gar nicht mehr aufhört. Längst nicht mehr so verschlossen, wie noch vor zwei Jahren. Wenn ich davon ein paar Flaschen ergattern sollte, werde ich sie wegschließen müssen. Klar hat der Wein 30 Jahre Potential, aber eben auch hohe Suchtgefahr. Gebt denen, die noch nie 100 Punkte gegeben habe, weil sie immer noch auf etwas besseres warten, auf die entgültige Perfektion, davon mal einen Schluck, oder noch besser gebt ihn mir. 100 Punkte, was sonst!
Mußte der riesengroße 2001 Pingus ausgerechnet in einem Flight mit der Legende Harlan stehen? Das ist die Krux, aber auch gerade das spannende an solchen Vergleichsproben. Der Pingus ist für sich genommen ein absoluter Wahnsinnswein, der aber auf extrem hohem Niveau einfach mit Harlan nicht mitkam. Tolle Frucht, ein großer, provencalischer Kräutergarten, rauchige Töne, Super-Tanningerüst, langer Abgang. Sicher ein Pingus mit langer Zukunft 97/100.
Der Papieform nach hätte 2001 La Mondotte in diesem Superflight untergehen müssen. Tat er aber nicht. Für Bordeaux 2001 ein ganz hervorragender Wein, leicht animalisch, Lakritz, Bitterschokolade, Schwarzkirsche, Cassis, sehr mineralisch, feines Tannin, jetzt in bestechender Frühform 94/100.
Das Votum in unserer Runde fiel eindeutig aus. 9 Stimmen für Harlan, 1 für La Mondotte.

1997

Gilt als größter Kalifornien-Jahrgang der dort ohnehin Goldenen 90er Jahre, in Spanien ein recht passables Jahr, in Bordeaux eine Frechheit. Letzteres vor allem wegen der unangemessen hohen Preise für ziemlich dünne Plörre mit wenig Lebenserwartung. Gut gefielen mir an Bordeaux 1997 nur zwei Dinge. Erstens, dass ich in weiser Voraussicht davon nicht eine Flasche subskribiert hatte und zweitens, dass die Spekulanten endlich mal einen drüber bekamen.
Mit 1997 Harlan hatten wir gleich wieder ein Monument im Glas. Wie ein 2001er mit Turbolader, dafür ohne Lederausstattung. Voll trinkbar und doch noch gut mit einem guten Vierteljahrhundert Lebenserwartung. So dicht, so opulent, so kräftig und dabei doch wieder so perfekt strukturiert. Bleibt ewig lang am Gaumen und ist bei aller schieren Kraft und Konzentration fordernd und spannend. Hier zeigt sich der Unterschied zu höchstbepunkteten Neue Welt Weinen. Der Harlan verbindet in idealer Weise die reife, kalifornische Frucht mit der Struktur und Finesse eines ganz großen Bordeaux, und selbst wenn da völlig überwältigt einige Münder offen stehen blieben, ja man kann und muß sogar auch bei einem solchen Riesen von Harmonie sprechen 100/100. Und welcher ist jetzt besser, 2001 oder 1997? Das ist reine Geschmackssache. Bill Harlan selbst zieht 2001 vor(ich auch), sein Winemaker Bob Levy 1997.
Und schon wieder bretterte Harlan wie eine Dampfwalze über Pingus drüber. Der 1997 Pingus ist kein Spaßwein(mehr). Animalische Nase, sehr dichte, junge Farbe, wirkt immer noch konzentriert, kräftig mit viel Länge, am Gaumen aber auch etwas hohl. Auf gut deutsch gesagt ist der Lack bei diesem Wein ab. Der war mal sexy, hat aber in den letzten zwei Jahren dramatisch abgebaut. Jetzt hat er nur den Charme einer russischen Kugelstoßerin 92/100 mit fallender Tendenz.
Deutlich mehr Spaß machte da der 1997 La Mondotte. Offen, üppig, zugänglich, ein toller Wein. Lediglich am Gaumen etwas kurz, da kann er halt das kleine Jahr doch nicht ganz verbergen 93/100.
Erstaunlich das Votum. Ich hätte mit 10 Harlan-Stimmen gerechnet, es waren aber 8 für Harlan und 2 für La Mondotte.

1996

Ein sehr gutes Kalifornien-Jahr mit Weinen, die nicht ganz so opulent und ausladen wie 1997 waren, dafür teilweise aber besser strukturiert. Sehr gutes Jahr auch in Ribera del Duero und Rioja. Uneinheitlich in Bordeaux. Hier waren die Weine vom rechten Ufer, St. Emilion und Pomerol, weniger gut gelungen und eher auf der leichteren Seite. Einzige Ausnahme: La Mondotte.
1996 Harlan gehört zu meinen ganz persönlichen Favoriten. Ich habe diesen Wein schon mehrfach mit 100/100 bewertet. Nur hatten wir an diesem Abend den absoluten Gau: Kork! Seltsamerweise in einigen Gläsern deutlich stärker als in anderen, obwohl wir den gesamten Abend bei unseren Gläsern geblieben waren. Dafür fehlt mir jede Erklärung. So konnte man den großen Harlan nur erahnen.
Auch 1996 Pingus gefiel mir diesmal nicht so gut, animalischer Stinker, nasses Heu, diese Fehltöne überdeckten einen sonst noch recht jungen, konzentrierten Wein mit gewaltiger Frucht und eigentlich viel Potential 91/100.
Überragend dagegen 1996 La Mondotte. Stefan Graf Neipperg hatte 1996 mit seinem begnadeten Weinmacher Stéphane Deranoncour zusammen aus Ärger über die nicht erfolgte Höherstufung von Canon-la-Gaffelière seine Version eines Garagenweines geschaffen. Dieses Erstlingswerk war ein spontaner Erfolg, dessen Preise raketenhaft nach oben schossen. Kein Wunder bei dieser Qualität. Ich war bisher kein großer Fan von 1996 La Mondotte, doch dem Wein haben einige Jahre Lagerung gut getan. Ein konzentriertes Powerteil mit irrer Frucht, bleibt ewig lang am Gaumen und ist dabei so klar, so pur. Da ist sie wieder, die Harmonie eines ganz großen Weines 98/100.
Eindeutig das Votum, 9 Stimmen für La Mondotte, 1 Stimme für Harlan. Letzteres muss eines der besseren Gläser gewesen sein.

Klarer Sieger der Probe damit Harlan. Auf Platz Zwei La Mondotte. Und natürlich muss es in einer solchen Probe auch einen Dritten geben, und das war Pingus. Aber auf welchem Niveau!

Natürlich gehört zu einem Kultwein auch das Erlebnis, ihn überhaupt trinken zu dürfen. Eine reine Benotung kann ein solches Gefühl nicht ausdrücken. Damit wird man noch längst nicht zum Etikettentrinker. Aber Weine haben eine ähnliche Strahlkraft wie andere Marken auch, egal ob Rolex oder BMW. Laden Sie mal Freunde ein und servieren denen zwei 93 Punkte Weine aus dem Languedoc und einen wohl inzwischen unterlegenen 91er Mouton Rothschild. Was werden die am nächsten Tag erzählen? Es gab Mouton.

Eine Traumprobe, die ich wohl so schnell in dieser Form nicht wieder erleben dürfte. Wir waren in allerbester Stimmung, und in keinem Glas blieben irgendwelche Reste. Wenn Sie meine Bewertung z.B. mit Parker-Punkten vergleichen, sollten Sie zwei Dinge bedenken. Ich bewerte nicht nach Potential, sondern ausschließlich nach momentanem Trinkgenuss. Und da Wein etwas lebendiges ist, das sich ständig entwickelt, gibt es natürlich auch so etwas wie eine Tagesform. Das ist normal, und wenn Sie heute Abend eine Flasche Harlan aufmachen(bitte nicht vergessen, mich anzurufen!!), dann haben Sie auch kein Potential im Glas, sondern den Wein in seiner momentanen Form. Zum anderen bin ich kein Profi, der die Weine in kleinen Schlucken morgens probiert und wieder ausspuckt. Der Gaumen mag ja morgens frischer sein und eine durch Essen nicht getrübte Verkostung auch präziser. Nur, was nützt mir das, wenn ein bestimmter Wein einem dieser bezahlten Verkostungsknechte morgens zwischen Riechen und Ausspucken auf nüchternen Magen gut gefallen hat? Ich trinke Wein ausschließlich abends, in geselliger Runde und meist zum Essen. Dazu muss er dann auch passen.
Überhaupt das Spucken. Wie kann man denn den Abgang eines Weines beschreiben, wenn man gar keinen hatte? Das ist doch wie die Beschreibung eines Orgasmus nach einem Coitus Interruptus. Klar, mit gewisser Vorstellungskraft geht sicher alles. Vielleicht habe ich nur ein zu einfach gestricktes Gemüt. Ich habe auch schon häufig gespuckt, wenn ich eine größere Palette einfacherer Weine probieren musste. Aber die Nackenhaare gehen mir hoch, wenn ich daran denke, dass jemand einen Harlan oder einen Petrus schlichtweg ausspuckt, Profi hin oder her. Da träumen wir Weinfreaks von wenigstens mal ein paar Tropfen eines solchen Elixiers, und anderenorts landet solch ein Stoff in hohem Bogen in einem Napf. Ich finde, das gehört mit 6 Monaten Beaujolais Primeur ohne Bewährung bestraft.

Und natürlich gibt es auf dieser Website noch mehr Lesefutter zu diesen Weinen. Ich empfehle insbesondere meine Pingus-Impressionen und meinen Bericht von einem grandiosen Dinner mit Bill Harlan.