Bordeaux 2005 Ankunftsprobe

Endlich war er da, der hochgelobte 2005er Jahrgang aus Bordeaux. Ob die Qualität wirklich für einen Jahrhundertjahrgang reichte musste sich jetzt, wo die Weine abgefüllt waren, endgültig erweisen. Von den Preisen her ist 2005 schon eher so etwas wie ein Jahrtausendjahrgang. Absolut hirnrissig, was international für diese Weine bezahlt wird. Meine schlimmsten Befürchtungen anlässlich der Subskription ("Der Wahnsinn lässt grüssen") wurden inzwischen noch weit übertroffen.

Meine 20. Ankunftsprobe war das in diesem Jahr. Mit dem Jahrgang 1986 habe ich angefangen. Ich kann mich noch gut an meine beiden, persönlichen Preis-/Leistungssieger aus diesem Jahrgang erinnern. Clerc Milon spielte damals für ganz kleines Geld im Konzert der großen Weine des linken Ufers mit. Ich habe mich sofort reichlich eingedeckt. Natürlich habe ich das auch mit Mouton Rothschild getan, dem Star der Verkostung und dem vielleicht größten Jungwein, den ich je im Glas hatte. Am rechten Ufer war damals mein Favorit l Arrosée, deutlich z.B. vor Cheval Blanc. Auch davon landeten spontan etliche Kisten in meinem Keller. Noch immer profitiere ich davon, und an den Mouton, den legitimen Nachfolger des legendären 45ers, werde ich erst in einigen Jahren gehen.

Der Vorteil dieser Ankunftsproben ist, das die Weine inzwischen fertig sind und sich am Anfang ihrer Fruchtphase befinden. Das ist keine Kaffeesatzleserei mehr, wie die Primeurverkostung von Fassmustern unfertiger Weine im Frühjahr nach der Ernte. Doch in diesem Jahr war leider alles anders, zum ersten Mal und wahrscheinlich auch auf Dauer. Alle Mühe hatte sich Otmane Khairat gegeben, der tüchtige Filialleiter der Düsseldorfer Mövenpick-Niederlassung. Trotz niedrigster Bestände hatte er noch ein einigermaßen akzeptables Verkostungsangebot herbeigezaubert. Repräsentativ und spannend wie in früheren Jahren war es leider nicht, es sei denn, man bezieht den Begriff repräsentativ auf das, was wir in den nächsten Jahren kaufen/trinken müssen/dürfen/sollen. Vor allem waren es wohl die absurden Preise, die viele Weinfreunde davon abhielten, überhaupt an dieser Verkostung teilzunehmen. Noch nie habe ich eine der Mövenpick Arrivage-Proben so leer gesehen, nicht einmal in schwachen Jahrgängen.

Aber kann man es einem Weinfreund wirklich verdenken, wenn er angesichts von € 249 für einen Ducru Beaucaillou lieber mit einem älteren Wein zuhause bleibt, voll Wehmut an frühere Zeiten denkt und vor Wut und Frust die Kissen vollheult?

Nicht, dass es etwa aus 2005 keine Roten Bordeaux gäbe. Reichlich werden derzeit mit dem Hinweis auf den grandiosen Jahrgang Gewächse angeboten, deren Namen man vorher nie gehört hat. Vor unkritischem Kauf kann ich da nur dringend warnen. In keinem Jahr sind alle Weine automatisch groß. Auch in 2005 gibt es Nieten. Deshalb unbedingt erst verkosten und dann kaufen.

Die ersten beiden Enttäuschungen erlebte ich bei Mövenpick gleich mit zwei vermeintlichen Geheimtipps vom unteren Ende der Preisskala. Mit 18/20 Weinwisser-Punkten und einem Preis knapp unter 20 Euro lockte ein Tour de Pez, ein Cru Bourgeois aus St. Estephe. Tannine hatte der reichlich, dafür um so weniger Frucht, wirkte vorne am Gaumen bissig und verschonte dafür mit jeglicher Form von Abgang. Was für ein armseliges Weinchen in solch einem Jahr 82/100. Leider konnte auch der in 2000 und 2003 so fantastisch gelungene Nectar des Betrands als 2005er nicht so richtig überzeugen. Der war gefällig, nett, fruchtig, wenig Struktur, eher ein netter Frucht-Flip, im Abgang Vanille-Pudding mit Himbeer-Syrup 88/100. Das war kein Nectar mehr, wie er als 2000er 92/100 und als 2003er sogar 93/100 in der Arrivage-Probe ins Glas brachte. Die haben wahrscheinlich angesichts der Nachfrage in diesem Jahr einfach das Prestige-Cuvée um etliche Fässer aufgestockt, schade.

Dreimal St. Estephe hatte ich jetzt vor mir. Ein leckerer, fruchtiger Schmeichler ist Phélan Ségur. Feine Röstaromatik, schöne Frucht, gutes Gerüst reifer Tannine, wirkt bereits sehr zugänglich 91/100. Der heute bereits schöne Phélan eignet sich gut zur Überbrückung der Wartezeit auf den Calon Ségur. Das ist derzeit noch harte, bittre Kost, massives Tanningerüst, sehr dichte Farbe, viel Substanz, wurde mit der Zeit etwas gefälliger im Glas und die sorgsam unter den Tanninen versteckte Frucht lugte etwas hervor. Ein Langstreckenläufer für die hinterste Ecke Ihres Kellers. 10 Jahre sind da sicher angesagt, bis der die denkbaren 93+/100 ins Glas bringt. Noch eine Ecke darüber schätze ich den fast rabenschwarzen Montrose ein. Auch der hatte ein mächtiges Tanningerüst und eine gute Säurestruktur, brachte aber in der Nase auch eine wunderbare Beerenparade. Wer den hat, sollte sich unbedingt in den nächsten zwei Jahren die ein oder andere Flasche gönnen, bevor der Montrose sich dann für längere Zeit verschließt. Potential für 94-95/100 hat dieser Wein locker.

Auch aus dem dünnen Pauillac-Angebot gönnte ich mir drei Weine. Keinen guten Eindruck hinterließ Haut Bages Liberal. Wenig Frucht, massive Säure, kaum Abgang. Ich kam mir vor wie jemand, der in einem Restaurant einen frisch gepreßten Obstsaft bestellt, und der Laden dann nur Zitronen vorrätig hat 83/100. Immerhin soll ja auch dieses 5 Cru inzwischen stolze € 42,50 bringen. Eine noch größere Unverschämtheit ist die sehr enttäuschende Pichon Comtesse, die schon für schlappe € 145.- zu haben ist. Hier klafften Anspruch und Wirklichkeit doch arg auseinander. Ein nettes, offenes Weinchen mit wenig Substanz, schlabberig ohne richtiges Tanningerüst 88/100. Zuletzt hat man auf diesem Gut mit dem 90er einen großen Jahrgang zersägt. Den hatte ich damals leider subskribiert, bei 2005 habe ich Glück gehabt. Ein richtiges Jahrgangsschnäppchen dagegen ist der unter € 40 liegende Batailley, der jetzt schon viel Spaß macht. Fruchtig, rund, reif, gefällig, aber auch mit genügend Rückrat für 15+ Jahre 92/100. Da werde ich wohl noch mal zugreifen.

Ab ging es nach St. Julien, jetzt mit einem Viererflight, Langoa und Leoville Barton, Ducru und Saint-Pierre. Zwischen bereits ambitionierten € 64,90 für den Saint Pierre und astronomischen, total überzogenen € 249 für den Ducru lag hier die Preisspanne. In der Qualität war es weniger dramatisch. Da lagen die vier Weine an beiden Abenden ziemlich dicht beieinander. Erstaunlich offen und zugänglich wirkte Léoville Barton, ein feiner, sehr schmeichlerischer Wein mit sehr schöner Frucht von dem ich nicht glaube, dass man sehr lange darauf warten muss 93/100. Deutlich besser gefiel mir im direkten Vergleich der preiswertere (€ 86,90 zu 139.-) Langoa Barton. Der hatte mit seinem dichten, jungen Purpur nicht nur die kräftigere Farbe, sondern zeigte am Gaumen auch mehr Substanz. Dazu reife Frucht, Brombeere und Blaubeere, sowie ein gutes Tannin- und Säuregerüst. Ein spannender Wein und von beiden der Barton für Schlaue 94/100. Auf ähnlichem Niveau der überraschend schöne Saint-Pierre. Auch der präsentierte sich an beiden Abenden erstaunlich zugänglich, fast weich, schmeichlerisch, warm-würzig mit schöner Frucht. Doch vermute ich, dass dieser jetzt so animierende Wein sich nach einer Fruchtphase von vielleicht zwei Jahren für eine ganze Weile wieder verschließen wird 94/100. Sofern man das bei diesen Preisen überhaupt sagen kann, ein toller Wert. Und dann war da noch der preislich total überzogene Ducru Beaucaillou. Der lag zwar noch einen Tick über den anderen und war sicher ein guter oder sogar großer Wein, aber bei dem Preis habe ich ihn für mich abgehakt. Konzentrierte Frucht, gute Tannin- und Säurestruktur, baute im Glas sehr schön aus und zeigte eine wunderbare Länge am Gaumen und viel Spannung. 95/100 kommen da sicher mal ins Glas, also soviel wie beim Aalto für nur ein Bruchteil des Geldes. Beim normalen Aalto wohlgemerkt, nicht dem PS, denn an den kommt der Ducru nicht entfernt dran.

Weiter ging es mit fünfmal Margaux. Paveil-de-Luze, Ferrière, d Issan, du Tertre und Lascombes. Der recht preiswerte Paveil-de-Luze ist ein sauberer, ehrlicher, fruchtiger Wein 87/100. Eine absolut betörende Nase hat der offene, zugängliche Ferrière, der wie ein kleiner Chateau Margaux wirkt, sicher eine gute, preiswerte Alternative zu Pavillon Rouge 88/100. Aus dem Dornröschenschlaf scheint mit dem Jahrgang 2005 d Issan erwacht zu sein. Da wurde in den letzten Jahrzehnten vorzugsweise Mist erzeugt, doch dieser Wein scheint an Legenden wie 45 oder 61 anzuknüpfen. Superdichte Farbe, beerige Frucht, sehr gute Länge am Gaumen 92/100. Sehr gut gelungen auch du Tertre, intensive, beerige Frucht, gute Säure, ein Wein mit viel Finesse und Spannung, der aber im Glas rasch weicher und gefälliger wurde 92/100. Sehr überzeugend Lascombes, bei Mövenpick derzeit für € 88,90 angeboten. Ein konzentrierter, dichter, kräftiger Wein, der nach viel Luft und weiterer Lagerung schreit. Sehr mineralisch mit guter Struktur, baut im Glas aus und entwickelt eine faszinierende Röstaromatik mit viel Kaffee 94/100. Ein gelungener Wein mit Langstreckenpotential.

Aus Pomerol gab es leider nur einen 2004er, Vieux Château Certan. Den fand ich ganz schön dünn und nichtssagend 87/100. Wer aber noch zu einigermaßen vertretbaren Kursen Pomerols findet, z. B. La Fleur Petrus, der sollte zuschlagen. Lesen Sie hierzu bitte auch "Bordeaux 2005 nachverkostet".

Auch aus Pessac fehlten nicht nur die großen Namen, sondern auch Highlights wie die sehr gut gelungenen Haut Bailly und Smith Haut Lafite, mit denen ich mich schon in der Subskription gut eingedeckt habe. Einziger Vertreter dieser Appellation war Domaine de Chevalier. Ein sehr feiner, schlanker, ungemein eleganter Wein, der sich nicht sofort erschloss. Brauchte sehr viel Luft, entwickelte sich dann aber gut im Glas mit fast zarter, rotbeeriger Frucht und schöner Mineralität. Kein Hammerwein, eher ein zurückhaltender, distinguierter Finessenmeister 90/100.

In zwei Schichten führte ich mir St. Emilion zu Gemüte. Erst Quinault l Enclos, Fleur Cardinal, Monbousquet und Clos Dubreiul. Ein feiner, aromatischer Schmeichler war Quinault l Enclos, ein fruchtiger, offener Wein, der für den frühen Genuss gemacht ist und mit € 46,90 für den Jahrgang sogar noch erstaunlich preiswert ist 91/100. Auf ähnlichem Niveau hatte ich Clos Dubreuil im Glas. Den Hype, der teilweise um diesen netten, fruchtigen Wein gemacht wird, konnte ich nicht nachvollziehen 91/100. Das galt auch für den Dritten im Bunde, den Fleur de Cardinal. Ein sehr modern gemachter Wein mit üppiger Frucht und viel Alkohol, eher Neue Welt als Bordeaux 90/100. Sicher nichts für Puristen ist der hedonistisch-üppige Monbousquet mit überbordender, reifer Frucht, reichlich Röstaromen, viel Schmelz und toller Länge am Gaumen. Da kommt einfach Freude ins Glas 94/100. Ein großartiger "K&S"-Wein, kaufen und saufen.

Dann kamen die beiden stärksten Weine des Abends, Pavie Macquin und Troplong Mondot. Ungestüm und wild der fast etwas überkonzentriert wirkende Pavie Macquin, dessen offensive, satte und auch süße Frucht fast etwas weh am Gaumen tat. Wirkte auf hohem Niveau etwas gemacht, ein sehr moderner Wein, bei dem die einzelnen Teile noch zueinander finden müssen. 95/100 wird er in den nächsten Jahren sicher ins Glas bringen. Sicher aber kein Wein für Freunde eleganter, feiner, langsam reifender Bordeaux. Hier lässt, auch mit dem happigen Alkohol, schon eher Kalifornien grüßen. In gewisser Form galt das auch für den großartigen Troplong Mondot, der mir um Längen besser gefiel. Auch hier ein superdichtes Konzentrat mit irrer Frucht, dabei aber gleichzeitig so samtig mit perfekter Struktur, einfach ein stimmiger Wein mit vollendeter Harmonie, der mich an beiden Abenden mit seiner aromatischen Dichte und seiner in cremiger Textur verpackten Kraft an Shafer Hillside Select eninnerte 98/100. Und das war auch gleichzeitig der einzige Wein des Abends, den ich trotz happiger € 189,- sofort nachgekauft habe. Schließlich ist das hier klares 1er Cru Niveau und für die nächsten Jahre ein garantierter Trinkspaß, der im richtigen Moment durchaus auch mal dreistellig werden könnte. Doch keine Rose ohne Dornen. Ich bezweifele stark, dass dieser Wein gut altern wird. Er erinnert in seiner Art fatal an die einst so großartigen 89 und 90 des Gutes, die man inzwischen getrost vergessen kann. In zehn Jahren könnten da die 17/20, mit denen René Gabriel diesen Wein abgestraft und mich damit von der Subskription abgehalten hat, dann doch noch Realität werden. Doch was soll es, ich werden diesen überragenden 2005er früh genießen.

Und dann war da für mich noch die Karrikatur eines Bordeaux, ein Wein, der zeigte, was mit moderner Technik alles möglich ist, Clos des Lunelles aus Côte de Castillon. Gut, da hat das Team von Gerard Perse(Chateau Pavie) mit sehr niedrigen Erträgen gearbeitet, aber ich bin mir fast sicher, dass auch sonst noch mit allen Tricks gearbeitet wurde, die die moderne Önologie hergibt. Ein rabenschwarzes Konzentrat, massig Cassis, Veilchen, schwarzer Pfeffer, deutliche Affinität zur Rhone, auch Australien ließ grüßen, mit der Zeit immer mehr Feigen, Dörrfrüchte und ein großer Löffel aus dem Rumtopf. Nicht, dass dieser Wein etwa schlecht gewesen wäre. Fans werden locker 92/100 und auch mehr geben und so lange jubeln, bis sie merken, dass sie hier für einen Côte de Castillon gut 50 Euro berappen sollen. Mich störte an diesem Wein eher, dass er keine klare Identität besaß. Der konnte überall herkommen, wo man einem der modernen Önologen freie Hand lässt. Solche Weine gibt es demnächst auch aus Moldawien.

Ach ja, dann waren da noch ein paar Premier Crus, die verschämt im Regal lagen. Als Probe wurden sie nicht angeboten, warum auch. Für die knapp 100 Euro, die ein halbes Dezi dieser 1200 Euro Latour und Lafite gekostet hätte, waren ohnehin nicht genug Verrückte da. Und verrückt muss man sein, um so viel Geld für einen jungen Wein auszugeben. Aber das ist ein ganz anderes Thema, zu dem ich mich demnächst noch mal detailliert äußern werde. Die Premier Crus haben ganz klar die Preismarke 1000 Euro als Standard im Auge. Das wäre für sich nicht weiter schlimm und zu verschmerzen, würden nicht alle anderen Weine mehr oder minder deutlich folgen. Spätestens dann, wenn es demnächst in Anzeigen heißt "... und als preiswerten Wein für jeden Tag empfehlen wir Ihnen für knapp unter 100 Euro den Drittwein von Chateau..." werden Sie merken, wo diese höchst ungute Reise hin geht.

Während der Prowein in Düsseldorf habe ich auf der Probe der Union des Grands Crus de Bordeaux die Gelegenheit genutzt, "auf die Schnelle" noch ein paar weitere Weine zu probieren. Sehr angetan war ich von den drei probierten Pessacs. Haut Bailly knüpft mit dem großartigen 2005er wieder an glorreiche, alte Zeiten an, sicher der beste Haut Bailly seit 1945. Wunderbare Mineralität, süße, reife Tannine, gute Frucht und feiner Schmelz bringt dieser auch jetzt in seiner Jugend schon unwiderstehliche Wein, bei jetzt in der jugendlichen Fruchtphase schon gut 94 ins Glas kommen. Mitte des nächsten Jahrzehnts in der vollen Trinkreife könnten es gut noch mal 1-2 Punkte mehr sein. Dürfte preislich noch einigermaßen im Rahmen liegen und ist, sofern überhaupt verfügbar, eine unbedingte Nachkaufempfehlung. Ähnliches gilt für den ebenfalls sehr gut gelungenen Smith Haut Lafite. Etwas konzentrierter als Haut Bailly, dafür mit etwas weniger Schmelz, aber sonst durchaus ähnlicher Aromatik. Auch das ein toller Wert auf 94+/100 Niveau. Noch deutlich mehr Substanz hat der konzentrierte Pape Clement, dafür aber auch weniger Charme. Wird erheblich länger als die beiden vorgenannten bis zur vollen Trinkreife brauchen und recht langlebig sein. Ob er auf Dauer der größere Wein sein wird, muss sich noch zeigen. Gewaltiges Pontential und unbändige Kraft lassen 95+/100 für denkbar erscheinen.

Aus St. Emilion gefiel mir Berliquet sehr gut, ein frühreifer, animierender, sehr fruchtiger Schmeichler mit seidiger Textur, bei dem man auf nichts mehr warten muss 92/100. Deutlich konzentrierter und auch etwas vielschichtiger ist Canon-la-Gaffelière, der mit seinen recht strammen Tanninen aber ein paar Jahre Warten ansagt, bevor dann 92+/100 ins Glas kommen. Sicher ein Wein mit gutem Alterungspotential. Wer bisher um Figeac einen Bogen gemacht hatte, weil dieser Wein oft so anstrengend mit einem an Kork erinnernden Nebenton war, der kann jetzt beruhigt zugreifen. Der erste, junge Figeac, dem ich das Prädikat sexy verleihen würde mit herrlich reifer Frucht, Fruchtsüße und weichen Tanninen. Wird schon in seiner Jugend auf 93/100 Niveau viel Spaß machen.

Aus Pomerol war mein klarer Favorit Clinet. Sehr dichte Farbe, eine Traumnase mit roten und scharzen Beeren, mit viel Schokolade, etwas Kaffee und reichlich Schmelz. Würde ich allein schon als Riechfläschchen kaufen. Auch am Gaumen Fülle Schmelz und reife, in Seidenpapier eingewickelte Tannine. Bei diesem ersten, wieder wirklich großen Clinet seit dem Duo 89/90 kommen sicher 95+/100 ins Glas. Der fleischige, muskulöse Gazin wirkte im Vergleich sehr verhalten, aber aus den 92/100 könnten längerfristig noch mehr werden. Traumhaft die Nase des Conseillante, die ebenfalls an 89/90 erinnert. Ein Charmeur mit reifer Frucht, am Gaumen sehr elegant und fein, sicher auf 94/100 Niveau.

Blieben noch zwei Pauillacs nachzutragen. Lynch Bages hat mich nicht sonderlich beeindruckt. Nicht sehr konzentriert, nett, fruchtig, lecker so hätte ich mir in einem Jahr wie 2005 den Zweitwein von Lynch Bages vorgestellt. 90/100 kann man ihm trotzdem geben, aber für die ist er eindeutig zu teuer. Da war Pichon Baron schon ein ganz anderes Kaliber. Ein fleischiger, dichter Pauillac mit herrlicher Frucht und kräftigen, reifen Tanninen. Wird sich sicher nach einer Fruchtphase für einige Jahre verschließen und später locker 95/100 und vielleicht auch mehr ins Glas bringen. Sie haben stattdessen den Wein von der anderen Straßenseite, Pichon Comtesse, subskribiert? Dumm gelaufen, der Baron läuft derzeit der Comtesse eindeutig den Rang ab.

Zurück zum Jahrgang. 2005 ist in Bordeaux zweifelsohne ein großer Jahrgang. Betörende, reife Frucht maskiert kräftige Tannine und eine sehr gute Struktur. Faszinierend werden die meisten Weine in den nächsten 2-3 Jahren sein in ihrer Fruchtphase. Die besten von Ihnen werden wohl locker mehrere Jahrzehnte überdauern. Doch da viele Weine inzwischen sehr modern vinifiziert und auf frühe Trinkreife hin getrimmt sind, werden sich einige Kandidaten recht früh verabschieden. Da hilft nur regelmäßiges Probieren. Und ist 2005 in Bordeaux nun der vielfach beschworene Jahrhundertjahrgang? Trotz generell recht hoher Qualität ist das je nach Chateau recht unterschiedlich. Und vom Preis-/Genussverhältnis her ist das mit Sicherheit kein Jahrhundertjahrgang, sondern einer der schlechtesten Jahrgänge, die Bordeaux je hervorgebracht hat. Nicht unverschämt gut ist 2005, sondern gut, aber leider unverschämt.

Und damit kommen wir zur Kauf- und Trinkstrategie. Wer 2005 subskribiert hat, kann sich freuen. Seit der schon abstrus überteuerten Subskription sind die Preise nochmals weit nach oben geschossen. Trotzdem rate ich zum gezielten Zu- bzw. Nachkauf. Wie passt das zusammen? Ganz einfach, auf absehbare Zukunft hin wird das Preisniveau der Bordeaux sicher kaum sinken. Mit 2006 steht ein eher unterirdischer Jahrgang ins Haus, der sich preislich trotzdem kaum von 2005 unterscheidet. Auch 2007 dürfte mit Ausnahme von St. Emilion und Pomerol nicht wesentlich besser sein. Damit steht 2005 nicht so schlecht da. Gezielt würde ich nach gut gelungenen Weinen aus dem zweiten und dritten Glied suchen. Unbedingt achten sollten Sie dabei auf die Seriosität des jeweiligen Anbieters. Ich rechne schon bald mit dem geballten Auftreten gefälschter 2005er, denn die Preise laden zu solchen Machenschaften geradezu ein. Wer da unkritisch Petrus&Co im Internet kauft, dem ist nicht mehr zu helfen.
Die 2005er werden durch die satte Frucht und die gut maskierten Tannine bereits in der jugendlichen Fruchtphase enormen Trinkspaß machen. Den sollten Sie sich nicht entgehen lassen, und Ihre Schätze zumindest einmal probieren. Je nach Chateau wird diese Fruchtphase etwa 2-5 Jahre dauer, bevor sich die Weine wieder für ein paar Jahre verschließen. Einfachere Wein, insbesondere vom linken Ufer, werden sich überhaupt nicht verschließen und für die nächsten 8-12 Jahre gut trinkbar sein.

Wiederholen möchte ich selbst eine 2005er Probe noch mal im Herbst diesen Jahres im Freundeskreis mit eigenen Flaschen. Dann werden sich die Weine wohl in voller Blüte präsentieren. Und so lange sollten Sie besser von Ihren eigenen Weinen fern bleiben. Füllstress, Transport, es ist schon erstaunlich, was moderne, junge Weine so alles wegstecken. Aber wer diese Weine in Bestform erleben möchte, gönnt ihnen erst mal ein paar Monate Ruhe.