Sylter W(E)eindrücke 2009

Ja, ich bekenne, ich bin süchtig. Süchtig nach dieser Insel Sylt. Süchtig nach dieser würzigen Meeresluft, nach den unendlich langen Stränden, nach dem faszinierenden Farbenspiel, nach der blühenden Heide. Gut drei volle Wochen plus einem verlängerten Wochenende als Nachschlag durfte ich jetzt wieder im August meiner Sylt-Leidenschaft frönen. Und die schließt nicht nur eine faszinierende Natur ein, sondern auch ein gewaltiges, kulinarisches Angebot. Über 200 Restaurants bietet Sylt und dazu einige der interessantesten Weinkarten der Republik. Und damit wären wie beim Hauptthema dieser Website und der Sylter W(E)indrücke 2009, dem Wein. Der hoch frequentierte McDonalds auf der Westerländer Friedrichstraße dürfte wohl das einzige der Sylter Lokale ohne Weinkarte sein. Unmöglich, alle Lokale in ein paar Wochen zu besuchen. Da reichen selbst Monate kaum.

Meinen ersten Wein in diesen Sylter Sommerferien habe ich wieder an der Buhne 16 in Kampen getrunken, einen sehr süffigen, fruchtigen, mineralischen 2007 Riesling 9 von Grans Fassian 84/100. Die "9" steht bei diesem Wein für den Alkoholgehalt. Klar ist der restsüß, aber das steht nicht auf dem Etikett. Einfach ein schöner Moselwein, bei dem die Restsüße gut durch eine knackige Säure balanciert wird. Ursprünglich war diese Buhne 16 mal ein simpler Strandkiosk, vor 28 Jahren von den Brüdern Berens gegründet und inzwischen erfolgreich in der 2. Generation geführt. Seit im letzten Jahr ein neuer Holzsteg durch die Dünen eröffnet wurde, der bis zur Buhne 16 führt, herrscht hier eine unbeschreibliche Fülle. An schönen Sommerabenden stehen hier selbst um 21 Uhr noch lange Schlangen in Viererreihen vor dem Selbstbedienungstresen. Aber Fülle ist ohnehin ein Markenzeichen des Sylter Sommers. Angesagt wie noch nie ist die Insel. Dazu tragen nicht zuletzt die schnellen, komfortablen Flugverbindungen bei. Die Buhne 16 bietet inzwischen gut 30 Weine an, meist eher im Schoppenbereich. Gut gefielen mir der 2007 Riesling Haus Klosterberg von Molitor (86/100) und der 2007 Saarriesling von Van Volxem (88/100), auch der saftig-fruchtige 2008 Rotschiefer Riesling von St. Antony aus der Magnum wusste zu gefallen (85/100). Mein Favorit an der Buhne 16 war aber der einfache 2008 Grauburgunder von Dönnhoff. Eigentlich bin ich alles andere als ein Grauburgunderfan. Die Dinger sind mir meist zu dick, klobig und alkoholisch. Ganz anders dieses preiswerte Schmuckstück, hoher Extrakt, Eleganz, feiner Schmelz und cremige Textur bei sparsamen 12,5% Alkohol, ein absolut stimmiger Wein, eben ein echter Dönnhoff 88/100.

Etwas ruhiger und komfortabler geht am 2. Sylter Strandlokal zu, dem Grand Plage. Statt Selbstbedienung wird hier am Platz sofern man denn einen findet serviert. Durchaus ambitioniert wird in der Küche des Grand Plage aufgekocht. Hier haben wir mit Sylter Freunden einen wunderschönen Abend verbracht, den legendären Sylter Sonnenuntergang inklusive. Weinmäßig starteten wir mit der sehr gelungenen 2008 Cuvée Grande Plage von Heger (87/100), tranken dann einen noch sehr jugendlichen 2008 Grünen Veltliner von Türk (88/100) bevor wir uns an eine der letzten 1999 Asara Bell Tower Magnums machten, die wie im Vorjahr an gleicher Stelle voll überzeugen konnte (91/100). Zu anderer Gelegenheit genossen wir auf der Terrasse des Grand Plage einen 2006 Maximin Grünhäuser Herrenberg Riesling Superior. Auf der Karte stand der als 2007/2008. Wir bekamen aber die letzte Flasche 2006er, was diesem Wein und uns sehr gut tat, denn gegenüber dem letzten Jahr hat er noch mal eine Ecke zugelegt (91/100).

Direkt oberhalb des Kliffs steht in Kampen ein Klassiker, die alt-ehrwürdige und vor etlichen Jahren sanft entschlafene Kampener Sturmhaube. Seit sie dann von engagierten Investoren wach geküsst wurde, ging sie durch mehrere Betreiber-Hände. Jetzt scheint sie endlich in ruhigeres Fahrwasser zu geraten. Mit dem Ex-Vogelkoje-Küchenchef Gerhard Diehm verantwortet inzwischen ein schon fast Sylter Urgestein den kulinarischen Bereich. Alleine für seine legendäre Ente pilgern Heerscharen in die Sturmhaube. Die beeindruckende Weinkarte wird von einem Ex-Sansibar Sommelier betreut, der sein Handwerk beim unvergessenen Michael Hamann lernte. Untrügliches Zeichen dafür, dass der aktuelle Kurs der Sturmhaube aufgeht ist die Tatsache, dass hier an ihren freien Tagen regelmäßig Mitarbeiter der anderen Sylter Spitzenrestaurants gesichtet werden. Bei unserem ersten Sturmhaube-Besuch musste ein 2005 Idig von Christmann dran glauben. Ein großer, saftiger Riesling mit fruchtig-süßem Schmelz und viel Tiefgang, trinkt sich einfach saugut 94/100. Spannend die Paarung bei unserem zweiten Besuch. Gestartet waren wir mit einem sehr beeindruckenden 2006 Riesling Vinothek von Knoll. Das war ganz großes Kino, was hier abging, diese reintönige Frucht, die hohe Mineralität, diese druckvolle Aromatik, und das alles mit unbeschreiblicher Eleganz, ja fast Leichtfüßigkeit. Ließ mich irgendwo an die Hermannshöhle von Dönnhoff denken 95/100. Auf den folgte der fast dreimal so teure, ultrarare 2007 G-Max von Klaus Keller. Den haben wir natürlich dekantiert und auch große Gläser genommen. Aber das G-Max Wunder (wer hat eigentlich diesen bescheuerten Namen erfunden?) fand nicht statt. Klar spürte man die hervorragenden Anlagen dieses Weinbabys und die gewaltige Substanz, verpackt in eine cremige Textur. Aber beim Jetzttrinken fand das große Aha-Erlebnis noch nicht statt 93+/100. Deshalb gehen die zweiten 95/100 nicht an den G-Max, sondern an Gerhard Diehms süchtig machende Bouillabaise.

Machen wir einen Sprung an die Nordspitze der Insel. Hier liegt direkt in Strandnähe die Lister Weststrandhalle, einer Almhütte nicht unähnlich. Auf der herrlichen Terrasse genossen wir aus der kleinen, aber feinen und gastfreundlich kalkulierten Weinkarte wie schon im Februar einen 2007 Grünen Veltliner Kellerberg Smaragd von F.X. Pichler und einen 2001 Beaucastel, die beiden Höhepunkte der Karte. List selbst, einst eher Ende der Welt als touristischer Anziehungspunkt, putzt sich seit einiger Zeit mächtig raus. Das neue Arosa-Hotel mit seinen 180 Zimmern muss man nicht mögen, und es passt mit seinen Dimensionen nicht auf die Insel. Trotzdem wird es weiteren Schwung in den nördlichsten Inselort bringen. Im 200 Jahre Alten Gasthof wurde ein Vinhuus installiert, eine kleine Weinstube, die gleichzeitig als Depot für die Weinhandlung von Franz Keller aus Oberbergen fungiert. Kulinarische Spezialität des Hauses ist Hummer auf Hegoländer Art. Leider kommt der Hummer selbst nicht aus Helgoland, sondern aus Kanada. Die Zubereitung erfolgt nach klassischen Rezepten. Wir genehmigten uns auf der kuscheligen Terrasse zunächst einen 2006 Jerman Were Dreams, einen geilen, kraftstrotzenden Sauf-Chardonnay internationalen Zuschnitts 93/100. Da passte dann als Rotwein gut der exotisch-üppige 2003 Trilogia von Kokkalis zu 92/100.

In der Alten Backstube in List tranken wir einen 2008 Chardonnay-Weißburgunder von Hensel, easy Summer Drinking, wenig Säure, wenig Spannung 82/100. Deutlich besser ein 2007 Weißburgunder von Christmann, sehr finessig, rassig und extraktreich mit bescheidenen 12% Alkohol 86/100.

Viel Wechsel gab es in Service und Küche in der zwischen List und Kampen gelegenen Vogelkoje, die nach wie vor zu den beliebtesten Lokalen der Insel gehört. Imposant immer noch die Weinkarte. Wir starteten bei unserem Besuch mit einem 2003 Brunello von Caparzo, einem süßen, würzigen, zugänglichen Schmuse-Brunello mit viel slowenischer Eiche 92/100. Überhaupt nicht klar kam ich danach mit einem 2006 Drucu Beaucaillou. Der wirkte sehr monolithisch und Frucht war absolut Fehlanzeige 87/100.

Kann man auf Kampens legendärer Whiskymeile Wein trinken? Oh ja, selbst in der Nobeldisko Pony wurde uns auf Anfrage als Alternative zu diversen Drinks mit einem 2004 Terrabianca ein sehr passabler Wein(88/100) angeboten. Drüben, auf der anderen Straßenseite bei Greta gibt es eine mehrseitige Weinkarte. Wir tranken dort einen mächtigen, opulenten 2004 Pintia, der erst ganz am Anfang steht, mit seiner offene Art voller Hedonismus und Lebensfreude perfekt hierhin passt 93/100. Gut bestückt auch die Weinkarte des Gogärtchen. Hier fand ich noch eine gut erhaltene Trouvaille aus meinem Geburtsjahr, einen 1950 Pichon Baron in einer deutschen Abfüllung von Lorenz Harms&Söehne aus Lübeck. Trotz nur "ms"-Füllstand hat sich dieser Wein aus dem im Medoc eher kleineren Jahrgang erstaunlich gut gehalten, immer noch mit recht dichter Farbe und mit etwas staubiger, rustikaler Eleganz, aber nicht ohne Charme 86/100.

Doch Kampen besteht nicht nur aus Strand und Whiskystrasse. Goldkind wird das Restaurant Zum Österreicher ab nächster Saison heißen. Das Goldkind ist die erst 20jährige Annakarina Tretow, die diesem Lokal mit viel Elan neues Leben einhaucht. Auf der sehr schönen Terrasse verzehrten wir nicht nur eine topfrische Seezunge, wir genehmigten uns auch einen feinen Kaiserschmarrn. Die Seezunge ließen wir in 2008 Grüner Veltliner Alte Reben von Markovitsch schwimmen. Ein jugendlich frischer, nachhaltiger Wein mit pfeffrig-würziger Frucht 89/100. Zum Kaiserschmarrn dann ein 2001 Kracher Welschriesling TBA #8 mit erstaunlich reifer, dunkler Farbe einer deutlich älteren TBA. Einen gewaltigen Extrakt und wahrscheinlich mächtigen Restzucker hatte dieses große Teil, doch wurde die tolle, spielerische Süße durch die gute Säure gut balanciert, feiner Schmelz mit viel Honig, Toffee, Karamell, reifer Aprikose und Crême Brulée, eigentlich ein großartiges Dessert für sich 94/100.

Nicht weit davon entfernt Jensens Tafelfreuden, wo wir mit Sylter Freunden auf der lauschigen Terrasse einen schönen Abend verbrachten. Gut gehen ließen wir es uns erst mal mit einem 2007 Grünen Veltliner Höhereck vom Tegernseerhof, würzig, kräuterig, tabakig 87/100. Ein fleischig-saftiges Aromenbündel mit reifer Brombeere und Kirsche war danach der sehr zugängliche, füllige 2005 Cuvée Impressario von Kerschbaum 90/100. Und als Abschluss bekamen wir noch Übermut ins Glas, den Pfälzer "Portwein" von Markus Schneider und Thomas Hensel. Likörige, florale, kräuterige Nase, am Gaumen schokoladig, füllig und Richtung Banyuls gehend 89/100.

Im Sanders entdeckten wir einen sehr wohlfeilen 1996 Perriet Jouet Belle Epoque, der immer noch sehr jugendlich und hoch aromatisch wirkte und ein gewaltiges Lagerpotential haben dürfte 93/100.

Ein Inselklassiker ist die Reiterbar im Hotel Rungholt. Hier hat man Zugriff auf die Rungholt-Weinkarte. Aus der genehmigten wir uns einen 1999 La Mission Haut Brion. Der hat im Vergleich zu der im letzten Jahr bei Jörg Müller getrunkenen Flasche mächtig zugelegt und ist jetzt mit feiner Cigarbox-Aromatik in einer wunderbaren Trinkphase 92/100.

Im Manne Pahl fanden wir auf der recht umfangreichen Karte noch einen wohlfeilen 1978 Grands Echezeaux von Henri Lamarche als Magnum. Das war ein typischer 78er, potentiell gutes Jahr mit zu hoher Ernte. Da würde heute etwas besseres draus entstehen. So war bei diesem ansonsten sehr schön zu trinkenden, weichen, generösem, reifen Wein das Grands nur auf, aber nicht in der Flasche 89/100.

Mein Stammlokal aber ist das zum Dorfkrug gehörende Wiin Kööv. Eine gemütliche Weinstube im besten Sinne mit guter Dorfkrug-Küche, sehr interessantem Weinangebot und herzlichem, kompetenten Service durch Nina und Klaus. Oft habe ich auf meinen Seiten über den sensationellen Lamarein von Josephus Mayr aus Südtirol geschrieben. Kennen Sie ein Lokal, wo der auf der Karte steht? Das Wiin Kööv hat gleich zwei Jahrgänge und bietet diesen Wein zusätzlich noch als Magnum und Doppelmagnum an. Am ersten unserer zahlreichen Wiin Kööv Abende starteten wir mit einem 2007 Morstein GG von Wittmann, noble, präzise Frucht, hohe Mineralität, knackige Säure, nicht so offensichtlich wie manch anderer 2007er, sehr jung mit viel Potential und nach ein paar Jahren Lagerung schreiend 92+/100. Leider hatte danach ein 1995 Cor Römigberg von Alois Lageder nicht nur die Farbe eine mittelmäßigen Bordeaux aus den 60ern, auch am Gaumen und in der Nase spielte sich da nicht viel ab, schon ziemlich gezehrt und fruchtlos 82/100. Der 2006 Lamarein erinnerte an den großen 2000er und ist in der selben Liga, Weihnachtsgewürze ohne Ende, Lakritz, tolle Struktur, braucht viel Luft und eigentlich noch ein paar Jahre, 95+/100 mit Potential für 97-98/100. Ganz anders der sehr offene, extrem schokoladige und von jugendlicher Röstaromatik geprägte 2007 Lamarein, einfach hedonistisch schön, ein geiles, üppiges Spaßteil zum hemmungslos jetzt saufen 95/100.

Den zweiten Wiin Kööv Abend begannen wir mit einer noch sehr jugendlich, frischen 2007 Eitelsbacher Karthäuserhofberg Auslese S von Tyrell, sehr mineralisch, man lutscht förmlich an einer Schiefertafel, gute, aber reife Säure, Zitrusfrüchte, Grapefruit, tolle Struktur und Länge 93/100. Von Frische konnte dagegen beim nächsten Wein keine Rede sein. Der 1938 Clüsserather Hofberg von der Weinhandlung A. Grote aus Hannover hatte eine güldene Farbe, Säure ohne Ende, Sherrytöne und war zwar noch trinkbar, aber nur mit Schmerzen 70/100. Da haben wir schnell mit einem 2005 Vom muscheligen Kalk von Klaus Keller nachgespült. Eigentlich gehört diese Sansibar-Abfüllung jung getrunken, zumindest gibt es auf Sylt immer nur den aktuellen Jahrgang, doch dieser 2005er zeigte trotz deutlicher, reifer Petrolnoten eine schöne Fülle mit einer floralen Nase, am Gaumen eher schlank und durch die immer noch gute Säure auch noch frisch wirkend 85/100. Leider mausetot war danach ein 1970 Le Berger Baron von La Bergerie. Gut gereift und ohne Schwächen, aber mit der leicht staubigen Rustikalität der 70er danach ein 1971 Chateauneuf-du-Pape Selection von Barrières, medizinal-kräuterige Nase, feine Süße am Gaumen 89/100. Ein geiler, prächtig-fülliger Kalifornier war dann ein 1995 Seavy Cabernet Sauvignon, mit viel Eukalyptus, Minze und auch Schokolade, süßer Schmelz am Gaumen, aber nicht dick, einfach nur lecker 94/100. Absolut betörend anschließend ein 1997 Araujo Eisele Cabernet Sauvignon mit feiner Fruchtsüße und viel Schmelz, Eleganz pur, so eine Art Comtesse aus Kalifornien, hat sich wunderbar entwickelt 95/100. Der absolute Knaller des Abends war aber ein 1992 Alzero di Monte Ca Paletta von Guiseppe Quintarelli. Klar war das ein alkoholisches Monster, aber mit unglaublichem Sex Appeal, eine Art Mischung aus Amarone und Port, eindeutig in der Lamarein-Liga, dicht und konzentriert, trüffelig mit schwarzen Früchten und Lakritz, und dabei doch cremig und einfach geil zu trinken. Dieses mächtige Zeugs aus getrockneten Cabernet Franc Trauben möchte ich weder jeden Abend noch als ganze Flasche trinken. Aber so ein Glas (na gut, ich hatte zwei) ist schon eine gewaltige 97/100 Geschmacksexplosion am Gaumen. Dekadent ging dieser Abend zu ende mit einem 1944 Royal Oporto Vintage Port. Der hatte eine reife, helle Farbe und auch eine dezente Schärfe, bestand aber ansonsten aus feinstem, flüssigen Marzipan und machte Spaß ohne Ende 94/100.

Aus der halben Flasche probierte ich im Wiin Kööv den 2001 Sassicaia. Sicher kein Blockbuster und nicht in der Jahrgangsspitze der Toskana, aber ein sehr feiner, eleganter Wein mit reifer Frucht und gutem Rückrat, wird sich noch etliche Jahre halten 91/100. Schlichtweg zu alt war danach ein mitgebrachter 1955 Domaine de l Eglise. Auch der 1971 Cheval Blanc war nicht gerade groß, aber zumindest interessant. Mit seiner an diesem Abend erstaunlich deutlichen Eukalyptusnote wirkte er eher wie als schwächerer 74er Kalifornier 87/100. Als großer, junger Pinot ging zum Schluss ein wunderbarer 1996 Blauer Spätburgunder von Friedrich Becker durch 93/100.
Ein anderer Wiin Kööv Abend begann mit einem 2007 Dürnsteiner Hollerin Riesling Smaragd von F.X. Pichler. Das war keiner dieser immer häufiger anzutreffenden, zu dicken, erschlagenden Smaragde, sondern ein erstaunlich eleganter, frischer, sehr feiner Wein, der mir ausnehmend gut gefiel. Entwickelte sich sehr gut im Glas und kam nobel rüber, mit kühler Steinobstfrucht(Marille pur), guter Säure und hoher Mineralität 91/100. Danach hatte es ein 2006 Meursault Les Narvaux von Collin-Morey verdammt schwer. Dieser feinnervige, sehr präzise strukturierte Meursault mit seiner knackigen Säure brauchte viel Zeit in der Karaffe, bis er würziger, fülliger und nussiger wurde 90/100. Beeindruckend wieder ein 1966 l Arrosée in der Barrière-Abfüllung. Hatte immer noch eine sehr dichte Farbe und eine Supernase mit reifer Frucht und viel Schokolade, am Gaumen kraftvoll und ohne Alter 93/100. Klassisch die Nase des 1971 La Mission, rauchig, ätherisch, Teer, Cigarbox. Am Gaumen reif und fein, voll auf dem Punkt 93/100. Und dann genehmigten wir uns meine vorletzte Flasche des 1990 Spätburgunders von Friedrich Becker. Erotischer Traumstoff mit herrlicher Frucht und leicht exotischer Üppigkeit 96/100. Da kam der daneben stehende 1996 Echezeaux von Henri Lamarche richtig unter die Räder. Der startete mit unangenehm viel Brett in der Nase, wirkte etwas animalisch und durch die immer noch massiven Tannine und die hohe Säure auch etwas stumpf 85/100. Weiter ging es mit einem 1974 Cabernet Sauvignon von Mondavi. Der war sehr fein und wirkte durch die hohe Säure auch noch erstaunlich frisch, doch fehlte ihm die aromatische Dichte des Reserve 87/100. Perfekter Schlusspunkt dann der saftige, fleischige, schokoladige und immer noch ungemein kraftvolle 1989 Gazin, ein Vollblutmerlot, der jede Suche wert ist 95/100.

Oder wie wäre es mit dieser, ebenfalls im Wiin Kööv zelebrierten Probe. Als Einstieg der uktrarare, spanische Sensations-Cava 1999 Turo d en Mota Brut Nature. Wir hatten leider vergessen, ihn zu dekantieren. So dauerte es halt ewig, bis er sich im Glas entfaltete und wenigstens ansatzweise die Komplexität zeigte, mit der er uns vor Monaten in Barcelona beeindruckt hatte. Passiert mir nicht noch mal. Absolut großartig dann 2007 Abtserde von Klaus Keller, für mich der beste Wein des Gutes. Ein straff gewirkter Traumriesling mit purer, glockenklarer Frucht, gewaltigem Extrakt und hoher Mineralität. Sehr komplex und mit unerhörtem, aromatischem Druck am Gaumen, trotz seiner Jugend schon ein großes Erlebnis 95+/100. Und dann waren mitgebrachte, rote Granaten angesagt. Los ging es mit 2000 Sloan, dem ersten Jahrgang dieses kalifornischen Kultweines. Ein gewaltiges, tintiges Konzentrat mit rauchiger Barrique-Nase, reifer Blaubeere und Brombeere sowie einer Wagenladung Graphit. Am Gaumen fast erschlagender Druck 93/100. Doch gegen 2001 Sloan wirkte der 2000 fast wie ein Weinchen. Was für ein Monster von Wein. Rabenschwarz in der Farbe, schwarze Magie auch in der Nase und am Gaumen, wurde in der Nase mit der Zeit etwas offener mit Veilchen, Lakritz und dunklen Früchten, blieb am Gaumen aber ein massives Konzentrat, das fast weh tat, dazu immer noch viel Tannin und spürbares Holz, langer Abgang. Da tat ich mich schwer mit der Bewertung. Wahrscheinlich müssten das so um die 95/100 sein, mehr für Leute, die einen solchen Stil mögen. Finessentrinker dagegen werden sich mit Grausen abwenden. Wer möchte, kann den ultrararen Sloan aus jüngeren Jahren für über € 800 pro Flasche in der Sansibar trinken. Sollten Sie das zu intensiv tun wollen, hängen Sie sich aber besser ein Schild mit Namen und Ferienadresse um, damit man später weiß, wo man sie hinbringen soll. Wir machten weiter mit einem göttlichen 2001 Foley Claret. Der hatte die Kraft von Sloan und die Frucht eines 95 Araujo mit wunderbarer Fruchtsüße, sehr konzentriert, aber auch generös und dabei mit bewundernswerter Struktur und Präzision, könnten die Sloans was von lernen 97/100. Weiter ging es mit dem spektakulären 2001 Finca El Bosque aus Spanien. Bei diesem gewaltigen, kräftigen, dichten Aromenbündel tanzte jede Geschmacksknospe meiner Zunge ihren eigenen Samba 98/100. Weg von den Hammerteilen führte uns dann ein im Vergleich sehr feiner und feingliedriger 2001 La Vina de Andres Romeo 96/100. Und in meiner Weinwelt waren wir zum Schluss noch mit einem außerweltlichen 1982 Gruaud Larose, der erst ganz am Anfang einer mehrere Jahrzehnte währenden Trinkreife steht 97+/100.

Auch im malerisch an der Wattseite gelegenen Keitum tut sich gastronomisch und weinmäßig einiges. Neu ist das Amici von Olli und Desche Berens. Hier tranken wir unter anderem einen 2007 Scharzhofberger Riesling von Van Volxem. Feine Schiefernase und dezente Honigtöne, am Gaumen elegante Fülle mit kaum spürbarer, gut eingebundener Restsüße und wiederum hoher Mineralität. Ein sehr eleganter Wein, der sicher von 1-2 Jahren weiterer Lagerung profitieren dürfte 88+/100. Über die Nudeln konnte man sich übrigens Australischen Wintertrüffel hobeln lassen. Organisiert hat diese Spezialität, von der es nur 50kg weltweit gibt, der umtriebige Ralf Bos. Geschmacklich liegt dieser dunkle Trüffel im Perigord, preislich eher in Alba. Ist sicher mal ein netter Gag, aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die zu Weihnachten frisch gestochenen Spargel und frisch gepflückte Erdebeeren brauchen. Alles bitte zu seiner Zeit, sonst gibt es im nächsten Jahr im Hochsommer an der Buhne 16 Glühwein und bei Jörg Müller Lebkuchenparfait mit Spekulatiuseis.

Einen fantastischen Abend verbrachten wir auch im Pius, wo wir in fröhlicher Runde den begehbaren Weinklimaschrank plünderten. Klar, wer geht schon an einem fair gepreisten 1976 Lafite Rothschild vorbei, noch dazu, wenn einer aus der Runde aus 1976 stammt und gerade Geburtstag hatte. Gut, der war nicht mehr so jung wie aus eigenen, kalt gelagerten Beständen. Sehr reif die Farbe und auch deutliche Alterstöne in der Nase und am Gaumen, doch war da auch viel altes Sattelleder, Zedernholz und immer noch etwas Frucht, vor allem aber diese immer diese unglaubliche Finesse und seidige Eleganz, die einen reifen, älteren Lafite auszeichnet. Ja, nicht nur wir mochten diesen Wein, er schien uns auch zu mögen und legte mächtig zu mit toller Länge am Gaumen, kein Hammerteil, aber ein wunderbar gereifter Wein zum Träumen mit gewaltigem Faszinationsfaktor 92/100. Mehrfach durfte ich schon zusammen mit Michael Broadbent, dem großen, alten Mann des Weins degustieren. Immer wieder wunderte ich mich, wenn der alle Gläser abräumen ließ, aber den Lafite behielt und sich noch stundenlang damit beschäftigte. So langsam komme ich dahinter, warum. Traumhaft schön danach vor allem die Nase eines 2000 Clos Vougeot von Bouchard, das Parfüm von Burgund zum stundelang dran riechen, am Gaumen gute Säurestruktur und immer noch deutliches Holz, dürfte noch ein längeres Leben haben 92/100. Wie schön, dass wir eine größere Runde waren. So kam als nächstes ein 1999 Hosanna ins Glas, jetzt in der wohl schönsten Trinkphase, vollbusig, schokoladig, verführerisch mit hohem Genussfaktor 91/100. Etwas feiner, aber auch nachhaltiger danach ein ebenfalls unwiderstehlicher 1999 Clinet 92/100. Eine erotisch-samtige 1998 Pichon Comtesse musste jetzt noch her, reif, weich, merlot-betont und einfach hedonistisch lecker 92/100. Erstaunlich zugänglich als Abschluss auch ein 1998 Montrose, die durchaus vorhandenen Tannine gut von reifer Frucht maskiert, statt altem Sattelleder ein neues Louis Vuitton Täschchen und für Montrose erstaunlich viel Schokolade 91/100. Pius ist übrigens keine Kunstfigur wie Micky Maus, sondern der Wirt des Manne Pahl in Kampen, der dieses Pius und drei weitere zusammen mit Partnern betreibt. "Lust am Leben" lautet das Motto des Pius, und damit das so bleibt, hätte ich an den echten Pius ein paar Wünsche: Füll nicht nur den von uns geplünderten Klimaschrank wieder auf, stell ihn bitte von Heizen auf Kühlen um, damit die Rotweine nicht immer vor dem Genuss in den Eiskühler müssen. Und falls Du noch zwei so nette Mädels wie in Keitum findest, mach doch mal einen Pius in Düsseldorf auf.

Sehr umfassend auch die Weinkarte bei Carsten Wulff. Auf der wunderschönen Terrasse ließen wir uns deshalb nicht nur die hervorragende Fischküche des Hauses munden. Langsam in Fahrt kommt der zu Anfang doch arg enttäuschende 2007 Idig GG von Christmann. Aber der braucht eben wie fast alle großen 2007er eine Weile. An diesem Abend zeigte er schon deutlich mehr, ein Wein mit viel Potential 92/100. Weiter war da schon der grandiose 2007 Loibner Loibenberg Riesling Smaragd von Knoll. Sehr fein, floral und mineralisch in der Nase mit reifer Frucht, am Gaumen dieser perfekte Spagat zwischen Eleganz und Kraft mit sehr guter Länge am Gaumen 94/100. Noch kräftiger und im Vergleich zu diesem Finessenmeister etwas rustikaler der beeindruckende 2006 Riesling Hubacker von Klaus Keller. Ein gewaltiges, komplexes Teil mit unglaublicher Länge, das den gesamten Gaumen mit Beschlag belegte 95/100. Nach diesen drei weißen Stars ging natürlich kein rotes Weinchen, da musste ein Kracher her. Den fanden wir in einem großartigen 1994 Dominus, der mit seiner leicht animalischen, ledrigen Art, seiner kalifornischen Frucht und der Struktur eines großen Pauillac voll überzeugte 97/100.

Wenn hier laufend von Terrasse die Rede ist, dann heißt das auch, aber nicht notwendigerweise, tagsüber. Sylt hat kein Mallorca-Klima, aber im Sommer spielt sich hier sehr viel draußen ab, auch abends. Im Notfall helfen auf den geschickt gestalteten Terrassen der Lokale dann auch schon mal Heizstrahler und Decken aus. Aber der Winter ist einfach zu lang und der Sylter Abendhimmel einfach zu schön, um nicht jede Gelegenheit zu nutzen, draußen zu sitzen. Zu den schönsten Terrassen der Insel gehört die des Fährhauses in Munkmarsch. Dort fing so ein Beispiel-Nachmittag mit einem kleinen Imbiss und einem feinen 2007 Norheimer Dellchen GG von Dönnhoff an. Ein verspielter, sinnlicher Riesling mit subtiler Eleganz und hoher Mineralität, dabei sehr nachhaltig am Gaumen 93/100. Aus der Halben kam danach ein 2004 Bombacher Sommerhalde Spätburgunder R von Huber. Der zeigte sich reif, zugänglich und süß mit feinem Schmelz 90/100. Neugierig war ich danach auf einen 1995 Pinot Noir Beaux Frères. Schließlich stammt der von Parkers Schwager und findet sich deshalb ganz konsequent nicht im Wine Advocate. Den probierten wir zunächst undekantiert aus einem großen Bordeaux-Glas, woraus er sich unnahbar und säurebetont zeigte. Ganz anders danach dekantiert und aus dem Burgunder-Glas, als ob es ein völlig anderer Wein wäre. Der Beaux Frères glättete sich, wurde zugänglicher, immer noch mit kräftiger Säure und pikanter Frucht, ein spannender Pinot, der immer noch jung wirkte 91/100. Inzwischen verdunkelte sich der Himmel rasch und ein mächtiges Gewitter zog auf. Wir hatten Glück und bekamen trotz Fahrradklamotten unter dem überdachten Teil der Terrasse Asyl und wurden ins Abendprogramm mit eingebaut. Das begleiteten wir zunächst mit einem 2002 Meursault Perrières von Leroy. Das war mein Ding, ein ungemein vielschichtiger, druckvoller Weißwein für Rotweintrinker, Kraft pur mit irrer Länge am Gaumen 93/100. Das Gewitter wollte nicht enden, der Wein schon. Also musste aus den Tiefen der gewaltigen Fährhauskarte als Abschluss noch ein übriggebliebener, reifer Australier her, ein 1986 Henschke Mount Edelstone. Ich bin kein großer Australien-Fan mehr, da mir die meisten Weine zu dick, zu alkoholreich und zu überladen sind. Aber bei dem hier glänzten doch meine Augen. Immer noch dichte Farbe ohne Reifetöne, sehr pfeffrig-würzige Aromatik mit viel frisch gemahlenem, schwarzem Pfeffer und purer, reintöniger Frucht, trotz aller Wucht erstaunlich fein wirkend mit toller Struktur, ein großer, perfekt gereifter Shiraz 94/100.
Ein anderer Fährhaus-Nachmittag begann mit einem 2007 Halenberg GG von Emrich-Schönleber, einem großen Riesling mit gewaltiger Struktur, der zur Entfaltung noch einiges an Zeit braucht 91+/100. Und da wir in fröhlicher Runde etwas zu feiern hatten, stürzten wir uns anschließend auf die separate Champagnerkarte des Fährhauses. Da musste dann die letzte Flasche 1990 Taittinger Comtes de Champagne dran glauben, einfach großer, komplexer, gut (an)gereifter Champagner 96/100. Ein würdiger Nachfolger könnte der auf ähnlichem Niveau liegende 1995 Taittinger Comtes de Champagne werden, deutlich jünger wirkend mit derzeit mehr Biss 95+/100.
Natürlich waren wir auch einen Abend im Gourmet-Restaurant des Fährhauses, wo Küchenchef Alexandro Pape ein gewaltiges, kulinarisches Feuerwerk abbrannte. Wir starteten mit einem goldgelbem 1995 Deutz Cuvée William Deutz. Feinperliges, dezentes Mousseux, trotz apfeliger Säure schon reif wirkend mit cremiger Textur und der Aromatik einer dicken Brotkruste 92/100. Weiter ging es mit einem 2001 Grüner Veltliner Reserve von Ott aus der Magnum. Ein traumhaft gereifter Grüner Veltliner mit cremiger, würziger Fülle, geht runter wie Öl, dabei mit schöner Frische und erstaunlicher Leichtigkeit und Finesse, sehr balanciert und ein gutes Beispiel dafür, dass guter Wein zur Vollendung Zeit braucht, reife Marille, die satten 14% Alkohol nicht spürbar, wird sich zumindest in der Magnum noch etliche Jahre auf 94/100 Niveau halten. In 5 Jahren sicher noch etwas darüber könnte der sehr beeindruckende 2007 Grüne Veltliner Der Ott liegen, jetzt noch ein Weinbaby mit satter, reifer Frucht, mächtiger Säure, toller Struktur und guter Länge, ein Wein mit immenser Strahlkraft 93+/100. Natürlich schlug ich auch zu, als ich auf der Karte noch eine Magnum 2005 Pinot Noir Eichholz von Irène Grünenfelder fand. Traumhaft schöner Beerencocktail von roten und blauen Früchten mit feiner Fruchtsüße, am Gaumen sehr harmonisch mit intensiver, süßer Frucht und langem Abgang, ein eigenständiger, überzeugender Wein, der in keine Schablone passt 94/100. Perfekter Abschluss danach wieder eine 2001 Oberhäuser Brücke Auslese von Dönnhoff, extraktreich, sehr mineralisch mit reifer Frucht und knackiger Säure, so perfekt balanciert und harmonisch, aber mit gewaltigem, aromatischem Druck am Gaumen - 95/100.

Am anderen Ende der Insel, in Hörnum, hat diese Saison das Hotel Budersand eröffnet. Über den großen Betonkasten am Hörnumer Hafen kann man sicher geteilter Meinung sein, mir gefällt er nicht. Dafür weist das Budersand aber nicht nur einen traumhaft schönen, in den Dünen gelegenen 18-Löcher Golfplatz auf(übrigens der vierte 18-Löcher-Platz auf Sylt, das damit zu einer veritablen Golf-Destination wird). Sehr ambitioniert auch die gastronomischen Ambitionen des Hauses. Mit Burhard Lindlar kocht hier der ehemalige Küchenchef des Düsseldorfer Victorian groß auf. Das dürfte wohl das fünfte Sylter Sternelokal werden. Aus dem Landhaus Stricker hat man sich als Sommelier Thomas Kallenberg geholt, der innerhalb kürzester Zeit eine gewaltige Weinkarte auf die Beine gestellt hat. Absolutes Schmuckstück des Budersand ist aber die direkt am Wasser gelegene Terrasse mit freiem Blick übers Meer bis Amrum und Föhr. Da tagsüber sitzen und die Seele baumeln lassen, das hat was. Klar haben wir uns das nicht entgehen lassen und zur kleinen, mittäglichen Bistrokarte einen
2007 Schloss Böckelheimer Kupfergrube GG von Schäfer-Fröhlich getrunken. Diesen potentiell großen Wein hätten wir besser dekantiert. Wirkte sehr verhalten mit nobler Eleganz, zurückhaltend und distinguiert mitkühler Frucht, sehr mineralisch, sicher in 1-2 Jahren besser 90+/100. Während die 2005er Großen Gewächse schon sehr jung förmlich aus dem Glas sprangen, scheinen die 2007er deutlich länger zu brauchen. Eigentlich jammerschade, denn wenn diese Weine endlich soweit sind, steht in den meisten Lokalen schon der Jahrgang 2009 auf der Karte. Zum Abschluss genehmigten wir uns noch ein Glas des offen ausgeschenkten 2003 Rayne Vigneau. Ein säurearmer, recht süßer, gefälliger Wein mit cremiger Textur und langem Abgang, gehört sicher jung getrunken 90/100.

Auf dem Weg von oder nach Hörnum kommt man unweigerlich an den meistens total überfüllten Parkplätzen der Sansibar vorbei. Ungebrochen die Anziehungskraft dieses inzwischen gnadenlos über Air Berlin, die Bundesbahn und immer zahlreicher werdende Klamottenläden vermarkteten Kultlokals. Ein Inselhighlight, das man sich nicht entgehen lassen darf. Vor dem, was dieser Herbert Seckler dort aus den Anfängen eines kleinen Standkiosk geschaffen hat, kann man nur den Hut ziehen. Legendär auch die weit über 1000 Positionen umfassende Weinkarte der Sansibar.
Ein Halt empfiehlt sich auch in Rantum. Hier hat Jörg Müllers ehemaliger Sommelier "Hottie" Höhne im Restaurant Coast eine neue Heimat gefunden und in kürzester Zeit eine spannende Weinkarte aufgebaut. Wir haben in größerer Runde einen schönen Nachmittag auf der Terrasse des Coast verbracht. Hin und weg waren wir zu Anfang von einem 2007 Monzinger Frühlingsplätzchen Spätlese trocken von Schäfer-Fröhlich. Lebendig, rassig, einfach nur schön, macht aus jedem Regentag ein perfektes Sommererlebnis 94/100. Im Vergleich dazu wirkte der 2007 Morstein GG von Wittmann, den wir schon ein paar Tage vorher im Wiin Kööv getrunken hatten, etwas barocker, fülliger und weniger entwickelt 92+/100. Viel Zeit und Luft brauchte auch der 2007 Riesling Kirchenstück Goldkapsel von Künstler. Der kam erst flach und enttäuschend ins Glas, baute dann aber irre aus. Wirkt sehr fein und elegant, und ist trotzdem sehr nachhaltig, ein spannender Wein. Gunter Künstlers Vergleich mit Lafite kann ich voll nachvollziehen 92+/100. Zum Abschluss tranken wir dann noch ein Glas 2007 Messidor BA von Gunderloch. Ein preiswerter Süßwein für Einsteiger mit tiefer, goldgelber Farbe, sehr würziger Frucht, guter Balance zwischen Süße und Säure, rund und gut zu trinken 88/100.

Zu den Wein-Highlights Westerlands gehört das Weinhaus Schachner, in dem gleich mehrere Ex-Sommeliers von Jörg Müller tätig sind. Der sehr rührige Martin Schachner, selbst ebenfalls ein Müller-Eleve, hat sich mit dem Weingut Tolaini aus der Toskana einen neuen, weiteren Exklusivimport gesichert. Pierre Luigi Tolaini hat in Nordamerika ein Vermögen gemacht und verwirklicht jetzt mit diesem toskanischen Weingut einen persönlichen Traum. Alle drei Weine des Gutes habe ich kurz glasweise verkostet. Der 2005 Picconero, das Flagschiff des Hauses, ist in einem sehr modernen, internationalen Stil gemacht, üppig, süß, ausladend 88/100. Nach einem Blick in den Hausprospekt des Gutes wurde mir schnell klar, warum das so war. Stand doch da großformatig der Hausherr neben Michelle Rolland. Und damit wir uns richtig verstehen, ich will hier nicht in das gleiche Horn blasen, wie viele der Rolland Kritiker. Der versteht nämlich sein Handwerk, liefert aber eben genau das, was seine Kunden wünsche. Und beim Picconero, der als 2006er hoffentlich etwas mehr Struktur hat, wurde eben wohl ein Wein für den internationalen, speziell den amerikanischen Geschmack gewünscht. Da gefiel mir der deutlich kräftigere, dichtere, authentischere und übezeugendere 2005 Valdisanti doch deutlich besser 90/100. Wenig anfangen konnte ich mit dem Einstiegswein des Gutes, dem 2005 Al Passo. Viel Brett in der Nase, schon sehr reif in der Farbe, wenig Frucht und wenig Freude, vielleicht nicht die beste Flasche 84/100. Ach ja, dann war da noch ein Glas 2006 Clos des Lambrays der Domaine des Lambrays, dem ich bei aller Nachhaltigkeit und Klasse in diesem Stadium nicht viel abgewinnen konnte. Gehört dringend vorher dekantiert oder besser ein Jahrzehnt weggelegt 90+/100.

Zu unseren häufig frequentierten Lieblingslokalen gehört Hardys Weinstuben. Sehr schön fand ich dort von Bosquet des Papes die beiden Chateauneufs 2005 A la Gloire de mon Grand Père und 2005 Chante de Merle Vieilles Vignes, beide in der 91-92/100 Liga, wobei der würzige, audrucksstarkeA la gloire momentan der zugänglichere von beiden ist.. Wieder sehr fein elegant mit schöner Frucht und guter Säure der gut balancierte 2006 Löwengang Chardonnay, der aber für diesen herausragenden Italien-Jahrgang fast etwas zurückhaltend und schüchtern wirkt 89/100. Mit viel Cassis und Schwarzkirsche bekamen wir einen 2005 Gaudin aus Pauillac ins Glas, weich und zugänglich am Gaumen, jugendliche Röstaromatik, gutes Tannin- und Säuregerüst für sicher 10 weitere Jahre 89/100.

Ein Klassiker in Westerland ist das Hotel Stadt Hamburg. Hier lassen wir uns jeden Sommer einen Abend von Restaurantchef Kliemek verwöhnen, der einen perfekten Service alter Schule bietet. Zur gepflegten Küche des Hauses tranken wir zunächst als Aperitif eine 2005 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Spätlese von Fritz Haag, die frisch-fruchtige, sehr extraktreiche, den Gaumenfluss animierende Leichtigkeit(nur 7.5%) des Seins 92/100. Mit kräftigem Goldgelb floss ein 1998 Ridge Santa Cruz Mountains Chardonnay ins Glas, rauchige Nase, kühle Frucht, bei aller Kraft am Gaumen erstaunlich schlank 90/100. Viel Potential hat der 1996 Canon-la-Gaffelière, der mir seinerzeit in den Arrivageproben sehr gut gefallen hat. Derzeit präsentiert er sehr tanninbetont, kräftig und sehr lang, Cabernet-betont mit viel Paprika, eher Medoc als St. Emilion, da sind noch mal ein paar Jahre Lagerung fällig 90+/100. Einfach lecker zum Schluss der 2007 Aldinger Merlot Cuvée M, schokoladig mit viel Schmelz, wie eine flüssige Praline von Lindt 90/100.

Klare Nummer Eins auf Sylt mit einer Weinkarte, die in ihrer Jahrgangstiefe zumindest in Deutschland ihres Gleichen sucht, ist Jörg Müller. Da ist natürlich klar, dass bei mir diverse Müller-Abende kein Pflichtprogramm, sondern eine lang herbeigesehnte Kür sind.
Mit einem jungen, aber schier unglaublich guten Wein startete der erste dieser "JM"(unter dieser Abkürzung kennt man das Restaurant auf der Insel)-Abende. Der 2006 Grüne Veltliner M von F.X. Pichler hatte eine unwahrscheinlich gewaltige, komplexe, dichte, mineralische Nase, die mit ihrem ungeheuren Druck eher an einen ganz großen Le Montrachet oder an einen Meursault Perrières von Coche Dury erinnerte, als an einen Grünen Veltliner. Ich bekam die Nase überhaupt nicht mehr aus dem Glas, so faszinierend war das, was da abging. Auch am Gaumen war dieser Wein ein sehr beeindruckendes, vielschichtiges, extrem druckvolles Monument mit schier ewiger, Minuten dauernder Länge am Gaumen 98/100. Eine traumhafte, generöse rot- und blaubeerige Frucht mit feiner Fruchtsüße hatte der 2005 Pinot Noir Rhein von Friedrich Becker. Am Gaumen burgundische Pracht und Fülle, nur im Abgang etwas kurz, was sich mit den Jahren legen könnte 92/100. Muss man den 1988 Barbaresco Sori San Lorenzo von Gaja mögen? Unbedingt dann, wenn man gerne das Auto in praller Sonne parkt, um hinterher am Verbandskasten zu schnüffeln. Erst nach drei Stunden verschwand dieser medizinale, gewöhnungsbedürftige Ton zusehend und machte immer mehr Minze Platz, doch blieb der Sori San Lorenzo auch am Gaumen ein animalischer und rustikaler Charakterstoff. Ab in die hinterste Ecke des Kellers und noch mal 10 Jahr warten 90+(?)/100. Blutjung erschien danach immer noch eine 1996 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese lange Goldkapsel #12 von Fritz Haag. Fülle, Süße, geradezu irrwitzige Säure, Länge ein potentiell großer Wein, der immer noch nicht richtig zu sich gefunden hat und in 20 Jahren oder später für Überraschungen sorgen könnte 91+/100.
Den nächsten JM-Abend begannen wir mit einer 2006 Hochheimer Kirchenstück Spätlese trocken 1. Gewächs von Künstler. Rechtzeitig dekantiert und aus großen Gläsern zeigte dieser großartige Wein eine wunderbar präzise, glockenklare Frucht, reifen süßen Pfirsich, am Gaumen sehr extraktreich, fruchtig mit feiner Extraktsüße, intensiver Mineralität und knackiger Säure, blieb dabei trotzdem schlank und elegant 93/100. Da kam der noch sehr jung wirkende 2004 Ried Kellerberg Riesling Smaragd von Knoll nicht mit. Allerdings hatten wir den auch kurzfristig eingeschoben und nicht dekantiert. Sehr fein und elegant mit schöner Steinobstfrucht, ebenfalls sehr mineralisch und präzise strukturiert mit schöner Länge, baute enorm im Glas aus 92/100. Ein recht opulenter, holzbetonter Chardonnay vom Feinsten war danach der 2006 Tatschler Chardonnay von Kollwentz, gute Frucht, viel Holz und Vanille, nussiger Schmelz und gute Länge am Gaumen 93/100. Mit einer seltsamen Nase startete der 1999 Mouchao von Casa Branca Sousel aus dem Alentejo in Portugal. Da war in der ersten Anmutung in der Nase der Wanderschuh eines Jacobsweg-Pilgerers am Ziel, auch der Teer unter der Schuhsohle kam durch. Doch das war nur der Anfang, denn dieser große Stoff brauchte einfach Luft und Zeit und explodierte dann förmlich. Süße, dunkle Früchte, Kaffee, Kräuter, wurde immer kirschiger und portiger mit toller Länge am Gaumen 93/100. Und nach dem Wanderschuh kamen jetzt die dazugehörigen Socken in Form eines 1989 Latour-à-Pomerol. Wurde mit der Zeit reifer und weicher im Glas, aber es blieben auch störende, grüne Töne, wahrscheinlich nicht die beste Flasche 86/100. Zwei herrliche Champagner tranken wir zum Schluss noch. 1983 Blanc de Blancs Bruno Paillard war noch so jung, frisch und fordernd, da ist noch Potential für lange Jahre 93/100. Der 1989 Blanc de Blancs Bruno Paillard
wirkte eine Spur reifer und weiter bei sonst ähnlicher Stilistik 92/100.
Eiskalt und perfekt lagert Jörg Müller seine Champagner. Da kann man dann bedenkenlos auch zu älteren Jahrgängen greifen. Wir taten das an einem anderen Abend mit einem 1979 Henriot Reserve de Philippe Rothschild. Der wirkte immer noch erstaunlich jung mit jugendlichem Mousseux, pikanter Frucht und hoher Säure, aber auch nachhaltig mit satter Brotkruste 91/100. Bei manchen Weinen würde ich mir ja wünschen, der liebe Jörg würde sie erst mal verstecken und nicht auf die Karte tun. Die 2007 Niederhäuser Hermannshöhle GG von Dönnhoff war bereits die vorletzte Flasche! Da hatte ein Fan innerhalb von zwei Wochen praktisch die ganze Kiste ausgesoffen. Übelnehmen kann ich es ihm nicht. Trotz seiner Jugend ist das ein hoch mineralischer Traumstoff, der in einer explosiven Mischung Alles von Allem hat, Überfluss in perfekter Harmonie und dabei mit unglaublicher Frische und Leichtigkeit Weltklasse!!! 97/100. Weiter ging es mit einem nach wie vor großartigen, klassischen 1978 Lafite Rothschild mit nachhaltiger Eleganz und guter Länge am Gaumen, ein vergessener Wein aus einem vergessenen Jahr, der jetzt auf dem Höhepunkt ist, wo er noch eine Weile bleiben wird 93/100. 1989 Hermitage la Chapelle war ein intensiver, lakritziger Traum, ein jetzt trinkbarer 90er für Schlaue 95/100. Marzipan mit Jod hört sich grausam an, war aber trotzdem eine interessante Mischung, die der 1963 Warre s da bot, mit feiner Süße am Gaumen 93/100. Riesengroß ist 91 Taylor, aber der Einzellagen-Port 1991 Quinta de Vargellas ist nur ein Schatten dessen 93/100.
Nur ein schnelles Glas Champagner wollten wir an einem anderen Abend auf Jörg Müllers gemütlicher Terrasse tranken. Leider habe ich vorher in die Karte geguckt. So wurde dann aus dem einfachen Glas Champagner eine ganze Flasche, ein 1982 Moet&Chandon. Was für ein Glücksgriff, perfekt gereifter Traumstoff ohne Schwächen, immer noch so jung mit gutem Mousseux 93/100. Natürlich orderten wir dazu auch noch ein paar geniale Ferkeleien aus der Speisekarte, und so musste noch ein Schluck Rotwein her. Wie eine deutlich jüngere Version des 83ers wirkte aus der halben Flasche 1990 Cheval Blanc, so druckvoll und aromatisch, Dekadenz in ihrer schönsten Form - 97+/100. Und wo wir nun schon mal dabei waren, probierten wir uns noch quer durch die göttlichen Dessertkreationen von Herrn Schwarz. Sein Ziegenkäse-Soufflé könnte ich fünfmal hintereinander essen, das ist eine der ganz großen Patisserien dieser Republik. Dabei begleitete uns ein 1995 Ruster Ausbruch von Feiler Artinger, sehr karamellig mit guter, balancierender Säure 93/100.
Beim letzten JM-Besuch musste dann auch die letzte Flasche 2007 Niederhäuser Hermannshöhle dran glauben. Damit ist dann jetzt erst mal Pause. Mit meinen Eigenen fange ich frühestens in drei Jahren an. Nicht voll auf der Höhe war eine 1985 Pichon Comtesse. Möglich, dass da ein leichter, schleichender Kork mit im Spiel war. Auf hohem Niveau wirkte die Comtesse etwas frucht-, kraft- und saftlos. Sehr jung, bissig und fordernd, aber auch mit guter Frucht und sehr präzisen Konturen danach ein 1989 Musigny Vieilles Vignes von Comte de Vogüe, aber auch mit den immer noch deutlichen Tanninen eine gewisse Härte zeigend, erinnerte an den im letzten Jahr getrunkenen 90er 90+/100. Da musste, zumal unsere Rund plötzlich noch anwuchs, etwas Anderes her. Hätten Sie sich jetzt getraut, eine Magnum 1989 Ihringer Winklerberg Spätburgunder Auslese trocken von Dr. Heger zu bestellen? Was war das für ein Glücksgriff! Warm, würzig, mollig, mit bester Spätburgunderart voll auf dem Punkt. Machte einfach immensen Trinkspaß und ließ den Musigny schnell vergessen 93/100.

Und welches kulinarische Erlebnis mir auf Sylt am meisten Spaß gemacht hat? Das war ein mehrgängiges, prächtiges Menü, mit dem uns unsere Tochter auf der eigenen Terrasse überraschte. Höhepunkt war ein ganzer Nordseesteinbutt, wie man ihn hier auf der Insel mit etwas Glück ganz frisch kaufen kann. Dazu genossen wir zunächst zwei Weiße vom Weingut Dr. Heger. Hier scheint Joachim Heger erfolgreich einen Stilwandel hin zu eleganteren, leichteren Weinen vollzogen zu haben. Die barocke Fülle behält er sich selbst vor. Mein Favorit war der 2007 Ihringer Winklerberg Chardonnay*** Spätlese trocken. Der hatte eine frische, pikante, reintönige Frucht, am Gaumen viel feinen, nussigen Schmelz und ging, ohne irgendwie dick zu sein, runter wie Öl. Ein perfektes Lustgetränk 92/100. Aber auch der bei aller Nachhaltigkeit sehr feine 2007 Achkarrer Schlossberg Weißburgunder GG mit seiner delikaten Frucht konnte voll überzeugen 90/100. Hoher Spaßfaktor auch beim prachtvollen 2000 Aiguilhe 93/100. 1995 Haut Brion dagegen war aus meinem Eiskeller noch sehr jung mit etwas dominierender Säure und bissigen Tanninen, wodurch die Frucht und die rauchig-teerige Cigarbox-Aromatik etwas überdeckt wurden und der Wein am Gaumen etwas spitz wirkte. Da sind wohl noch ein paar Jahre Warten angesagt 92+/100. Hatte ich vor ein paar Monaten aus wärmerer Lagerung deutlich besser und weiter im Glas. Wunderschön, sehr schmelzig-schokoladig und elegant danach die 1986 Pichon Comtesse 95/100. Den Abschluss bildete ein beeindruckender 2006 Eneo. Ein gewaltiger Wein, im jetzigen Stadium eher noch etwas ein ungestümer Kraftbolzen, aber mit was für Anlagen und mit welch toller Frucht. Der stößt qualitativ schon in Gabbro-Regionen vor und ist der bisher mit Abstand beste Eneo 93+/100 mit Potential für 1-2 mehr.

Ein paar schöne, eigene Weine verkosteten wir auch bei einer privaten Geburtstagsfeier in Tinnum bei Sylter Freunden. In der Burgunderflasche kommt Peter Sisseks neueste Schöpfung, der 2007 PSI. Er stammt aus zugekauften Tempranillo-Trauben ausgewählter, kleiner Winzer und dort wiederum nur aus den besten Parzellen mit altem Rebbestand. Das Ergebnis ist ein klassischer Sissek, generöse pflaumige Frucht, samtig und weich mit reifen Tanninen und viel süßem Schmelz und aromatischem Druck am Gaumen. Einfach hedonistisch schön mit langem Abgang, für das schwierigere Jahr und für ein Erstlingswerk mehr als erstaunlich 92/100. Wird sicherlich ähnlich schnell "Karriere" machen, wie die anderen Sissek-Weine. Da werde ich wohl noch mal schnell nachkaufen. Und wo wir gerade bei Hedonismus sind. Da legte der 2004 John Arns Cabernet Sauvignon noch mal richtig eins drauf. Ein explosives, fettes Gemisch mit superreifer Frucht und hoher Fruchtsüße, trinkt sich einfach verdammt gut. Wer auf solche Weine steht, ist hier im siebten Himmel 95/100. Das ist nicht die intellektuelle Dorfschullehrerin mit Nickelbrille, hier ist richtig was im Decolté. Interessant war dabei der Vergleich mit 2001 Pavie, der ja auch nicht gerade als braver, verhaltener Bordeaux gilt. Aber der wirkte gegen John Arns sehr strukturiert und fast zurückhaltend, war aber nach spätestens nach dem dritten Schluck der spannendere Wein 96/100. Hedonismus pur war später wieder mit 2001 Aalto angesagt, verschwenderische Frucht und Süße, aber auch gute Struktur und hohe Mineralität 94/100. Der schon recht reife, aber immer noch sehr gut zu trinkende 1990 Fleur de Gay wirkte in diesem Trommelfeuer fast etwas verloren 90/100. Das galt natürlich erst recht für den letzten Wein, einen ganz netten, gefälligen, aber doch recht braven 2007 Rosso di Montalcino von Sassetti 86/100.

Und dann gab es noch die schon traditionelle Einladung auf die Rantumer Düne. Hier wurden wir in herzlicher Atmosphäre kulinarisch und weinmäßig verwöhnt. Wohl dem, der solche Freunde hat. Empfangen wurden wir mit einem 1976 Dom Perignon. Reifes Goldgelb, erste Reifetöne auch in der Nase, doch die verschwanden rasch. Stattdessen dann verschwenderische Fülle und immer noch ein gutes Mousseux, ein Prachtstück von reifem Champagner 95/100. Auf sehr hohem Niveau ging es weiter mit einem genialen 1992 Batard Montrachet von der Domaine Leflaive. Auch hier reifes Goldgelb, in der mineralischen Nase in Honig geröstete Mandeln, am Gaumen Kraft und Eleganz ideal gepaart mit schmelziger Fülle, ein gewaltiges Monument ohne jedes Zeichen von Schwäche 97/100. Der 1967 Le Montrachet von DRC hatte schon die ins Güldene gehende Farbe einer älteren TBA, blüht in der Nase kurz auf, aus Möbelpolitur wird ein großes Backparadies, dann kommt verstärkt die Säure durch, die auch den Gaumen dominiert. Dort, am Gaumen, ringen Kraft und Komplexität mit morbider Senilität, begleitet von hoher Säure. In Summe war das ein sehr facettenreiches, faszinierendes und spanndes Alweinerlebnis, auch ohne den Blick aufs Etikett 92/100. Den roten Reigen eröffnete danach ein 1990 Conseillante, der sich nach den vielen, eher etwas enttäuschenden Flaschen der letzten Jahre endlich wieder in besserer Form zeigte. Sehr feine, elegante Nase, schokoladige, generöse Fülle am Gaumen, reif, aber mit genügend Substanz für lange Jahre 95/100. Ganz am Anfang dagegen noch der 1994 Lafleur. Ein durchaus mit Vergnügen antrinkbares Kradtpaket mit lakritzig-kräuteriger Aromatik und immer noch mächtigen Tanninen. Ein Langstreckenläufer, bei dem noch deutlich mehr kommen wird 93+/100. Ganz großes Rotweinkino wieder der überragende, portige, dichte, sehr komplexe 1983 Cheval Blanc 97/100.Sehr positiv überrascht war ich zum Schluss von 2003 Leoville las Cases. Das sollte 2003 sein? Diese geradlinige, wunderbare Frucht, diese gewaltige, präzise Struktur, diese noble Eleganz, diese großartige Länge? Ein fantastischer, großer St. Julien, den wir vielleicht genau im richtigen Moment erwischten und der mich in diesem Stadium an die geniale Fruchtphase des 1982 Leoville las Cases erinnerte 97/100. Für mich der ersten wirklich große 2003er aus diesem völlig überbewerteten Jahrgang, den ich im Glas hatte.

Inzwischen bin ich zurück am heimischen Schreibtisch und zähle die Tage zumindest bis zum nächsten Sylt-Kurztrip. Eine Ausrede wird mir schon einfallen.

Und hier sind aus den Vorjahren die Sylter W(E)indrücke 2008, 2007 und 2006.