1917

1917 litt unter kriegsbedingtem Arbeitskräftemangel. Trotzdem hat es in Bordeaux einige schöne Weine gegeben haben, auch und vor allem auf dem rechten Ufer. Davon dürften aber nur die besten überlebt haben.

Latour war 2017 ein klassischer, mineralischer Latour mit kräuteriger Herbe und der typischen Walnussaromatik, aber auch mit erster, feiner Süße, noch sehr kräftig mit guter Länge – WT96. Immer noch intakt 2015 die dichte Farbe des Mouton Rothschild, faszinierende Nase mit Minze ohne Ende, Waldboden, Jod, Perubalsam, Kräutern. Stand wie eine Eins im Glas, noch so vital mit guter Säure, feiner Süße und der bitteren Walnussnote, die man von Latour kennt. Unglaublich, wie der sich mit Luft im Glas entwickelte und immer mehr Länge am Gaumen zeigte – WT97. Meine zweite Flasche 2017 zeigte trotz Kork, der aber geringer wurde, eine irre Struktur, Substanz und stabile Säure, dazu mit der Zeit immer mehr Eukalyptus und Minze. In guten Flaschen sicher noch eine Suche wert.

Eine Art reiner Biowein aus zarter Frauenhand dürfte der Gruaud Larose (Faure) in einer Bethmann-Abfüllung gewesen sein. Arbeitskräfte gab es in diesem harten Kriegsjahr praktisch keine, Spritzmittel ohnehin nicht und wahrscheinlich auch keine neuen Fässer. Wenn dann solch ein fast hundertjähriger Weinsenior 2014 noch gut trinkbar ist, dann hat das was. Die Farbe ein helles, aber klares Braun, die zu Anfang leicht staubig-morbide Nase wird mit Luft besser, am Gaumen erstaunliche Süße gepaart mit guter, tragender Säure – WT86.

Haut Brion war 2012 erstaunlicherweise noch trinkbar. Sehr reifes, dunkles Braun, in der Nase Waldboden, abgestandener Beeftea, hohe Säure am Gaumen und oxidative Noten. Aber dieser Haut Brion Greis fiel im Glas nicht in sich zusammen, sondern hielt sich erstaunlich – 80/100.

Aus einem eher mäßigen Burgunderjahr habe ich 2007 einen Chateau Mandelot mit der Lagenbezeichnung Arrières Beaune von Bouchard getrunken. Der hatte schon eine ziemlich helle Farbe, aber eine Traumnase mit Erdbeere, Kaffee und kräuteriger Würze, unendlich fein und elegant am Gaumen, mineralisch, vielschichtig, ewige Länge, gute Säure, kein Wein der lauten Töne, sondern eher subtil und dabei trotz 90 Jahren kein bisschen müde – 94/100. Ein Chambolle Musigny von Flouche-Fils hatte 2010 eine leicht gezehrte, säuerliche Nase, die mit der Zeit immer korkiger wurde, erstaunlich intakt dagegen die Farbe und am Gaumen war viel pikante Frucht, könnte ohne Kork durchaus eine 90/100 Überraschung abgeben.

Legendär ist der YGAY von Marques de Murrietta aus Rioja. Leider war das einzige Exemplar, das ich davon 2001 verkosten durfte, nicht optimal. Kräftiges Dunkelbraun, milchig-trüb, pflaumig, sehr lang, hohe Säure, aber der richtige Spaß wollte nicht aufkommen. Hier war sicher die Lagerung nicht optimal. Wer einmal gesehen hat, wie in spanischen Läden Weine bei nicht gerade niedrigen Temperaturen über Jahre stehend im Regal verbringen, kennt das Problem.

Der Veltliner Sassella von P. Zanolari aus Chur war kein Schweizer Wein, sondern ein in der Schweiz abgefüllter Wein aus dem Veltlin, ein Nebbiolo. Unglaublich, wie dieser 98jährige Wein 2015 noch im Glas stand. Helle, aber intakte Farbe, so eine feine, pikante Frucht, gute Säure, schöne Fülle, gut trinkbar – WT88

Gut gefallen hat mir 1993 ein zwar sehr reifer, aber ungemein attraktiver Croft aus einem insgesamt guten Port-Jahrgang. Ein Oporto Douro Superior Imperial Reserve von Vandermeulen war 2017 in bestechender Qualität altersfrei mit superber Aromatik, gebneröser Süße und immer noch großartiger Struktur - WT96